Shudra: Unterschied zwischen den Versionen

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===Die Conditio sine qua non===
===Die Conditio sine qua non===
Die Frage, wer zu der erlösenden Heilslehre des Vedânta zuzulassen, wer von ihr auszuschliefsen sei, wird in einer Episode des ersten Adhyaya der Brahmasütra's mit grofser Ausführlichkeit (p. 280-323) diskutiert, und das Resultat ist, dais alle diejenigen, welche durch das Sakrament des Upa-nayanam (der Einführung bei einem Lehrer unter feierlicher Umgürtung mit der Opferschnur) wiedergeboren (dvija) sind, also, falls sie diese Bedingung erfüllen, alle Brähmana's, Kshatriya's und Vaiçya's, dafs ferner auch die Götter und die (abgeschiedenen) Rishi's zur Vidyä berufen sind; dafs hin¬gegen die Çüdra's (die Angehörigen der vierten, nicht-arischen Kaste) von derselben ausgeschlossen bleiben.
Die Frage, wer zu der erlösenden [[Heil]]slehre des [[Vedanta]] zuzulassen, wer von ihr auszuschließen sei, wird in einer Episode des ersten Adhyaya der [[Brahma Sutra]]s mit großer Ausführlichkeit (S. 280-323) diskutiert, und das Resultat ist, dass alle diejenigen, welche durch das [[Sakrament]] des [[Upanayanam]] (der Einführung bei einem [[Lehrer]] unter feierlicher Umgürtung mit der [[Opfer]]schnur) wiedergeboren (Dvija) sind, also, falls sie diese Bedingung erfüllen, alle Brahmanas, [[Kshatriya]]s und Vaishyas, dass ferner auch die Götter und die (abgeschiedenen) [[Rishi]]s zur Vidya berufen sind; dass hingegen die Shudras (die Angehörigen der vierten, nicht-arischen Kaste) von derselben ausgeschlossen bleiben. Beides, die Ausschließung der Shdras wie die Zulassung der Götter, gibt Veranlassung zu ausführlichen und interessanten Erörterungen.


Beides, die Ausschliefsung der Çüdra's wie die Zu-lassung der Götter, gibt Veranlassung zu ausführlichen und interessanten Erörterungen.
===Ausschließung der Shudras===
Zunächst muss es, bei dem [[Prinzip]] des Vedanta, befremden, dass den Shudras der Zugang zum Heile verwehrt wird. Allerdings ist ja das Geborensein in einer bestimmten Kaste kein [[Zufall]], sondern die notwendige Folge des Wandels und der Werke in einem frühem [[Dasein]]; aber wie der Vedanta zwischen den drei höhern Kasten keinen Unterschied macht, so hätte es in der (erst vom [[Buddhismus]] gezogenen) Konsequenz seiner Anschauungen gelegen, auch den Shudra zuzulassen; denn auch er hat eine [[Seele]], auch er ist [[Brahman]], und es ist nicht abzusehen, warum nicht auch er sich dessen bewusst werden und somit an der erlösenden [[Erkenntnis]] teilnehmen kann; zumal anerkannt wird, dass er derselben bedürftig ist (S. 315,11. 317,3), auch die vom Gegner geltend gemachte Befähigung des Shudra zur [[Erkenntnis]] (S. 315,11) in weltlicher Hinsicht nicht bestritten wird (S. 317,4), wie denn auch seiner von der [[Smriti]] gestatteten Teilnahme am Hören der [[Itihasa]]s und [[Purana]]s (der epischen und mythologischen Gedichte) nichts im [[Weg]]e steht (S. 322,14).


===Ausschliefsung der Çûdra's===
Aber dieselbe Akkomodation an die nationalen Vorurteile, welche die Philosophen des Vedanta bestimmt, alle ihre Erkenntnisse, und wäre es in der gezwungensten Weise, aus dem [[Veda]] abzuleiten, macht es ihnen auch unmöglich, den Shudra zuzulassen; denn Vorbedingung für die Vedantaforschung ist Studium des Veda und Kenntnis seines Inhaltes (S. 316,9), für diese wiederum das Upanayanam (Einführung bei einem [[Lehrer]]), zu welchem der Shudra nicht gelangen kann (S. 317,2. 320,6), daher auch das Gesetz (Smriti) verbietet, den Veda auch nur in der Gegenwart eines Shudra zu lesen (S. 322,2.6).
Zunächst mufs es, bei dem Prinzip des Vedânta, befrem¬den, dafs den Çüdra's der Zugang zum Heile verwehrt wird. Allerdings ist ja das Geborensein in einer bestimmten Kaste kein Zufall, sondern die notwendige Folge des Wandels und der Werke in einem frühem Dasein; aber wie der Vedânta zwischen den drei höhern Kasten keinen Unterschied macht, so hätte es in der (erst vom Buddhismus gezogenen) Konse¬quenz seiner Anschauungen gelegen, auch den Çùdra zuzu¬lassen; denn auch er hat eine Seele, auch er ist Brahman, und es ist nicht abzusehen, warum nicht auch er sich dessen bewufst werden und somit an der erlösenden Erkenntnis teil¬nehmen kann; zumal anerkannt wird, dafs er derselben be¬dürftig ist (p. 315,11. 317,3), auch die vom Gegner geltend gemachte Befähigung des Çùdra zur Erkenntnis (p. 315,11) in weltlicher Hinsicht nicht bestritten wird (p. 317,4), wie denn auch seiner von der Smriti gestatteten Teilnahme am Hören der Itileâsa's und Pur(h.za's (der epischen und mytho¬logischen Gedichte) nichts im Wege steht (p. 322,14).


Aber dieselbe Akkomodation an die nationalen Vorurteile, welche die Philosophen des Vedânta bestimmt, alle ihre Er-kenntnisse, und wäre es in der gezwungensten Weise, aus dem Veda abzuleiten, macht es ihnen auch unmöglich, den Çùdra zuzulassen; denn Vorbedingung für die Veditntafor-schung ist Studium des Veda und Kenntnis seines Inhaltes (p. 316,9), für diese wiederum das Upanayanant (Einfiihrung hei einem Lehrer), zu welchem der Çûdra nicht gelangen kann (p. 317,2. 320,6), daher auch das Gesetz (snzriti) ver¬bietet, den Veda auch nur in der Gegenwart eines Çùdra zu. lesen (p. 322,2.6).
Hieran schließt sich die Erörterung einiger im Veda selbst vorliegender Fälle, in welchen eine Lehre anscheinend einem Shudra oder einem [[Mann]]e von zweifelhafter Kaste mitgeteilt wird.


Hieran schliefst sich die Erörterung einiger im Veda selbst vorliegender Fälle, in welchen eine Lehre anscheinend einem Çûdra oder einem Manne von zweifelhafter Kaste mitgeteilt wird.
Der erste betrifft die [[Samvarga]] [[Vidya]], eine (an [[Anaximenes]] erinnernde) Theorie von [[Vayu]] ([[Wind]]) und [[Prana]] (Odem) als den [[Samvargah]] (an sich Raffern) einerseits der Elemente, anderseits der Lebensorgane, welche Chand. 4,1-3 [[Raikva]] dem [[Janashruti]] mitteilt, nachdem er ihn doch vorher wiederholt einen Shudra genannt hat.


Der erste betrifft die Sanzvarga-vidyâ, eine (an Anaximenes erinnernde) Theorie von Vâgize (Wind) und Prâna (Odem) als den „sanevargâlp (an sich Raffern) einerseits der Elemente, anderseits der Lebensorgane, welche Chând. 4,1-3 Raikva dem Jan aeruti mitteilt, nachdem er ihn doch vorher wieder¬holt einen Çûdra genannt hat.
Dem gegenüber erinnert Shankara zunächst daran, dass ein einzelner Fall noch keine Regel bilde (S. 317,9), und dass, was vielleicht für die Samvarga Vidya gelte, darum noch nicht auf alle andern zu übertragen sei (S. 318,1); sodann aber behaupten Sutram und Scholion (S. 315,6. 318,10), dass „Shudra" im vorliegenden Falle nicht im überlieferten Sinne (Rudhartha), sondern im etymologischen Sinne ([[Avayavartha]]) aufzufassen sei: weil nämlich Janashruti aus [[Schmerz]] (Shu Ca) über die herabsetzende Rede der Gans zum Raikva gelaufen sei (Du Dra Va), deswegen werde er von diesem Rishi, der durch übernatürliche Kenntnis von dem Geschehenen unterrichtet gewesen sei und dieses habe an den Tag legen wollen, „Shu-Dra" (!) genannt.


Dem gegenüber erinnert Çankara zunächst daran, dais ein einzelner Fall noch keine Regel bilde (p. 317,9), und dafs, was vielleicht für die Samvarga-vidyâ gelte, darum noch nicht auf alle andern zu übertragen sei (p. 318,1) ; sodann aber be-haupten Sittram und Scholion (p. 315,6. 318,10), dais „Çùdra" im vorliegenden Falle nicht im überlieferten Sinne (r4clheirtha), sondern im etymologischen Sinne (aveyav(trtha) aufzufassen sei: weil nämlich Jänaçruti aus Schmerz (ftt-câc) über die herabsetzende Rede der Gans zum Raikva gelaufen sei (du-drd-va), deswegen werde er von diesem Rishi, der durch übernatürliche Kenntnis von dem Geschehenen unterrichtet gewesen sei und dieses habe an den Tag legen wollen, „çiii-dra" (!) genannt. — Ein hierauf (p. 319-320) folgender di¬rekter Beweis, dafs Jänaçruti ein Kshatriya gewesen sei, darf wohl als gänzlich mifslungen bezeichnet werden, sofern der¬selbe durch allerlei Künsteleien wahrscheinlich zu machen sucht., dafs der in der Samvargavidyä (Chänd. 4,3,5) erwähnte Abhipratärin ein Kshatriya gewesen sei, — und also doch wohl auch Jänaçruti, da er in derselben Vidyä erwähnt werde (!). Eher läfst sich hören, was Çankara bei dieser Ge¬legenheit geltend macht, dais Jänaçruti ein Kshatriya gewesen sein müsse, weil er einen Truchsefs (kshallar) um sich habe (p. 320,2); — wie dem auch sei, für uns beweist die ganze mit Eifer geführte Untersuchung nur, dais es für die Zeit des Çankara und auch für die des Bâdarâyana keineswegs für selbstverständlich galt, dais ein Mann von fürstlichem Reichtum und Gepränge, wie JänaQruti, kein Çùdra gewesen sein könne, was in kulturgeschichtlicher hinsieht von Interesse ist.
Ein hierauf (S. 319-320) folgender direkter Beweis, dass Janashruti ein [[Kshatriya]] gewesen sei, darf wohl als gänzlich misslungen bezeichnet werden, sofern derselbe durch allerlei Künsteleien wahrscheinlich zu machen sucht, dass der in der Samvargavidya (Chand. 4,3,5) erwähnte Abhipratarin ein Kshatriya gewesen sei, — und also doch wohl auch Janashruti, da er in derselben Vidya erwähnt werde (!). Eher lässt sich hören, was Shankara bei dieser Gelegenheit geltend macht, dass Janashruti ein Kshatriya gewesen sein müsse, weil er einen Truchsess (Kshattar) um sich habe (S. 320,2); — wie dem auch sei, für uns beweist die ganze mit Eifer geführte Untersuchung nur, dass es für die [[Zeit]] des Shankara und auch für die des Badarayana keineswegs für selbstverständlich galt, dass ein Mann von fürstlichem Reichtum und Gepränge, wie Janashruti, kein Shudra gewesen sein könne, was in kulturgeschichtlicher hinsieht von Interesse ist.


Ein weiterer Fall ist der des Knaben Satyakàma, wel¬chem seine Mutter Jabàlà erklärt, dafs sie ihm nicht angeben könne, aus welcher Familie (gotram) er stamme, da sie sich in ihrer Jugend mit zu vielen eingelassen habe. Mit kind¬licher Naivität berichtet dies Satyakàma (dessen Name, wie M. Müller passend erinnert, (1)t1,akiltrx bedeutet) dem ihn nach seiner Familie befragenden Lehrer, welcher findet, dafs nur ein Brahmane so aufrichtig sein könne, und ihn als solchen in die Lehre aufnimmt."
Ein weiterer Fall ist der des Knaben Satyakama, welchem seine Mutter Jabala erklärt, dass sie ihm nicht angeben könne, aus welcher Familie (Gotram) er stamme, da sie sich in ihrer Jugend mit zu vielen eingelassen habe. Mit kindlicher Naivität berichtet dies Satyakama dem ihn nach seiner Familie befragenden [[Lehrer]], welcher findet, dass nur ein [[Brahmane]] so aufrichtig sein könne, und ihn als solchen in die Lehre aufnimmt.


In dieser Geschichte finden Bàdaràyana (p. 321,5) und Çankara (p. 321,6) eine Bestätigung dafür, dafs der Çùdra auszuschliefsen sei, da ja Satyakâma erst zugelassen werde, „nachdem festgestellt worden, dafs er kein Çtîdra sein könne, weil er die Wahrheit gesprochen (! — satya-vacanena Çûdratva-abhâve nirddhârite),—wir aber möchten eher daraus schliefsen, dais man in älterer Zeit noch freier gedacht habe, und geneigt gewesen sei, gelegentlich die Frage nach dem Brahmanentum der Geburt auf sich beruhen zu lassen, wo ein Brahmanentum des Herzens und der Gesinnung vorhanden war.
In dieser Geschichte finden Badarayana (S. 321,5) und Shankara (S. 321,6) eine Bestätigung dafür, dass der Shudra auszuschließen sei, da ja Satyakama erst zugelassen werde, nachdem festgestellt worden, dass er kein Shudra sein könne, weil er die [[Wahrheit]] gesprochen (! — Satya Vacanena Shudratva Abhave Nirddharite) - wir aber möchten eher daraus schließen, dass man in älterer [[Zeit]] noch freier gedacht habe, und geneigt gewesen sei, gelegentlich die Frage nach dem Brahmanentum der Geburt auf sich beruhen zu lassen, wo ein Brahmanentum des [[Herz]]ens und der Gesinnung vorhanden war.


Wie dem auch gewesen sein mag, für unsere Autoren bleibt der Çadra, so lange er sich nicht auf dem Wege der Seelenwanderung zu einer höhern Kaste erhebt , von der Mitteilung der Heilslehre gänzlich ausgeschlossen. Hingegen wird die Grenze der Zulassung, die nach unten zu so eng¬herzig gezogen ist, nach oben hin um so weitherziger erwei¬tert, sofern nicht nur alle Menschen der drei arischen Kasten, sondern auch weiterhin die Götter nebst den abgeschiedenen Rishi's zum Studium der erlösenden Brahmavidyâ berufen sind.
Wie dem auch gewesen sein mag, für unsere Autoren bleibt der Shudra, so lange er sich nicht auf dem Wege der [[Seelenwanderung]] zu einer höhern Kaste erhebt, von der Mitteilung der Heilslehre gänzlich ausgeschlossen. Hingegen wird die Grenze der Zulassung, die nach unten zu so engherzig gezogen ist, nach oben hin um so weitherziger erweitert, sofern nicht nur alle [[Mensch]]en der drei arischen Kasten, sondern auch weiterhin die Götter nebst den abgeschiedenen Rishis zum Studium der erlösenden Brahmavidya berufen sind.


==Siehe auch==   
==Siehe auch==   

Version vom 25. Oktober 2013, 13:31 Uhr

Shudra (Sanskrit: शूद्र śūdra m.) Angehöriger der niedrigsten (vierten) Kaste des traditionellen altindischen Gesellschaftssystems; Diener, Sklave.

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Wer ist zum Studium des Vedanta bedurfen?

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 63 - 68.

Die Conditio sine qua non

Die Frage, wer zu der erlösenden Heilslehre des Vedanta zuzulassen, wer von ihr auszuschließen sei, wird in einer Episode des ersten Adhyaya der Brahma Sutras mit großer Ausführlichkeit (S. 280-323) diskutiert, und das Resultat ist, dass alle diejenigen, welche durch das Sakrament des Upanayanam (der Einführung bei einem Lehrer unter feierlicher Umgürtung mit der Opferschnur) wiedergeboren (Dvija) sind, also, falls sie diese Bedingung erfüllen, alle Brahmanas, Kshatriyas und Vaishyas, dass ferner auch die Götter und die (abgeschiedenen) Rishis zur Vidya berufen sind; dass hingegen die Shudras (die Angehörigen der vierten, nicht-arischen Kaste) von derselben ausgeschlossen bleiben. Beides, die Ausschließung der Shdras wie die Zulassung der Götter, gibt Veranlassung zu ausführlichen und interessanten Erörterungen.

Ausschließung der Shudras

Zunächst muss es, bei dem Prinzip des Vedanta, befremden, dass den Shudras der Zugang zum Heile verwehrt wird. Allerdings ist ja das Geborensein in einer bestimmten Kaste kein Zufall, sondern die notwendige Folge des Wandels und der Werke in einem frühem Dasein; aber wie der Vedanta zwischen den drei höhern Kasten keinen Unterschied macht, so hätte es in der (erst vom Buddhismus gezogenen) Konsequenz seiner Anschauungen gelegen, auch den Shudra zuzulassen; denn auch er hat eine Seele, auch er ist Brahman, und es ist nicht abzusehen, warum nicht auch er sich dessen bewusst werden und somit an der erlösenden Erkenntnis teilnehmen kann; zumal anerkannt wird, dass er derselben bedürftig ist (S. 315,11. 317,3), auch die vom Gegner geltend gemachte Befähigung des Shudra zur Erkenntnis (S. 315,11) in weltlicher Hinsicht nicht bestritten wird (S. 317,4), wie denn auch seiner von der Smriti gestatteten Teilnahme am Hören der Itihasas und Puranas (der epischen und mythologischen Gedichte) nichts im Wege steht (S. 322,14).

Aber dieselbe Akkomodation an die nationalen Vorurteile, welche die Philosophen des Vedanta bestimmt, alle ihre Erkenntnisse, und wäre es in der gezwungensten Weise, aus dem Veda abzuleiten, macht es ihnen auch unmöglich, den Shudra zuzulassen; denn Vorbedingung für die Vedantaforschung ist Studium des Veda und Kenntnis seines Inhaltes (S. 316,9), für diese wiederum das Upanayanam (Einführung bei einem Lehrer), zu welchem der Shudra nicht gelangen kann (S. 317,2. 320,6), daher auch das Gesetz (Smriti) verbietet, den Veda auch nur in der Gegenwart eines Shudra zu lesen (S. 322,2.6).

Hieran schließt sich die Erörterung einiger im Veda selbst vorliegender Fälle, in welchen eine Lehre anscheinend einem Shudra oder einem Manne von zweifelhafter Kaste mitgeteilt wird.

Der erste betrifft die Samvarga Vidya, eine (an Anaximenes erinnernde) Theorie von Vayu (Wind) und Prana (Odem) als den Samvargah (an sich Raffern) einerseits der Elemente, anderseits der Lebensorgane, welche Chand. 4,1-3 Raikva dem Janashruti mitteilt, nachdem er ihn doch vorher wiederholt einen Shudra genannt hat.

Dem gegenüber erinnert Shankara zunächst daran, dass ein einzelner Fall noch keine Regel bilde (S. 317,9), und dass, was vielleicht für die Samvarga Vidya gelte, darum noch nicht auf alle andern zu übertragen sei (S. 318,1); sodann aber behaupten Sutram und Scholion (S. 315,6. 318,10), dass „Shudra" im vorliegenden Falle nicht im überlieferten Sinne (Rudhartha), sondern im etymologischen Sinne (Avayavartha) aufzufassen sei: weil nämlich Janashruti aus Schmerz (Shu Ca) über die herabsetzende Rede der Gans zum Raikva gelaufen sei (Du Dra Va), deswegen werde er von diesem Rishi, der durch übernatürliche Kenntnis von dem Geschehenen unterrichtet gewesen sei und dieses habe an den Tag legen wollen, „Shu-Dra" (!) genannt.

Ein hierauf (S. 319-320) folgender direkter Beweis, dass Janashruti ein Kshatriya gewesen sei, darf wohl als gänzlich misslungen bezeichnet werden, sofern derselbe durch allerlei Künsteleien wahrscheinlich zu machen sucht, dass der in der Samvargavidya (Chand. 4,3,5) erwähnte Abhipratarin ein Kshatriya gewesen sei, — und also doch wohl auch Janashruti, da er in derselben Vidya erwähnt werde (!). Eher lässt sich hören, was Shankara bei dieser Gelegenheit geltend macht, dass Janashruti ein Kshatriya gewesen sein müsse, weil er einen Truchsess (Kshattar) um sich habe (S. 320,2); — wie dem auch sei, für uns beweist die ganze mit Eifer geführte Untersuchung nur, dass es für die Zeit des Shankara und auch für die des Badarayana keineswegs für selbstverständlich galt, dass ein Mann von fürstlichem Reichtum und Gepränge, wie Janashruti, kein Shudra gewesen sein könne, was in kulturgeschichtlicher hinsieht von Interesse ist.

Ein weiterer Fall ist der des Knaben Satyakama, welchem seine Mutter Jabala erklärt, dass sie ihm nicht angeben könne, aus welcher Familie (Gotram) er stamme, da sie sich in ihrer Jugend mit zu vielen eingelassen habe. Mit kindlicher Naivität berichtet dies Satyakama dem ihn nach seiner Familie befragenden Lehrer, welcher findet, dass nur ein Brahmane so aufrichtig sein könne, und ihn als solchen in die Lehre aufnimmt.

In dieser Geschichte finden Badarayana (S. 321,5) und Shankara (S. 321,6) eine Bestätigung dafür, dass der Shudra auszuschließen sei, da ja Satyakama erst zugelassen werde, nachdem festgestellt worden, dass er kein Shudra sein könne, weil er die Wahrheit gesprochen (! — Satya Vacanena Shudratva Abhave Nirddharite) - wir aber möchten eher daraus schließen, dass man in älterer Zeit noch freier gedacht habe, und geneigt gewesen sei, gelegentlich die Frage nach dem Brahmanentum der Geburt auf sich beruhen zu lassen, wo ein Brahmanentum des Herzens und der Gesinnung vorhanden war.

Wie dem auch gewesen sein mag, für unsere Autoren bleibt der Shudra, so lange er sich nicht auf dem Wege der Seelenwanderung zu einer höhern Kaste erhebt, von der Mitteilung der Heilslehre gänzlich ausgeschlossen. Hingegen wird die Grenze der Zulassung, die nach unten zu so engherzig gezogen ist, nach oben hin um so weitherziger erweitert, sofern nicht nur alle Menschen der drei arischen Kasten, sondern auch weiterhin die Götter nebst den abgeschiedenen Rishis zum Studium der erlösenden Brahmavidya berufen sind.

Siehe auch

Literatur

  • Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
  • Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
  • Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985, Vol I - III
  • Sri Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Weblinks