Sanskrit Kurs Lektion 73: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 19. Juni 2018, 10:22 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Konsonantische Nominalstämme (3)

In Lektion 72 haben wir die acht Fälle des Singulars der konsonantisch auslautenden Stämme auf -in betrachtet. Der folgende Beispielvers enthält drei mit dem Suffix (Pratyaya) -in gebildete Nomina (Naman).

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem ersten Kapitel (Upadesha), das der Asana-Praxis gewidmet ist. Der 59. Vers nennt grundlegende Eigenschaften eines intensiv praktizierenden Yogis.


ब्रह्मचारी मिताहारी त्यागी योगपरायणः |
अब्दादूर्ध्वं भवेत्सिद्धो नात्र कार्या विचारणा || १.५९ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
brahmacārī mitāhārī tyāgī yogaparāyaṇaḥ |
abdād ūrdhvaṃ bhavet siddho nātra kāryā vicāraṇā || 1.59 ||


  • vereinfachte Transkription:
brahmachari mitahari tyagi yogaparayanah |
abdad urdhvam bhavet siddho natra karya vicharana || 1.59 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
brahma-cārī : einer, der Enthaltsamkeit pflegt ("im Brahman wandelt, Brahmacharin, Nom. Sg. m.)
mitāhārī : der maßvoll isst ("wessen Nahrung maßvoll ist", Mitaharin, Nom. Sg. m.)
tyāgī : der Entsagung, Verzicht übt, freigebig ist (Tyagin, Nom. Sg. m.)
yoga-parāyaṇaḥ : dessen höchstes Ziel, Hauptzweck (Parayana, Nom. Sg. m.) der Yoga (m.) ist
abdāt : einem Jahr (Abda, Abl. Sg. m.)
ūrdhvam : nach (Urdhva, adv.)
bhavet : wird, ist (bhū, Verb)
siddhaḥ : ein Vollkommener (Siddha, Nom. Sg. m.)
na : nicht (Na)
atra : hierüber (Atra, adv.)
kāryā : ist angebracht ("ist zu tun", Karya, Nom. Sg. f.)
vicāraṇā : ein Zweifeln ("Bedenken", Vicharana, Nom. Sg. f.)


  • Übersetzung:
Einer, der Enthaltsamkeit pflegt, maßvoll isst, den Sinnesobjekten entsagt hat, dessen höchstes Ziel der Yoga ist,
wird binnen eines Jahres ein Vollkommener - hierüber besteht kein Zweifel.


Erläuterungen

  • Die Nominative (Prathama) brahma-cārī, mitāhārī, tyāgī und yoga-parāyaṇaḥ sind Appositionen (Visheshana) zu siddhaḥ und stehen daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum. Die Komposita brahma-cārī, mitāhārī und yoga-parāyaṇaḥ gehören zum Typ Tatpurusha. Sie bestehen jeweils aus zwei Gliedern: brahma (Brahman "das Heilige, Absolute") und cārin (Charin "wandelnd"), mita (Mita "maßvoll", Partizip Präteritum Passiv der Wurzel "messen") und āhārī (Aharin "sich ernährend") sowie yoga (Yoga) und parāyaṇa- (Parayana "höchstes Ziel").
  • Der Ablativ (Panchami) abdāt bezeichnet in Zusammenhang mit dem Adverb ūrdhvam den zeitlichen Ausgangspunkt der Handlung (Apadana).
  • Das Adverb ūrdhvam "nach" ist formal der Akkusativ Singular Neutrum des Adjektivs Urdhva.
  • Die Verbform bhavet ("er wird, sollte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel bhū "sein, werden" (1. bzw. Bhu Klasse). Der Optativ drückt hier eine Möglichkeit aus, die in der Zukunft eintritt.
  • Die Negationspartikel na verneint die als Gerundivum erscheinende Verbalhandlung kāryā.
  • Das Adverb atra "hier, hierüber" bezieht sich auf die gesamte in Pada 1-3 gemachte Aussage.
  • Das Gerundivum kāryā bezieht sich als Verbaladjektiv auf vicāraṇā und steht daher auch im Nominativ Singular Femininum. Es erfordert eine passive Konstruktion, bei der das logische Objekt im Nominativ steht. Das Gerundivum kāryā ist von der Wurzel kṛ "machen, tun" abgeleitet.
  • Der Nominativ vicāraṇā ist logisches Objekt (Karman) der als Gerundivum erscheinenden Verbalhandlung kāryā. Im Sanskrit liegt hier eine passive Konstruktion (Karmani Prayoga) zugrunde, wörtl.: "ein Zweifeln ist (nicht) zu tun".
  • Syntax: Das eigentliche, hier aber ungenannte logische Subjekt dieses Satzes ist gemäß des Kontextes dieses Verses in der Hatha Yoga Pradipika der Yogin. Beiden Halbversen liegt eine nicht explizit ausgedrückte Beziehung der beiden Korrelativpronomen Yad (Relativpronomen) und Tad (Demonstrativpronomen) zugrunde, die sich entsprechend auf Relativ- und Hauptsatz beziehen. Ausführlicher würde es lauten: (yo) brahmacārī mitāhārī tyāgī yogaparāyaṇaḥ, (sa) ... bhavet siddhaḥ ... || "Derjenige (Yogi), welcher ( yo = Yad) Enthaltsamkeit pflegt usw., dieser (sa = Tad) wird ... ein Vollkommener (Siddha) ..."
  • Sandhi: Gleichartige Vokale (Svara) verschmelzen am Wortende und -anfang sowie in Komposita zu einem Langvokal: a + ā/a wird zu ā in mitāhārī (mita + āhārī) und in nātra (na + atra). Das stimmlose dentale t von abdāt wird vor Vokal (hier: ū) zu stimmhaftem d. Die Endung m von ūrdhvam geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara () über, welcher wie m ausgesprochen wird. Die Form siddho steht für siddhaḥ, da auslautendes -aḥ vor stimmhaftem Konsonant (hier: n) zu -o wird.


Metrische Analyse des 3. und 4. Pada

Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:


Silbe 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Devanagari ब्दा दू र्ध्वं वे त्सि द्धो ना त्र का र्या वि चा णा
Transliteration a bdā rdhvaṃ bha ve tsi ddho tra ryā vi ra ṇā
Silbenlänge lang* lang lang lang* kurz lang lang* lang lang kurz lang lang kurz lang kurz lang
Symbol υ υ υ υ


Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten. Die Positionslänge der 1. u. 7. Silbe (Pada 3) ergibt sich durch die Aufteilung in ab-dā und tsid-dho.


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