Shankara

Aus Yogawiki

Shankara (Sanskrit: शंकर Śaṃkara m.) "der Milde", bzw. derjenige der Gutes (Sham) bewirkt (Kara), auch übersetzbar als "Wohltäter"


Schreibweisen und andere Namen

Für Devanagari gibt es ja viele Umschriften. शंकर kann transkribiert werden als Sankara, Samkara, Shankara und Shamkara. Shankara gilt auch als großer Lehrer. So wird er auch als Shankaracharya, Sankaracharya, Shankaracarya, Shankaracharya und Sankaracarya bezeichnet. Acharya heißt Lehrer. Er gilt als der Ursprüngliche Lehrer, daher wird er Adi Guru genannt. Da es nach ihm noch wiele weitere Lehrer mit dem Namen Shankara gab, wird er auch als Adishankara bzw. Adisankara bezeichnet.


Swami Sivananda über Shankara

Aus dem Buch "Lives of Saints" von Swami Sivananda, Kapitel "Die Acharyas"

Chaos in Sachen Religion und Philosophie durchzog ganz Indien. Sekte für Sekte entstand, die Charvakas, Lokayathikas, Kapalikas, Shaktas, Sankhyas, Buddhas und Madhyamikas. Die Zahl der Glaubensrichtungen stieg auf zweiundsiebzig an. Es gab Kampf zwischen den Religionsgemeinschaften. Es gab nirgends Frieden. Chaos und Verwirrung herrschten überall. Es gab Aberglaube und Fanatismus. Dunkelheit legte sich über das einst glückliche Land der Rishis, Weisen und Yogis. Das einst ruhmreiche Land der Aryans war in einem miserablen Zustand. So also war der Zustand des Landes zu jener Zeit, die Avatar Shankaracharya vorausging.

Die Existenz des Vedischen Dharma im heutigen Indien ist Shankara zu verdanken. Die Kräfte, die sich gegen die Vedische Weltanschauung richteten, waren zahlreicher und machtvoller zu Shankaras Zeit, als sie es heute sind. Und dennoch, ganz allein, innerhalb sehr kurzer Zeit, überwältigte Shankara sie alle und stellte den Vedischen Dharma und Advaita Vedanta wieder in seiner vormaligen Reinheit her im Land. Die Waffen, die er benutzte, waren pures Wissen und Spiritualität. Die vorherigen Avatare, wie Rama und Krishna, benutzten physische Kraft, denn die Hindernisse entsprangen in jenen Tagen aus den körperlichen Behinderungen und Belästigungen durch die Asuras (Dämonen).

Die drohende Gefahr für das Dharma ging im Kali Zeitalter eher von inneren als äußeren Hindernissen aus, war eher mental als physisch. Die Samen des Adharma (Unmoral, Ungerechtigkeit; Anm.Übs.) waren im Geist von fast jedem am Wirken. Daher musste das Böse allein mit den Waffen des Wissens und der Selbstreinigung bekämpft werden. Um diese Waffe zu schmieden und wirkungsvoll zu handhaben, nahm Shankara Geburt im Brahmin Varna (Brahmanenkaste; Anm.Übs.) und trat früh in seinem Leben in den Sannyas Orden ein. Die vorangegangenen Avatare, wie Rama und Krishna, nahmen Geburt im Kshatriya Varna (Stand der Krieger, Könige, Fürsten, Beschützer; Anm.Übs.), denn zu ihrer Zeit mussten sie militärische Waffen handhaben, um das Dharma wieder einzusetzen. Alle sind sich zweifellos der sehr wichtigen Position bewusst, die Shankaracharya in der Geschichte der Indischen Philosophie inne hatte.

Es kann behauptet werden, ohne Angst vor Widerrede, dass Indien nicht länger Indien gewesen wäre und nie das mörderische Schwert, das verheerende Feuer und die religiöse Intoleranz der Angreifer vor einigen Jahrhunderten überlebt hätte, wenn Shankara nicht zuvor sein Leben gelebt und seine Lehren gelehrt hätte. Und diese Lehren pulsieren immer noch in jeder Zelle und jedem Protoplasma eines wahren Schülers und wahren Hindu.

Geburt von Shankara

Shankara wurde in einer sehr armen Familie im Jahr 788 n.Chr. geboren, in einem Dorf namens Kaladi, sechs Meilen östlich von Alwaye. Kaladi ist eine Bahnstation der Verbindung Kochi–Shoranur. Shankara war ein Nambudiri Brahmane (Name einer Veda-Tradition). Rajasekhara, ein Zamindar, baute einen Shiva-Tempel in Kaladi und gründete ein Agrahara (Stück Land, das ein Herrscher den Brahmanen für ihren Broterwerb schenkt) für Brahmanen, die im Dienste dieses Tempels waren. Vidyadhiraja führte Puja im Tempel durch. Er hatte nur einen Sohn, Shivaguru genannt. Shivaguru studierte die Shastras und heiratete im passenden Alter. Er hatte kein Kind. Er und seine Frau Aryamba beteten zu Shiva, sie mit einem Sohn zu segnen. Es wurde ihnen ein Sohn geboren im Vasanta Ritu oder Frühlingsmonat um Mitternacht, im glückverheißenden Abhijit Muhurta (Mondhaus, astrologisch sehr günstiger Zeitpunkt) und unter der Konstellation Ardhra. Dieser Sohn war Shankara.

Shivaguru starb, als Shankara sieben Jahre alt war. Shankara hatte niemanden, der sich um seine Ausbildung kümmerte. Seine Mutter war eine außergewöhnliche Frau. Sie gab sich große Mühe, ihren Sohn in den Shastras (vedische Rezitation) auszubilden. Shankaras Upanayana (Einweihung, das Führen des Jungen zum Lehrer) oder Heilige-Schnur-Zeremonie wurde in seinem siebenten Lebensjahr durchgeführt, nach dem Tod seines Vaters. Shankara zeigte außergewöhnliche Intelligenz schon als Junge. Er war erst sechzehn, als er ein Meister der Philosophie und Theologie wurde. Er begann Kommentare zur Bhagavad Gita, den Upanishaden und Brahma Sutras zu schreiben, als er erst sechzehn Jahre alt war. Was für ein großartiges Wunder!

Shankaras Mutter konsultierte Astrologen, um ein passenden Mädchen für die Hochzeit ihres Sohnes zu finden. Aber Shankara hatte einen festen Entschluss, der Welt zu entsagen und wurde Sannyasin, Swami, Mönch. Shankaras Mutter war sehr betrübt, dass es niemanden geben würde, der nach ihrem Tode die Beerdigungsriten durchführen würde. Shankara gab seiner Mutter die Versicherung, dass er immer bereit sein würde, ihr am Sterbebett zu dienen und die üblichen Bestattungsriten auszuführen. Aber selbst dann war seine Mutter nicht befriedigt.

Eines Tages gingen Shankara und seine Mutter zum Fluss, um ein Bad zu nehmen. Shankara tauchte kopfüber ins Wasser und fühlte, dass ein Krokodil ihn am Fuß geschnappt hatte. Er schrie mit sich überschlagender Stimme nach seiner Mutter: „Oh, geliebte Mutter! Ein Krokodil zieht mich herunter. Ich bin verloren. Lass mich friedlich als Sannyasin sterben. Lass mich die Befriedigung haben, wenigstens als Sannyasin zu sterben. Gib mir deine Erlaubnis! Lass mich Apath-Sannyas nehmen.“

Die Mutter erlaubte es ihm sofort. Shankara nahm sogleich Apath-Sannyas (die Wahl von Sannyas, wenn der Tod nah ist). Das Krokodil ließ ihn unverletzt. Shankara kam aus dem Wasser als ein getaufter Sannyasin. Er wiederholte sein Versprechen der Mutter gegenüber. Er ließ sie unter der Fürsorge von Verwandten zurück und gab ihnen sein bisschen Besitz. Er machte sich auf den Weg, einen Guru zu finden, der ihn, gemäß dem Brauch, in den heiligen Orden der Sannyasin einweihen würde.

Auf der Suche nach einem Guru

Shankara traf Swami Govindapada Acharya in einer Einsiedelei in Badrikashram (Badrinath) im Himalaya, und er warf sich dem Lehrer zu Füßen. Govinda fragte Shankara, wer er sei. Shankara antwortete: „Oh, verehrter Guru! Ich bin weder Feuer noch Luft, weder Erde noch Wasser – nichts von alldem, sondern der unsterbliche Atma, die Seele, die in allen Namen und Formen versteckt ist.“ Er sagte schließlich auch: „Ich bin der Sohn von Shivaguru, einem Brahmanen von Kerala. Mein Vater starb, als ich Kind war. Meine Mutter zog mich auf. Ich habe unter einem Lehrer die Veden studiert und die Shastras. Ich nahm Apath-Sannyas, als ein Krokodil meinen Fuß geschnappt hatte, während ich ein Bad im Fluss nahm. Sei so gütig und weihe mich in aller Form in den heiligen Orden der Sannyasin ein.“

Swami Govinda war sehr angetan von der wahrheitsgemäßen Erzählung von Shankara. Nachdem er ihn initiiert und ihn mit der Robe der Sannyasin ausgestattet hatte, lehrte er ihm die Philosophie des Advaita, welche er selbst von seinem Guru Gaudapada Acharya gelernt hatte. Shankara lernte alle philosophischen Lehren von seinem Guru Govindapada. Govinda forderte Shankara auf, nach Kashi zu gehen. Shankara ging also nach Kashi (Varanasi), wo er alle seine berühmten Kommentare zu den Brahma Sutras, den Upanishaden und der Gita schrieb und erfolgreich alle seine Kritiker zum Verstummen brachte. Dann begann er, seine Philosophie zu propagieren. Shankara hatte die größte Wertschätzung für seinen Guru Govindapada und seinen Param Guru, des Lehrer´s Lehrer, Gaudapada.

Shankaras Digvijaya

Digvijaya = Meisterjahre, Siegeszug

Shankaras philosophische Errungenschaften sind einzig in der Welt. Er hatte seinen Siegeszug durch ganz Indien. Er traf die Anführer von verschiedenen Geistestraditionen. Er überzeugte sie alle mit Argumenten und etablierte die Überlegenheit und Wahrheit der Religion, die er in seinen Kommentaren erläuterte. Er besuchte alle berühmten Stätten des Lernens. Er forderte die Studierenden und Gelehrten heraus, mit ihm zu diskutieren, argumentierte mit ihnen und bekehrte sie zu seinen Meinungen und Ansichten. Er besiegte Meister Bhaskara (einen Autor) und verwarf seinen Kommentar zu den Vedanta Sutras. Dann traf er Dandi und Mayura und lehrte sie seine Philosophie. Danach besiegte er mit Worten Harsha, Autor von Khandana Khanda Khadya, Abhinavagupta, Murari Misra, Udayanacharya, Dharmagupta, Kumarila und Prabhakara.

Shankara ging nach Mahishmati. Mandana Mishra war der oberste Pandit Gelehrte des Königshofes von Mahishmati. Mandana war aufgewachsen im Karma Mimamsa Glauben und so hatte er einen starken Hass auf Sannyasin. Er führte gerade eine Shraddha Zeremonie aus, als Shankara irgendwie dort erschien. Sofort wurde Mandana Mishra wütend. Eine hässliche Unterhaltung begann, als die Brahmanen, die zum Essen gegenwärtig waren, Mandana Mishra unterbrachen und beschwichtigten. Shankara forderte Mandana zu einer religiösen Kontroverse heraus, und Mandana war einverstanden. Bharati, die Frau von Mandana Mishra, die gelehrt war, wurde zum Schiedsrichter bestimmt. Es wurde festgelegt, dass Shankara, falls er besiegt würde, heiraten und ein Haushälter werden würde; und dass Mandana, falls er besiegt würde, Sannyasin werden und die Robe aus der Hand seiner eigenen Frau erhalten sollte. Die Kontroverse begann in rechter Ernsthaftigkeit und ging über Tage hinweg, ohne Unterbrechung. Bharati setzte sich nicht und hörte ihnen nicht zu. Sie warf zwei Blumengirlanden über die beiden Gegner und sagte: „Der, dessen Blumengirlande zuerst verwelkt, sollte sich als besiegt ansehen.“ Sie verließ den Platz und ging ihrer Hausarbeit nach. Die Kontroverse ging über siebzehn Tage. Die Girlande von Mandana Mishra begann zuerst zu welken. Mandana Mishra akzeptierte seine Niederlage und bot sich an, Sannyasin zu werden und Shankara zu folgen.

Bharati war ein Avatar von Saraswati, der Gottheit des Lernens, der Weisheit. Einmal rezitierte der Weise Durvasa in einer großen Versammlung die Veden vor Brahma und seiner Frau. Durvasa machte einen kleinen Fehler. Saraswati lachte darüber. Durvasa wurde wütend und verdammte sie zur Geburt in der Welt. Daher musste Saraswati als Bharati Geburt annehmen.

Bharati mischte sich ein und sagte zu Shankara: „Ich bin die andere Hälfte von Mandana. Du hast nur die Hälfte von Mandana besiegt. Lass uns einen Meinungsstreit halten.“

Shankara hatte Einwendungen dagegen, mit einer Frau zu debattieren. Bharati zählte Beispiele auf von Kontroversen mit Frauen. Dann erklärte sich Shankara einverstanden, und dieser Meinungsstreit ging ebenfalls ohne Unterbrechung über siebzehn Tage. Bharati kam von einem Shastra zum nächsten. Am Ende stellte sie fest, dass sie Shankara nicht besiegen konnte. Sie entschloss sich, ihn mit dem Mittel der Wissenschaft von Kama Shastra zu besiegen

Shankara bat Bharati, ihm eine Unterbrechung von einem Monat zu geben, für die Vorbereitung darauf, mit ihr eine Kontroverse in der Wissenschaft von Kama Shastra (Begierde, Wollust, Sexualität) abzuhalten. Sie war einverstanden. Shankara ging nach Kashi. Er trennte seinen Astralkörper mittels seiner yogischen Kräfte und ließ den physischen Körper im Loch eines großen Baumes zurück. Er bat seine Schüler, sich um seinen physischen Körper zu sorgen. Dann schlüpfte er in den toten Körper von König Amaruka, der gerade verbrannt werden sollte. Der König erhob sich und alle Leute jubelten über dieses verblüffende Ereignis. Die Minister und Königinnen fanden bald heraus, dass er wieder lebendig war.

Der König war eine andere Person, mit besonderen Eigenschaften und Gedanken. Sie erkannten, dass die Seele eines großen Mahatmas in den Körper ihres Königs eingetreten war. Deshalb wurden Boten ausgesandt, um einen menschlichen Körper zu suchen, irgendwo in den einsamen Wäldern und Höhlen versteckt, und ihn zu verbrennen, wenn er gefunden würde. Sie dachten, wenn sie es so machten, könnte der neue König für lange Zeit mit ihnen bleiben.

Shankara erwarb alle Erfahrungen der Liebe mit seinen Königinnen. Maya, die Täuschung, ist sehr kraftvoll. Inmitten all dieser Frauen vergaß Shankara sein Versprechen zurückzukehren, dass er seinen Schülern gegeben hatte. Sie begannen, ihn zu suchen. Sie hörten von der wundersamen Auferstehung des Königs Amaruka. Sie gingen sogleich in die Stadt und hatten ein Gespräch mit dem König. Sie sangen einige philosophische Lieder, die sofort das Gedächtnis von Shankara wiederbelebten. Die Schüler begaben sich sogleich zu dem Ort, wo der physische Körper von Shankara versteckt gehalten wurde. In der Zwischenzeit hatten die Boten der Königin den physischen Körper entdeckt und hatten gerade begonnen, ihn in Brand zu stecken. Die Seele von Shankara trat in dem Moment wieder in ihren eigenen Körper ein. Shankara betete zu Hari (Name für Vishnu, den erhaltenden Aspekt Gottes), ihm zu helfen. Sogleich setzte ein Regenschauer ein und löschte die Flammen.

Shankara kehrte zum Wohnsitz von Mandana Mishra zurück. Er nahm die alte Kontroverse wieder auf und beantwortete alle Fragen, die Bharati ihm stellte, zur Zufriedenheit. Mandana Mishra gab all sein Eigentum als Geschenk an Sri Shankara und wurde angehalten, es eigenhändig an die Armen und Bedürftigen zu verteilen. Dann wurde er ein Schüler von Shankara. Shankara weihte ihn in den Heiligen Orden der Sannyasin ein und gab ihm den Namen Sureshwara Acharya. Sureshwara Acharya war der erste Sannyasin, der dem neu formierten Shringeri Orden vorstand.

Bharati begleitete Shankara ebenso nach Sringeri und wird dort noch heute verehrt.

Shankara erstieg den Platz der Allwissenheit, nachdem er vedische Gelehrte aus allen Teilen Indiens eingeladen hatte und ihre zahlreichen Fragen beantwortete. Indem er alle religiösen Gegner seiner Zeit besiegte, - und sie gehörten zu nicht weniger als zweiundsiebzig verschiedenen Schulen -, und die Überlegenheit des Vedischen Dharma etablierte, wurde er zum Jagadguru (Lehrer für die Welt und alle Wesen).

Shankaras Erfolg über die anderen religiösen Sekten war so vollständig, dass seither keine von ihnen in der Lage war, wieder ihr Haupt zu erheben. Die meisten von ihnen sind verschwunden. Nach Shankaras Zeit, obwohl immer wieder ein paar Acharyas erschienen, war keiner von ihnen in der Lage jene, die sich unterschieden, zu besiegen, so wie Shankara es getan und eine unangefochtene Vorherrschaft etabliert hatte.

Das Totenritual für die Mutter

Shankara erhielt die Nachricht, dass seine Mutter schwer leidend war. Er verließ seine Schüler und ging allein nach Kaladi. Seine Mutter war bettlägerig. In Hochachtung berührte Shankara ihre Füße. Er lobpreiste Hari. Haris Bote kam. Shankaras Mutter gab ihren physischen Körper auf und ging mit diesem Boten in das Reich von Hari.

Shankara stieß auf ernste Schwierigkeiten bei der Durchführung der Einäscherung seiner Mutter. Normalerweise führen Sannyasins keine dieser Riten oder Zeremonien aus, die Sache eines Haushälters sind. Die Nambudiri Brahmanen waren alle gegen Shankara. Shankaras Verwandte halfen ihm auch nicht. Sie halfen ihm nicht einmal, den toten Körper zum Verbrennungsplatz zu bringen und lehnten es ab, Feuer zu bringen, um den Scheiterhaufen anzuzünden. Schließlich entschied sich Shankara, die Bestattung allein durchzuführen. Weil er den toten Körper nicht allein tragen konnte, zerlegte er ihn in Stücke und brachte diese in den Hinterhof. Dann machte er einen Scheiterhaufen aus den Stämmen von Bananenbäumen und entzündete sie mit seinen yogischen Kräften. Shankara wollte den Nambudiris eine Lektion erteilen. Dann veranlasste er das lokale Oberhaupt ein Edikt zu verfassen, dass eine Ecke im Haus eines jeden Nambudiri Brahmanen freigehalten werden sollte, um dort die Toten der Familie zu verbrennen, und dass sie die Toten in Stücke zerschneiden und sie dann verbrennen sollten. Diese Praxis wird bis heute unter Nambudiri Brahmanen ausgeführt. Danach kehrte Shankara nach Shringeri zurück. Von dort ging er auf eine Reise die Ostküste entlang, gefolgt von vielen Anhängern. Er verkündete seine Advaita Philosophie, wo auch immer er hinkam. Er etablierte den Govardhana Orden in Puri. Er ging nach Kanchipuram und diskutierte dort mit den Shaktas (Verehrer der Shakti). Er reinigte die Tempel. Er zog die Herrscher der Königreiche von Chola und Pandya auf seine Seite. Er ging nach Ujjain und sorgte für die Beendigung der Greueltaten der Bhairavas, die menschliches Blut vergossen. Dann ging er weiter nach Dwaraka (Name einer Hafenstadt an der indischen Westküste) und errichtete dort einen Orden. Dann folgte er dem Lauf der Ganga und hielt religiöse Kontroversen mit großen Persönlichkeiten.

Shankaras Ende

Shankara ging nach Kamarup, – das heutige Guwahati –, in Assam und hielt eine Debatte mit Abhinava Gupta, dem Shakta Kommentator, und gewann den Sieg über ihn. Abhinava empfand seine Niederlage als sehr heftig. Durch schwarze Magie ließ er Shankara an einer ernsthaften Form von Hämorrhoiden erkranken. Padmapada beseitigte die üblen Wirkungen der schwarzen Magie. Shankara ging es wieder besser. Er zog in den Himalaya, etablierte ein Kloster in Joshi und einen Tempel in Badri. Dann stieg er höher hinauf ins Himalaya Gebirge nach Kedarnath. Im Jahr 820 n.Chr., in seinem zweiunddreißigsten Lebensjahr, wurde er eins mit dem Lingam (dem Formlosen).

Shringeri Kloster

Im Nordwesten des Staates Mysore, geschmiegt in die schönen Ausläufer der West Ghats, umgeben von unberührten Wäldern, liegt das Dorf Shringeri. Hier etablierte Shankara sein erstes Kloster. Der Fluss Tunga, ein Seitenarm des Flusses Tungabhadra, fließt durch das Tal und berührt fast die Wände des Tempels. Sein reines und klares Wasser ist als Trinkwasser so berühmt wie das Wasser der Ganga für Badezwecke (Ganga Snanam, Tunga Panam). Shringeri ist ein Ort großer Heiligkeit, und man muss seine Schönheit sehen, um sie zu schätzen. Der Orden ist noch immer sehr aktiv. Die Ehre, die dem Orden durch zahlreiche Schüler und Anhänger zuteil wird, ist der Größe von berühmten Männern wie Vidyaranya, die seit ihrer Gründung an der Spitze der Organisation standen, ebenso zu verdanken wie dem Ruf des Gründers selbst. Es mag hier nicht unpassend sein, zu erwähnen, dass der bekannte Sanskrit Professor Max Müller dreißig Jahre brauchte, um den Kommentar zur Rig Veda, geschrieben von Vidyaranya, auch bekannt als Sayana, zu übersetzen. Der gelehrte Professor sagt in seinem Vorwort, dass kein einziger Tag in diesen dreißig Jahren vorüberging, ohne dass er wenigstens zehn Minuten am Tag der Übersetzung widmete. Es gab auch einen kleinen interessanten Zwischenfall, als das Manuskript an einigen Stellen unleserlich war, bekam er eine authorisierte Abschrift vom Original, die noch im Shringeri Kloster erhalten war, durch den Einfluss des damaligen Maharaja von Mysore.

Der berühmte heilige Schrein von Sri Sharada hat eine vergleichbare Anziehungskraft für die Anhänger. Es gibt viele Orden und Klöster in Indien, wo heilige Männer oder ihre Nachfolger sitzen, und wo Hindus aus allen Teilen Indiens zusammenkommen, aber keines so großartig oder so berühmt wie Shringeri, der originale Sitz von Adi Shankaracharya. Der Shringeri Orden ist eines der ältesten Klöster der Welt, das jetzt seit über zwölf Jahrhunderten blüht und gedeiht. Es ist der erste von vier Plätzen, die von Shankaracharya zum Lernen gegründet wurden, die anderen drei sind das Puri, Dwaraka und Joshi Kloster, jedes von ihnen repräsentiert eine der vier Vedas der Hindus.

Shankara übertrug seinen vier herausragenden Schülern (Sureshwara Acharya*, Padmapada, Hastamalaka und Trotakacharya) die Aufsicht über den Shringeri Orden, Jaganath Orden, Dwaraka Orden und Joshi Orden. Der berühmteste Sannyasin in der Gurunachfolge des Shringeri Klosters war natürlich Vidyaranya, der große Kommentator der Veden und Vater der Dynastie von Vijayanagar. Er war der Diwan (Senator, Rat, Verwalter) von Vijayanagaram. Er wurde etwa 1331 n.Chr. Sannyasin. Die elf Sannyasins vor Vidyaranya waren: Shankaracharya, Viswarupa, Nityabodhaghana, Jnanaghana, Jnanottama, Jnana Giri, Simha Girisvara, Ishvara Tirtha, Narasimha Tirtha, Vidya Shankara Tirtha und Bharati Krishna Tirtha.

Der historische und heilige Amtsthron des Sringeri Klosters ist bekannt als Vyakhyana Simhasana oder Sitz des Lernens. Die Tradition sagt, dieser Platz wurde dem großen Shankara von Saraswati, der Göttin des Lernens, gegeben, in Wertschätzung der umfangreichen Bildung des Philosophen. Fünfunddreißig Acharyas saßen in ununterbrochener Reihenfolge auf diesem Thron, vor seiner gegenwärtigen Heiligkeit.

(*vor seiner Sannyas Weihe als Mandana Mishra bekannt, auch als Vaarttikakara bezeichnet, weil er bekannte Kommentare über Upanishaden schrieb; Anm.Übs.)

Dashanami Sannyasins

Shankara rief zehn Sannyasin Orden unter dem Namen „Dashanamis“ ins Leben, die am Ende ihrer Namen einen der folgenden zehn Nachnamen tragen: Saraswati, Bharati und Puri (Sringeri Kloster); Tirtha und Ashrama (Dwaraka Kloster); Giri, Parvata und Sagar (Joshi Kloster); Vana und Aranya (Govardhana Kloster).

Die Paramahamsa repräsentieren die höchste Stufe. Es ist möglich, ein Paramahamsa zu werden durch ein langes Studium der Vedanta, Meditation und Selbstverwirklichung, der Erfahrung des höchsten Selbst. Die Ativarnashramis sind jenseits von Kasten und Lebensordnung. Sie essen mit allen Klassen von Menschen. Shankara´s Sannyasins findet man überall in Indien.

Einige Anekdoten um Shankara

Shankara ging eines Tages mit seinen Schülern die Straße entlang, um ein Bad in der Ganga zu nehmen, als er einen Chandala (Kastenloser, Unberührbarer) traf, der, mit seinen Hunden zur Seite, ebenfalls die Straße entlanglief. Die Schüler Shankaras riefen und baten Chandala, Platz zu machen. Chandala fragte Shankara: „Oh ehrwürdiger Guru! Du bist ein Verkünder der Advaita Vedanta und dennoch machst du einen großen Unterschied zwischen Mensch und Mensch. Wie ist das mit deiner Lehre des Advaita vereinbar? Ist Advaita nur Theorie?“ Shankara war sehr betroffen von dem klugen Hinterfragen Chandalas. Er dachte für sich: „Shiva hat diese Form angenommen, um mir eine Lektion zu erteilen.“ Er verfasste daraufhin fünf Strophen, genannt die „Manisha Panchaka“(Fünf Gedanken). Jede Shloka endete so: „Er, der gelernt hat, die Erscheinung im Lichte des Advaita zu sehen, ist mein wahrer Guru, sei es ein Chandala oder ein Brahmane.“

In Kashi paukte ein Student die Sutras in Sanskrit. Er wiederholte wieder und wieder: „Dukrin karane, Dukrin karane…“ Shankara hörte es und war betroffen von der Ausdauer des Jungen. Er sang sofort ein kleines Gedicht, das berühmte Bhaja Govindam Lied, um die Nutzlosigkeit solchen Lernens bezüglich der Befreiung der Seele deutlich zu machen. Die Bedeutung des Liedes ist: „Verehre Govinda, verehre Govinda, verehre Govinda, oh Narr! Wenn du im Sterben liegst, wird dich die Wiederholung dieser Sanskrit Sutras nicht retten.“

Einmal boten zwei Unruhestifter Shankara Fleisch und Likör an. Shankara berührte die Sachen mit seiner rechten Hand. Das Fleisch verwandelte sich in Äpfel und der Likör in Milch.

Ein Kapalika (Schädelmann) kam zu Shankara und bat darum, seinen Kopf als Geschenk zu erhalten. Shankara willigte ein und bat den Kapalika, seinen Kopf abzunehmen, wenn er allein und in Meditation versunken sei. Der Kapalika zielte gerade mit einem großen Schwert, um den Kopf von Shankara abzutrennen, da kam Padmapada, ein ergebener Schüler Shankaras und fiel ihm in den Arm. Padmapada war ein Verehrer von Narasimha. Narasimha hatte den Körper von Padmapada übernommen und schützte so Shankara.

Shankaras Philosophie

Shankara schrieb Bhashyas (Kommentare) zu den Brahma Sutras, den Upanishaden und der Gita. Die Bhashya auf die Brahma Sutras wird Sharirik Bhashya genannt. Shankara schrieb Kommentare zu Sanat Sujatiya und Vishnu Sahasranama. Es wird gewöhnlich gesagt: „Um Logik und Metaphysik zu lernen, geh zu Shankaras Kommentaren; um praktisches Wissen zu erlangen, das Hingabe entwickelt und stärkt, geh zu seinen Werken Viveka Chudamani, Atma Bodha, Aparoksha Anubhuti, Ananda Lahari, Atma-Anatma Viveka, Drik-Drishya Viveka und Upadesha Sahashri.“ Shankara schrieb unzählbare Originaltexte in Versen, die unvergleichlich in ihrer Süße, Melodie und ihren Gedanken sind.

Shankaras höchster Schöpfer ist: Nirguna (ohne Eigenschaften), Nirakara (formlos), Nirvishesha (ohne Wesenszüge) und Akarta (nicht-handelnd). Er steht über allen Bedürfnissen und Wünschen. Shankara sagt: „Dieser Atman ist selbstverständlich, augenscheinlich. Dieser Atman, dieses Selbst, ist nicht in seiner Existenz beweisbar. Es ist nicht möglich, diesen Atman zu verleugnen, denn er ist die Essenz dessen, der ihn verleugnet. Der Atman ist die Grundlage aller Arten von Wissen. Das Selbst ist innen, das Selbst ist außen, das Selbst ist davor und das Selbst ist dahinter. Das Selbst ist rechterhand, das Selbst ist linkerhand, das Selbst ist darüber und das Selbst ist darunter.“

Satyam-Jnanam-Anantam-Anandam (wahrhaftig-weise-unendlich-selig) sind keine getrennten Eigenschaften. Sie sind die Essenz von Brahman. Brahman kann nicht beschrieben werden, denn Beschreibung schließt Unterscheidung ein. Brahman kann nicht unterschieden werden von anderem.

Die objektive Welt, – die Welt der Namen und Formen –, hat keine unabhängige Existenz. Atman allein hat reale Existenz. Die Welt ist nur Vyavaharika (das bedingt Wirkliche, die Betrachtungsweise der Menschen, welche das relative, grobstoffliche Universum für die einzige Wirklichkeit halten) oder Erscheinung.

Shankara war der Repräsentant der Kevala Advaita Philosophie. Seine Lehren können in folgenden Worten zusammengefasst werden:

Brahman allein ist real, diese Welt ist unwirklich. Der Jiva (individuelle Seele) ist identisch mit Brahman.

Shankara verkündete Vivarta Vada (die Illusion der Wahrnehmung benennend). So wie die Schlange im Seil gesehen wird, überlagern diese Welt und dieser physische Körper Brahman oder das Höchste Selbst. Wenn du das Wissen um das Seil erhältst, verschwindet die Illusion von der Schlange. Genau so, wenn du das Wissen von Brahman erlangst, verschwindet die Illusion von Körper und Welt.

Shankara ist der Beste unter den führenden Persönlichkeiten und den größten Seelen, die Mutter Indien hervorgebracht hat. Er war es, der die Advaita Philosophie entwickelte. Shankara war ein großer Metaphysiker, ein praktischer Philosoph, ein unfehlbarer Logiker, eine dynamische Persönlichkeit und eine gewaltige moralische und spirituelle Kraft. Seine packende und aufklärende Macht kannte keine Grenzen. Er war ein voll entwickelter Yogi, Jnani und Bhakta. Er war ein Karma Yogi von nicht geringem Rang. Er war ein mächtiger Magnet.

Es gibt keinen Wissensbereich, den Shankara unentdeckt ließ und der nicht durch ihn berührt, poliert und von seinem supermenschlichen Intellekt zu Ende gedacht worden wäre. Für Shankara und seine Arbeiten haben wir eine sehr hohe Wertschätzung. Die Erhabenheit, Ruhe und Bestimmtheit seines Geistes, die Unvoreingenommenheit, mit der er die verschiedensten Fragen behandelt. Seine Klarheit im Ausdruck, - all das lässt uns den Philosophen mehr und mehr verehren. Seine Lehren werden so lange lebendig sein, wie die Sonne scheint.

Shankaras gelehrte Belesenheit und seine meisterhafter Weise der Erklärung von komplizierten philosophischen Problemen haben die Wertschätzung aller gegenwärtigen philosophischen Schulen der Welt gewonnen. Shankara war ein Geistesgenie, ein tiefgründiger Philosoph, ein fähiger Propagandist, ein unvergleichlicher Prediger, ein begabter Dichter und großer religiöser Reformer. Vielleicht gab es nie in der Geschichte der Literatur eines Landes einen erstaunlicheren Autor als ihn. Selbst die westlichen Gelehrten der Gegenwart zollen ihm Respekt und Wertschätzung. Von allen Philosophiesystemen der Frühzeit wird das von Shankara als das am meisten Geistesverwandte erkannt werden und für den modernen Geist am leichtesten zu akzeptieren sein.

Aus: Swami Sivananda, Lives of Saints, The Divine Life Society

Weitere Infos zu Shankara

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