Sanskrit Kurs Lektion 77

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Vokalische Nominalstämme (6)

In Lektion 76 haben wir den Singular und Plural der weiblichen Substantive auf betrachtet. Hier folgt ein weiterer Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika.


Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem dritten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Mudras und Bandhas gewidmet ist. Der 124. Vers steht im Kontext der Praxis der zehn Mudras, die der Reinigung der Nadis dient.


इयं तु मध्यमा नाडी दृढाभ्यासेन योगिनाम् |
आसनप्राणसंयाममुद्राभिः सरला भवेत् || ३.१२४ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
iyaṃ tu madhyamā nāḍī dṛḍhābhyāsena yoginām |
āsana-prāṇa-saṃyāma-mudrābhiḥ saralā bhavet || 3.124 ||


  • vereinfachte Transkription:
iyam tu madhyama nadi dridhabhyasena yoginam |
asana-prana-samyama-mudrabhih sarala bhavet || 3.124 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
iyam : dieser (Iyam, Nom. Sg. f.)
tu : aber (Tu, Partikel)
madhyamā : mittlere (Madhyama, Nom. Sg. f.)
nāḍī : (feinstoffliche) Kanal (die Sushumna, Nom. Sg. f.)
dṛḍhābhyāsena : durch intensives, unnachgiebiges, dauerhaftes (Dridha) Üben, Praktizieren (Abhyasa, Instr. Sg. n.)
yoginām : der Yogis Yogin, Gen. Pl. m.)
āsana-prāṇa-saṃyāma-mudrābhiḥ : mit Körperhaltungen (Asana), Kontrolle (Samyama) der Lebensenergie (Prana, Atemregulierung (Pranasamyama steht für Pranayama) und Siegeln (Mudra, Instr. Pl. f.)
saralā : gerade (Sarala, Nom. Sg. f.)
bhavet : wird (bhū, Verb)


  • Übersetzung:
Dieser mittlere Energiekanal (Sushumna) der Yogis wird durch intensives Üben der Körperhaltungen, der Atemregulierung und der Mudras gerade.


Erläuterungen

  • Das Demonstrativpronomen iyam "diese" bezieht sich auf das Substantiv nāḍī und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Femininum.
  • Die Partikel tu "aber, jedoch, wiederum" steht häufig metri causa, d.h. "aus metrischen Gründen" bzw. "um das Versmaß aufzufüllen".
  • Das Adjektiv‏‎ madhyamā ist eine nähere Bestimmung (Visheshana) zu nāḍī und steht daher auch im Nominativ Singular Femininum.
  • Der Nominativ (Prathama) nāḍī ist das logische Subjekt (Kartri) der Verbform bhavet.
  • Der Genitiv (Shashthi) yoginām "der Yogis" bezieht sich auf das Substantiv nāḍī: (dieser mittlere) Energiekanal der Yogis.
  • Der Instrumental āsana-prāṇasaṃyāma-mudrābhiḥ ist ein Kompositum vom Typ Dvandva, das mit "und" aufzulösen ist: "mit Körperhaltungen, Atemregulierung und Mudras". In der deutschen Übersetzung wurde die Bedeutung des Instrumentals etwas freier im Sinne eines Genitivs übersetzt: "(durch intensives Üben) der (statt "mit") Körperhaltungen, ...".
  • Das Adjektiv‏‎ saralā ist eine nähere Bestimmung (Visheshana) zu nāḍī und steht daher auch im Nominativ Singular Femininum.
  • Die Verbform bhavet ("sie wird, sollte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel bhū "sein, werden" (1. bzw. Bhu Klasse). Der Optativ drückt hier eine Möglichkeit aus, die in der Zukunft eintritt.
  • Sandhi: Gleichartige Vokale (Svara) verschmelzen in Komposita zu einem Langvokal: a + a wird zu ā in dṛḍhābhyāsena. Die Endung m von iyam geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara () über, welcher vereinfacht wie m ausgesprochen wird.


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