Sprache: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Yogawiki
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:MP900177808.JPG|thumb]]
[[Datei:MP900177808.JPG|thumb]]


==Sprachphilosophisches aus dem Vedanta (übersetzt aus p. 289,10-297,7)==
==Sprachphilosophisches aus dem Vedanta==
'''Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 68 - 76.'''
'''Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 68 - 76.'''


[Der Gegner, welcher den Sphota verteidigt, spricht:] „Bei der An-„nahme, dafs die Buchstaben [des Wortes die Trager seiner Bedeutung „seien], ist, da diese, [kaum] entstanden, zerstieben, ein Entstehen der „Individuen, wie Götter usw., aus den ewigen [Veda-]Worten nicht mög-„lich. Dazu kommt, dafs die [kaum] entstanden zerstiebenden Buch-„staben je nach der Aussprache anders und wieder anders vernommen „werden. So ist es z. B. möglich, einen bestimmten Menschen, auch ohne „dafs man ihn sieht, indem man ihn vorlesen hört, an dem Tone mit Be-„stimmtheit zu erkennen und zu sagen: «Devadatta liest» oder «Yajhadatta „liest». Und diese entgegengesetzte Auffassung der [nämlichen] Buch-„staben beruht doch nicht auf Irrtum, indem keine Auffassung vorhanden „ist, welche sie widerlegte. — überhaupt kann man nicht annehmen, dafs „der Sinn eines Wortes aus den [blofsen] Buchstaben erkaunt werde. „Denn [erst!ich] lafst sich nicht annehmen, dafs jeder einzelne Buchstabe „für sich den Sinn kund macht, weil sie voneinander verschieden sind; „[zweitens] ist auch [der Wortsinn] keine [blofse] Vorstellung der Summe „der Buchstaben, weil dieselben der Reihe nach folgen [wobei die einen „schon zerstoben sind, wenn die andern ausgesprochen werden]. Steht es „nun vielleicht [drittens] so, dafs der letzte Buchstabe, unterstützt von „dem Eindruck (satpskâra), den die Perzeption der vorhergehenden Buch-„staben erzeugt hat, den Sinn kund macht? — Auch das geht nicht. „Denn [nur] das Wort selbst, unter Voraussetzung der Auffassung der „[Buchstaben-]Verbindung, tut aufgefafst den Sinn kund, wie der Rauch „[dessen zerstiebende und immer neu sich erzeugende Teilchen für sich „allein die Vorstellung des Rauches nicht zu geben vermögen]. Auch ist „eine Auffassung des «letzten Buchstabens, unterstützt von dem Eindruck, „den die Perzeption der vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat», nicht „möglich, weil die Eindrücke nichts Wahrnehmbares [mehr] sind. — Ist .,es denn nun vielleicht (viertens] der letzte Buchstabe, unterstützt von „den in ihrer Nachwirkung perzipierten Eindrücken [der vorhergehenden], „welcher den Sinn kund macht? — Auch nicht; denn auch das Sich-„erinnern, wie es die Nachwirkung der Eindrücke ist, ist eine Reihe [von „Vorstellungen in der Zeit, — was oben, zweitens, schon besprochen „wurde]. — Sonach bleibt nur übrig, dafs das Wort [als Ganzes, d. h. sein ,,Sinn] ein Sphota (ein Aufplatzen] ist, welcher dem Perzipierenden, „nachdem dieser durch Perzeption der einzelnen Buchstaben den Samen „der Eindrücke empfangen und denselben mittels der Perzeption des letz-.,ten Buchstabens zur Reife gebracht hat, in seiner Eigenschaft als eine „einheitliche Vorstellung plötzlich einleuchtet. Und diese einheitliche „Vorstellung ist keine Rückerinnerung, die sich auf die Buchstaben be¬zöge; denn die Buchstaben sind mehrere und können daher nicht das „Objekt der einheitlichen Vorstellung sein. Dieser [Sphota, die Wortseele, „wie wir sagen könnten,] wird bei Gelegenheit der Aussprache [nur] ,,wiedererkannt, [nicht erzeugt] und ist daher ewig, [sowie auch einheit-„lich,] indem die Vorstellung der Vielheit sich nur auf die Buchstaben „bezieht. Somit ist das Wort [d. h. sein Sinn] in Gestalt des Sphota „ewig, und aus ihm als Benennenden geht hervor als zu Benennendes die „aus Tat, Täter und Früchten bestehende Welt."
[Der '''Gegner''', welcher den [[Sphota]] verteidigt, spricht:] „Bei der Annahme, dass die Buchstaben des [[Wort]]es die Träger seiner [[Bedeutung]] seien, ist, da diese, kaum entstanden, zerstieben, ein Entstehen der Individuen, wie Götter usw., aus den ewigen Veda-Worten nicht möglich. Dazu kommt, dass die kaum entstanden zerstiebenden Buchstaben je nach der Aussprache anders und wieder anders vernommen werden. So ist es z. B. möglich, einen bestimmten [[Mensch]]en, auch ohne dass man ihn sieht, indem man ihn vorlesen hört, an dem [[Ton]]e mit [[Bestimmtheit]] zu erkennen und zu sagen: "Devadatta liest" oder "Yajnadatta liest".


„Hingegen erklärt der ehrwürdige Upavarsha [ein alter Vlmansa-und Vedanta-Lehrer, vgl. oben, Anm. 17, und Colebrooke Misc. Ess.' 1, 332]: „Nur die Buchstaben sind das Wort."
Und diese entgegengesetzte Auffassung der [nämlichen] Buchstaben beruht doch nicht auf [[Irrtum]], indem keine Auffassung vorhanden ist, welche sie widerlegte. Überhaupt kann man nicht annehmen, dass der [[Sinn]] eines Wortes aus den [bloßen] Buchstaben erkannt werde. Denn [erstlich] lässt sich nicht annehmen, dass jeder einzelne Buchstabe für sich den Sinn kund macht, weil sie voneinander verschieden sind; [zweitens] ist auch [der Wortsinn] keine [bloße] [[Vorstellung]] der Summe der Buchstaben, weil dieselben der Reihe nach folgen [wobei die einen schon zerstoben sind, wenn die andern ausgesprochen werden]. Steht es nun vielleicht [drittens] so, dass der letzte Buchstabe, unterstützt von dem Eindruck (Samskara), den die Perzeption der vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat, den Sinn kund macht? — Auch das geht nicht. Denn [nur] das Wort selbst, unter Voraussetzung der Auffassung der [Buchstaben-][[Verbindung]], tut aufgefasst den Sinn kund, wie der Rauch, dessen zerstiebende und immer neu sich erzeugende Teilchen für sich allein die Vorstellung des Rauches nicht zu geben vermögen. Auch ist eine Auffassung des letzten Buchstabens, unterstützt von dem [[Eindruck]], den die Perzeption der vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat, nicht möglich, weil die Eindrücke nichts Wahrnehmbares [mehr] sind.


[Gegner:] „Aber ich habe doch gesagt, dafs die Buchstaben, so wie „sie entstehen, zerstieben."
Ist es denn nun vielleicht (viertens] der letzte Buchstabe, unterstützt von den in ihrer Nachwirkung perzipierten Eindrücken [der vorhergehenden], welcher den Sinn kund macht? — Auch nicht; denn auch das Sich-Erinnern, wie es die Nachwirkung der Eindrücke ist, ist eine Reihe von [[Vorstellung]]en in der [[Zeit]], — was oben, zweitens, schon besprochen wurde. Sonach bleibt nur übrig, dass das Wort als Ganzes, d. h. sein Sinn ein Sphota (ein Aufplatzen] ist, welcher dem Perzipierenden, „nachdem dieser durch Perzeption der einzelnen Buchstaben den Samen „der Eindrücke empfangen und denselben mittels der Perzeption des letzten Buchstabens zur Reife gebracht hat, in seiner [[Eigenschaft]] als eine einheitliche Vorstellung plötzlich einleuchtet. Und diese einheitliche Vorstellung ist keine Rückerinnerung, die sich auf die Buchstaben bezöge; denn die Buchstaben sind mehrere und können daher nicht das Objekt der einheitlichen Vorstellung sein. Dieser Sphota, die Wortseele, wie wir sagen könnten, wird bei Gelegenheit der Aussprache nur wiedererkannt [nicht erzeugt] und ist daher ewig, [sowie auch einheitlich,] indem die Vorstellung der Vielheit sich nur auf die Buchstaben bezieht. Somit ist das Wort [d. h. sein Sinn] in Gestalt des Sphota ewig, und aus ihm als Benennenden geht hervor als zu Benennendes die aus Tat, Täter und Früchten bestehende Welt."


[Upavarsha:] „Dem ist nicht so, denn man erkennt sie wieder als „die nämlichen."
Hingegen erklärt der ehrwürdige [['''Upavarsha''']] [ein alter [[Mimansa]]- und Vedanta-[[Lehrer]]: „Nur die Buchstaben sind das Wort."


[Gegner:] „Dafs man sie wiedererkennt, beruht bei ihnen darauf, „dafs sie [den frühern] ähnlich sind, etwa so wie bei den Haaren (vgl. ad „Brih. 743.2)."
'''Gegner''': „Aber ich habe doch gesagt, dass die Buchstaben, so wie „sie entstehen, zerstieben."


[Upavarsha:] „0 nein! Denn dafs es ein Wiedererkennen [der „nämlichen, nicht blofs ähnlicher] ist, wird durch keine andere Erkenntnis „widerlegt."
'''Upavarsha''': „Dem ist nicht so, denn man erkennt sie wieder als die nämlichen."
 
'''Gegner''': „Dass man sie wiedererkennt, beruht bei ihnen darauf, dass sie [den frühern] ähnlich sind, etwa so wie bei den Haaren (vgl. ad Brih. 743.2)."
 
'''Upavarsha''': „0 nein! Denn dafs es ein Wiedererkennen [der „nämlichen, nicht blofs ähnlicher] ist, wird durch keine andere Erkenntnis „widerlegt."


[Gegner:] „Das Wiedererkennen hat in den Gattungen (âkriti) sei-„nen Grund." [Wenn ich wiederholt a spreche, so ist es nicht das Indi¬viduum a, sondern die Gattung a, welche in den verschiedenen Individuen wiederkehrt.]
[Gegner:] „Das Wiedererkennen hat in den Gattungen (âkriti) sei-„nen Grund." [Wenn ich wiederholt a spreche, so ist es nicht das Indi¬viduum a, sondern die Gattung a, welche in den verschiedenen Individuen wiederkehrt.]

Version vom 25. Oktober 2013, 13:58 Uhr

MP900177808.JPG

Sprachphilosophisches aus dem Vedanta

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 68 - 76.

[Der Gegner, welcher den Sphota verteidigt, spricht:] „Bei der Annahme, dass die Buchstaben des Wortes die Träger seiner Bedeutung seien, ist, da diese, kaum entstanden, zerstieben, ein Entstehen der Individuen, wie Götter usw., aus den ewigen Veda-Worten nicht möglich. Dazu kommt, dass die kaum entstanden zerstiebenden Buchstaben je nach der Aussprache anders und wieder anders vernommen werden. So ist es z. B. möglich, einen bestimmten Menschen, auch ohne dass man ihn sieht, indem man ihn vorlesen hört, an dem Tone mit Bestimmtheit zu erkennen und zu sagen: "Devadatta liest" oder "Yajnadatta liest".

Und diese entgegengesetzte Auffassung der [nämlichen] Buchstaben beruht doch nicht auf Irrtum, indem keine Auffassung vorhanden ist, welche sie widerlegte. Überhaupt kann man nicht annehmen, dass der Sinn eines Wortes aus den [bloßen] Buchstaben erkannt werde. Denn [erstlich] lässt sich nicht annehmen, dass jeder einzelne Buchstabe für sich den Sinn kund macht, weil sie voneinander verschieden sind; [zweitens] ist auch [der Wortsinn] keine [bloße] Vorstellung der Summe der Buchstaben, weil dieselben der Reihe nach folgen [wobei die einen schon zerstoben sind, wenn die andern ausgesprochen werden]. Steht es nun vielleicht [drittens] so, dass der letzte Buchstabe, unterstützt von dem Eindruck (Samskara), den die Perzeption der vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat, den Sinn kund macht? — Auch das geht nicht. Denn [nur] das Wort selbst, unter Voraussetzung der Auffassung der [Buchstaben-]Verbindung, tut aufgefasst den Sinn kund, wie der Rauch, dessen zerstiebende und immer neu sich erzeugende Teilchen für sich allein die Vorstellung des Rauches nicht zu geben vermögen. Auch ist eine Auffassung des letzten Buchstabens, unterstützt von dem Eindruck, den die Perzeption der vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat, nicht möglich, weil die Eindrücke nichts Wahrnehmbares [mehr] sind.

Ist es denn nun vielleicht (viertens] der letzte Buchstabe, unterstützt von den in ihrer Nachwirkung perzipierten Eindrücken [der vorhergehenden], welcher den Sinn kund macht? — Auch nicht; denn auch das Sich-Erinnern, wie es die Nachwirkung der Eindrücke ist, ist eine Reihe von Vorstellungen in der Zeit, — was oben, zweitens, schon besprochen wurde. Sonach bleibt nur übrig, dass das Wort als Ganzes, d. h. sein Sinn ein Sphota (ein Aufplatzen] ist, welcher dem Perzipierenden, „nachdem dieser durch Perzeption der einzelnen Buchstaben den Samen „der Eindrücke empfangen und denselben mittels der Perzeption des letzten Buchstabens zur Reife gebracht hat, in seiner Eigenschaft als eine einheitliche Vorstellung plötzlich einleuchtet. Und diese einheitliche Vorstellung ist keine Rückerinnerung, die sich auf die Buchstaben bezöge; denn die Buchstaben sind mehrere und können daher nicht das Objekt der einheitlichen Vorstellung sein. Dieser Sphota, die Wortseele, wie wir sagen könnten, wird bei Gelegenheit der Aussprache nur wiedererkannt [nicht erzeugt] und ist daher ewig, [sowie auch einheitlich,] indem die Vorstellung der Vielheit sich nur auf die Buchstaben bezieht. Somit ist das Wort [d. h. sein Sinn] in Gestalt des Sphota ewig, und aus ihm als Benennenden geht hervor als zu Benennendes die aus Tat, Täter und Früchten bestehende Welt."

Hingegen erklärt der ehrwürdige '''Upavarsha''' [ein alter Mimansa- und Vedanta-Lehrer: „Nur die Buchstaben sind das Wort."

Gegner: „Aber ich habe doch gesagt, dass die Buchstaben, so wie „sie entstehen, zerstieben."

Upavarsha: „Dem ist nicht so, denn man erkennt sie wieder als die nämlichen."

Gegner: „Dass man sie wiedererkennt, beruht bei ihnen darauf, dass sie [den frühern] ähnlich sind, etwa so wie bei den Haaren (vgl. ad Brih. 743.2)."

Upavarsha: „0 nein! Denn dafs es ein Wiedererkennen [der „nämlichen, nicht blofs ähnlicher] ist, wird durch keine andere Erkenntnis „widerlegt."

[Gegner:] „Das Wiedererkennen hat in den Gattungen (âkriti) sei-„nen Grund." [Wenn ich wiederholt a spreche, so ist es nicht das Indi¬viduum a, sondern die Gattung a, welche in den verschiedenen Individuen wiederkehrt.]

[Upavarsha:] „Nein, sondern es ist ein Wiedererkennen der Indi-„viduen. Ja, wenn man beim Sprechen, wie sonst bei Individuen, z. B. bei „Kühen, immer andere und andere Buchstaben-Individuen vernähme, so ,würde das Wiedererkennen in den Gattungen seinen Grund haben; dem „aber ist nicht so; denn nur die Individuen der Buchstaben werden beim „Sprechen wiedererkannt, und [wenn einer das nämliche Wort, z. B. «Kuh», „wiederholt, so] nimmt man an, dafa er zweimal das Wort a Kith», nicht „aber, dais er zwei Worte Kuh» ausgesprochen habe."

[Gegner:] „Aber die Buchstaben werden doch [wie oben geltend „gemacbt] je nach der Verschiedenheit der Aussprache als verschiedene „vernommen; denn wenn man das Vorlesen von Devadatta und Yajûadatta „am Tone, durch das blofse Hören unterscheiden kann, so kommt das „daher, tints man einen Unterschied vernimmt" [Das Wiedererkennen eines Buchstabens mufs also ein solches der Spezies, nicht des je nach der Aussprache verschiedenen Individuums sein.]

[Upavarsha:] „Unbeschadet der genauen Bestimmtheit des auf die „Buchstaben sich beziebendeu Erkennens, lassen sich doch die Buchstaben „[mehr] verbunden oder [mehr] getrennt aussprechen; und sonach hat die „verschiedene Auffassung der Buchstaben in der Verschiedenheit des Aus-„sprechenden ihren Grund, nicht aber in der Natur der Buchstaben. „Ferner: auch der, welcher die Verschiedenheit in die Individuen der .,Buchstaben [statt in die Art ihrer Aussprache] verlegt, mufs, wenn eine „Erkenntnis möglich werden 8011, [zunächst] Gattungen far die Buchstaben „ansetzen und dann annehmen, dafs diese [Gattungen] durch fremde Ein-„flüsse veischieden aufgefafst werden; und da ist doch die Annahme als „einfacher vorzuziehen, dais bei den Individuen der Buchstaben durch „fremde Einflüsse die Auffassung der Verschiedenheit, durch ihre eigene „Natur hingegen das Wiedererkennen derselben bedingt ist. Denn dadurch „eben wird die Annahme, als läge eine Verschiedenheit in den Buchstaben, „widerlegt, dais ein Wiedererkennen derselben stattfindet."

[Gegner:] „Aber wie kann es geschehen, dafa der Laut ga, welcher „doch einer ist, zugleich ein verschiedenartiger ist, wenn zur selben Zeit „mehrere ihn aussprechen, und [ebenso] wenn er mit dem Akut, dem „Gravis, dem Zirkumflex, mit dem Nasal, ohne Nasal ausgesprochen „wird?" [Upavarsha:] „Nun, diese Verschiedenheit der Auffassung wird „nicht durch die Buchstaben, sondern durch den Ton (dhvani) veranlafst.` [Gegner:] „Was ist denn das, der Ton?"

[Upavarsha:] „Dasjenige, welches, wenn man aus der Ferne hört „und den Unterschied der Buchstaben nicht auffafst, an das Ohr schlägt, „und welches einen nahe Sitzenden veranlafst, die [in ihm selbst liegenden] „Unterschiede wie Stumpfsinn und Scharfsinn den Buchstaben [die er hört] „aufzuhängen. Und an dieses [den Ton] knüpfen sich die Unterschiede „der Betonung mit dem Akut usw., nicht an die eigene Natur der Buch-„staben. Die Buchstaben aber werden [unabhängig vom Ton], sowie sie „ausgesprochen werden, wiedererkannt. Nimmt man dies an, so haben „die Wahrnehmungen der Akzentuation eine Basis, im andern Falle nicht; „denn was die Buchstaben betrifft, so werden sie nur wiedererkannt und „sind [ein jeder von sich] nicht verschieden; man mafate also annehmen, „dafa die Unterschiede der Akzentuation iu ihrer Verbindung und Tren,;nung lägen; Verbindung und Trennung aber sind nichts Wahrnehmbares, ,.und man kann sich nicht auf sie stützen, um zur Erklärung der Unter-„schiede bei den Buchstaben stehen zu bleiben; folglich würden die Wahr-„nehmungen der Akzentuation usw. keine Basis haben [ohne Annahme .,des Tones]. — Auch darein darf man sich nicht verrennen, dais, weil „die Akzentuation verschieden ist, auch die zu erkennenden Buchstaben ..verschieden seien. Dean weil die eine Sache Spaltungen zeigt, darum „braucht sie eine andere, nicht mitgespaltene, nicht auch zu zeigen; wie „man denn z. B. deswegen, weil die Individuen unter sich verschieden „sind, noch nicht annimmt, dais auch die Gattung verschieden sei. Und „da es somit möglich ist, aus den Buchstaben den Sinn zu erkennen, so „ist die Hypothese des Sphota unnötig."

[Gegner:] „Aber der Sphota ist gar keine Hypothese, sondern ein „Gegenstand der Wahrnehmung. Dena in der Erkenntnis (buddhi), nach-„dem sie [verschiedene] Eindrücke durch Auffassen der einzelnen Buch-„stabeu empfangen hat, leuchtet urplötzlich [der Sinn des Wortes] auf." [Upavarsha:] „Dem ist nicht so: denn auch diese Erkenntnis [des ..Sinnes des Wortes] bezieht sich auf die Buchstaben. Nachdem nämlich ..die Auffassung der einzelnen Buchstaben [z. B. des Wortes «Kuhl) ] der .,Zeit nach vorhergegaugen ist, so folgt ihnen diese einheitliche Erkenntnis .,(buddhi) — «Kuh», deren Gegenstand die Gesamtheit der Buchstaben „und sonst nichts weiter ist."

[Gegner:] „Womit beweisest du das?"

[Upavarsha:] .,Damit, dais auch der so entstandenen Erkenntnis ,.[«Kuh»] die Buchstaben K usw., nicht aber die Buchstaben T usw. an-,.haften; denn wenn der Gegenstand dieser Erkenntnis ein Sphota, ein .,von den Buchstaben K usw. verschiedenes Ding wäre, so würden ebenso-,wenig wie die Buchstaben T usw. auch die Buchstaben K usw. mit ihm .,etwas zu tun haben; dem aber ist nicht so; und darum ist diese ein-,.heitliche Erkenntnis [des Begriffes nicht ein Sphota, sondern] nur eine ,.auf die Buchstaben sieh beziehende Erinnerung.`

[Gegner:] „Aber wie ist es möglich, dafs die verschiedenen Buch-„staben der Gegenstand einer einheitlichen Erkenntnis sind?"

[Upavarsha:] „Darauf erwidern wir: Auch ein Nicht-Einheitliches „kann Gegenstand einer einheitlichen Erkenntnis sein, wie man ersieht an „Beispielen wie: eine Reihe, ein Wald, ein Heer, zehn, hundert, tausend ..usw. Denn die Erkenntnis des Wortes «Kuh» als einer Einheit ist, in-,.dem sie bedingt wird durch die Aussonderung des einen Sinnes in den „vielen Buchstaben, eine metaphorische (aupacârikï), sowie die Erkenntnis „von Wald, Heer usw. es ist."

[Gegner:] „Aber wenn die blofsen Buchstaben dadurch, dais sie iu „ihrer Gesamtheit in die Sphäre einer einheitlichen Erkenntnis eintreten, „das Wort ausmachten, so würde zwischen Worten wie jk-rd (die Lieb¬haber) und rii-jd (der König), ka-pi (der Affe) und pi-ka (der Kuckuck) „ein Unterschied nicht gemacht werden, denn es sind dieselben Buchstaben; „und doch geben sie in anderer Verbindung einen andern Sinn»

[Upavarsha:] „Darauf antworten wir: auch wenn eine Betastung „sämtlicher Buchstaben stattfindet, so können doch, so wie Ameisen nur „dann, wenn sie ihre Aufeinanderfolge einhalten, zur Vorstellung einer ,.Reihe werden, auch die Buchstaben nur dann. wenn sie ihre Aufeinander-„folge einhalten, zur Vorstellung des Wortes werden, [womit dem Ein-„wande des Gegners aber nur ausgewichen ist.] und darin, dafs, auch bei „Nicht-Verschiedenheit der Buchstaben, zufolge der Verschiedenheit ihrer „Reihenfolge eine Verschiedenheit der Worte aufgefafst wird, liegt kein „Widerspruch. Indem also bestimmte Buchstaben, iu ihrer Reihenfolge „usw. aufgefafst, nach dem überlieferten Sprachgebranche mit einem be-„stimmten, [durch sie] aufgefafsten Sinne verbunden sind, so kommen

wiewohl in ihrem eigenen Gebrauche (Funktion] als einzelue Buch-„staben aufgefafst, sofort in der das Ganze umtastenden Erkenntnis gerade „als die und die zum Bewufstsein und iibermitteln dadurch ohne Fehl den „und den bestimmten Sinn. — Somit ist die Annahme, dafs die Buchstaben „[die Träger des Sinnes sind], die einfachere, wohingegen die Annahme „des Sphota das Sinnfällige verläfst und ein lYbersinnliches hypostasiert, „wobei angenommen wird, dafs diese bestimmten Buchstaben, der Reihe „nach aufgefafst, den Sphota offenbaren, und dieser Sphota den Sinn „offenbart, was doch ziemlich schwierig ist. Zugegeben also, dafs die „Buchstaben, je nachdem man sie ausspricht, andere und wieder andere „sind, so mufs man (loch unweigerlich annehmen, dafs als das, worauf „sich das Wiedererkennen stutzt, ein Identisches in den Buchstaben vor-„banden ist, und dafs bei den Buchstaben die vorgesetzte Absicht, den „Sinn mitzuteilen, in diesem Identischen übermittelt wird.

Schlufsbemerkung. Die Wahrheit dürfte bei dieser Kontroverse in der Mitte liegen. Der Gegner hat Recht, sofern die Philosophie die Annahme der Begriffe (denn diese sind vernünftigerweise unter dem Sphota zu verstehen) nicht entbehren kann, und Upavarsha hat Recht, sofern die Begriffe ihre Existenz nur in der Existenz der (vom Gedächt¬nisse festgehaltenen) Worte haben. Auch ist die Beziehung zwischen Be¬griff uud Wort gewifs keine blofs äufserliche, konventionelle, sondern ur¬sprünglich eine innere, organische; warum aber gerade diese Laute gerade diesen Begriff ausdrücken, das ist ein Problem, an welchem sich Philosophie, Sprachvergleichung und Physiologie bis jetzt vergebens abgearbeitet haben, und dessen Lösung doch die Wissenschaft nimmermehr aufgeben kann noch wird.

Siehe auch

Literatur

  • Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
  • Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
  • Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985, Vol I - III
  • Sri Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Weblinks