Schamanismus: Unterschied zwischen den Versionen

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====Mongolei====
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Die ältesten geschichtlichen Aufzeichnungen gibt es über den Mongolischen Schamanismus. Das Wort "Böö" (Schamane, geistiges Medium, Heiler) erschien zuerst auf Wahrsageknochen aus der späten Shang Dynastie (ca. 1600-1046 v.u.Z.). Klassische mongolische Quellen aus der Hunnu Dynastie (1045-256 v.u.Z.) enthalten nähere Angaben über männliche und weibliche Schamanen, die als '''Exorzist'''en, '''Heiler''', '''Regenmacher''', '''Traumdeuter''', '''Wahrsager''' und offizielle Amtsträger dienten. Schamanische Praktiken werden auch in der heutigen mongolischen Kultur weiter ausgeführt.  
Die ältesten geschichtlichen Aufzeichnungen gibt es über den Mongolischen Schamanismus. Das Wort "Böö" (Schamane, geistiges Medium, Heiler) erschien zuerst auf Wahrsageknochen aus der späten Shang Dynastie (ca. 1600-1046 v.u.Z.). Klassische mongolische Quellen aus der Hunnu Dynastie (1045-256 v.u.Z.) enthalten nähere Angaben über männliche und weibliche Schamanen, die als '''Exorzist'''en, [[Heiler]], [[Regenmacher]], [[Traumdeuter]], [[Wahrsager]] und offizielle Amtsträger dienten. Schamanische Praktiken werden auch in der heutigen mongolischen Kultur weiter ausgeführt.  


Die spirituelle Hierarchie in der auf dem Klanwesen basierenden mongolischen Gesellschaft war sehr komplex. Die ranghöchste Gruppe bestand aus 99 "Tngri" (55 von ihnen wohlwollend oder “weiß” und 44 furchteinflößend oder “schwarz”), 77 "Natigai" (Erdmütter), und andere. Die Tngri wurden nur von den Führern und großen Schamanen gerufen und waren bei allen Clans verbreitet. Nach diesen dominierten drei Gruppen von Ahnengeistern. Die höchsten Geister waren die Seelen von Clanführern, zu denen jedes Mitglied eines Clans um physische oder spirituelle Hilfe bitten konnte. Unter den "Wächtergeistern" waren die Seelen großer Schamanen (Jigari) und Schamaninnen (Abjiya). Die [[Schutzgeister]] setzten sich aus den Seelen geringerer Schamanen (Böge) und Schamaninnen (Idugan) zusammen und wurden mit einer bestimmten Lokalität (wie z.B. Berge, Flüsse, etc.) im Territorium des Clans assoziiert.
Die spirituelle Hierarchie in der auf dem Klanwesen basierenden mongolischen Gesellschaft war sehr komplex. Die ranghöchste Gruppe bestand aus 99 "Tngri" (55 von ihnen wohlwollend oder “weiß” und 44 furchteinflößend oder “schwarz”), 77 "Natigai" (Erdmütter), und andere. Die Tngri wurden nur von den Führern und großen Schamanen gerufen und waren bei allen Clans verbreitet. Nach diesen dominierten drei Gruppen von Ahnengeistern. Die höchsten Geister waren die Seelen von Clanführern, zu denen jedes Mitglied eines Clans um physische oder spirituelle Hilfe bitten konnte. Unter den "Wächtergeistern" waren die Seelen großer Schamanen (Jigari) und Schamaninnen (Abjiya). Die [[Schutzgeister]] setzten sich aus den Seelen geringerer Schamanen (Böge) und Schamaninnen (Idugan) zusammen und wurden mit einer bestimmten Lokalität (wie z.B. Berge, Flüsse, etc.) im Territorium des Clans assoziiert.

Version vom 8. Dezember 2012, 12:30 Uhr

Schamanismus beinhaltet das Erreichen eines höheren Bewusstseinszustandes, um mit der spirituellen Welt in Verbindung zu treten. Ein Schamane ist eine Person, die Zugang und Wirkung auf die Welt der wohlmeinenden und übelwollenden Geister hat. Typischerweise begibt er sich während eines Rituals in einen Zustand von Trance und übt dann heilende und hellseherische Fähigkeiten aus.

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Allgemein

Das Wort „Schamanismus“ wurde zuerst auf die alten Völker bzw Religionen der Türken, Mongolen und der Samoyedisch sowie tungusisch sprechenden Menschen angewandt. Das Wort „Schamane“ stammt aus dem Tungusischen (Nord Asien) und trat zuerst im Westen auf, nachdem russische Streitkräfte Khanat Kazan (einen tatarischen Staat) 1552 besiegt haben. Nachdem westliche Gelehrte mehr über religiösen Traditionen überall in der Welt erfuhren, wurde das Wort Schamanismus auch für ähnliche magisch-religiöse Bräuche innerhalb der indogenen Religionen in anderen Teilen der Welt (z.B.: Asien, Afrika, Amerika und Australasien) verwandt. Von vielen Historikern wurde ebenfalls eine wichtige Rolle des Schamanismus in vorchristlichen Religionen innerhalb Europas erwähnt. Viele dieser schamanischen Elemente sind bis zur frühen Moderne erhalten geblieben. Archäologen und Religionshistoriker haben ebenfalls nahegelegt, dass der Schamanismus ein vorherrschender pre-religiöser Brauch während der Altsteinzeit war.

Mircea Eliade (Rumänischer Religionswissenschaftler) schrieb: „Eine erste Definition dieses komplexen Phänomens und vielleicht auch die gewagteste: Schamanismus ist eine Technik der religiösen Extase“. Im Schamanismus dient der Schamane als Vermittler bzw. als Bote zwischen der menschlichen und der Geisterwelt. Man sagt, Schamanen können durch ihre Behandlung Krankheiten und Beschwerden lindern und die Balance und Ganzheit zwischen Psyche und Körper wieder herstellen. Der Schamane tritt außerdem in übernatürliche Bereiche und Dimensionen ein, um Lösungen für Probleme, die die Gemeinschaft betreffen, zu finden. Sie besuchen andere Dimensionen, um fehlgeleiteten Seelen Hilfestellung und Führung zu geben und um die Krankheiten der Seele zu heilen, die durch Fremdeinflüsse verursacht wurden. Der Schamane ist hauptsächlich innerhalb der sprirituellen Welt tätig, die sich jedoch auf die alltägliche auswirkt. Durch die Wiederherstellung der Balance werden die Beschwerden beseitigt.

Schmanismus und die dazugehörigen Bräuche und Überzeugungen haben schon sehr früh das Interesse der Wissenschaftler aus den verschiedensten Bereichen, wie Etnologen, Archäologen, Historiker und Religionswissenschaftler geweckt. Es wurden hunderte Bücher und Facharbeiten über das Thema verfasst. Die westliche Gesellschaft übernahm magisch-religiöse Praktiken, die durch den indogenen Schamanismus aus der ganzen Welt beeinflusst sind. Daraus entstand im 20. Jahrhundert die Neoschamanische Bewegung.


Terminologie

Etymologie

Das Wort „Schamane“ stammt vermutlich aus dem Tungusischen Wort "šamán“. Der tungusische Begriff wurde von den Russen übernommen, als sie mit den indogenen Völkern Sibiriens in Kontakt traten. Es ist zum Beispiel in den Memoiren des russischen Geistlichen Avvakum zu finden. In das westliche Europa gelangte das Wort durch den nierderländischen Reisenden Nicolaes Witsne, der in seinem Buch "Noord en Oost Tataryen" über seine Erfahrungen während seiner Aufenthalte bei den Ureinwohnern Sibiriens berichtete. Adam Brand, ein Händler aus Lübeck, veröffentlichte dieses Buch später in englischer Sprache.

Definitionen

Es kann bis heute keine einheitliche Definition für das Wort Schamanismus gefunden werden. Der englische Historiker Ronald Hutton, der durch seine Studien zum Thema Schamansimus einen großen Beitrag leistete, benannte am Anfang des 21. Jahrhunderts vier vorherrschende Definitionen. Aus diesen vier ergab sich für ihn keine neue Definition, sondern eine kritisch beleuchtete Sicht darauf. Die erste dieser Definitionen beschreibt „ jeden, der in Kontakt mit der spirituellen Welt treten kann, während er in einem veränderten Bewusstseinszustand ist“. Die zweite Definition grenzt dies ein, indem sie sagt, dass der Schamane in diesen Zustand nur auf Geheiß anderer eintreten kann. Die dritte Definition unterstellt dem Schamanen eine bestimmt Technik, die von keinem anderen magisch-religiösen Spezialisten verwendet wird. Die vierte und letzte Definition von Schamanismus bezeichnet ihn einfach als Religion der Ureinwohnern Sibiriens und den angrenzenden Teilen Asiens.


Initiation

Man sagt Schamanen werden durch Träume oder Zeichen “gerufen”, eine schamanische Ausbildung bedarf einer langen Lehrzeit. Schamanische Kräfte können allerdings auch vererbt werden. Turner und seine Kollegen benennen ein Phänomen der schamanischen Initiationskrise, welches meist physische oder psychische Krankheiten zur Folge hat. Die signifikante Rolle dieser „Krise“ ist in den deitaillierten historischen Schriften des Chuonnasuan, einer der letzen Tungusischen Schamanen in Nord Ost Asien, zu finden. Der Verwundete Heiler ist ein Archetyp für den Weg des Schamanen. Dieser Prozess ist für einen jungen Schamanen sehr wichtig. Die Krise bringt ihn an den Rande des Todes. Dies passiert aus zwei Gründen: 1. Der Schamane tritt in die Unterwelt ein, damit er in die Tiefen vordringen kann, um wichtige Informationen für die Kranken und die Gemeinschaft zu erhalten. 2. Der Schamane muss krank werden, um Krankheit zu verstehen. Indem der Schamane seine eigene Krankheit überwindet, ist er nun auch in der Lage, andere Menschen zu heilen. Das ist das Kennzeichen des “Verwundeten Heilers“.


Rollen eines Schamanen

Die soziale Rolle eines Schamanen wird meist durch große Verantwortung und Verpflichtungen, die ihm von seiner Gemeinschaft auferlegt wurden, definiert. Schamanen erlernen die heilenden Fähigkeiten indem sie in die spirituelle Welt oder andere Dimensionen eintreten. Die meisten Schamanen haben Visionen oder Träume in denen ihnen bestimmte Dinge übermittelt werden. Der Schamane hat spirituelle Führer die ihn durch die andere Dimension führen. Der spirituelle Führer energetisiert den Schamanen und gibt ihm die Möglichkeit, in den anderen Dimensionen zu heilen. Der Schamane bringt verlorengegangene oder verirrte Seelenanteile zurück und reinigt die Seele von negativen Energien, die für Verwirrung sorgen.

Ein Schamane dient als Mediator zwischen der diesseitigen Welt und der jenseitigen. Er kommuniziert mit den Geistern in Belangen der Gemeinschaft. Der Schamane kommunziert sowohl mit toten als auch mit lebendigen Seelen, um Unruhen und ungeklärte Probleme zu lösen. Dabei bringt er den Geistern Opfergaben dar.

Schamanen assistieren in der Seelenrückführung. Im Schamanismus geht man davon aus, dass ein Teil der menschlichen Seele frei ist und daher fähig, den Körper zu verlassen. Die Seele ist die Axis mundi, das Zentrum der schamanischen Heilkunst. Schamanen verändern das Stadium ihres Bewusstseins, indem sie ihrer freien Seele erlauben umherzuwandern und althergebrachte Weisheiten und verlorene Kräfte zurückzuerlangen.

Da ein Teil der Seele dazu fähig ist, den Körper zu verlassen, wird er es tun, während er träumt, oder er wird den Körper verlassen, um sich selbst vor potentiell schädigenden Situationen zu schützen, seien sie emotional oder physisch schädigend. In traumatischen Situationen kann es geschehen, daß der Seelenanteil nicht von alleine zum Körper zurückkehren kann und ein Schamane intervenieren muss, um die Seelenessenz zurückzubringen.

Schamanen führen eine Vielzahl von Funktionen aus, ahhängig von ihrer entsprechenden Kultur: Heilung, Opfergaben, Erhaltung der Tradition durch Geschichtenerzählen und Lieder, Wahrsagen und ebenso den Dienst als Seelenbegleiter. Ein einzelner Schamane kann mehrere dieser Rollen erfüllen. Die Funktion eines Schamanen kann entweder die Begleitung zur Wohnstätte der Seelen der Verstorbenen beinhalten (welche entweder einzeln oder in einer Gruppe begleitet werden, abhängig von der Kultur) und/oder die Heilung von Leiden. Diese Leiden mögen entweder nur körperliche Beschwerden sein, solche wie Krankheiten, die durch Schenkungen, Schmeicheleien, Drohungen oder Ringen mit dem Krankheitsgeist kuriert werden können (manchmal durch all diese Dinge, sequentiell) und solche, welche möglicherweise durch das Zeigen einer vermutlich extrahierten Gabe des Krankheitsgeistes beendet werden können (das Zeigen dieser Gabe, auch wenn es betrügerisch anmutet, soll den Krankheitsgeist beeindrucken und ihn überzeugen, dass er besiegt worden ist oder zumindest im Begriff ist, besiegt zu werden, so dass er zurückweicht und dem Körper des Patienten fernbleibt), oder auch mentale (inklusive psychosomatische) Beschwerden wie beständige Angstzustände (auf Grund einer beängstigenden Erfahrung), welche genauso gut auch mit ähnlichen Methoden kuriert werden könnten.

Normalerweise wird in den meisten Sprachen ein anderer Begriff als der des hier verwendeten „Schamanen“ eingesetzt, um einen religiösen Abgesandten zu beschreiben, der heilige Rituale ausführt (Priester) oder der ein Erzähler traditioneller Überlieferungen (Weiser) ist, doch auf jeden Fall gibt es eine Überlappung der Funktionen (mit denen eines Schamanen) im Falle eines Omen- oder Traumdeuters.

Es gibt bestimmte Typen von Schamanen, welche speziellere Funktionen ausüben. Unter den Nanivölkern agiert zum Beispiel eine bestimmte Art des Schamanen als Seelenbegleiter. Andere spezialisierte Schamanen mögen anhand der Art der Geister zu unterscheiden sein oder anhand der Bereiche der geistigen Welten, mit welchen der jeweilige Schamane am häufigsten interagiert. Diese Rollen variieren unter den Nenets, den Enets und den Selkup-Schamanen. Unter den Huichol existieren zwei Kategorien der Schamanen. Dies zeigt die Unterschiede zwischen Schamanen innerhalb eines einzigen Völkerstammes.

Unter den Hmong-Stämmen agieren die Ntxiv-Neej als Heiler. Die Ntxiv-Neej vollführen ebenfalls Rituale/Zeremonien, um die Seele von ihren vielfältigen Reisen in den physischen menschlichen Körper zurückzurufen. Ein Ntxiv-Neej kann verschiedene schamanische Werkzeuge wie Schwerter, Hörner der Gottheiten, einen Gong (Trommel) oder Fingerglocken/Schellen benutzen. Alle Werkzeuge dienen dazu, die Geister vor den Augen des Unbekannten zu schützen und dadurch die Ntxiv-Neej zu ermächtigen, die Seelen wieder ihren ursprünglichen Besitzern zuzuführen. Die Ntxiv-Neej tragen einen weißen, roten oder schwarzen Schleier, um die Seele vor ihren Angreifern in den spirituellen Dimensionen zu verbergen.

Die Grenzen zwischen Schamanen und Laien sind nicht immer klar zu erkennen. Unter den Barasana in Brasilien gibt es keinen absoluten Unterschied zwischen denen, die als Schamanen anerkannt werden und den übrigen Menschen. Auf dem niedrigsten Level besitzen die meisten der erwachsenen Männer die Fähigkeiten eines Schamanen und werden so dieselben Funktionen ausführen wie diejenigen Männer, die ein weitverbreitetes Ansehen ihrer Stärke und ihres Wissens genießen. Der Barasana Schamane kennt mehr Mythen und und versteht ihre Bedeutung besser, nichts desto trotz kennt die Mehrheit der erwachsenen Männer ebenfalls viele Mythen.

Unter den Inuit machen die Laien Erfahrungen, welche normalerweise den Schamanen der Inuitgruppen zugeordnet werden: Tagträume, Entrücktsein und Trance sind nicht den Schamanen vorbehalten. Kontrolle über die Hilfe durch Geister ist das primäre Charakteristikum, welches den Schamanen zugeordnet wird. Laien verwenden normalerweise Amulette, Zauersprüche, Formeln, Rezepte und Lieder. Unter den Greenland Inuit haben die Laien eine größere Kapazität, um sich mit spirituellen Wesen zu verbinden. Diese Menschen sind oft Auszubildende der Schamanen, welche die Initiationsriten nicht vollendet haben.

Der Assistent eines Orogen Schamanen (genannt Jardalanin, oder “zweiter Geist”) weiß viele Dinge über die Zusammenhänge des Glaubenssystems. Er oder sie begleitet die Rituale und interpretiert das Verhalten des Schamanen. Trotz dieser Funktionen ist der Jardalanin kein Schamane. Für diesen interpretierenden Assistenten wäre es unangemessen, in Trance zu fallen. Neuere archäolgische Beweise der Geschlechterforschung lassen vermuten, dass die frühesten bekannten Schamanen der Frühsteinzeit Frauen waren.


Ökologische Aspekte

Die Ressourcen für den menschlichen Konsum können leicht in tropischen Regenwäldern abgebaut werden. Unter den Tucano Völkern existiert ein ausgeklügeltes System für das Management natürlicher Ressourcen und ein System, um die Ausbeutung von Ressourcen durch zu viel Jagd zu vermeiden. Dieses System hat ein mythologisches Konzept und wird symbolisch von dem Glauben gestützt, dass das Brechen von Jagdregeln Krankheit erzeugen kann. Als hauptsächlicher Lehrer des Stammessymbolismus kann der Schamane eine leitende Rolle im ökologischen Management einnehmen, indem er aktiv das Jagen und Fischen eingrenzt. Der Schamane ist fähig, Wildtiere, oder ihre Seelen, aus ihren versteckten Wohnstätten „zu befreien“. Die Piaroa Stämme haben ökologische Bedenken, die dem Schamanismus ähnlich sind. Unter den Inuit fangen die Schamanen die Seelen des Wildes in fernen Gegenden oder begeben sich auf Seelenreise, um mythische Wesen, wie „die Alte Frau des Meeres“, um Wild zu bitten.


Wirtschaftliche Aspekte

Die Art und Weise, wie Schamanen ihren Lebensunterhalt verdienen und am alltäglichen Leben teilnehmen, variiert in den verschiedenen Kulturkreisen. In vielen Inuit-Gruppen erbringen sie eine bestimmte Leistung für die Gemeinschaft und bekommen ein „Festgehalt“. Es gibt Kulturen, die glauben, dass die Bezahlung erbracht wird, um den Geistern zu helfen, aber diese Gaben sind nur „Willkommensgeschenke“. Sie sind nicht genug, um dem Schamanen das Schamanendasein als Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Schamanen leben, wie alle anderen Mitglieder der Gruppe, als Jäger oder Hausfrau.


Glaubensvorstellungen

Überall auf der Welt gibt es viele Variationen des Schamanismus, doch manche der allgemeinen Glaubenssätze werden von allen Formen des Schamanismus geteilt. Allgemeine Glaubenssätze nach Eliade (1972) sind die folgenden:

  • Geister existieren und sie spielen eine wichtige Rolle, sowohl im Leben des Individuums als auch in der menschlichen Gesellschaft
  • Der Schamane kann mit der geistigen Welt kommunizieren.
  • Geister können sowohl wohlwollend als auch übelwollend sein.
  • Der Schamane kann Krankheiten heilen, die von übelwollenden Geistern verursacht wurden.
  • Der Schamane kann Trance benutzen, um Techniken einzuleiten, die die visionäre Extase anregen, und er kann auf visionäre Forschungsreisen gehen.
  • Der Geist des Schamanen kann den Körper verlassen, um in die übernatürliche Welt einzutreten und nach Antworten zu suchen.
  • Der Schamane beschwört animalische Bilder wie Geistführer, Omen und Botschafter herauf.
  • Der Schamane kann die Zukunft vorhersagen, Pendeln, Knochen und Runen werfen und verschiedene andere Formen der Weissagung verwenden.

Der Schamanismus basiert auf der Prämisse, daß die sichtbare Welt von unsichtbaren Mächten oder Geistern durchdrungen wird, welche das Leben der Lebenden beeinflussen. Obwohl die Gründe für Krankheiten im spirituellen Bereich liegen, eingehaucht von bösartigen Geistern oder Hexenkraft, werden spirituelle und physikalische Methoden verwendet, um zu heilen. Üblicherweise „betritt“ der Schamane den Körper des Patienten, um die spirituelle Schwäche zu ermitteln und ihn zu heilen, indem er den infektuösen Geist vertreibt.

Viele Schamanen haben Expertenwissen über medizinische Pflanzen, die in ihren Gebieten heimisch sind - Kräuterbehandlungen werden oft verschrieben. In vielen Gegenden lernen die Schamanen direkt von den Pflanzen, indem sie sich ihre Wirkungen und Heilkräfte nutzbar machen, nachdem sich sich die Erlaubnis der innewohnenden Schutzgeister geholt haben. Im Peruanischen Amazonasbecken verwenden Schamanen und Curanderos Medizingesänge, "Icaros" genannt, um Geister heraufzubeschwören. Bevor ein Geist gerufen werden kann, muss er den Schamanen sein Lied lehren. Üblich ist der Gebrauch von Totem-Gegenständen wie Steinen mit speziellen Kräften und einem lebendigen Geist.

Solche Praktiken sind vermutlich sehr alt. Plato schrieb in seinem “Phaedrus“, dass die „ersten Prophezeihungen, die Worte einer Eiche waren“, und diejenigen, die zu jener Zeit lebten, fanden es lohnend genug, „einer Eiche oder einem Stein zuzuhören, so lange diese die Wahrheit sagten“.

Der Glaube an Hexenkraft und Zauberei, in Lateinamerika bekannt als "Brujeria", existiert in vielen Gesellschaften. Dieser hebt diejenigen Schamanen hervor, die von schädigenden Hexenmeistern befreien. Andere Gemeinschaften erklären, dass alle Schamanen die Macht haben zu heilen und auch zu töten. Schamanisches Wissen genießt üblicherweise große Macht und hohes Ansehen in der Gesellschaft, aber es wird auch oft misstrauisch oder angstvoll als potentiell schädigend für andere betrachtet.

Während er in seine Arbeit vertieft ist, ist der Schamane einem beträchtlichen persönlichen Risiko ausgesetzt, entweder durch die Geisterwelt, durch feindliche Schamanen oder durch die bewusstseinsverändernden Substanzen, die der Schamane zu sich nimmt. Diese pflanzlichen schamanischen Mittel können giftig oder tödlich sein, wenn sie falsch angewendet werden. Das Ausbleiben der Rückkehr von einer außerkörperlichen Reise kann zum Tode führen. Üblicherweise werden Zaubersprüche benutzt, um sich gegen Gefahren dieser Art zu schützen. Der Gebrauch hoch gefährlicher Pflanzen ist oft stark ritualisiert.


Konzepte der Seele und des Geistes

Die Anzahl der Funktionen, wie oben beschrieben, mag nach verschiedenen Aufgaben klingen, können aber anhand der zugrundeliegenden Seelen- und Geisteskonzepte verbunden werden.

  • Seele Dieses Konzept kann generell mehrere, scheinbar unzusammenhängende Phänomene des Schamanismus` erklären.
  • Heilung Dieses Konzept ist eng verbunden mit dem Seelenkonzept des Glaubenssystemes der Menschen, denen der Schamane dient. Es beinhaltet die Seelenrückholung einer erkrankten Person. Beachte ebenfalls das Konzept der Dualseele.
  • Knappheit an jagbarem Wild Dieses Problem kann gelöst werden, wenn die Seelen der Tiere aus ihren verborgenen Wohnstätten “freigelassen” werden. Außerdem schreiben viele Tabus das Benehmen der Menschen gegenüber dem Wild vor, so dass die Seelen der Tiere nicht verärgert oder verletzt sind. Oder die zufriedene Seele der schon getöteten Jagdbeute kann den anderen, noch lebenden Tieren erzählen, dass sie es zulassen können, sich fangen und töten zu lassen. Die ökologischen Aspekte der schamanischen Praxis und verwandter Glaubensvorstellungen werden weiter unten behandelt.
  • Unfruchtbarkeit von Frauen Dieses Problem kann geheilt werden, wenn die Seele des zu erwartenden Kindes erreicht werden kann.
  • Geister Glaubensvorstellungen, die sich auf Geister beziehen, können viele verschiedene Phänomene erklären. Zum Beispiel kann man die Wichtigkeit des Geschichtenerzählens oder die Tätigkeit als Sänger besser verstehen, wenn man das ganze Glaubenssystem untersucht. Eine Person, die lange Texte oder Lieder behalten und gleichzeitig ein Instrument spielen kann, mag als Begünstigter der Geister angesehen werden. (Khanty Völker)


Praxis

Im Allgemeinen überschreitet der Schamane die Axis Mundi und betritt die spirituelle Welt, indem er eine Bewußtseinsveränderung herbeiführt. Dies gelingt ihm durch einen ekstatischen Trancezustand, induziert entweder durch Selbsthypnose oder durch den Gebrauch von Entheogenen. Die Methoden sind vielfältig und werden oft zusammen angewandt. Methoden, die solche Trancezustände bewirken, sind:

Pflanzen (häufig psychoaktiv):

  • 1. Psilocybinhaltige Pilze („Zauberpilze“)
  • 2. Cannabis (Hanf)
  • 3. Tabak
  • 4. San Pedro Kaktus
  • 5. Peyote
  • 6. Ayahuaska
  • 7. Wacholder
  • 8. Datura (Stechapfel)
  • 9. Belladonna (Tollkirsche)
  • 10. Fliegenpilz
  • 11. Iboga (Hundsgiftgewächs)
  • 12. Trichterwinde
  • 13. Echter Salbei
  • 14. Zaubersalbei
  • 15. Hawaiianische Holzrose

Andere:

  • 1. Tanzen
  • 2. Singen
  • 3. Musik
  • 4. Icaros (Medizingesänge)
  • 5. Nachtwachen
  • 6. Fasten
  • 7. Schwitzhütte
  • 8. Visionssuche
  • 9. Marir (eine Art Geist)
  • 10. Schwertkämpfe/Klingenschmieden

Schamanen halten oftmals Nahrungsbeschränkungen oder gewohnheitsmäßige Beschränkungen, die sich aus ihrer Tradition herleiten, ein. Diese Beschränkungen sind mehr als nur kulturell bedingt. Die Diät, die von Schamanen und Auszubildenden vor der Teilnahme an einer Ayahuaska Zeremonie befolgt wird, beinhaltet beispielsweise Nahrung, die reich an Tryptophan (einem biosynthetischen Ausgangsstoff von Serotonin) ist, als auch die Vermeidung von Nahrung, die reich an Tyraminen ist, so wie sie in Ayahuasca Gebräuen gefunden werden, welche eine hypertensive Krise hervorrufen können sowie die Abstinenz von Alkohol und Sex.

Musik, Gesang, Lieder: Genau wie der Schamanismus selbst sind Musik und Gesänge, die mit dem Schamanismus verbunden werden, sehr unterschiedlich in verschiedenen Kulturen. In mehreren Fällen imitieren die Lieder, die mit dem Schamanismus verbunden sind, natürliche Geräusche, durch Klangmalerei (Wortbildung aus Naturlauten). Lautnachahmungen können in den verschiedenen Kuluturen eine andere Funktion haben, die nicht unbedingt dem Schamanismus zugerechnet werden: praktische Ziele, wie das Anlocken von Wild bei der Jagd oder ganz einfach zur Unterhaltung (Inuit Kehlgesänge).


Utensilien eines Schamanen (Paraphernalia)

  • Trommel Die Trommel wird von Schamanen einiger sibirischer Völker, den Inuit und vielen anderen Kulturen auf der ganzen Welt verwendet, obwohl ihre Nutzung in schamanischen Seancen bei den Inuit in Kanada fehlt. Das Schlagen der Trommel erlaubt den Schamanen, einen veränderten Bewusstseinszustand zu erreichen oder sich auf eine Reise zwischen der physischen und spirituellen Welt zu begeben. Viel Faszination umgibt die Rolle, die die Akustik der Trommel für die Schamanen spielt. Schamanentrommeln bestehen im Normalfall aus einer Tierhaut, die über einen gebogenen Reifen aus Holz gespannt wurde und einen Griff über dem Reifen hat.
  • Federn - Sowohl in zahlreichen nord- und südamerikanischen Kulturen, als auch in Europa und Asien, werden Vögel als Boten der Geister gesehen. Federn werden oft in Zeremonien und in einzelnen Heilritualen verwendet.
  • Rassel findet man eher unter südamerikanischen und afrikanischen Völkern. Sie werden auch in Zeremonien unter den Navajo-Indianern und auf traditionelle Weise in Segnungen und Zeremonien verwendet.
  • Gong findet man häufig bei Völkern aus Südostasien und Fernost.
  • Pfeife - Wird zum Rauchen verschiedener Tabakarten und psychoaktiver Kräuter (z.B. Tabak in Nord-und Südamerika, Cannabis in Indien) verwendet.
  • Schwert Im Hmong-Schamanismus, wird ein heiliges Schwert immer in der Praxis verwendet, um den Schamanen von wandernden "bösen" Geistern zu schützen, wenn er in die geistige Welt reist.
  • Schütteln - meist im Hmong Schamanismus zu finden. Der Schamane beginnt seine Praxis mit Rasseln, welches dann in ein Schütteln/Rütteln übergeht. Dies ist der Prozess der Kommunikation mit seinen schamanischen Geistern, die ihn dann in die Geisterwelt führen.
  • Lange Tafel - Ein flexibler Holztisch, etwa 9x2 Fuß lang, wird im Hmong Schamanismus verwendet, der Tisch verwandelt sich in der Geisterwelt in ein "fliegendes Pferd".
  • Hahn Ein Hahn wird oft im Hmong Schamanismus verwendet. Der Schamane benutzt einen Hahn, wenn er Reisen ins Unbekannte unternimmt. Es wird gesagt, dass der Hahn den Schamanen vor wandernden "bösen" Geistenr abschirmt, indem er ihn unsichtbar macht; daher sehen die bösen Geister nur den nutzlosen Geist des Hahnes.


Akademische Studien

Kognitive, semiotische und hermeneutische Ansätze

Wie bereits erwähnt, erklärt ein viel diskutierter Ansatz die Etymologie des Wortes "Schamane" im Sinne von "derjenige, der weiß". Tatsächlich ist der Schamane ein Experte im Zusammenhalten der vielfältigen Normen einer Gesellschaft. Dementsprechend sind die Normen einer Gesellschaft die Manifestation eines der Gesellschaft zugrunde liegenden komplexen Glaubenssystems. Daher pflegen Schamanen, um wirksam sein zu können, einen umfassenden Einblick in ihre Seele, die ihnen die Sicherheit des Wissens vermittelt. Schamanen drücken Bedeutungen in vielerlei Hinsicht aus: verbal, musikalisch, künstlerisch und im Tanz. Bedeutungen können in Objekten wie Amuletten manifestiert werden. Die Symbole auf dem Schamanenkostüm und der Trommel können sich auf Krafttiere oder auf den Rang des Schamanen beziehen.

Der Schamane kennt die Kultur seiner Gemeinschaft gut und handelt entsprechend. So kennt das Publikum die verwendeten Symbole und Bedeutungen – und deshalb kann der Schamanismus auch wirksam sein: Die Leute im Publikum vertrauen ihm, vertrauen seinem Wissen. Das erklärt die oben beschriebene Etymologie des Wortes "Schamane" im Sinne von "derjenige, der weiß".

Es gibt auch Beispiele von "einander gegenüberliegenden Symbolen", die Unterscheidung zwischen "weißen" Schamanen, welche die Himmelsgeister für wohlwollende Ziele am Tage kontaktieren und "schwarzen" Schamanen, die böse Geister wegen übelwollender Ziele bei Nacht kontaktieren. Serien solcher gegensätzlicher Symbole beziehen sich auf eine dahinter liegende Weltanschauung. Analog zu der Art und Weise, wie Grammatik Wörter arrangiert, um Bedeutungen auszudrücken und eine Welt zu vermitteln, formt auch dies eine kognitive Landkarte. Schamanisches Wissen wurzelt in der Tradition einer Gemeinschaft, welches eine "mythologische kognitive Landkarte" liefert. Juha Pentikäinen verwendet das Konzept "Grammatik des Geistes". Auf ein Sami Beispiel verweisend, schreibt Kathleen Osgood Dana: „Juha Pentikäinen erklärt in seiner Einleitung zu Schamanismus und Ökologie des Nordens, wie die Sami Trommel Sami Weltanschauungen verkörpert. Er hält Schamanismus für eine "Grammatik des Geistes", denn Schamanen müssen Experten in der Tradition ihrer Kulturen sein.“

Armin Geertz prägte und führte die Hermeneutik ein, die "Ethnohermeneutik", welche nun die Ansätze für die Praxis der Interpretation bietet. Hoppal erweiterte den Begriff, um nicht nur die Interpretation der mündlichen und schriftlichen Texte sondern auch die "visuellen Texte - einschließlich Bewegungen, Gesten, komplexen Ritualen und Zeremonien, die zum Beispiel von Schamanen durchgeführt werden" mit einzubeziehen. Sie zeigen nicht nur die animistische Sichtweise, die sich hinter dem Schamanismus verbirgt, sondern vermitteln auch ihre Relevanz für die heutige Welt, wo ökologische Probleme Paradigmen über Balance und Schutz bestätigen.

Andere Feldarbeiten verwenden systemtheoretische Konzepte und ökologische Aspekte, um das Wissen des Schamanen zu verstehen. Die Desana und Tucano Indianer haben eine ausgefeilte Symbolik und Konzepte für "Energie", die zwischen Menschen und Tieren in zyklischen Bahnen fließt. Gerardo Reichel-Dolmatoff verbindet diese Konzepte mit Entwicklungen der modernen Wissenschaften (Systemtheorie, Ökologie, neue Ansätze in der Anthropologie und Archäologie), die die Kausalität in einer weniger linearen Weise behandelt. Er schlägt auch eine Kooperation der modernen Wissenschaft mit indigenem Wissen vor.

Hypothesen über die Herkunft

Schamanische Praktiken könnten schon aus der Altsteinzeit stammen, sie sind älter als alle organisierten Religionen. Mit Sicherheit kann man sie in die Jungsteinzeit datieren. Frühe anthropologische Studien theoretisieren, dass Schamanismus sich als magische Praxis entwickelt hat, um eine erfolgreiche Jagd oder das Sammeln von Nahrungsmitteln sicherzustellen. Funde in Höhlen und Zeichnungen an den Wänden unterstützten die Anzeichen dafür, dass der Schamanismus während der Altsteinzeit begann. Ein solches Bild stellt z.B. ein Halbtier dar, mit dem Gesicht und den Beinen eines Mannes, mit Geweihen und dem Schwanz eines Hirsches.

Archäologische Funde liegen vor, um den Schamanismus der Mittelsteinzeit zu belegen. Im November 2008 verkündeten die Forscher die Entdeckung eines 12.000 Jahre alten Ortes in Israel, welcher als einer der frühesten bekannten Stätten für Schamanen-Bestattungen gehalten wird. Eine ältere Frau war auf ihrer Seite liegend, mit gespreizten Beinen und am Knie nach innen gebogen, arrangiert worden. Zehn große Steine wurden auf Kopf, Becken und Arme gelegt. Unter ihren ungewöhnlichen Grabbeigaben waren 50 komplette Schildkrötenpanzer, ein menschlicher Fuß und bestimmte Körperteile von Tieren wie ein Kuhschwanz und ein Adlerflügel. Andere tierische Überreste kamen von einem Wildschwein, einem Leoparden und zwei Mardern. "Es scheint, als wenn diese Frau ... in einer engen Beziehung mit diesen tierischen Geistern gesehen wurde", bemerkten die Forscher. Das Grab war eines von mindestens 28 auf einer Baustelle, in einer Höhle im unteren Galiläa lokalisiert und wird der Kultur der Nutufian zugeordnet. Es fällt aber auf, dass es völlig untypisch im Gegensatz zu allen anderen unter den Natufians oder in der Altsteinzeit bekannten Grabstätten zu sein scheint.

Klinische Studie

Das „Kaiser Permanente Center For Health Research“ in Portland, Oregon, führte eine Studie in Bezug auf die Wirksamkeit der schamanischen Heilweisen als eine Behandlung für chronische Gesichts- und Kieferschmerzen durch. Dreiundzwanzig Frauen, bei denen Kiefergelenkserkrankungen (TMDs) diagnostiziert wurden, nahmen an der Studie teil. Am Ende der Behandlung wurden nur vier von ihnen noch mit der vorliegenden TMD zu Beginn der Studie diagnostiziert.

Historisch-anthropologische Schule der Volkskunde

Volkskundler haben das Vorhandensein von Resten des Schamanismus und die schamanische Praxis in Volksmärchen aus der ganzen Welt ausgewertet. Michael Berman identifiziert das Genre der schamanischen Geschichte, von denen es nur Beispiele aus Völkergruppen mit schamanischer Kosmologie oder einem schamanischen Weltbild gibt. Kultkrantz weist darauf hin, dass "in Bereichen, in denen Schamanismus seit langem eine Sache der Vergangenheit ist, viele Geschichten nur vages Stückwerk oder ungenaue Erinnerungen an Schamanen und ihresgleichen enthalten." Die Anwesenheit von Besonderheiten und Merkmale der schamanischen Geschichten helfen Volkskundlern und Ethnologen, die Praxis einer schamanistischen Kultur zu rekonstruieren.


Niedergang und Revitalisierung/Traditionserhaltende Bewegungen

Vom Schamanismus wird angenommen, dass er auf der ganzen Welt im Niedergang begriffen ist, was möglicherweise aufgrund anderer organisierter religiöser Einflüsse, wie z.B. dem des Christentums, welches Menschen, die den Schamanismus praktizieren, zu ihren eigenen Systemen und Lehren konvertieren möchten, zurückzuführen ist. Ein weiterer Grund ist die westliche Auffassung des Schamanismus als "primitiv", "abergläubisch", hinterwäldlerisch und veraltet. Walfänger, die gelegentlich mit Inuitstämmen interagieren, sind ein Grund für den Niedergang in der betreffenden Region.

Es werden Versuche gemacht, den Tuvan-Schamanismus zu bewahren und zu revitalisieren. Frühere authentische Schamanen haben wieder begonnen zu praktizieren und junge Assistenten werden in einer organisierten Art und Weise ausgebildet. In vielen Gebieten weigerten sich frühere Schamanen, die gewohnten Funktionen in ihrer Gemeinschaft zu erfüllen, da sie sich von ihrer eigenen Gemeinschaft verspottet fühlten, oder sie betrachteten ihre eigene Vergangenheit als eine veraltete Angelegenheit und waren unwillig, mit einem Ethnologen darüber zu reden. Darüber hinaus können volkstümliche Texte uns - neben der persönlichen Kommunikation mit ehemaligen Schamanen – direkt etwas über einen Verschlechterungsprozess berichten. Ein epischer Text der Buryat zum Beispiel beschreibt die wunderbaren Taten des alten "ersten Schamanen" Kara-Gurgan: Dieser konnte sogar mit Gott konkurrieren, Leben erschaffen, die Seele des Kranken wieder von Gott stehlen, ohne dessen Zustimmung. Ein nachfolgender Text beklagt, dass die Schamanen älterer Zeiten stärker waren, sie besaßen Fähigkeiten wie das Alles-Sehen, das Wahrsagen sogar auf Jahrzehnte in die Zukunft sehen und konnten sich so schnell bewegen wie eine Kugel. Die Texte vergleichen sie mit den heutigen herzlosen, unwissenden, gierigen Schamanen.

In den meisten betroffenen Gebieten hörten die schamanischen Praktiken auf zu existieren, die authentischen Schamanen starben, und ihre persönlichen Erfahrungen starben mit ihnen. Der Verlust der Erinnerung wird auch nicht durch die Tatsache gemildert, daß der Schamane nicht immer die einzige Person in einer Gemeinschaft ist, die den Glauben und die Motive im Zusammenhang mit dem lokalen Schamanentum kennt (bei den Barasana kennen Laien die Mythen fast ebenso gut, unter den Inuit Grönlands gibt es ehemalige Schamanenlehrlinge, die nicht fähig waren, ihre Lehrzeit zu vervollständigen; auch Laien können bei den Inuit trance-artige Erfahrungen haben; bei den Dagara kann der Assistent eines Schamanen äußerst kenntnisreich sein). Obwohl der Schamane als glaubwürdig und vertrauenswürdig gilt, gerade weil er die "Grammatik" des Glaubenssystems der Gemeinde „beherbergt“, bestehen doch mehrere Teile des Wissens in Bezug auf das lokale Schamanentum aus persönlichen Erfahrungen des Schamanen (Krankheit) oder wurzeln im Leben seiner Familie (die Interpretation der Symbolik seiner Trommel), die mit seinem Tod verloren sind. Abgesehen davon ist in vielen Kulturen das gesamte traditionelle Glaubenssystem gefährdet (oft zusammen mit einer teilweisen oder vollständigen Sprachveränderung). Die Menschen, die sich an damit verbundene Überzeugungen und Praktiken (oder die Sprache überhaupt) erinnerten, wurden alt oder starben, viele volkstümliche Erinnerungen (Songs, Texte) wurden vergessen. Das kann sogar solche Völker wie die Nganansan bedrohen, die ihre Isolierung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts bewahren konnten. Einige Gebiete könnten aufgrund ihrer Abgeschiedenheit einen längeren Widerstand bieten.

Varianten des Schamanismus waren einst bei den Inuit ein weit verbreitetes (und sehr diverses) Phänomen, aber heute werden sie selten praktiziert, und sie waren bei vielen Gruppen bereits im Niedergang begriffen. Schon während der ersten großen ethnologischen Forschung z.B. unter Polar Inuit, am Ende des 19. Jahrhunderts, wo Sagloq starb, der letzte Schamane, der glaubte, in der Lage zu sein, in den Himmel und unter das Meer zu reisen. Viele andere ehemalige schamanische Fähigkeiten gingen während dieser Zeit verloren, so wie die Kunst des Bauchredens und Taschenspielertricks.

Die isolierte Lage des Ngananasan Volkes ermöglichte dem Schamanismus, ein lebendiges Phänomen bei ihnen zu sein, auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die letzten bemerkenswerten schamanischen Zeremonien der Nganansan konnten auf einem Film in den 70er Jahren festgehalten werden.

Nach der beispielhaften Darstellung des allgemeinen Rückganges auch in den entlegensten Gebieten, soll nicht unerwähnt bleiben, dass es, als Antwort darauf, auch Bemühungen um Revitalisierung oder Bewahrung der Tradition gibt. Neben der Sammlung von Geschichten, gibt es auch traditionsbewahrende und sogar revitalisierende Bemühungen durch authentische ehemalige Schamanen (z. B. unter den Sakha und Tuwans). Doch nach Richard L. Allen, Research & Policy Analyst für die Cherokee Nation, werden sie von betrügerischen „Schamanen“ überschwemmt. "Man kann davon ausgehen, dass jeder, der behauptet, ein Cherokee 'Schamane, Geistheiler oder Pfeifen-Träger' zu sein, gleichzusetzen ist mit einem modernen Verkäufer von Schlangenöl in medizinischen Verkaufssendungen." In der Tat gibt es kein Cherokee-wort für Schamane oder Medizinmann. Das Cherokee-Wort für „Medizin“, Nvowti, bedeutet „Macht“.

Neben traditionsbewahrenden Bemühungen gibt es auch neoschamanistische Bewegungen, die sich von vielen tradtitionellen schamanischen Praktiken und Glaubensvorstellungen in mehreren Punkten unterscheiden. Zugegebenermaßen haben einige traditionelle Glaubenssysteme tatsächlich ökologische Aspekte (zum Beispiel bei vielen Eskimo Völkern) und unter den Tukano hat der Schamane in der Tat eine direkte Ressourcen-schützende Rolle. Details finden sich im Abschnitt „ökologische Aspekte“.

Heute überlebt der Schamanismus vor allem unter den indigenen Völkern. Schamanische Praktiken werden heute weiterhin in den Tundren, Dschungeln, Wüsten und anderen ländlichen Gebieten ausgeübt und finden sich sogar in Städten, Vororten und Slums auf der ganzen Welt. Dies gilt vor allem für Afrika und Südamerika, wo der "Mestizo Schamanismus" weit verbreitet ist.


Regionale Variationen

Asien

Mongolei

Die ältesten geschichtlichen Aufzeichnungen gibt es über den Mongolischen Schamanismus. Das Wort "Böö" (Schamane, geistiges Medium, Heiler) erschien zuerst auf Wahrsageknochen aus der späten Shang Dynastie (ca. 1600-1046 v.u.Z.). Klassische mongolische Quellen aus der Hunnu Dynastie (1045-256 v.u.Z.) enthalten nähere Angaben über männliche und weibliche Schamanen, die als Exorzisten, Heiler, Regenmacher, Traumdeuter, Wahrsager und offizielle Amtsträger dienten. Schamanische Praktiken werden auch in der heutigen mongolischen Kultur weiter ausgeführt.

Die spirituelle Hierarchie in der auf dem Klanwesen basierenden mongolischen Gesellschaft war sehr komplex. Die ranghöchste Gruppe bestand aus 99 "Tngri" (55 von ihnen wohlwollend oder “weiß” und 44 furchteinflößend oder “schwarz”), 77 "Natigai" (Erdmütter), und andere. Die Tngri wurden nur von den Führern und großen Schamanen gerufen und waren bei allen Clans verbreitet. Nach diesen dominierten drei Gruppen von Ahnengeistern. Die höchsten Geister waren die Seelen von Clanführern, zu denen jedes Mitglied eines Clans um physische oder spirituelle Hilfe bitten konnte. Unter den "Wächtergeistern" waren die Seelen großer Schamanen (Jigari) und Schamaninnen (Abjiya). Die Schutzgeister setzten sich aus den Seelen geringerer Schamanen (Böge) und Schamaninnen (Idugan) zusammen und wurden mit einer bestimmten Lokalität (wie z.B. Berge, Flüsse, etc.) im Territorium des Clans assoziiert.

In den 1990ern bildete sich eine Form des mongolischen Neo-Schamanismus heraus, dem ein etwas modernerer Ansatz zugrunde lag. Mongolische Schamanen machen nun aus ihrer Berufung ein Geschäft und haben sogar Büros in den größeren Städten. Bei dieser Art von Geschäft ist normalerweise ein Schamane Kopf der Organisation und übt Dienste wie Heilen und Wahrsagen aus und hilft bei allen Arten von Problemen.

Schamanismus oder Magie

Der Schamane begibt sich in die jenseitigen Welten und bittet dort Götter, wie den Herrn der Tiere oder den Hochgott, Geister, Ahnen usw. um Hilfe. Der Magier beschwört die Geister oder doch wesentliche metaphysische Kompetenzen von ihnen zu sich, ist bereits Repräsentant einer Welt, in der der Mensch gewohnt ist, seine Umgebung direkt zu beeinflussen.

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