Sat Asat Viveka

Aus Yogawiki
Zentrale Fragen: Was ist wirklich? Was ist unwirklich?

Sat Asat Viveka ist die Unterscheidung (Viveka) zwischen dem Wirklichen (Sat) und dem Unwirklichen (Asat. Sie wird auch als Satya Mithya Viveka bezeichnet.

Einleitung Sat Asat Viveka - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019

Shankaracharya

Im Jnana Yoga, im Vedanta, geht es um Viveka. Viveka heißt Unterscheidungskraft. Viveka will uns verhelfen, tiefer zu denken, tiefer nachzudenken. Und ich hatte ja schon über die vier verschiedenen Vivekas gesprochen, die im Vedanta eine Rolle spielen. Sie werden im zweiten Kapitel des Patanjali Yoga Sutra beschrieben. Und Shankaracharya geht diese Vivekas sehr systematisch durch im Rahmen seines Werkes Viveka Chudamani.

Dort gibt es die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, Atma Anatma Viveka. Es gibt die Unterscheidung zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen, Nitya Anitya Viveka. Es gibt die Unterscheidung zwischen wahrer Freude und Vergnügen/Schmerz, die Ananda Sukha Dukkha Viveka.

Diese drei Vivekas haben wir schon in vorherigen Lektionen genauer behandelt. Jetzt geht es um die vierte dieser Vivekas, die gerade bei Shankaracharya eine ganz besondere Rolle spielt, und das ist die Sat-Asat-Viveka.

Sat Asat Viveka

Sat ist das Wirkliche, und Asat ist das Unwirkliche, das Nicht-Wirkliche. Sie wird manchmal auch bezeichnet als die Satya-Mithya-Viveka. Satya die Wahrheit, Mithya die Illusion. Und in der nächsten und übernächsten Lektion werde ich etwas mehr über die drei Hauptsätze des Shankaracharyas sprechen, wo Satya und Mithya eine besondere Rolle spielen. Jetzt geht es aber um die Grundüberlegung: Was ist Wirklich? Sat, Satya. Was ist Unwirklich? Asat, Mithya.

Was ist Wirklich?

Die Grundannahme, die du vermutlich kennst, im Vedanta ist: Die Welt, wie wir sie erleben, ist nicht wirklich. Sie ist Schein, sie ist eine Illusion, sie ist eine Einbildung. Und dies will ich dir jetzt beweisen. Vielleicht ist beweisen etwas übertrieben, ich will dir gute Gründe dafür geben.

Mit einer uralten vedantischen Analyse fragen wir uns: Gibt es die Welt? Und wie können wir dieser Frage nachgehen? Wir beginnen mit einer Hypothese: Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist Wirklich. Und dann werden wir Schritt für Schritt beweisen, dass diese Hypothese nicht stimmt. Indem wir also die Hypothese „es gibt die Welt“, beziehungsweise „die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist Wirklich“, behandeln, können wir nachweisen: Die Welt ist nicht so, wie wir sie denken.

Also nehmen wir an es gibt die Welt. Woher wissen wir von der Welt? Wir erfahren die Welt über die fünf Sinne. Wir nehmen die Welt wahr, und indem wir die Welt wahrnehmen, nehmen wir einen Teil der Welt wahr. Wenn wir also sagen „die Welt gibt es, woher kenne ich die Welt?“ können wir erst einmal sagen: Hier ist diese ganze Welt, aber wir nehmen nur einen Ausschnitt der Welt wahr, das ist unser Teil der Welt, und der ist Teil der ganzen Welt. Und so denken sich das die meisten Menschen. Sie denken „es gibt eine Welt, und ich nehme einen Teil der Welt wahr, und ich hoffe, dass ich im Laufe des Lebens ein bisschen mehr verstehe von der Welt“. Und die großen Wissenschaftler verstehen vielleicht noch mehr davon. Das ist also die erste Einschränkung: Es gibt die Welt, aber ich kenne nur einen Teil und der größte Teil der Welt ist natürlich unbekannt.

Die Wahrnehmung der Welt über die Sinne

Zweite Einschränkung: Was wir wahrnehmen, und was für uns die Welt ist, ist das wirklich die Welt? Was nehmen wir wahr? Nehmen wir tatsächlich die Welt wahr? Und wenn wir ehrlich sind: Nein, wir nehmen nicht die Welt wahr, sondern wir erzeugen ein Abbild der Welt. Wir nehmen die Welt war in Bildern, in Klängen, Gerüchen, Geschmäckern und wir fühlen die Welt. Aber es ist wichtig zu verstehen: Es gibt, vom physikalischen aus betrachtet, keine Farben. Es gibt nur Reflektionen von Wellen. Und dann gibt es irgendwelche Objekte, und Objekte sind eigentlich auch nur Energie Ansammlungen, da komme ich gleich noch drauf zu sprechen. Es gibt Sonnenlicht und ein Teil des Lichtes wird reflektiert, ein anderer Teil nicht. Und wenn nur ein bestimmter Teil des Spektrums reflektiert wird, nimmt das unser Auge als Farbe wahr.

Wir könnten also jetzt sagen: Wir haben nicht die Kenntnis der Welt, wie sie ist, sondern wir sind ein Auge, stellvertretend für alle Sinne, und die projizieren jetzt in unseren Kopf ein bestimmtes Bild von der Welt. Wir sehen etwas von der Welt.

Wir hören etwas. Es gibt ja auch keine Klänge in der Welt. Klänge sind eigentlich nur Schwingungen in der Luft. Und diese Schwingungen in der Luft treffen aufs Ohr, das Ohr leitet diese Schwingungen weiter nach innen, dann werden die Gehörknöchelchen in Schwingung gebracht, darüber werden Sinneszellen aktiviert, die Sinneszellen bringen das ganze über den Hörnerv zum Hirn, und dort entstehen irgendwelche Aktionspotentiale die ausgelöst werden, und dann wird das irgendwo interpretiert als Klänge. Es gibt keine Klänge in der Welt. Es gibt Schwingungen, und einen Teil der Schwingungen siehst du, einen Teil der Schwingungen hörst du.

Genauso gibt es auch keine Gerüche in dieser Welt. Es gibt nur Partikelchen in der Luft, die, wenn sie auf deine Nase kommen, bestimmte Sinneszellen reizen, und diese bringen über den Geruchsnerv das Ganze zum Hirn, im Hirn entstehen dort irgendwelche Aktivierungen von Nervenzellen, und diese werden dann vom Geist als Geruch interpretiert.

Es gibt natürlich auch keinen Geschmack, und nichts, was sich irgendwie warm oder kalt anfühlt, sondern es gibt nur bestimmte Manifestationen von Luft, die sich auf deiner Haut manifestieren und dann schwingt es etwas schneller oder langsamer und mehr ausgedehnt oder weniger ausgedehnt, und das wird als Kälte oder Wärme interpretiert, und so weiter.

Unser Bild von der Welt

Wenn du darüber schon ein bisschen nachdenkst, dann ist es schon erstaunlich. Unser Bild von der Welt hat mir der Welt herzlich wenig zu tun. Was wir als Welt wahrnehmen ist nicht was als Welt da ist. Sondern es ist eine Projektion der Welt in unserer Psyche, wahrgenommen in Farben, Formen, in Gehörtem, in Gerochenem, in Geschmecktem, Gefühltem, und das Ganze dann in Konzepte gefasst, in Worten und Bildern. Wenn wir überlegen „wer bin ich und was ist die Welt?“, dann haben wir noch dazu das Ganze in Worte gefasst. Also wenn wir jetzt sagen: Was ist für uns die Welt? Für uns ist die Welt eine Projektion. Eine Projektion, die durch die Sinneswahrnehmungen geschaffen wurde, interpretiert durch die Psyche, gefasst in Konzepte, durch Worte.

Jeder sieht die Welt anders

Wenn wir uns jetzt bewusst machen, dass das jetzt die menschliche Welt ist, können wir aber auch mal überlegen: Wie ist es mit alle dem? Angenommen, ich persönlich würde jetzt die Brille absetzen – die Welt ist vollkommen anders. Ich könnte Gesichtsausdrücke von Menschen nicht mehr sehen, alles, was drei Meter weiter von mir weg ist, sehe ich nur noch verschwommen. Ich könnte keine Blätter an Bäumen mehr unterscheiden, und vieles andere. Was ist jetzt richtiger? Die Welt, die ich mit Brille sehe? Die Welt, die ich ohne Brille sehe? Ich könnte jetzt sagen okay, ohne Brille fällt es mir schwerer mich zu orientieren, also ist die Welt mit Brille etwas korrekter, könnte man sagen. Oder es gibt die Rot-Grün-Blinden. Die Rot-Grün-Blinden sehen keinen Unterschied zwischen rot und grün. Wer hat jetzt Recht? Diejenigen, die Rot und Grün als gleiche Farbe sehen, oder die, die es als unterschiedliche Farbe sehen? Wir können natürlich sagen, die, die Rot und Grün unterscheiden können haben zusätzliche Informationen, sie sehen die Welt richtiger.

Die Wahrnehmung der Tiere

Aber jetzt kommen wir zu den Tieren. Zum Beispiel Pferde: Pferde, nimmt man an, sehen keine Farben. Pferde sehen nur Hell-Dunkel-Schattierungen. Ich kann mich erinnern: Als Jugendlicher hatte ich ein Pferd gehabt, und da habe ich mich für Pferde interessiert, wie nehmen Pferde die Welt wahr? Habe ein Buch gelesen: Psychologie des Pferdes. Und dort hieß es: Pferde sehen keine Farben, sie sehen alles in Grau-Weiß-Schwarz-Schattierungen. Ich habe damals schon überlegt: Woher weiß der Autor, dass das Pferd in Grau-Schattierungen sieht? Vielleicht sieht das Pferd in Blau-Grün-Schattierungen oder Rot-Gelb-Schattierungen. Woher wissen wir, welche Farben das Pferd sieht?

Übrigens auch andere Menschen. Wenn du ein Hemd anschaust und sagst es ist Gelb, woher weiß ich, dass was du als Gelb siehst, das Gleiche ist, wie das was ich als Gelb sehe? Vielleicht ist das, was ich Gelb sehe das, was du als Rosa ansiehst. Nur weil ich sage es ist Gelb und du sagst es ist Gelb – vielleicht ist dein Erleben dieser Farbe das Rosa. Es gibt keine Möglichkeit, wie wir herausfinden können, dass das, was ich als Gelb wahrnehme, vom inneren Erleben her das Gleiche ist, was du wahrnimmst.

Aber zurück zum Pferd. Das Pferd sieht also vermutlich keine Farben, sieht nur Schattierungen. Das Pferd hört aber Entfernungen, sieht aber keine Entfernungen. Was man daran sieht, das, wenn man einem Pferd die Ohren ausreichend zumacht, es sich ständig stößt. Wenn man einem Pferd die Augen verschließt, was man manchmal macht wenn Pferde Augenentzündungen haben, und man vermeiden will, dass weitere Fliegen an die Augen kommen, dann setzt man ihnen eine Maske um das Gesicht und dem Pferd macht das nichts aus. Das Pferd kann weiter durch die Weide traben und galoppieren, und wird sich an keinem Baum oder der Begrenzung der Koppel stoßen. Das Pferd hört Entfernungen mit den Ohren. Wie ist jetzt sein Erleben? Entfernungen hören aber nicht sehen. Nur Grau-Schattierungen wahrnehmen aber keine Farben.

Oder noch mehr ein Hund. Der Hund riecht, ist ein Riech-Tier. Wie nimmt ein Hund eine Welt wahr, die hauptsächlich von Gerüchen geprägt ist? Der Hund sieht nicht so gut, der Hund hört besser als der Mensch, aber vor allem riecht er. Wie ist das Erleben des Hundes?

So können wir schon sehen: Unterschiedliche Lebewesen, die im gleichen Raum leben würden, angenommen, du hast ein Haustier, oder vielleicht auch jemanden in deiner Familie, der blind ist. Unterschiedliche Lebewesen nehmen die gleiche Welt ganz unterschiedlich wahr. Die Projektion der Welt ist in jedem Geist eine andere. Wir leben nicht in der gleichen Welt, sondern jeder lebt in seiner Projektion.

Die Projektion und Interpretation von der Welt in uns

Wir könnten jetzt sagen die Projektion hat trotzdem etwas mit der eigentlichen Welt zu tun, denn die Projektion hilft uns ja uns in der Welt zurecht zu finden. Unsere Projektion ist hilfreich, das wir überleben können, das wir essen und trinken können, und fortpflanzen können, ein Dach über dem Kopf haben, und so weiter. Also es gibt eine Projektion von der Welt in uns. Wir haben ein Bild von der Welt, das ist zwar nicht die Welt, und ist auch kein Ausschnitt aus der Welt, aber es ist eine Projektion, die irgendwo hilfreich ist, uns in der Welt zurecht zu finden. Was die Welt jetzt wirklich ist versucht man mit Mitteln der Physik zu ergründen, und versucht das mit physikalischen Apparaten festzustellen.

Gehen wir noch ein Stück weiter. Nicht nur ist die Wahrnehmung durch unsere Sinne geprägt, sondern auch durch die Interpretation. Das will ich noch erläutern. Angenommen, du bist in einem positiven Gemütszustand. Und es ist grau. Momentan ist gerade ein Herbsttag, draußen ist es grau. Es gibt noch ein paar Blätter in den verschiedenen Farben.

  • Angenommen ich bin guter Stimmung. Dann werde ich das wahrnehmen und sagen: „Wow, toll! Dieser Himmel, diese Weite, diese Gleichmäßigkeit.“ Und dann sieht man diese wunderbaren schönen Farben, Gelb- und Rot- und Orange-Töne, großartig.
  • Angenommen, ich bin gerade schlechter Stimmung. Dann würde ich sagen: „Alles schlimm, alles schlecht. Sogar das Wetter ist schlecht. Alles so grau und fade.“
  • Oder, angenommen, ich bin gerade in einer freudevollen und liebevollen Stimmung, ich sehe einen Menschen der vorbei geht und mich nicht beachtet, und dann denke ich: „Der hat anscheinend etwas wichtiges zu tun. Ich schicke ihm ein paar positive Gedanken.“
  • Angenommen, du fühlst dich gerade schlecht und ungeliebt, geht jemand an dir vorbei denkst du: „Der beachtet mich nicht, der mag mich nicht, was hat er gegen mich? Ich habe ihm doch gar nichts gemacht. Warum mag der mich nicht? Vermutlich geht er jetzt zum Chef und schimpft über mich. Vermutlich hat er gerade ein schlechtes Gewissen, weil er schlecht über mich gesprochen hat.“ Und so weiter. Also: Unser Geisteszustand verändert die Interpretation.
  • Oder ein anderes Beispiel. Als ich mit Yoga begonnen hatte habe ich gedacht: „Eine Brille zu tragen ist unnatürlich.“ Also habe ich keine Brille getragen. Wenn ich keine Brille trage, dann sehe ich nicht viel. Wenn ich jetzt etwas sehen will, zum Beispiel den Gesichtsausdruck eines Menschen, ob er mich gerade anschaut oder nicht, ob er lächelt oder nicht, dann muss ich die Augen zusammen kneifen. Dann kann ich in etwa erkennen, was mein Gegenüber gerade für einen Gesichtsausdruck hat. Aber was denkst du, wenn dich jemand so anschaut? Und ich kam in den Ruf, dass ich ein verkrampfter Mensch bin, der etwas gegen Menschen hat oder irgendetwas Komisches mit ihnen machen will. Das hat mir irgendwann mal jemand gesagt, ab da habe ich wieder eine Brille aufgesetzt. Aber ich selbst wollte nur wissen, was er denkt, um mich auch auf ihn einstimmen zu können. Er hat gedacht, ich habe etwas gegen ihn, oder will irgendetwas Komisches mit meinen Augen mit ihm machen.

Also: Die Welt, die in mir ist, wird geprägt durch meinen Geisteszustand. Ich nehme nicht nur einen Ausschnitt aus der Welt wahr, ich nehme nicht nur ein Bild der Welt wahr, was geprägt ist durch meine Sinne, sondern auch mein Gemütszustand verändert die Wahrnehmung der Welt.

  • Ein anderes Beispiel: Manche Menschen, wenn sie in einem bestimmten Gemütszustand sind, und du versuchst, ihnen ein positives Feedback zu geben: Was machen die? Die denken: „Der will was von mir. Warum sagt er mir das?“ Der gleiche Mensch – du machst ein ganz freundliches, sanftes Feedback, er könnte vielleicht beim nächsten Mal etwas anderes machen, und du sagst ihm das. Er interpretiert das als eine erschütternde Kritik! „Der mag mich nicht, hat an allem etwas anzumäkeln.“ Was der eine denkt, und was der andere denkt, ist ganz unterschiedlich.

Verschiedene Weisen die Welt wahrzunehmen

Man könnte jetzt sagen das ist alles Kommunikationstheorie, das wissen wir ja inzwischen, aber es hilft, wenn wir das wissen. Was ich von der Welt denke, muss mit der Welt wenig zu tun haben. Und was der andere von der Welt denkt, muss genauso wenig mit der Welt zu tun haben. Und wenn wir beide miteinander kommunizieren, und jeder denkt, dass das eigene Bild von der Welt das Richtige ist, können wir uns wunderbar streiten. Wenn wir jetzt aber wissen, dass jeder so sein Bild von der Welt hat, dann kommuniziert man ja miteinander, und dann entstehen natürlich lauter Schwierigkeiten. Nur dann wenn man die Welt ein bisschen gemeinsam hat fällt es leichter. Man würde sagen jemand ist psychotisch, wenn sein Bild von der Welt so weit entfernt ist von dem Bild der anderen, das die Kommunikation und die Interaktion ausgesprochen schwierig ist. Man könnte sagen man gilt als „normal“, wenn unser Bild von der Welt so ist, dass es mit den Bildern der anderen von der Welt irgendwo gewisse Gemeinsamkeiten hat, so dass wir miteinander kommunizieren können. Aber unser Bild von der Welt ist genauso falsch wie das Bild des Psychotikers. Nur der Psychotiker hat ein Bild von der Welt, das weiter entfernt ist von den Bildern der anderen, als andere, die sich miteinander unterhalten können.

So könnte man gleich sagen hier gibt es auch eine praktische Konsequenz des Jnana Yogas. Es geht ja nicht nur um Theorie, es ist nicht nur Ontologie und Metaphysik, die für hochintellektuelle Menschen von Interesse ist. Vedanta ist ja ein spiritueller Übungsweg. Und das eine heißt: Wir können uns selbst über unsere eigenen Vorstellungen amüsieren. Wir können neugierig sein das Universum anderer zu entdecken. Wir können probieren herauszufinden wie der andere Mensch die Welt wahrnimmt, was für ihn wichtig ist, und wie er tickt und wie er interpretiert. Und können dann feststellen: Es gibt so viele verschiedene Weisen die Welt wahrzunehmen. Keine Wahrnehmung der Welt ist richtig. Denn jede Wahrnehmung ist letztlich ein Bild der Welt. Geprägt durch die Sinne, geprägt durch die Psyche, und hat nur bedingt etwas mit der eigentlichen Welt zu tun.

Also Sat-Asat, man muss sich bewusst machen: Meine Vorstellungen entsprechen nicht der Welt. Auch was ich denke, was der andere denkt, muss dem nicht entsprechen. Vielleicht hast du schon öfters gehört, dass jemand zu dir sagt: „Ich versteh dich ja, aber…“. Hast du dann den Eindruck der versteht dich? Typischerweise nicht. Du selbst verstehst ja noch nicht mal dich selbst, wie kannst du dir einbilden, einen anderen zu verstehen? Und wie kann ein anderer, der sich selbst nicht versteht, dich verstehen? Also, wir haben ein Bild in uns, wir sind uns des Bildes nicht klar, wir kennen das Bild nicht, wir kennen das Bild des anderen nicht. Und wir versuchen in diesem Unklaren miteinander zu kommunizieren. Jetzt verstehst du, warum es so viel Streit in der Welt gibt, denn die meisten Menschen haben die Neigung, ihr Bild von der Welt zu absolutieren, zu versuchen, andere davon zu überzeugen, sind sich aber selbst ihres eigenen Bildes nicht im Klaren, und so gibt es viele Ängste und viele Probleme.

Unser Bild von der Welt kann vollkommen falsch sein

Ein weiteres, was wir hier sehen können: Unser Bild von der Welt ist nicht nur geprägt von unseren Sinnen, sondern es kann auch krass falsch sein. Nehmen wir noch ein weiteres Beispiel: Angenommen du bist verliebt in jemanden, und die Person, in die du verliebt bist, ist nicht verliebt in dich. Die Person schenkt dir jetzt mal ein kurzes Lächeln. Du denkst jetzt sie ist in dich verliebt. Die Person hat nur ein kurzes Lächeln geschickt, wie sie es an jeden anderen schickt. Kann eine krass-falsche Interpretation sein und kann einen ganzen Tag unglaubliche Gedanken, Wirrwarr, Hoffnungen, vielleicht auch Freude erzeugen. Und vielleicht am nächsten Tag gibt es dann eine große Enttäuschung.

Weiteres Beispiel, dass das, was wir von der Welt wissen, vollkommen falsch sein kann. Nehmen wir an es gibt ein Elternpaar, die haben einen 18-jährigen Sohn. Der 18-jährige Sohn hat einen Motorrad-Führerschein gemacht und hat auch ein Motorrad, und die Eltern essen gerade ein Eis im Eiscafé. Jetzt kommt ein Polizist ins Eiscafé. Hintergrund ist: Es gab einen Motorrad-Unfall und dort ist der Motorrad-Fahrer tödlich verunglückt. Man hat die Papiere untersucht und da war ein Personalausweis drin, und ein Führerschein, und damit war klar das ist der - nennen wir ihn mal Peter. Und dieser Peter ist tot und der Polizist hat jetzt die Aufgabe, den Eltern die Todesnachricht zu geben.

Für die Eltern ist ihr Sohn jetzt lebendig, sie freuen sich gerade an ihrem Eis, und sie freuen sich, dass sie Zeit miteinander haben, miteinander zu sprechen, unterhalten sich vielleicht über die Zukunft, wo der Sohn ja jetzt demnächst außer Haus gehen will, er ist schon selbstständig. Und irgendwo ist zwar eine Mischung aus Trauer, aber auch irgendwo aus Freude.

Jetzt kommt der Polizist und fragt: „Sind Sie die und die Personen?“ und sie sagen „ja“, dann sagt er „ich habe eine schwere Nachricht für Sie. Ihr Sohn ist gestorben.“ Ab dem Moment ist die Welt für die Eltern ganz unterschiedlich. Bis vor einer Minute war der Sohn noch für sie existent, obgleich der Motorrad Unfall schon ein paar Stunden her war. Also ihr Wissen von diesem Unfall war nicht da. Also, was wir Wissen von der Welt kann etwas ganz anderes sein als die Welt. Wir wissen oft nicht, und wir wissen oft Falsches. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist Asat, Unwirklich.

Jetzt nehmen wir mal an: In Wahrheit war das gar nicht der Sohn. Sondern, nehmen wir mal an, der Sohn war irgendwo in ein Restaurant oder ein Café gegangen, und dort hat ihn irgendjemand in ein Gespräch verwickelt und hat ihm dabei den Schlüssel geklaut und das Portemonnaie, wo alles drin war. Und der Sohn hat das gar nicht so richtig gemerkt, nehmen wir an das war irgendwo in der Jacke. Und der Sohn ist jetzt noch weiter im Restaurant, hat sich noch irgendwo mit Freunden getroffen, und hat gedacht das Motorrad steht noch da. Okay, und jetzt nehmen wir an, der, der das Motorrad geklaut hat, der war derjenige, der den Unfall gebaut hat. Für die Eltern ist jetzt der Sohn tot und sie trauern, ihr Leben ist jetzt ein anderes geworden. Ihr Sohn vergnügt sich dagegen irgendwo und ist mit Freunden unterwegs. Jetzt nehmen wir an der Sohn ruft an. Die Eltern sind todtraurig, sie überlegen gerade, wer jetzt zu ihm ins Krankenhaus geht, um den Sohn zu identifizieren. Nehmen wir an, sie sind sogar auf dem Weg dorthin, zusammen mit dem Polizisten. Und dann klingelt ihr Handy, und die Nummer von ihrem Sohn leuchtet auf. Sie gehen dran, und dort ist ihr Sohn und spricht zu den Eltern.

Nehmen wir an, um die Geschichte noch etwas eigenartiger zu machen, der Sohn ruft an, weil er gestürzt ist, und sich nicht fortbewegen kann, er braucht die Hilfe der Eltern. Jetzt ruft er an und sagt: „Mami, ich habe einen Unfall gehabt.“ Und die Eltern freuen sich wahnsinnig. Der Sohn denkt: „Schräg. Meine Eltern freuen sich, dass ich einen Unfall gebaut habe.“

Ich will jetzt die Geschichte nicht in dieser Hinsicht weiter ausbauen, ich will nur sagen sei dir bewusst: Was du weißt ist oft falsch. Wie du die Welt wahrnimmst ist von deinem Geist geprägt. Wie andere die Welt wahrnehmen ist von ihrem Geist geprägt. Und wie du die Welt wahrnimmst ist nicht besser, als wie andere die Welt wahrnehmen. Sei dort etwas einfühlsamer, mitfühlender, und versuche nicht alle davon zu überzeugen die Welt so zu sehen wie du sie siehst.

Psychologische Experimente

Gehen wir noch weiter. Nehmen wir nochmal die Situation: Vater und Mutter im Eiscafé sind gerade dabei ein Eis zu schlecken und jetzt kommt der Polizist, und der Polizist sagt: „Ich habe Ihnen eine schlechte Nachricht zu machen. Ihr Sohn ist gestorben.“ Jetzt nehmen wir an die Eltern sind so sehr im Schock, dass sie weiter das Eis essen. Das passiert tatsächlich manchmal, im Schock weiß man gar nicht was man macht. Angenommen jetzt käme ein Psychologe rein und der würde fragen: „Wie schmeckt Ihr Eis gerade?“. Das ist natürlich ein sehr schräges Experiment, aber wenn man Sie fragen würde, wie Ihr Eis schmeckt: Es schmeckt nach nichts. Die Sinneswahrnehmung wird verändert durch den Gemütszustand.

Ein anderes Beispiel wäre: Angenommen du magst Erdbeereis, und du schmeckst die erste Kugel – schmeckt ganz toll. Aber angenommen du isst die zehn Kugeln hintereinander – wie schmeckt die zehnte Kugel? Grässlich. Und spätestens, ich weiß nicht wie viele Eiskugeln man essen kann, ich habe das noch nie ausprobiert, aber irgendwann schmeckt es einfach nur grässlich. Also: Unsere Sinne nehmen nicht die Dinge wahr wie sie sind, sondern es wird geprägt durch unsere Vorerfahrung.

Es gibt noch ein weiteres Experiment, ein Experiment, das mit amerikanischen Studenten gemacht wurde, dadurch sind viele Erkenntnisse in der Psychologie gewonnen worden. Man hat den Studenten eine Brille aufgesetzt, die die Welt auf den Kopf gestellt hat. Wenn sie morgens aufwachen ist die Welt auf dem Kopf, und das erschwert natürlich die Orientierung in der Welt. Man muss überlegen: Wie gehe ich jetzt, wenn alles auf dem Kopf steht? Diese Brille mussten die Studenten Tag und Nacht aufhaben. Das interessante war: Eines Tages wachen die Studenten auf und sehen die Welt ganz normal. Das heißt die Psyche hat festgestellt: Dass ich die Welt auf dem Kopf sehe kann nicht korrekt sein, ich stell sie wieder richtig rum.

Da steckt eine ganze Menge dahinter. Das heißt nämlich: Unsere Psyche hat ein bestimmtes Bild, wie die Welt zu sein hat. Wenn die Sinneswahrnehmung dem nicht entspricht, dann wird unsere Psyche die Sinneswahrnehmung so verändern, dass sie dem Bild entspricht, das wir von der Welt haben. Da steckt sehr viel dahinter. Also nicht nur, dass es den Studenten gelungen ist, sich besser in dieser auf dem Kopf stehenden Welt zurecht zu finden, nein, die Sinneswahrnehmung wurde verändert. Wir verändern die Wahrnehmung, damit die Welt so aussieht, wie wir denken, dass sie zu sein hat.

Die Welt aus der Sicht der Physik

Gehen wir einen Schritt weiter. Denn bisher können wir immer noch sagen: Es gibt eine Welt, wir sehen nur einen Ausschnitt der Welt, wir sehen sie mit den fünf Sinnen, wir interpretieren das Ganze, je nach Gemütszustand sehen wir es anders, unterschiedliche Menschen sehen die Welt unterschiedlich. Aber irgendwo sind wir in der gleichen Welt und es gibt unterschiedliche Weisen miteinander zu kommunizieren. Wir könnten auch sagen: Wir sollten lernen etwas neugieriger zu sein auf die Welten der anderen, es ist ja auch etwas faszinierendes sich in andere einfühlen zu können, und zu sehen: Fantastisch, es gibt eine Welt – unterschiedliche Wahrnehmungen, großartig.

Aber vom Standpunkt der Physik: Gibt es überhaupt eine Welt? Zunächst einmal hatte ich schon mal gesagt: Vom Standpunkt der Physik gibt es die fünf Sinneswahrnehmungen nicht, es gibt nur Schwingungen. Es gibt auch keine Körper wie wir sie jetzt sehen, sondern es gibt nur Atome, beziehungsweise Moleküle. Moleküle bestehen aus Atomen, Atome bestehen aus Elektronen, Neutronen, Protonen. Elektronen, Neutronen und Protonen sind eigentlich nur Energien. Es gibt keine Materie. Und dadurch, dass dort Energiebündel durch die Gegend schwirren und miteinander Energiefelder bilden, die dazu führen, dass andere Energiefelder da nicht durchgehen, scheint es so, als ob es feste Materie gibt. Aber es gibt andere Energien, die durch die scheinbar festen Körper hindurchgehen. Zum Beispiel die Handyschwingung geht durch den Menschen hindurch oder die Fernsehschwingung, die kosmische Strahlung, die Magnetkraft und vieles andere auch. Also: All das geht durch den Körper hindurch. Manche Schwingungen gehen durch den Körper hindurch, manche gehen nicht. Und wenn sich zwei Schwingungsfelder gegenseitig abstoßen, dann nennt sich das zwei feste Körper. Aber es gibt keine festen Körper, es gibt nur Schwingungen.

Die Relativitätstheorie

Ein weiteres, was die moderne Physik gesagt hat: Zeit und Raum existieren nicht so, wie der Mensch es wahrnimmt. Wir denken die Zeit schreitet voran. Es gibt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Einstein hat ja die Gesetze der Relativitätstheorie entwickelt, es gibt die allgemeine Relativitätstheorie, die spezielle Relativitätstheorie. Und es ist interessant, einige der Gedankenexperimente, die Einstein dort beschrieben hat – ich will das jetzt nicht zu detailliert beschreiben.

Du könntest das im Internet googlen: „Gedankenexperimente Einstein’sche Relativitätstheorie“, dort findet du so einiges. Jedenfalls ist es nach Einstein’scher Relativitätstheorie möglich, dass wenn mehrere in naher Lichtgeschwindigkeit durchs Universum gehen und sich begegnen, dann wird Person X Ereignis A zuerst wahrnehmen und dann Ereignis B, und Person Y wird erst Ereignis B erfahren, dann Ereignis A. Theoretisch könnten die beiden, wenn sie einen Moment lang anhalten könnten erzählen, was der andere in der Zukunft wahrnehmen wird. Es gibt ja auch die so genannte Antimaterie, und eine der mathematischen Interpretationen von Antimaterie ist, dass Antimaterie die Welt von der Zukunft in die Vergangenheit erlebt. Wir könnten also sagen: Wenn wir mit den Antimaterieteilchen kurz sprechen könnten, könnten die uns alles erzählen was in der Zukunft ist. Wir erleben also den Zeitstrom in die eine Richtung, die anderen erleben ihn in die andere Richtung, es gibt viele verschiedene Ebenen der Welt. Und es gibt auch nicht wirklich Energien als Energie selbst.

Eine weitere Interpretation der Quantenphysik ist: Es gibt keine Energie, es gibt keine Materie, es gibt nur Wahrscheinlichkeitswolken das Ladungen da sind. Also alles ist mal da und mal nicht da, aber über eine ganze Wolke heraus ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, das insgesamt an einer Stelle etwas ist. Aber nichts ist wirklich da.

Noch weiter. Die Quantenphysik sagt auch: Die Welt existiert auch nicht objektiv losgelöst von dem Betrachter, sondern der Beobachter entscheidet, wie die Welt ist. Es gibt dann zum Beispiel die Aussage ein Teilchen kann mal ein Teilchen sein, mal eine Welle, oder man kann von einer Welle oder einem Teilchen nur entweder die Geschwindigkeit oder den Ort festlegen. Wenn jetzt aber der Beobachter den Ort festlegt, dann ändert er damit den Charakter des Teilchens.

Ich weiß das klingt jetzt alles etwas abstrakt, ich will nur sagen du könntest dich mit diesen Grenzthemen der Physik vertraut machen, und nachher stellst du fest: Tatsächlich, es gibt keine vom Beobachter gelöste Welt. Letztlich ist das Bewusstsein die einzige Konstante in der Welt. Wie wir die Welt wahrnehmen kommt aus dem Bewusstsein, und überhaupt die Art wie Welt existiert kommt aus dem Bewusstsein. Ohne Bewusstsein gibt es keine Welt, und Bewusstsein prägt die Welt. Und unterschiedliche Manifestationen von Bewusstsein prägen die Welt wiederum.

Traumwelt und Wirklichkeit

Sat-Asat. Was ist Wirklich? Was ist Unwirklich? Und wir gehen jetzt noch eins weiter. Nämlich: Traumwelt und Wirklichkeit.

Alle 24 Stunden gehen wir durch drei Bewusstseinszustände: Wach-Welt, Traum-Welt, Tiefschlaf-Welt. Wenn wir einschlafen verschwindet die Wach-Welt. Dann fallen wir vielleicht in eine Traum-Welt. Manchmal ist die Traum-Welt so ähnlich wie die Wach-Welt. Psychologen haben ja viele Theorien, warum träumt der Mensch überhaupt? Eine Theorie ist: Wir träumen, um die Inhalte, was wir erlebt haben, irgendwo zu verarbeiten, zu integrieren in unser Gedächtnis, in unsere Persönlichkeit. Manche Träume sind ähnlich wie der Tag, aber manche Träume sind auch anders.

Man kann träumen man sei ein Schmetterling. Es gab einen chinesischen Philosophen namens Zhuangzi, und der hat gesagt: „Letzte Nacht habe ich geträumt ich wäre ein Schmetterling. Bin ich jetzt Zhuangzi, der geträumt hat ein Schmetterling zu sein? Oder bin ich ein Schmetterling, der jetzt träumt Zhuangzi zu sein?“ Woher weißt du, dass du jetzt nicht träumst? Dass du jetzt in der Wirklichkeit bist? Die Antwort ist klar: Du weißt es nicht. Wenn du in einem Traum bist weißt du auch nicht, dass du träumst. Es gibt Träume, die so halb-Träume sind, da weißt du, dass du träumst. Aber es gibt auch Träume, da weißt du nicht, dass du träumst. Ich träume zum Beispiel manchmal und im Traum überlege ich: Ist diese Welt wirklich oder nicht? Ich überlege das manchmal auch im Wachzustand: Träume ich, oder existiert die Welt, so wie ich bin? Und es ist schon öfters passiert, dass ich zu dem Schluss gekommen bin: Die Welt ist wirklich Wirklich in der ich gerade bin. Und wie aus Ironie wache ich dann auf und stelle fest: Ah, doch geträumt.

Wenn du in einer Traum-Welt bist, dann siehst du eine Welt. Du identifizierst dich mit einem Teil der Welt. Und die Anderen, die ja auch alle Geschöpfe deines Geistes sind, die existieren auch. Du kannst dich mit denen unterhalten, du kannst dich mit denen streiten, du kannst Angst haben, du kannst Freude haben, und so weiter. Du könntest sogar innerlich denken da stimmt irgendwie irgendwas nicht, irgendwas ist komisch, aber trotzdem: Es erscheint dir wirklich. Und woher weißt du jetzt, dass die Welt, in der du bist, keine Traum-Welt ist? Du könntest andere fragen. Ich könnte zum Beispiel jetzt Nanda, den Kameramann, fragen: „Siehst du mich? Hörst du mich? Ist das jetzt Wirklich? Ist das nicht Wirklich?“ Aber egal was er antwortet, es wird mir jetzt nichts sagen ob es Wirklich ist, denn er ist ja dann auch Teil der Traum-Welt.

Die großen Vedanta Meister sagen: Diese Welt ist nicht wirklicher als die Traum-Welt. So wie du die Traum-Welt verlässt, so wie du aufwachst, kannst du auch diese Wach-Welt verlassen so wie du aufwachst. Es gibt nur einen Unterschied: Wenn du aus dieser Wach-Welt aufwachst, Turiya erfährst, dann wachst du nicht in einer neuen Traum-Welt auf, sondern du wachst in deine wahre Natur auf, dein wahres Bewusstsein, Sat-Chit-Ananda. Solange du im Traum bist erscheint die Traum-Welt wirklich. Sowie du aufwachst ist die Traum-Welt nicht mehr wirklich. Und sobald du aus der Wach-Welt aufwachst ist die Wach-Welt verschwunden, es gibt keine Wach-Welt mehr.

Noch weiter. Angenommen du kommst in den Tiefschlaf. Wenn du nachts in den Tiefschlaf kommst gibt es da keine Wach-Welt, und es gibt keine Traum-Welt. Der Tiefschlaf gibt dir immer die Erfahrung von Freude und von reinem Sein. Nur du weißt es nicht. Angenommen du hattest einen sehr schweren Tag. Dein Chef hat dich angemotzt, dein Job ist in Gefahr, deine Partnerin oder dein Partner hat gesagt, dass er oder sie nicht weiß, ob er oder sie noch mit dir zusammen bleiben will. Angenommen der Vermieter hat angekündigt die Wohnung zu kündigen, und angenommen der Arzt hat gesagt: „Sie haben eine schwere Erkrankung“, da ist irgendwas auf dem Röntgenbild und im Blutbild. Angenommen all das sind so schlimme Erfahrungen am Tag gewesen, und du schläfst. Was ist im Tiefschlaf? Du wirst vielleicht länger brauchen um in den Tiefschlaf zu fallen, aber wenn du im Tiefschlaf bist: Alles vergessen. Freund/Freundin oder Partner/Partnerin vergessen, Chef vergessen, Vermieter vergessen, alles vergessen. Man kann es nicht beschreiben. Nichts Begrenztes. Es ist keine Bewusstheit im Tiefschlaf. Aber wenn du aus dem Tiefschlaf aufwachst hast du irgendwie Trost gefunden, du warst irgendwie Freude.

Jetzt nehmen wir einen anderen Menschen an. Nehmen wir an, der hat gerade vom Chef die Beförderung bekommen, auf die er seit Jahren hingearbeitet hat. Angenommen seine Angebetete hat das Ja-Wort gesagt. Angenommen er hat eine tolle Wohnung gefunden. Angenommen er ist vollkommen gesund. Sorgen die man vorher hatte – alle nicht da. Angenommen der schläft ein. Vermutlich dauert es nach einem so glücklichen Tag auch eine Weile bis man einschläft. Aber die Tiefschlaferfahrung ist identisch. Egal, ob es einem im Wach-Bewusstsein schlimm und grausam ergangen ist, vielleicht sogar Zahnweh dabei gewesen ist, oder ob es eine ganz großartige Erfahrung war. Die Erfahrung im Tiefschlaf ist identisch für jeden Menschen. Kein Unterschied. Drei Bewusstseinszustände, drei Welten. Die Wach-Welt, die Traum-Welt, und die Tiefschlaf-Welt.

Turiya – Die Befreiung

Und dann gibt es noch den vierten Bewusstseinszustand, genannt Turiya, der Vierte, die Befreiung. Dieser Bewusstheitszustand ist wie Tiefschlaf – bei voller Bewusstheit. Sat-Chit-Ananda, Sein Wissen Glückseligkeit. Und wenn du in diesem Turiya Zustand bist, wie zum Beispiel in der Meditation, dann weißt du: Die Welt, die so genannte Wach-Welt, ist nicht wirklich wirklich. So ähnlich, wie wenn du aus dem Traum aufwachst, dann weißt du: Die Traum-Welt ist nicht wirklich.

Jetzt heißt es danach wirst du wieder zurückgehen in dein Normal-Bewusstsein, aber etwas bleibt: Jnana, Erkenntnis bleibt. Du hast erfahren: Ich bin nicht dieser Körper. Und diese Welt ist nicht wirklich. Ich bin Sein-Wissen-Glückseligkeit. Ich habe jetzt diesen Körper angenommen, und ich nehme diese Welt wahr. Es ist eine Traumwelt, Lila, Spiel. Yogis sagen es ist auch nicht dein eigener Traum, es ist der Traum Gottes. Und innerhalb dieses göttlichen Traumes, dem Traum Ishwaras, Traum von Gott, hast du noch deine eigene Welt die du dabei schaffst. Erinnere dich daran. Also die ganze Welt, die wir hier wahrnehmen, ist keine feste Welt. Sie ist wie Lila, Traum Gottes. Und wir sind Traumgestalten im Traum Gottes. Und als Traumgestalten gestalten wir einen Teil des Traumes Gottes mit. Und jeder Einzelne träumt seinen eigenen Traum. Die Welt, in der wir leben, ist ein großes, geistiges Universum, ist eine Projektion von vielen Menschen, eine Wahrnehmung von Teil-Universen, wir sind alle Teil des kosmischen Traumes, und wir können daraus aufwachen. Und wenn wir daraus aufwachen, dann wissen wir: Unendlichkeit und Ewigkeit. Sat-Chit-Ananda. So lange wir noch Karma im Universum haben gehen wir wieder in die relative Welt hinein.

Das Spiel des Lebens

Wenn wir aber wissen, dass das Ganze ein Schauspiel ist, eine Projektion, dann können wir dort gelassener hineingehen. Und hier sind wir bei einer weiteren Analogie wo wir sagen: Die Welt ist wie ein Schauspiel. Shakespeare hat ja gesagt die Welt ist wie ein Schauspiel. Wir gehen dort hin, wir spielen unseren Part, und gehen wieder. Wir wissen nicht, welches unser Part ist, wir sind Traumgestalten im kosmischen Traum, Ishwaras, oder Shaktis, je nachdem wie wir es nennen wollen. Wir können auch sagen das Ganze ist wie ein Impro-Theater. Jeder ist dort, um seine Rolle zu spielen, aber man weiß nicht, was die nächsten Aufgaben sind. Also anders, als beim klassischen Theater, wo man seine Rolle auswendig lernen muss und weiß worum es geht. Wir wissen nicht wie es weiter geht. Wir sind Schauspieler. Aber auch nicht individuelle Schauspieler, sondern Gott spielt Schauspiele durch jeden einzelnen Körper und die Psyche. Und man vergisst Gott, und dass man eigentlich Gott ist, und identifiziert sich damit, und so entsteht diese Welt.

Wir können aufwachen aus der Welt, und wir können uns lösen von der Identifikation mit der Welt. Wir können es mit Viveka machen, indem wir unterscheiden zwischen Sat und Asat, und wir können in der Meditation aufwachen, uns erfahren, als wer wir wirklich sind.

Und mein Tipp für die nächsten Tage wäre auch: Frage dich das öfters am Tag. Sei dir öfters bewusst: Was du wahrnimmst, was du denkst, was du fühlst, wie du mit anderen umgehst – all das ist Illusion, Traum. Du wirst trotzdem in der Traumwelt geschickt umgehen müssen, aber nimm die Welt nicht zu wirklich. Nimm vor allen Dingen deine Vorstellungen von der Welt nicht zu wirklich. Und wie die Welt zu sein hätte, wie du sein solltest, wie andere sein sollten, wie die Welt sein sollte. Nimm das amüsiert zur Kenntnis. Und mache dir zwischendurch bewusst: Traum, Illusion, nicht so wichtig. Und auf dieser Grundlage kannst du auch furchtlos sein. Da all diese Welt eine Traum-Welt ist, kannst du dir bewusst machen: Dir kann nichts passieren.

So ähnlich, wie wenn du einschläfst und dich verfolgt ein Tiger – dir kann nichts passieren. Oder auch wenn du Träumst und du hast das Gefühl dein Chef ist sehr bedrohlich – dir kann nichts passieren. Oder wenn du wieder eine Prüfungssituation erlebst, die du vielleicht mal als Kind oder Jugendlicher oder Student hattest – dir kann nichts passieren.

Es ist Traum-Welt. Und so ähnlich in dieser Welt: Traum-Welt. Dir kann nichts passieren. Satchitananda Swarupoham, meine wahre Natur ist Sein-Wissen-Glückseligkeit. Nicht nur bist du nicht das, womit du dich sonst identifizierst, es existiert auch gar nicht. Traum, Schauspiel, wie auch immer du es nennen willst, Projektion oder auch ein Sammelsurium von Projektionen. Mach dir das öfters bewusst, tritt raus aus der Identifikation im Alltag. Zwischendurch magst du das wieder vergessen. Aber zwischendurch mache es dir wieder bewusst. Und sei dir spätestens in der Meditation bewusst: Was dir am Tag so wichtig erschienen ist: Neti Neti - nicht dies, nicht dies. Satchitananda Swarupoham – Meine wahre Natur: Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Und noch ein kleiner Tipp: Es fällt manchmal leichter in diese Denkweise hineinzukommen, wenn du eine Zeit in einem Ashram verbringst. Und insbesondere in einem Retreat, zum Beispiel einem Schweige-Retreat. Bei Yoga Vidya gibt es Jnana Yoga Seminare, Vedanta Seminare, Meditations-Retreats, Spirituelle-Retreats, da wird dir das viel klarer und es wird zu einer lebendigen Erfahrung. Und wenn du dich selbst erfahren hast als reines Bewusstsein jenseits von alle körperlichen und psychischen Prozessen, dann wird es dir leichter fallen im Alltag zu wissen: Ich bin eigentlich wie ein Träumer, wie ein luzider Träumer. Ich träume, aber ich weiß, dass ich träume. Ich habe Einfluss auf das, was ich erlebe, aber ich bin nicht das, was ich erlebe. Ich spiele das Spiel mit wie ein Schauspieler, wie ein Impro-Schauspieler, aber mir selbst macht nichts etwas aus.

Mehr Informationen über Vedanta, auch über Meditation, auch und gerade wie du Yoga vom ganzheitlichen Standpunkt aus üben kannst, auf unseren Yoga Vidya Internetseiten. Und natürlich fällt es am leichtesten sich mit besonders tiefen Fragen des Lebens zu beschäftigen, wenn man ein paar Tage weg ist von zu Hause, in einer besonders spirituellen Umgebung. Zum Beispiel in einem der Yoga Vidya Ashrams, zum Beispiel in Bad Meinberg im Teutoburger Wald, oder an der Nordsee, Allgäu oder Westerwald. Ein paar Tage weg vom Alltag, ein paar Tage intensiverer Meditation und Yoga hilft dir, dass du noch bereiter bist dich zu beschäftigen mit Fragen wie „Wer bin ich?“, „Wohin gehe ich?“, „Was ist Wirklich? Was ist Unwirklich?“, „Was ist das höchste Ziel des Lebens und wie kann ich es erfahren?“.

Siehe auch

Literatur

Seminare

Yogalehrer Ausbildung

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