Prashna Upanishad: Unterschied zwischen den Versionen

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:oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥
:oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥
==Prashna Upanishad - Sanskrit Text, Übersetzung, Interpretation==
Hier der vollständige Text der Prashna Upanishad auf Sanskrit, mit deutscher Übersetzung und Kommentar, aus dem Buch "Wichtigste Upanishaden" (Principal Upanishads) von [[Swami Sivananda]]:
PRAŚNA-UPANIṢAD
==Einleitung==
Die Praśna-Upaniṣad ist in Prosa und gehört zum Atharva-Veda, Pippalāda-śākhā  (Zweig, Abteilung). Pippalāda ist der Hauptlehrer in der Upanishad. Sie ist eine der drei klassischen Upanishaden des Atharva-Veda. Sie ist eine spätere Upanishad. Sie wird manchmal auch Śatpraśna-Upaniṣad genannt, weil sie sechs (śat) Fragen (praśna) enthält.
Die Praśna-, Muṇḍaka- und Māṇḍūkya-Upaniṣads gehören zum Atharva-Veda. Alle drei legen großes Gewicht auf die heilige Silbe om, den praṇava.
Śaṅkara sagt zu Beginn seines Kommentars: „Dieses brāhmaṇa vertieft das, was in den Versabschnitten dargelegt worden war.“ Dies bezieht sich auf die Muṇḍaka-Upaniṣad, die als eine mantra-upaniṣad betrachtet wird. Śaṅkara nennt die Praśna-Upaniṣad ein brāhmaṇa, das der mantra-upaniṣad der Muṇḍaka entspricht und diese ergänzt. Eine gemeinsame Idee zieht sich durch die Praśna-, Muṇḍaka- und Māṇḍūkya-Upaniṣads. Sie haben Familienähnlichkeit. Einige Punkte, die in der Muṇḍaka-Upaniṣad angesprochen waren, werden in voller Breite in dieser Upanishad erklärt.
Sechs Suchende des brahman nähern sich dem Seher Pippalāda und stellen diesem sechs Fragen. Diese Fragen und die Antworten bilden den Stoff dieser Upanishad. Die erste Frage ist sehr allgemein und die sechste ist die speziellste. Die erste Frage bezieht sich auf die Schöpfung bzw. die Kosmogonie.
Prāṇa (das Lebensprinzip) und rayi (Materie) wurden als erstes von Gott erschaffen. Prāṇa wirkt auf rayi ein. Verschiedene Formen manifestieren sich dadurch. Es ist die Untermischung der beiden, prāṇa und rayi, die die Welt der vielfältigen Formen hervortreten lässt. Das eine, prāṇa, ist aktiv, positiv – das männliche Prinzip; das andere ist passiv, negativ – das weibliche Prinzip. Prāṇa gehört zum Bewusstsein der Schöpfung, während rayi die Form darstellt.
Die erste Frage beleuchtet die Beziehung zwischen Prajāpati (dem Schöpfer) und den Geschöpfen, die Dauer der Schöpfung und die Weise, wie man Prajāpati verehren sollte. Die ganze Schilderung ist mythologisch und symbolisch. Prajāpati wünschte sich Nachkommen. Aus diesem Wunsch entsprang ein Paar, nämlich Materie bzw. die universale Nahrung einerseits und prāṇa (das Leben bzw. der Verzehrer) andererseits. Als Leben und Materie wird Prajāpati nacheinander die Sonne, der Mond, das Jahr mit seinen zwei Hälften, Tag und Nacht etc. prāṇa, āditya (die Sonne), der Tag, amūrta (ohne Form), Leben, Geist, der nördliche Weg, das Unsichtbare gehören zur Seite des Lebens. Rayi, der Mond, die Nacht, mūrta (mit Form), Materie, der südliche Weg, das Sichtbare gehören zur Seite der Materie. Der Körper besteht aus fünf Elementen. Die zehn Sinne üben ihre Funktion durch den Körper aus. Der Körper wird aufrechterhalten durch prāṇam, das Lebensprinzip.
Die zweite Frage betrifft die devas, die den Menschen unterstützen und die den Sinnen und den Bestandteilen des Körpers Licht geben. Die dritte Frage geht auf die Natur und den Ursprung des prāṇa ein; die vierte bezieht sich auf Schlaf und Träumen, die fünfte auf praṇava bzw. om und die sechste auf die höchste Seele (puruṣa), die aus sechzehn kalās (Teilen) besteht.
==Prathamaḥ Praśnaḥ ==
(Erste Frage)
KABANDHIN & PIPPALĀDA
oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śṛṇuyāma devāḥ। bhadraṃ paśyemākṣibhiryajatrāḥ।
sthirairaṅgaistuṣṭuvāṃsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ।
svasti na indro vṛddha-śravāḥ svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ।
svasti nastārkṣyo ariṣṭanemiḥ svasti no bṛhaspatirdadhātu॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Oṃ, o Götter, mögen wir mit unseren Ohren hören, was glückverheißend ist;
o Ihr, die Ihr verehrungswürdig seid, mögen wir, mit unseren Augen, sehen, was glückbringend ist. Mögen wir uns des Lebens erfreuen, das uns von den Göttern zugeteilt worden ist, indem wir unseren Lobpreis anbieten, mit unseren Körpern starker Glieder. Möge Indra, der machtvolle, ruhmvoll seit alters, uns Wohlstand gewähren. Möge Er, der Nahrungsgeber und Besitzer von Reichtum, uns geben, was gut für uns ist. Möge der Herr von schneller Bewegung uns gnädig sei, und möge der Beschützer der Großen auch uns beschützen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.
oṃ namaḥ paramātmane।  hariḥ om॥
sukeśā ca bhāradvājaḥ śaibyaśca satyakāmaḥ sauryāyaṇī ca gārgyaḥ kausalyaścāśvalāyano bhārgavo vaidarbhiḥ kabandhī kātyāyanaste haite brahmaparā brahmaniṣṭhāḥ paraṃ brahmānveṣamāṇāḥ eṣa ha vai tatsarvaṃ vakṣyatīti te ha samitpāṇayo bhagavantaṃ pippalādamupasannāḥ॥ 1॥
1. Erläuterung: Oṃ, gepriesen sei der höchste ātman! Hariḥ om. Sukeśā, der Sohn von Bhāradvāja, Satyakāma, der Sohn von Śibi, Gārgya, der Enkel von Sūrya, Kausalya, der Sohn von Aśvala, Bhārgava, der Sohn von Vidharbi, und Kabandhin, der Sohn von Kātya – all diese, die brahman hingegeben und in brahman gefestigt waren, näherten sich dem allseits verehrten Pippalāda mit Feuerholz (samidh) in den Händen, in der Zuversicht, dass der ihnen alles erklären würde.
ERLÄUTERUNG: Dieses brāhmaṇa soll im Einzelnen erklären, was in den mantras ausgerückt war. Wissen um brahman kann gewonnen werden von Menschen, die zölibatär gelebt, tapas ausgeübt und für ein Jahr bei einem Meister gelebt haben. Dieses Wissen sollte nur von Weisen wie Pippalāda ausgegeben werden, die ātma-sākṣāt-kāra (direkte Selbstverwirklichung) erreicht haben und durch keinen anderen.
Gārgya – ein Abkömmling der Garga-Familie; (gārgyaḥ sauryāyaṇī ca – Sohn des Sonnengeschlechts); bhārgavaḥ – ein Abkömmling der Bhṛgu-Familie; vaidarbhiḥ – in Vidarbha geboren. Bharadvāja, Śaibya, Garga, Aśvalayana, Bhārgava und Kātyāyana sind Namen von gotras (Familien); brahma-parāḥ – brahman gewidmet. Mit brahman ist hier saguṇa-brahman oder apara-brahman (niedere brahman) gemeint. Sie sind also Experten im Studium der Veden;  brahma-niṣṭhāḥ – auf brahman konzentriert bzw. ausgerichtet. Gefestigt in den Übungen der Hingabe an saguṇa-brahman bzw. hiraṇya-garbha; paraṃ brahmān-veṣamāṇāḥ – des höchste brahman suchend; sie möchten das transzendentale, triguṇātīta, reine para-brahman erreichen.
Sie näherten sich dem verehrungswürdigen Lehrer Pippalāda, mit jeder Menge samidh (Feuerholz für das Opfer) in den Händen, damit er ihnen alles über den höchsten brahman lehrte.
Das Feuerholz galt früher als Zeichen, dass der lernwillige Aspirant bereit war vom guru aufgenommen und eingeweiht zu werden.
tān ha sa ṛṣiruvāca bhūya eva tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā saṃvatsaraṃ saṃvatsyatha yathākāmaṃ praśnān pṛcchata yadi vijñāsyāmah sarvaṃ ha vo vakṣyāma iti॥ 2॥
2. Jener ṛṣi (Seher) sagte zu ihnen: „Bleibt ein weiteres Jahr hier, in Askese,
Zölibat und mit Vertrauen; dann dürft ihr Fragen stellen, wie ihr mögt; und wenn ich die Antwort weiß, werde ich euch sicher alles erklären.“
ERLÄUTERUNG: Pippalāda sagte zu den Suchenden: Obwohl ihr schon tapas praktiziert und die Sinne kontrolliert habt, so bleibt doch trotzdem noch für ein weiteres Jahr bei mir, übt tapas (Kontrolle der Sinne) und seid insbesondere achtsam mit brahma-carya (Zölibat); entwickelt noch mehr Glauben und dient eurem Lehrer von ganzem Herzen. Dann kann jeder von euch mir Fragen stellen, wie es ihm gefällt.
Die subtilen Wahrheiten des vedānta können nicht durch einen groben und unreinen Geist erfasst werden. Der Geist sollte gereinigt werden, verfeinert und scharf werden. Nur dann wird er fähig sein, Konzentration und Meditation zu üben und die subtilen Wahrheiten der Upanishaden zu begreifen. Tapas und sexuelle Enthaltsamkeit tragen zu Reinigung des Geistes bei. Wer das Gelübde des Zölibats abgelegt hat, sollte folgende acht Dinge vermeiden:
1. an Frauen (bzw. Männer) mit niederen Gedanken denken,
2. über Frauen (bzw. Männer) sprechen,
3. mit ihnen spielen,
4. ihnen lustvoll nachblicken,
5. mit ihnen an einem abgelegenen Ort reden,
6. sie begehren,
7. versuchen, sie bekommen,
8. Geschlechtsverkehr mit ihnen haben.
Dienst am guru, dem Meister, mit Glauben und Hingabe reinigt den Geist sehr schnell. Das ist das kraftvollste Mittel, den Geist zu reinigen.
Der spirituelle Lehrer erkennt, durch seine innere Intuition, den Geisteszustand des Aspiranten, den Entwicklungsgrad, seine Schwächen etc. In der Tat sieht er durch sein inneres Auge der Weisheit ihren astralen und kausalen Körper. Der Seher Pippalāda fand durch seine innere Vision, dass noch Unreinheiten in ihnen waren und so forderte er sie auf, noch ein Jahr bei ihm zu bleiben und tapas, Enthaltsamkeit und Glauben zu üben. 
„Wenn ich […] weiß“ – Das Wort „wenn“ soll zeigen, dass der Lehrer nicht stolz war – und nicht, dass er sich mit dem Thema nicht auskannte. Es gab keinen Zweifel an seinem Wissen. Er war ein allwissender Seher. Er selbst sagte: „Ich werde euch alles erklären“. Das weist darauf hin, dass er vollkommenes Wissen über brahman hatte und dass er alle Fragen beantworten konnte. Er war sehr bescheiden und demütig und daher sagte er: „Wenn ich weiß…“.
atha kabandhī kātyāyana upetya papraccha bhagavan kuto ha vā imāḥ prajāḥ prajāyanta iti ॥ 3॥
3. Dann sprach Kabandhin Kātyāyana ihn an und fragte: „Verehrter Meister, von wo her werden diese Geschöpfe geboren?“
ERLÄUTERUNG: Kabandhin aus der Familie Kātyāyana sprach Pippalāda an und fragte ihn: Woher werden diese Lebewesen, Brahmanen und alle anderen, geboren?
Atha – dann, nach einem Jahr; nachdem er tapas, Enthaltsamkeit und Glauben geübt hatte, wie angewiesen; kātyāyana – aus der Familie Kātyāyana.
Die Tendenz der Frage ist, nach Śaṅkara: Was ist die Frucht von apara-vidyā (niederem Wissen) und von Handlungen in ihrer Kombination? Die Frage soll herausfinden: Welche Resultate erhält man und welchen Weg durchläuft man, wenn man apara-vidyā  und karma verbindet?
Leben hat keinen Anfang (anādi). Es gibt keinen Anbeginn für die Geschöpfe. Die Welt ist nicht geschaffen worden. Sie wird lediglich „projiziert“ durch hiraṇya-garbha.
tasmai sa hovāca prajākāmo vai prajāpatiḥ sa tapo'tapyata sa tapastaptvā
sa mithunamutpādayate।
rayiṃ ca prāṇañcety etau me bahudhā prajāḥ kariṣyata iti॥ 4॥
4. Er antwortete: „Prajāpati („Herr der Kreaturen“, Schöpfer) wünschte Nachkommen. Er übte Askese (tapas) (Gedanken) und nachdem er tapas geübt hatte, schuf er ein Paar, rayi und prāṇa (Materie und Leben bzw. Nahrung und Ver⁠zeh⁠rer), in der Erwartung, dass sie zusammen für ihn in vielfältiger Weise Geschöpfe hervorbringen würden.“ 
ERLÄUTERUNG: Prajā-kāmaḥ – in dem Wunsch, Wesen zu erschaffen (aus sich selbst heraus); in dem Wunsch nach Geschöpfen; prajāpati – der Schöpfer, hiraṇya-garbha; tapaḥ – Askese; hier bedeutet es Nachdenken oder Meditation über das, was getan werden soll; Nachdenken, über wie und was zu erschaffen ist; mithunam – ein Paar (u.a. in Form von Gegensätzen): Energie und Materie, prāṇa und rayi, männlich und weiblich.
Der Herr der Geschöpfe wünschte sich Geschöpfe am Beginn des kalpa. Er dachte nach und plante. Er erinnerte sich an die vergangenen kalpas und machte Pläne nach dem Vorbild der Vergangenheit. Er reflektierte über das Wissen, das ihm aus den früheren kalpas geblieben war. Nachdem er einen Plan gemacht hatte, schuf er ein Paar, prāṇa (Energie) und rayi (Materie), und sagte: „Diese beiden werden vielfältige Kreaturen für mich schaffen.“ Er dachte nach über das Wissen aus den śrutis und schuf ein Paar, das notwendig war für die Schöpfung: den Mond, d.h. Nahrung, und prāṇa (Feuer, Sonne), d.h. den Verzehrer. Er dachte, dass Sonne, Mond, Nahrung und Verzehrer, vielfältige Geschöpfe erzeugen würden, deshalb schuf er sie.
Nach Śaṅkara bedeutet rayi „Nahrung“, „Mond“ und prāṇa „Feuer“, „Verzehrer“, „Sonne“. Nur durch den Einfluss des Mondes wird der köstliche soma (Nektar) produziert, der rasa (Saft) der Erde, der die Pflanzen und Kräuter nährt. Die Sonne ist das Feuer, das den rasa verzehrt. So betrachten es die Veden. Dieses Leben wird erhalten durch annam (Nahrung) und prāṇa (Luft).
ādityo ha vai prāṇo rayireva candramā rayirvā etat sarvaṃ yanmūrtaṃ cāmūrtaṃ ca tasmānmūrtireva rayiḥ॥ 5॥
5. Die Sonne ist wahrlich das Leben (prāṇa) und der Mond ist die Nahrung (Materie). All dies, was Form hat und formlos ist, ist Nahrung. Und daher ist Form in Wahrheit Nahrung.
ERLÄUTERUNG: Mūrtam – mit Form, grob (feste, flüssige und feurige Dinge); amūrtam – ohne Form, subtil (Luft und Äther).
Die Sonne ist Energie und der Mond Materie. All dies, was einen Körper (Form) hat und was keinen Körper hat (formlos ist und subtil), ist Materie; und daher ist Körper (Form) in der Tat Materie. Die Sichtweise des Weisen Pippalāda stimmt mit der modernen Wissenschaft überein.
Die Sonne ist prāṇa, Verzehrer, Feuer. Der Mond ist Nahrung. Verzehrer und Nahrung sind in Wahrheit eins. Sie sind Aspekte des Schöpfers.
Die Sonne ist das Zentrum von Energie. Sie wird daher mit dem prāṇa identifiziert.
athāditya udayan yat prācīṃ diśaṃ praviśati
tena prācyān prāṇān raśmiṣu sannidhatte।
yaddakṣiṇāṃ yat pratīcīṃ yadudīcīṃ yadadho yadūrdhvaṃ yadantarā diśo yatsarvaṃ prakāśayati tena sarvān prāṇān raśmiṣu sannidhatte॥ 6॥
6. Jetzt: Die Sonne, wenn sie aufgeht, erfüllt den Osten. Dadurch badet sie in ihren Strahlen alle prāṇas im Osten. Wenn sie die südlichen, westlichen und nördlichen Viertel erleuchtet, den Nadir bzw. Zenith, die Zwischenbereiche und alles, dann nimmt sie dadurch alle Kreaturen in ihre Strahlen auf.
ERLÄUTERUNG: Jetzt: Die Sonne, wenn sie aufgeht, betritt sie das östliche Viertel. Dadurch sammelt (hält oder badet) sie die Lebewesen (prāṇa) des Ostens in ihren Strahlen. Wenn sie die südlichen, westlichen, nördlichen, die unteren, oberen Viertel und die dazwischen – wenn sie also alles erleuchtet, dann sammelt (badet oder hält) sie dadurch alle Lebewesen in ihren Strahlen.
Prācīm – Osten; raśmiṣu – in den Strahlen (bzw. Süden); sannidhatte – hält, erhält; pratīcīm – Westen; udīcīm – Norden.
Alle Lebewesen werden durchdrungen von den allbeherrschenden Lichtstrahlen der Sonne. Die Sonne badet alle Wesen in allen Vierteln und Richtungen mit ihrem Licht. Indem die Sonne alle Wesen mit ihrem Licht durchdringt, macht sie sie eins mit ihrem eigenen Selbst. Wo immer Leben ist, wo immer Energie ist, ist das durch den Einfluss der Sonne. Die Sonne ist die größte und die unerschöpfliche Kraftquelle auf dieser Erde. Sie unterstützt durch ihre Strahlen alles Leben in allen Richtungen.
sa eṣa vaiśvānaro viśvarūpaḥ prāṇo'gnirudayate।
tadetad ṛcā'bhyuktam॥ 7॥
7. Das ist sie (vaiśvānara), die Summe aller Lebewesen, alle Formen annehmend, Leben und Feuer, die jeden Tag aufgeht. Dies wurde gesagt im folgenden mantra des Ṛg-Veda. 
ERLÄUTERUNG: Die Sonne erleuchtet die ganze Welt. Sie ist das Zentrum von Kraft und Energie. Sie ist die Quelle von Leben und Aktivität. Sie ist daher, in gewisser Weise, Schöpferin. Sie ist verbunden mit allen Aktivitäten der Menschen. Sie ist in der Tat das Leben der Welt.
Dieses Leben, die Seele aller Kreaturen (vaiśvānara), die Natur von allem, das Leben, geht als Feuer auf jeden Tag und macht dabei die Himmelsrichtungen wie zu sich selbst. Das ist im folgenden Vers dargestellt.
Die Sonne und das Feuer sind beide Manifestationen desselben prāṇa, welches alldurchdringend ist. Die Sonne ist eine Masse von Energie. Ebenso ist Feuer eine Energie. Auch die Sicht der modernen Wissenschaft ist, dass Energie bzw. die Elektronen, alles ist. Die śruti drückt dieselbe Sichtweise aus. Die alten ṛṣis fanden durch Meditation heraus, dass brahman das innere Selbst aller Wesen ist und dass es auch die Seele und die Stütze dieses Universums ist. Sie analysierten diese Welt und entdeckten die verschiedenen Prinzipien (tattvas), die die Welt konstituieren.
Das ist er, der Verzehrer, die Totalität aller Wesen, das Leben, der ātman von allem, der alle Formen annimmt, insofern er die Seele, der ātman der Welt ist, der prāṇa und das Feuer. Dies ist der Verzehrer, der jeden Tag aufgeht, der alle Richtungen erleuchtet und sie sein eigen macht. Das, was hier erklärt wurde, wird auch im folgenden Vers des Rig-Veda dargestellt.
viśvarūpaṃ hariṇaṃ jātavedasaṃ parāyaṇaṃ jyotirekaṃ tapantam।
sahasraraśmiḥ śatadhā vartamānaḥ prāṇaḥ prajānāmudayatyeṣa sūryaḥ॥ 8॥
8. Alle Formen annehmend, strahlend, allwissend, das höchste Ziel, das eine Licht, der Hitzegeber, der Tausendstrahlige, in hundert Formen existierend, das Leben aller Geschöpfe, diese Sonne erhebt sich und steigt auf.
ERLÄUTERUNG: Viśvarūpam – alle Formen besitzend; von universeller Form;
hariṇam – voller Strahlen, leuchtend, gelb und golden; jātavedasam – allwissend; parāyaṇaṃ – das letztendliche Ziel, die höchste Zuflucht aller Wesen, der höchste Aufenthalt; ekam jyotiḥ – das eine Licht, ohne ein zweites, sozusagen das Auge aller Lebewesen; tapantam – Hitze gebend; sahasraraśmiḥ – von tausend Strahlen.
Die Seher, die Kenner des brahman, haben die Sonne, ihre eigenes Selbst, das innerste Selbst erkannt. Die Sonne, das Leben aller Kreaturen, geht auf und erhebt sich. Sie hat tausend, d.h. viele Strahlen; sie existiert in hundert, d.h. in vielen Formen in verschiedenen Lebewesen.
saṃvatsaro vai prajāpatistasyāyane dakṣiṇañcottaraṃ ca।
tadye ha vai tad
pūrte kṛtamityupāsate te cāndramasameva
lokamabhijayante। ta eva punarāvartante।
tasmādeta ṛṣayaḥ prajākāmā dakṣiṇaṃ pratipadyante।
eṣa ha vai rayiryaḥ pitṛyāṇaḥ॥ 9॥
9. Das Jahr ist wahrlich Prajāpati („Herr der Geschöpfe“). Darin gibt es zwei Pfade: den südlichen und den nördlichen. Die dem Weg des karma allein folgen, durch Opfer und fromme Handlungen, erreichen die Welt des Mondes und kehren sicherlich zurück. Deswegen nehmen die Weisen, welche Nachkommen wün- schen, den südlichen Weg. Diese Nahrung ist wahrlich der Weg der Vorfahren.
ERLÄUTERUNG: Saṃvatsaraḥ – ein Jahr; das höchste Selbst in der Form der kontinuierlichen Zeit; Zeit.
Es wird erklärt, wie dieses Paar – einerseits der Mond, die Form, die Nahrung, und andererseits der prāṇa, das Formlose, der Verzehrer, die Sonne – wie die alle Wesen schaffen können. Dieses Paar ist selbst die Zeit.
Man sagt, dass das Jahr, welches aus Tagen und Nächten besteht – bedingt durch Mond und Sonne – die Natur des Paares hat: die Nahrung und den Verzehrer. Es gibt zwei Wege, nämlich dakṣiṇāyaṇa, den südlichen Weg, und uttarā-yaṇa, den nördlichen Weg. Diejenigen, die iṣṭāpūrta (iṣṭa Opfer; pūrta fromme Handlungen) ausführen, erreichen die Welt des Mondes (candra-loka) durch den Pfad der Manen (pitṛyāṇa) und kehren auf diese Welt zurück. Dies ist der südliche Weg, der zur Welt des Mondes führt.
Iṣṭa – tägliche Durchführung des agni-hotra, Askese, Wahrhaftigkeit, Halten von Tieren, Beköstigung von Gästen, Füttern von Vögeln und Tieren – all das wird iṣṭa genannt; pūrta – Anlegen von Brunnen und Wasserreservoirs für die Allgemeinheit, Bauen von Tempeln, Krankenhäusern und Choultries (Rastplätzen bzw. Herbergen für Reisende), Essen spenden für die Armen und Hungernden, Anlegen von öffentlichen Gärten etc. – all das wird pūrta genannt.
athottareṇa tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā vidya-yātmānamanviṣyādityamabhijayante।
etadvai prāṇānāmāyatanametadamṛtamabhayametat parāyaṇame- tasmānna punarāvartanta ityeṣa nirodhaḥ।    tadeṣa ślokaḥ॥ 10॥
10. Aber diejenigen, die den ātman durch Askese, Zölibat, Glauben und Wissen gesucht haben, die erreichen den nördlichen Weg, die Sonne. Dies ist das Heim aller Leben, das Unsterbliche, Furchtlose, das höchste Ziel. Von dort kehren sie nicht zurück, denn es ist das Ende. Dies ist unerreichbar (für die Unwissenden). Dazu gibt es diesen Vers. 
ERLÄUTERUNG: Diejenigen, die das Selbst auf dem nördlichen Weg suchen – durch Askese, Kontrolle der Sinne, Zölibat, Glauben und Wissen –, erreichen die Sonne, d.h. brahma-loka. Sie erreichen den Zustand von Prajāpati (das Leben) und Āditya (der Verzehrer). Sie gehen den devayāna, den Pfad der Götter, zur Welt der Sonne; und von dort gehen sie zum brahma-loka. Sie verschmelzen mit brahman am Ende des Weltzyklus. Dies ist krama-mukti, allmähliche Befreiung.
Etad amṛtam – dies ist unsterblich und daher furchtlos. Diejenigen, die brahma-loka erreicht haben, kehren nicht auf diese Welt zurück. Sie werden nicht wiedergeboren, im Gegensatz zu den Anhängern von reinem karma (religiösen Hand- lungen); nirodhaḥ – Hindernis. Die Unwissenden, behindert durch die Sonne, erreichen nicht das Jahr, die Sonne, den prāṇa. Der nördliche Pfad ist für die Unwissenden blockiert, da sie nicht die notwendigen Vorbedingungen erfüllen.
pañcapādaṃ pitaraṃ dvādaśākṛtiṃ diva āhuḥ pare ardhe purīṣiṇam।
atheme anya u pare vicakṣaṇaṃ saptacakre ṣaḍara āhurarpitamiti॥ 11॥
11. Mit fünf Füßen (d.h. Jahreszeiten), der Vater, mit zwölf Formen (d.h. Monaten), der Spender von Regen – sie (die Weisen) sagen: Er wohnt an einem Ort, der höher ist als der Himmel. Andere nennen ihn allweise, auf dem die ganze Welt ruht, wie ein Gefährt (das von sieben Pferden gezogen wird) mit sieben Rädern und sechs Speichen.
ERLÄUTERUNG: Pañca-pādam – fünf Füße. Die fünf Jahreszeiten (ṛtus) sind die fünf Füße. Hemanta und śiśira (kalte Jahreszeit, Winter) werden als eins betrachtet; vicakṣaṇaṃ – der Seher (die Sonne).
Die fünf Jahreszeiten sind die Füße der Sonne. Die Sonne ist nichts anderes als das Jahr bzw. die Zeit. Die Sonne ist der Schaffer, das Maß, der Zeit. Die Sonne markiert diese als Jahr, mit dessen Unterteilungen, den Jahreszeiten und Monaten; und insofern ist die Sonne der Vater von allem. Das Jahr bewegt sich mit den Jahreszeiten als seinen Füßen. Die Sonne wird der Vater genannt, denn er ist der Schöpfer von allem, er hält alles Leben aufrecht und alles Leben kommt aus ihm hervor.
Dvādaśākṛtim – mit zwölf Formen. Die zwölf Monate sind die zwölf Formen, d.h. die Glieder oder Komponenten des Jahres. Er wohnt an einem Ort, der höher ist als der dyu-loka (der dritte Himmel). Himmel bedeutet hier: die Atmosphäre; purīṣiṇam – voll Wasser, ausscheidend, Regen gebend. Die Sonne hat einen Überfluss an Regen, da sie diesen aus den Wassern der Ozeane herauszieht; āhuḥ – sie sagen, d.h. die Weisen sagen. Die Kenner der Zeit sagen, dass die Welt an dem Rad der Zeit befestigt ist; sie bewegt sich immer in der Form von sieben Pferden und sechs Jahreszeiten. Die Welt ist dort befestigt wie Speichen in einem Rad. Das Jahr, welches die Natur der Zeit hat, der Herr der Schöpfung, in der Form von Sonne und Mond, ist die Ursache dieser Welt; saptacakre – mit sieben Rädern. Die sieben Strahlen oder Farben der Sonne sind bekannt als die sieben Pferde der Sonne. Oder sie sind vielleicht auch die Unterteilungen des Jahres: Halbjahre, Jahreszeiten, Monate, halbe Monate, Tage, Nächte und muhūrtas (Stunden). Oder sie sind die sieben cakras, durch die der prāṇa aufsteigt; ṣaḍare  – auf (einem Wagen) mit sechs Speichen. Die sechs Speichen sind die sechs Jahreszeiten. Der Seher, die Sonne, sitzt auf einem Wagen mit sieben Rädern und sechs Speichen. Die sechs Speichen sind vielleicht auch ṛc (bzw. ṛg), yajus, sāman, yajña, kṣatra und brāhmaṇa. Die zwölf Gesichter sind die zwölf Aspekte des prāṇa.
Der fünffüßige Vater kann auch der prāṇa sein, der fünf Füße oder Bewegungsformen hat: prāṇa, apāna, vyāna, samāna, udāna (die Funktionen Atem, Ausscheidung, Verdauung, Kreislauf und Schlaf).
māso vai prajāpatistasya kṛṣṇapakṣa eva rayiḥ śuklaḥ prāṇastasmādeta
ṛṣayaḥ śukla iṣṭaṃ kurvantītara itarasmin॥ 12॥
12. Der Monat ist Prajāpatī, seine dunkle Hälfte ist wahrlich die Nahrung, die helle Hälfte ist prāṇa. Deswegen führen diese ṛṣis Opfer in der hellen Hälfte aus, die anderen in der dunklen Hälfte.
ERLÄUTERUNG: Der Monat ist wahrlich Prajāpati („Herr der Geschöpfe“). Prajā-patī, in der Form des Jahres, erfährt Vollendung durch seine Teile, die Monate. Der Monat ist seiner Natur nach wiederum ein Paar: Der eine Teil, die dunkle Hälfte, ist Nahrung, Materie oder der Mond. Der andere Teil, die helle Hälfte, ist die Sonne, der Verzehrer, das Feuer oder prāṇa.
Einige ṛṣis (Seher) betrachten alles als prāṇa, gekennzeichnet durch die helle Hälfte. Sie sehen die Natur von allem als Leben. Obwohl sie daher auch in der dunklen Hälfte Opferhandlungen ausführen, so führen sie sie in Wahrheit nur in der hellen Hälfte aus, da sie die dunkle Hälfte nicht als getrennt vom prāṇa, der hellen Hälfte ansehen. Dies ist eine verfeinerte Sichtweise. Andere dagegen sehen nicht den prāṇa, sondern sie sehen nur die dunkle Hälfte. Obwohl sie daher auch Opferhandlungen in der hellen Hälfte durchführen, so führen sie diese doch in dunklen Hälfte aus, da sie den prāṇa, das Leben, nicht sehen; sie sehen die Natur nur in ihrer Dunkelheit.
Da ist Rhythmus und Harmonie in der Welt. Während pralaya (Auflösung, Rückzug der Welt) ist Ruhe. Diese wird gefolgt von Bewegung, wenn die Welt nach außen projiziert wird. Im Jahr gibt es zwei Sonnenwenden, wo die Sonne nach Norden bzw. nach Süden wandert. Im Monat gibt es die helle Hälfte und die dunkle. Innerhalb eines Tages gibt es Tag und Nacht. Die Nacht ist der tägliche pralaya.
ahorātro vai prajāpatistasyāhareva prāṇo rātrireva rayiḥ।
prāṇaṃ vā ete praskandanti ye divā ratyā saṃyujyante brahmacaryameva tadyadrātrau ratyā saṃyujyante॥ 13॥
13. Tag und Nacht sind Prajāpatī; der Tag ist der prāṇa und die Nacht ist wahrlich die Nahrung. Diejenigen, die sich bei Tage in Liebe vereinigen, vergeuden ihren prāṇa; die sich aber bei Nacht in Liebe vereinigen, kann man wahrlich als brahma-cārī betrachten. 
ERLÄUTERUNG: Tage und Nächte sind die Teile des Monats. Der Tag ist in der Tat prāṇa, der Verzehrer, das Feuer; und die Nacht ist die Nahrung.
Die sich bei Tage in Liebe vereinigen, vergeuden ihre Energie. Nebenbei wird hier die Regel gesetzt, dass man sich nicht bei Tage vereinigen sollte. Wenn sie sich aber in der Nacht vereinigen, in der rechten Zeit (ṛtu), so ist das in der Tat brahma-cārya (sexuelle Selbstkontrolle). Ganz nebenbei wird hier die Regel aufgestellt, dass man sich seiner Frau nur zur geeigneten Zeit nähern soll.
annaṃ vai prajāpatistato ha vai tadretastasmādimāḥ prajāḥ prajāyanta iti॥ 14॥
14. Nahrung ist wahrlich Prajāpatī; aus ihr entsteht der Samen und aus diesem werden alle Geschöpfe geboren. 
ERLÄUTERUNG: Retaḥ – Samen; annam – Nahrung. Das bedeutet: Nahrung ist der Herr der Schöpfung. Inwiefern? Aus der Nahrung entsteht der Samen, der die Ursache der Schöpfung ist. Diese Geschöpfe, Menschen und alle anderen, haben ihren Ursprung im Samen.
Dieser Vers antwortet unmittelbar auf die erste Frage „O verehrter Meister, von wo werden diese Geschöpfe geboren?“ Die Geschöpfe entstehen als Paare: Sonne und Mond etc., bis hin zu Tag und Nacht, auf dem Weg über Nahrung, Blut und Samen.
Zuvor war gesagt worden, dass Jahr, Monat, Tag und Nacht Prajāpati sind. Jetzt in diesem Vers, wird gesagt, dass auch Nahrung und Samen Prajāpati sind. Primär ist Prajāpati ein Beiname Brahmās und ein Synonym für hiraṇya-garbha. Da diese aber Manifestationen von Prajāpati sind, d.h. Materie und Energie, werden sie selbst auch Prajāpati genannt. Dieser physische Körper ist aus dem Samen hervorgegangen. Samen ist der Ursprung dieses Körpers. Daher wird auch der Samen als Prajāpati bezeichnet.
Auch die Zeit ist ein Ausdruck, eine Manifestation, von Prajāpatī, d.h. von Brahmā. In der Bhagavad-Gītā (10.30,33) sagt Kṛṣṇa: kāla kalayatānaham – „unter Zählsystemen bin Ich die Zeit“; aham eva akṣayaḥ kālaḥ – „Ich bin die immerwährende Zeit.“
Wenn die Zeit Prajāpati (Brahmā) ist, dann sind die Unterteilungen der Zeit – Jahre, Jahreszeiten, Monate, Tage und Nächte – auch Brahmā. In diesem Universum gibt es nichts anderes als brahman. Diese Unterteilungen sind Funktionen derselben Materie und Energie, welche die Grundprinzipien der Schöpfung sind.
Die Zeit wird hervorgebracht durch die Bewegung der Sonne. Wenn da keine Sonne wäre, gäbe es keine Zeit, kein Jahr, keinen Monat, keine Jahreszeit, keinen Tag, keine Nacht, keine Nahrung, kein Leben, überhaupt keine Schöpfung. Die Sonne, die Zeit, die Nahrung, das Leben und Prajāpati sind eins. Die Sonne und die Zeit kontrollieren das Leben. Und die Nahrung nährt das Leben. All diese verschiedenen Prinzipien sind eng miteinander verflochten. Hinter der Materie, der Energie, der Nahrung etc. ist ein gemeinsamer Faden, das reine Bewusstsein, welches die Quelle und der Mutterschoß von allem ist, welches selbstleuchtend ist, ewig, unveränderlich und alldurchdringend.
tadye ha vai tatprajāpativrataṃ caranti te mithunamutpādayante।
teṣāmevaiṣa brahmaloko yeṣāṃ tapo brahmacaryaṃ yeṣu satyaṃ pratiṣṭhitam॥ 15॥
15. Daher: Diejenigen, die die Regel des Prajāpati einhalten (siehe Vers 13), erzeugen ein Paar. Nur für diejenigen, in denen Askese, Enthaltsamkeit und Wahrheit verankert sind ist dieser brahma-loka.
ERLÄUTERUNG: Prajāpati-vratam – das Gelübde des Prajāpati bzw. die Regel des Prajāpatī, nach der der Ehemann sich der Ehefrau nur zu der richtigen Zeit nähert (ṛtu-kāla-gamanam); mithunam – ein Paar. Diejenigen, die das Gelübde/die Regel des Prajāpati einhalten, erzeugen ein Paar, d.h. einen Sohn und eine Tochter; brahma-loka – hier ist nur der candra-loka (die „Welt des Mondes“) gemeint und nicht die (reine) Welt des Brahmā. Sie wird hier die „Welt des Brahmā“ genannt, weil sie ein Teil von Prajāpatī, also Brahmā, ist.
Jene unwissenden Hausväter, welche nur einfach die Regel des Prajāpati einhalten, ernten die Früchte davon in dieser Welt, nämlich Söhne und Töchter. Aber diejenigen, die Askese, Zölibat und Wahrhaftigkeit praktiziert haben und außerdem Opferrituale, fromme Handlungen und milde Gaben, komen nach diesem Leben zum candra-loka, der zum Weg der Vorfahren (pitṛyāṇa) führt.
teṣāmasau virajo brahmaloko na yeṣu jihmamanṛtaṃ na māyā ceti॥ 16॥
16. Jener reine brahma-loka gehört nur denen, die frei sind von Täuschung, Falschheit oder Heuchelei.
ERLÄUTERUNG: Virajaḥ – rein, makellos; jihmam – Unehrlichkeit, Täuschung; anṛtam – Falschheit; māyā – Heuchelei, Verstellung, Arglist.
Brahma-loka – die Welt von Brahmā (satya-loka). Diese Welt ist rein, ohne Makel – anders als die Welt des Mondes (candra-loka). Die Welt von Brahmā unterliegt nicht Wachstum oder Minderung. Brahma-loka, der in diesem Vers erwähnt wird, ist das Ziel derjenigen, die karma mit Verehrung verbinden. Der brahma-loka, der im vorangehenden Vers genannt wurde, ist für die, die ausschließlich karma (Opfer und milde Gaben) durchführen.
Betrug und Täuschung führen zu Handlungen, die Konflikte bringen. Spiel, Witze-Reißen und Sich-Amüsieren führen dazu, dass man die Unwahrheit sagt. Sie sollten also vermieden werden. Heuchelei bedeutet, dass man vorgibt etwas zu sein was man nicht ist. Der Heuchler spricht von sich selbst auf die eine Weise, handelt aber anders. Betrug, Unehrlichkeit, Falschheit und Täuschung verschmutzen das Herz. Sie stellen ein großes Hindernis auf dem spirituellen Weg dar. Man sollte sie eliminieren, indem man die gegenteiligen Tugenden, wie Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit übt.
HIER ENDET DER ERSTE PRAŚNA.
OM
==Dvitīyaḥ Praśnaḥ==
(Zweite Frage)
BHĀRGAVA & PIPPALĀDA
atha hainaṃ bhārgavo vaidarbhiḥ papraccha।
bhagavan katyeva devāḥ prajāṃ vidhārayante katara
etatprakāśayante kaḥ punareṣāṃ variṣṭhaḥ iti॥ 1॥
1. Dann fragte ihn Bhārgava, der Sohn von Vidarbhi: O bhagavan! Wie viele devas unterstützen den geschaffenen Menschen? Welche von ihnen erhellen ihn? Wer ist unter ihnen der größte?
ERLÄUTERUNG: Devāḥ – Götter, Kräfte, Organe oder Sinne; prakāśayante – manifestieren, erleuchten; variṣṭhaḥ – der größte bzw. Gott.
Bhārgava, der Sohn des Vidarbhi fragte Pippalāda: O bhagavan (verehrungswürdiger Meister)! Wie viele devas (Sinne) unterstützen diese Schöpfung, d.h. den Körper? Welche unter den Sinnen manifestieren ihre Herrlichkeit, ihre Kraft, im Äußeren? Mittels welcher devas erhält Gott diese Geschöpfe und lässt sie das äußere Universum erfahren? Welche Energien, d.h. devas, erleuchten diesen Körper? Welche sind beteiligt an den Vorgängen der Wahrnehmung und des Erkennens? Und außerdem: Wer ist der beste und größte unter ihnen?
In der Beantwortung der ersten Frage wurde gelehrt, dass Gott alles erschuf, einschließlich prāṇa und rayi. Auf das Schaffen folgt das Erhalten. Die zweite Frage und Antwort befassen sich genau damit. Es war erklärt worden, dass prāṇa der größte ist. In der ersten Frage war das Leben als der Verzehrer, als Prajāpati, dargestellt worden. In der zweiten Frage wird analysiert, wie dessen Natur als Prajāpati – das universelle Leben bzw. der Verzehrer – sich im Körper ausdrückt. Die zweite Frage behandelt die Kräfte, die Herrlichkeit und die Brillanz des prāṇa. Es ist der prāṇa, der den Mikrokosmos und den Makrokosmos aufrechterhält. Er erleuchtet sie und ist daher der Beste von allen.
tasmai sa hovāca। ākāśo ha vā eṣa devo vāyuragnirāpaḥ
pṛthivī vāṅmanaścakṣuḥ śrotraṃ ca।
te prakāśyābhivadanti vayametadbāṇamavaṣṭabhya vidhārayāmaḥ॥ 2॥
2. Er antwortete: Jene devas sind wahrlich Äther, Wind, Feuer, Wasser, Erde, Sprache, manas, Auge und Ohr. Indem sie ihre Herrlichkeit darstellten (sich rühmten und wetteiferten), sagten sie: „Wir sind es, die diesen Körper zusammenhalten und stützen.“ 
ERLÄUTERUNG: Abhivadanti – sie diskutierten untereinander; bāṇam („Pfeil“) – nach Śaṅkara: der Körper.
Diese devas, also die Sinne, stellten ihre Herrlichkeit heraus und wetteiferten miteinander um den Vorrang; sie sagten: „Wir allein sind es, die den Körper aufrechterhalten und stützen.“ Jeder Sinn glaubt, dass er allein den Körper aufrechterhält. Sie diskutieren miteinander. Die fünf groben Elemente stellen die Grund- lage des Körpers dar.
Neben Sprache, manas, Auge und Ohr sollten auch die anderen sieben Sinne eingeschlossen sein. Es sind diese die fünf Organe des Wissens (jñānendriyas) und die fünf Organe des Handelns (karmendriyas). Die fünf jñānendriyas sind Ohr, Haut, Auge, Zunge, Nase. Die fünf karmendriyas sind Sprache, Hände, Füße, Geschlechtsorgane und Anus.
tān variṣṭhaḥ prāṇa uvāca।
mā mohamāpadyatha ahamevaitatpañcadhātmānaṃ pravibhajyaitadbāṇa-mavaṣṭabhya vidhārayāmīti te'śraddadhānā babhūvuḥ॥ 3॥
3. Der größte prāṇa sagte zu ihnen: „Verliert euch nicht in dieser Täuschung (habt keinen falschen Stolz)! Ich allein unterstütze diesen Körper und erhalte ihn, indem ich mich in fünf Teile aufteile. 
ERLÄUTERUNG: Variṣṭhaḥ prāṇaḥ – der größte prāṇa bzw. der Haupt-prāṇa; pañca-dhā – in fünf Teilen; in fünf Weisen, in denen ich mich in prāṇa, apāna, vyāna, samāna und udāna aufteile.
Der Haupt-prāṇa sprach zu den devas, die auf diese Weise miteinander argumentierten: „Wie seid ihr in diese Täuschung verfallen? Warum seid ihr so eingebildet? Wieso denkt jeder von euch: ‘Ich unterstütze und erleuchte den Körper?’ Lasst diese falschen Ideen! Ich bin es, der diesen Körper erhält und belebt, indem ich mich in fünf Teile aufteile.“ Die anderen devas glaubten ihm nicht. Sie dachten: ‘Wie könnte das sein?’
Gehirn, Lunge, Herz, Leber, Milz, Nieren, Blase, Bauchspeicheldrüse, Unterleibsorgane, Dünndarm, Dickdarm etc. – all diese üben ihre Funktion durch prāṇa (die Lebensenergie) aus. Auch das sympathische Nervensystem, die motorischen Nerven und die Sinnesnerven – alle funktionieren durch prāṇa. Der manas, der Intellekt und die zehn Organe, auch sie arbeiten allein durch prāṇa. Der Atem und die Gedanken sind alle nur Ausdruck von prāṇa. Prāṇa ist das wichtigste
und grundlegende Prinzip (tattva) im Körper und in der Natur. Deswegen wird prāṇa auch als brahman bezeichnet. Der individuelle prāṇa ist ebenfalls ein Teil des universellen prāṇa bzw. der kosmischen Energie. 
so'bhimānādūrdhvamutkrāmata iva tasminnutkrāmatyathetare
sarva evotkrāmante tasmiṃśca pratiṣṭhamāne sarva eva pratiṣṭhante।
tadyathā makṣikā madhukararājānamutkrāmantaṃ
sarva evotkrāmante tasmiṃśca pratiṣṭhamāne sarva eva pratiṣṭanta
evaṃ vāṅmanaścakṣuḥ śrotraṃ ca te prītāḥ prāṇaṃ stunvanti॥ 4॥ 
4. Sie glaubten ihm nicht. Er (der Haupt-prāṇa) tat so, als wolle er aus Ärger nach oben aus dem Körper austreten. Als der prāṇa hinausging, gingen unmittelbar auch die anderen und wenn er blieb, so blieben auch die anderen – so wie Bienen ausfliegen, wenn die Königin ausfliegt und zurückkehren, wenn sie zurückkehrt. Daraufhin priesen Denkorgan, Sprachorgan, Auge, Ohr etc., die jetzt zufriedengestellt waren, den prāṇa auf folgende Weise:
ERLÄUTERUNG: Utkrāmanti – nachdem sie hinausgegangen waren; makṣikāḥ – Bienen; madhukara-rājānam – der König der Bienen, die Bienenkönigin; pra-tiṣṭhante – bleiben.
Als die devas die wahre Aussage des Haupt-prāṇa nicht glaubten, tat er so – um sie zu überzeugen –, als wolle er den Körper verlassen. Prāṇa spielte quasi den Verletzten, als die devas ihm nicht glaubten. Er begann den Körper zu verlassen, gleichsam aus Verärgerung.
Verläßt der prāṇa den Körper, verlassen ihn auch die Sinne; bliebt er im Körper, blieben auch die Sinne. So wie die Bienen den Stock verlassen, wenn die die Königin ausfliegt, und wie sie bleiben, wenn die Königin bleibt, so taten es auch manas, Sprachorgan, Auge, Ohr etc. Der manas und die Organe gaben ihre Ungläubigkeit auf, anerkannten die Herrlichkeit und Größe des prāṇa, waren erfreut und priesen den prāṇa. (Zu diesem Disput zwischen den Organen und dem prāṇa siehe auch Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad, 6.1 und Chāndogya-Upaniṣad, 5.1.)
eṣo'gnistapatyeṣa sūrya eṣa parjanyo maghavāneṣa vāyuḥ।
eṣa pṛthivī rayirdevaḥ sadasaccāmṛtaṃ ca yat॥ 5॥
5. Siehe, das ist der, der das Feuer (agni) ist, das brennt (tapati); das ist der, der die Sonne (sūrya) ist; das ist der, der Regen (parjanyaḥ) ist; das ist der, der Indra (Maghavān) ist; das ist der, der die Luft (vāyu) ist; das ist der, der Gott ist; das ist der, der die Erde (pṛthivī) ist; das ist der, der Materie (rayi) ist; das ist er, der Form (sat) und formlos (asat) ist; und das ist der, der Unsterblichkeit (amṛta) ist.
ERLÄUTERUNG: Sat – was Sein ist, Form, grob, sichtbare Objekte; asat – was nicht ist, Nichtsein, formlos, subtil, nicht wahrnehmbar, kausale Materie, die nicht durch die Sinne erkannt und wahrgenommen werden kann.
Dieser prāṇa ist ganz und gar Energie, wo immer er zu finden ist, sei es im Feuer, in der Sonne, im Regen oder im Wind. Alle Kräfte der Natur sind prāṇa und nichts anderes. Er ist die Erde (die alles hält) und der Mond (der alles ernährt). Er ist auch amṛta, welches die Grundlage und der Sitz aller devas ist.
arā iva rathanābhau prāṇe sarvaṃ pratiṣṭhitam।
ṛco yajūṃṣi sāmāni yajñaḥ kṣatraṃ brahma ca॥ 6॥
6. Wie die Speichen in der Nabe eines Rades, so ist alles im prāṇa zentriert, so auch die Verse des Ṛg-Veda, Yajur-Veda, Sāma-Veda, die Opfer, die kṣatriyas und die brāhmaṇas.
ERLÄUTERUNG: Kṣatram (kṣatriya) – Kraft, Angehöriger der Kriegerkaste; brahma (brāhmaṇa) – Weisheit, Angehöriger der Priesterkaste.
So wie die Speichen in der Nabe des Rades festgemacht sind, so ist alles – von āśā (Wunsch, Wille, Hauch) bis hinunter zum Namen (zur Materialisierung und Bezeichnung) – festgemacht im prāṇa (siehe Chāndogya-Upaniṣad, 7.1-15). Auch die Veden sind im prāṇa festgemacht, d.h. sie kamen aus hiraṇya-garbha, dem universellen prāṇa. Sie können nur mithilfe des prāṇa rezitiert werden. Die drei Arten von mantras und was durch sie erreicht wird, d.h. die Opferhandlungen, die kṣatriyas, die Beschützer von allen, die brāhmaṇas, die befähigt sind, Opfer und religiöse Handlungen auszuführen – all diese sind in prāṇa gegründet und festgemacht. Prāṇa ist all dies. Prāṇa ist die universelle Lebenskraft.
prajāpatiścarasi garbhe tvameva pratijāyase।
tubhyaṃ prāṇa prajāstvimā baliṃ haranti yaḥ prāṇaiḥ pratitiṣṭhasi॥ 7॥
7. Als Prajāpati („Herr der Geschöpfe“) bewegst du dich im Mutterleib; du wirst immer wieder neu geboren. Dir, o prāṇa, der du zusammen mit den anderen prāṇas (den Sinnen) wohnst, bringen diese Lebewesen Opfer dar.
ERLÄUTERUNG: Prāṇa (Lebensenergie) ist Prajāpati. Er bewegt sich im Mutterleib. Im Mutterleib bewirkt er das Wachstum des Fötus. Er treibt das Kind aus dem Leib, wenn es gewachsen ist. Er wird geboren als Kind, als eine neue Verkörperung des Vaters und der Mutter. Prāṇa ist sowohl Vater als auch Mutter, da er Prajāpati, das universelle Leben, ist. Der Mensch opfert dem prāṇa durch die Augen, Ohren, Nase, Mund etc. Die Sinne bringen die Wahrnehmungen ihrer jeweiligen Objekte herbei, um das Leben in dem Körper zu nähren und aufrechtzuerhalten. Das sind die Opfer an prāṇa, den Herrn der Sinne. Prāṇa ist der Verzehrer. Alles ist Nahrung für prāṇa.
In den vorangegangenen zwei Versen (5 und 6) war prāṇa in der dritten Person gepriesen worden. In den Versen 7 bis 11 wird er direkt angesprochen: „Als Prajā-patī bewegst du dich [...]“.
devānāmasi vahnitamaḥ pitṝṇāṃ prathamā svadhā।
ṛṣīṇāṃ caritaṃ satyamatharvāṅgirasāmasi॥ 8॥
8. Du bist der beste Überbringer an die Götter, die erste Opfergabe an die Vorväter. Du bist das wahre aktive Prinzip der Sinne (prāṇas), welche die Essenz des Körpers sind. 
ERLÄUTERUNG: Vahnitamaḥ – du bist der beste Überbringer; pitṝṇāṃ prathamā svadhā – die erste Opfergabe an die Ahnen; aṅgirasām – von den Söhnen Aṅgiras; atharvā – bist du Atharvān; ṛṣīṇām – von den Weisen; satyam caritam asi – bist du die Wahrheit und die Tugend. Śaṅkara deutet dies als die Sinne; die Sinne werden atharvā genannt. Die zweite Zeile kann so übersetzt werden: „Du bist das wahre Tun der Weisen, der Abkömmlinge des Atharvān und Aṅgiras.“; ṛṣi (von der Wurzel ṛṣa) – gehen, bekommen, erhalten, denn die Sinne sind die Erzeuger von Wissen.
Prāṇa ist der beste der Überbringer der Opfergaben an die devas, z.B. Agni, der Feuergott, überbringt den Göttern die Opfergaben, die in das Feuer gegeben wurden. Deswegen wird es vahni (Träger, Überbringer) genannt. „Agni“ (Feuer) ist nur eine andere Ausdrucksform von „prāṇa“ (Lebensenergie). „Dieses Leben als Feuer brennt, prāṇa brennt als Feuer.“ (siehe Vers 2.5).
Die Nahrung, die im nāndī-śrāddha den Ahnen dargebracht wird, geht sogar jener voran, die Indra geopfert wird. Prāṇa allein ist der Überbringer der ersten
Opferung an die Vorfahren. Prāṇa ist das aktive Prinzip, das die Sinne und den Körper aufrechterhält. Die Glieder und die Organe würden sofort vertrocknen und verdorren, wenn da kein prāṇa wäre. Prāṇa ist also die Essenz, der Saft, aller Sinne und des Körpers.
indrastvaṃ prāṇa tejasā rudro'si parirakṣitā।
tvamantarikṣe carasi sūryastvaṃ jyotiṣāṃ patiḥ॥ 9॥
9. O prāṇa! Du bist Indra, du bist kühn wie Rudra, du bist der Beschützer, du bewegst dich im Himmel, du bist die Sonne, der Herr aller Himmelslichter.
ERLÄUTERUNG: Indraḥ  – Indra bzw. Parameśvara, der höchste Gott; tejasā – hinsichtlich Glanz, Stärke, Mut; rudraḥ – Rudra (Name von Śiva), der Zerstörer; parirakṣitā – der Beschützer, also Viṣṇu; jyotiṣāṃ patiḥ – der Gott aller Lichter, alle Lichter scheinen durch dich.
Agni, o prāṇa! Du bist Indra (bzw. Parameśvara), der höchste Gott. An Stärke bist du Rudra, der Zerstörer der Welt. Du bist Viṣṇu, der Beschützer der Welt durch deinen milden Aspekt. Du bewegst dich immer in dem Himmelsraum. Du bist die Sonne, der Gott aller himmlischen Lichter.
yadā tvamabhivarṣasyathemāḥ prāṇa te prajāḥ।
ānandarūpāstiṣṭhanti kāmāyānnaṃ bhaviṣyatīti॥ 10॥
10. Wenn du Regen herniederfallen lässt, dann, o prāṇa, sind deine Geschöpfe beglückt und hoffen, dass da Nahrung sein wird, wie sie es sich wünschen.
ERLÄUTERUNG: Wenn du, als Wolke, von allen Seiten Regen niedergehen lässt, dann werden diese Geschöpfe lebendig und freuen sich, in der Hoffnung, dass es reichlich Nahrung geben wird. Wenn sie Nahrung erhalten haben, arbeiten sie eifrig.
O prāṇa, diese deine Geschöpfe, die du selbst bist, genährt durch deine Nahrung, freuen sich beim bloßen Anblick des Regens, den du schickst. Sie denken, dass es reichlich zu essen geben wird, wie sie es sich wünschen.
Nach der Lesart Prāṇate wäre der Sinn: „Dann leben diese Geschöpfe.“
vrātyastvaṃ prāṇaikarṣirattā viśvasya satpatiḥ।
vayamādyasya dātāraḥ pitā tvaṃ mātariśva naḥ॥ 11॥
11. O prāṇa! Du bist ein vrātya (Nichtgereinigter), du bist das Feuer ekaṛṣiḥ, der Allesverzehrende, der gute devatā der Welt. Wir sind die Opfernden, o Mātari-śvan; du bist unser Vater.
ERLÄUTERUNG: Vrātyaḥ – nicht gereinigt; eine Person, für den die saṃskāras, die Initiationsriten, nicht durchgeführt worden sind. Da du der erste bist, war da niemand, der dich hätte initiieren können. Da prāṇa der Erstgeborene ist, war niemand da, der die saṃskāras, die Initiationsriten, hätte durchführen können. Da er von Natur aus vollkommen rein ist, gab es keine Notwendigkeit, reinigende Rituale durchzuführen.
Ekaṛṣiḥ – du bist das berühmte Feuer der Anhänger des Atharva-Veda; du bist der Verzehrer der Opfergaben. Du allein bist der Gott alles Seienden, du bist der gute Gott; satpatiḥ – der Gott alles Seins, der Gott der Wahrheit, der gute Gott. Wir sind die Opfernden, die dir, als deine Anbeter, Gaben darbringen; mātariśva – o Mātariśvan, du bist unser Vater. (Oder: du bist der Vater von Mātariśvan, dem Wind.) Daher ist ein gesichertes Faktum, dass du der Vater des ganzen Universums bist.
yā te tanūrvāci pratiṣṭhitā yā śrotre yā ca cakṣuṣi।
yā ca manasi santatā śivāṃ tāṃ kuru motkramīḥ॥ 12॥
12. Lass deinen Körper wohlgesonnen sein, der in der Sprache, dem Ohr, dem Auge wohnt und der auch den manas durchdringt – geh nicht hinaus!
ERLÄUTERUNG: Tanuḥ – Körper oder Teil, Ausdruck von prāṇa.
Deine Form, die in der Sprache, in dem Ohr, in dem Auge und in dem manas existiert, ist in allen anwesend. Mache sie alle glückbringend. O prāṇa, geh nicht aus diesem Körper heraus.
O prāṇa, dein Körper, deine Form, ist in der Sprache. Du bewegst den Mund des Sprechers. Deine Form ist in dem Ohr und du machst, dass das Ohr hört. Deine Form ist im Auge und du lässt das Auge sehen. Deine Form ist im manas  und du lässt den manas denken. Mache diese Formen still und ruhig. Mach sie nicht unruhig, indem du (nach oben) aus dem Körper weicht.
prāṇasyedaṃ vaśe sarvaṃ tridive yat pratiṣṭhitam।
māteva putrān rakṣasva śrīśca prajñāṃ ca vidhehi na iti॥ 13॥
13. All dies ist in der Kontrolle des prāṇa, ebenso wie all das, was im dritten Himmel existiert. Schütze uns wie eine Mutter. Gib uns Reichtum und Weisheit.
ERLÄUTERUNG: Alle Dinge, die wir in dieser Welt genießen, sind unter der Kontrolle des prāṇa. Alle Dinge im Himmel, die von den devas genossen werden, sind auch unter der Kontrolle des prāṇa. Tridive bedeutet wohl „die drei Welten“. Was immer in den drei Welten existiert, ist unter der Kontrolle von prāṇa. Du gibst den Glanz und Ruhm den brāhmaṇas und die Kraft den kṣatriyas. Prāṇa allein ist Gott, der Beschützer. Deswegen, O prāṇa, beschütze uns, wie eine Mutter ihre Kinder beschützt. Gib uns den Reichtum und das Wissen, die in dir sind.
Prāṇa ist der Gott der Schöpfung. Er ist der Verzehrer. Er ist der Gott von Sprache, Auge, Ohr, manas etc. Seine Herrlichkeit, Größe und Überlegenheit sind also eine gesicherte Tatsache. 
HIER ENDET DER ZWEITE PRAŚNA.
OM
===Tṛtīyaḥ Praśnaḥ===
(Dritte Frage)
KAUSALYA & PIPPALĀDA
atha hainaṃ kausalyaścāśvalāyanaḥ papraccha।  bhagavan kuta eṣa prāṇo
jāyate kathamāyātyasmiñśarīra ātmānaṃ vā pravibhajya kathaṃ pratiṣṭhate
kenotkramate kathaṃ bāhyamabhidhate kathamadhyātmamiti ॥ 1॥
1. Dann fragte ihn Kausalya, der Sohn von Aśvala: „O bhagavan! Woraus ist der prāṇa geboren? Wie gelangt er in den Körper? Wie verweilt er dort, nachdem er sich selbst aufgeteilt hat? Wie verlässt er ihn? Wie unterstützt er alles, was außerhalb des Körpers ist, und alles, was im Innern ist?“
ERLÄUTERUNG: Diese Frage zeigt, dass der höchste Gott nicht nur der Schöpfer des ganzen Universums ist, sondern auch den Mikrokosmos regiert, als der fünffältige prāṇa. Nachdem festgestellt worden ist, dass die Natur von Prajāpati, dem Verzehrer, zum Leben gehört, wird jetzt eine weitere Frage gestellt, um die Art und Weise zu klären, wie er verehrt werden sollte.
Atha – dann, als nächstes; enam – ihn; kutaḥ - woher; katham – wie; kena – durch welche Mittel; utkramate – geht heraus (aus diesem Körper); iti – so.
Dann fragte Kausalya, der Sohn des Aśvala, den Pippalāda. Obwohl nun die Herrlichkeit des prāṇa erkannt worden ist, so mag er doch eine Wirkung oder eine Kombination (saṃhata) oder eine Modifikation von etwas sein. Darum frage ich, o verehrungswürdiger Meister, woher, aus welcher Ursache, ist prāṇa geschaffen und wie gelangt er in diesen Körper, nachdem er geschaffen worden ist? Was ist der Grund dafür, dass er einen Körper annimmt? Wie verweilt er dort, nachdem er sich selbst aufgeteilt hat? Wie tritt er aus dem Körper heraus? Wie unterstützt (bzw. belebt) er das, was ohne Körper ist und sich außerhalb des Körpers befindet (adhibhūta und adhidaiva)? Wie unterstürzt (bzw. belebt) er die Gesamtheit aller Elemente und Kräfte? Wie unterstützt (bzw. belebt) er, was im Innern des Körpers ist, die Sinne und den manas?
tasmai sa hovāca। atipraśnānpṛcchasi brahmiṣṭho'sīti tasmātte'haṃ bravīmi॥ 2॥
2. Er antwortete: Du stellst Fragen über transzendentale Dinge. Ich werde sie dir erklären, weil du ein großer Frager (Erforscher) von brahman bist.
ERLÄUTERUNG: Atipraśnān – große Fragen, tiefe und schwierige Fragen, Fragen, die über normales Verständnis hinausgehen, über Mysterien, die man normalerweise nicht erforscht, Fragen über transzendentale Dinge.
Pippalāda sagte (sinngemäß): O Kausalya, du fragst über den Ursprung des prāṇa. Du fragst über transzendentale Dinge. Du bist ein großer Forschender, was brahman betrifft. Du bist ein Kenner des brahman, d.h. du bist in dem niederen brahman verankert. Du bist ein Verehrer des niederen brahman. Du bist ein echter und tiefschürfender Suchender. Daher werde ich dir jetzt erklären, wonach du gefragt hast. Höre aufmerksam zu.
ātmana eṣa prāṇo jāyate yathaiṣā। 
puruṣe chāyaitasminnetadātataṃ manokṛtenāyātyasmiñcharīre॥ 3॥
3. Dieser prāṇa ist aus dem ātman geboren. So wie der Schatten für einen Menschen, so ist dieser (der prāṇa) für den ātman. Durch das Wirken der manas betritt er den Körper. 
ERLÄUTERUNG: Manokṛtena – durch das Wirken des manas (Gedankenkraft) durch Wollen und Wünschen, durch gute und schlechte Taten – die wiederum vom manas abhängen.
Aus dem ātman, dem höheren puruṣa, dem Selbst, das unvergänglich und wahr ist, ist dieser prāṇa geboren. So wie der Schatten dem Menschen zugehört, so breitet sich in diesem ātman, dem brahman, der prāṇa aus. Prāṇa hat keine unabhängige Existenz. Er ist nicht abgetrennt vom ātman. Die Form des Menschen ist die Ursache seines Schattens, welcher selbst die Folge ist. Ebenso ist der ātman die Ursache und der prāṇa ist die Wirkung. Durch einen rein geistigen Akt betritt er den Körper, d.h. durch das karma (Tugend und Laster), das wiederum durch Wollen (saṅkalpa), Wunsch (icchā) etc. des manas hervorgebracht ist. Eine andere śruti sagt: „Ausgerichtet auf die Frucht erhält er den Körper mit seinem karma“.
Das Leben eines Menschen in seinem Körper ist das sichere und angemessene Resultat seiner Gedanken in einer früheren Existenz, genau wie der Schatten zwangsweise dem Körper des Menschen gleichen muss, der ihn verursacht.
yathā samrāḍevādhikṛtānviniyuṅkte।  etan grāmānetān grāmānadhitiṣṭha-
svetyevamevaiṣa prāṇa itarān prāṇān pṛthakpṛthageva sannidhatte॥ 4॥
4. So wie ein König seinen Beamten befielt: „Bleibt in diesen und jenen Dörfern und regiert sie“, so setzt der prāṇa die anderen prāṇas ein, jeweils für deren spezielle Aufgabe.
ERLÄUTERUNG: Samrāṭ – ein König, ein Herrscher, ein Souverän.
So wie in der Welt ein König die Beamten den verschiedenen Dörfern zuteilt und ihnen befiehlt: „Regiert diese und jene Dörfer!“, so setzt auch der Haupt- prāṇa die Unter-prāṇas (prāṇa, apāna, vyāna, samāna, udāna) ein, jeweils in ihren speziellen Posten (Organen) und Funktionen. Und er bestimmt auch andere prāṇas, z.B. die Augen, für die jeweiligen Posten, damit sie dort ihre Aufgaben erfüllen.
pāyūpasthe'pānaṃ cakṣuḥśrotre mukhanāsikābhyāṃ prāṇaḥ
svayaṃ prātiṣṭhate madhye tu samānaḥ। 
eṣa hyetaddhutamannaṃ samaṃ nayati tasmādetāḥ saptārciṣo bhavanti॥ 5॥
5. Der apāna wohnt in den Ausscheidungs- und Geschlechtsorganen, der prāṇa selbst in den Augen, den Ohren, dem Mund und der Nase. In der Mitte ist der samāna; er verteilt die zugeführte Nahrung gleichmäßig und die sieben Flammen kommen aus ihm hervor. 
ERLÄUTERUNG: Dieser Vers legt die verschiedenen Orte dar, wo diese prāṇas residieren. Auch werden ihre Aufgabenbereiche definiert. Apāna wohnt im Anus und in den Geschlechtsorganen. Er sorgt für die Ausscheidung. Prāṇa verrichtet die Lebensfunktionen der Sinne. Er wohnt in den Augen, den Ohren etc. Samāna wohnt im Nabel. Er sorgt für die Verdauung. Vyāna kümmert sich um die Blutzirkulation. Er durchdringt alles. Udāna hilft, die Nahrung und die Flüssigkeiten zu schlucken. Während des Tiefschlafes nimmt er den jīva mit zu brahman und führt ihn zu anderen Welten. Es residiert in der Kehle; pāyūpasthe – im Anus und im Geschlechtsorgan, herrscht über die Funktionen des Stuhlgangs und der Urinausscheidung; sapta-arciṣaḥ – sieben Lichter oder Flammen. Aus dem Verdauungsfeuer kommen sieben Flammen: kālī, karālī, manojava, sulohita, sudhūm- ravarṇā, sphuliṅginī und viśvarucī. Daneben werden auch die sieben Organe des Wissens als sieben Flammen bezeichnet; es sind die zwei Ohren, die zwei Augen, die zwei Nasenlöcher und der Mund. Diese Organe hängen von der Nahrung ab, die durch das Verdauungsfeuer aufgearbeitet werden; hūtam – geopfert (gegessen oder getrunken); samāna wird verglichen mit dem Feuer, das die geopferte Nahrung verzehrt und sie gleichmäßig unter die Götter verteilt.
Die sieben Flammen kommen heraus aus dem Feuer im Magen, genährt durch Nahrung und Getränke, und erreichen die Region des Herzens und dann die Öffnungen im Kopf, d.h. die Objekte des Sehens, Hörens etc. werden erleuchtet durch den prāṇa und daraufhin erfährt der Mensch Hören, Sehen, Riechen etc.
hṛdi hyeṣa ātmā। 
atraitadekaśataṃ nāḍīnāṃ tāsāṃ śataṃ śatamekaikasyāṃ dvāsaptatirdvā-
saptatiḥ pratiśākhānāḍīsahasrāṇi bhavantyāsu vyānaścarati॥ 6॥
6. Dieser ātman ist im Herzen. Dort befinden sich hundertundein Nerven (nāḍīs), jede von diesen hat hundert Zweige, und von diesen wiederum hat jeder zweiundsiebzig Unterzweige. In diesen bewegt sich vyāna. 
ERLÄUTERUNG: Nāḍī – die astrale Röhre bzw. der Nervenkanal, der die Energieströme befördert. Sie kann nicht mit dem physischen Auge gesehen werden. Im Allgemeinen wird sie übersetzt mit „Arterie, die das Blut befördert“.
Im Herzen, im ākāśa (Raum) des Herzens, ist dieser ātman – das bedeutet: der feinstoffliche Körper, der mit dem ātman verbunden ist. Der vyāna bewegt sich in diesen Nerven; vyāna durchdringt den ganzen Körper. So wie die Sonnenstrahlen von der Sonne ausgehen, so gehen diese Nerven vom Herzen aus zu allen Teilen des Körpers hin. Der Mensch vollführt Handlungen, die große Stärke erfordern, mithilfe von vyāna. Vyāna ist die Energie, die durch das Nervensystem, die Arterien und die Venen fließt und wirkt. Es erfüllt die Funktion, das Blut durch den Körper zirkulieren zu lassen.
Es gibt hundertundein Hauptnerven; das, mal hundert, ergibt 10 100 und jede mit 72 000 multipliziert, ergibt eine Menge von 727 200 000. Und wenn wir noch die Hauptnerven hinzuaddieren, so bekommen wir eine Gesamtmenge von
727 210 101 Nerven.
athaikayordhva udānaḥ puṇyena puṇyaṃ lokaṃ nayati pāpena
pāpamubhābhyāmeva manuṣyalokam॥ 7॥
7. Das heißt, durch einen Nerv führt uns udāna aufwärts – zu den Welten der Tugend durch gute Taten, und durch sündhafte Taten zu den Welten der Sünde; und zu der Welt der Menschen durch eine Mischung von Tugend und Sünde.
ERLÄUTERUNG: Ūrdhva – aufwärts; nayati – führt, lenkt; ubhāyām – durch beide (gute und schlechte Taten); manuṣyalokam – die Welt der Menschen. 
Einer dieser hundertundein Nerven wird suṣumnā genannt; er verläuft aufwärts. Durch ihn führt uns udāna, der den ganzen Körper von Fuß zu Kopf durchdringt, zu tugendhaften Welten, wie den Himmel, und zwar durch tugendhafte Handlungen, die durch die Schriften vorgeschrieben sind. Durch sündhafte Handlungen führt er uns in sündige Welten, in niedere Welten und in niedere Geburten, z.B. als Tiere, Insekten etc. Durch eine Mischung von Tugend und Sünde führt er uns in die Welt der Menschen. Udāna kontrolliert den subtilen Körper (liṅga-śarīra, der aus 19 tattvas besteht) und trägt die Seele nach dem Tod zu verschiedenen Welten. Es ist auch udāna, der den Menschen in den Bereich des Tiefschlafes mitnimmt und der über die Funktion des Schluckens (von Nahrung) herrscht.
ādityo ha vai bāhyaḥ prāṇa udayatyeṣa hyenaṃ cākṣuṣaṃ prāṇamanu-gṛhṇānaḥ।  pṛthivyāṃ yā devatā saiṣā puruṣasyāpānamavaṣṭabhyāntarā yadākāśaḥ sa samāno vāyurvyānaḥ ॥ 8॥
8. Die Sonne ist wahrlich der äußere prāṇa. Sie steigt auf und fördert dadurch den prāṇa im Auge. Die Göttin der Erde zieht den apāna abwärts. Der ākāśa  (Äther) zwischen (der Sonne und der Erde) ist samāna. Der Wind ist vyāna.
ERLÄUTERUNG: Avaṣṭabhya – hinaufziehend, kontrollierend; nachdem sie apāna kontrolliert hat, lenkt sie ihn abwärts.
Die Sonne geht auf und durch ihr Licht fördert sie den prāṇa im Auge; d.h. sie hilft den Augen mit ihrem Licht, die Formen und Farben zu erkennen. Ohne die Sonne können die Augen nicht sehen.
Die Göttin der Erde zieht die Aktivität von apāna im Menschen an und kontrolliert sie. Sie hilft dem apāna in seiner Arbeit dadurch, dass sie abwärts zieht. Sonst könnte der Körper durch sein Gewicht fallen oder könnte wegfliegen durch die entgegengesetzte Kraft. Die „Göttin der Erde“ – das weist ganz offensichtlich auf die Gravitationskraft hin.
Der Raum bzw. der Äther zwischen Erde und Sonne ist der kosmische samāna. Er hilft dem samāna im Innern des Menschen. Śaṇkara sieht es so, dass samāna die Luft im ākāśa – in der Mitte zwischen Erde und Himmel – ist. Er sagt: „Im Wort ‚ākāśa‘ wird der Wind darin angedeutet – ähnlich wie das Vieh, das sich im Stall befindet, durch das Wort ‚Stall‘ angedeutet wird.“ Der kosmische samāna
ähnelt dem samāna im Menschen in der Hinsicht, dass er im ākāśa in der Mitte eingeschlossen ist; und er fördert auch den samāna im Menschen. Der Wind (vāyu) ähnelt dem vyāna in seiner Funktion des Durchdringens und fördert so auch vyāna.
tejo ha vāva udānastasmādupaśāntatejāḥ।
punarbhavamindriyairmanasi sampadyamānaiḥ ॥ 9॥
9. Das äußere Feuer ist in der Tat udāna. Daher tritt einer, dessen Feuer erloschen ist, in einen anderen Körper ein, wobei seine Sinne im manas absorbiert werden.
ERLÄUTERUNG: Tejaḥ - Feuer. Das äußere Feuer ist der udāna im Körper. Es fördert durch seine Hitze und sein Licht den udāna im Körper. Der udāna im Menschen, unterstützt und gefördert durch das äußere Feuer, steigt aus dem Körper auf und nimmt den jīva, die individuelle Seele, zu den verschiedenen Welten; upaśānta-tejaḥ – die dessen Feuer erlöscht ist; punarbhavam – Wiedergeburt, sie gehen in die Wiedergeburt, d.h. sie sterben und nehmen einen neuen Körper an.
Wenn das natürliche Feuer eines Menschen erloschen ist, wenn die tierische Wärme gewichen ist, dann weiß man, dass sein Leben vorbei ist, d.h. dass er stirbt. Er tritt in einen anderen Körper ein, zusammen mit den Sinnen, die an dem manas hängen oder von diesem absorbiert worden sind.
In der Bhagavad-Gītā (15.8) finden wir: „Wenn ein Mensch einen Körper annimmt und wenn er ihn verlässt, dann nimmt er die Organe und geht mit ihnen, genau wie der Wind den Duft von den Blüten mitnimmt.“
yaccittastenaiṣa prāṇamāyāti prāṇastejasā yuktaḥ ।
sahātmanā yathāsaṅkalpitaṃ lokaṃ nayati ॥ 10॥
10. Was immer sein Gedanke ist (zum Zeitpunkt des Todes), mit dem erreicht er prāṇa; und der prāṇa, vereinigt mit dem udāna und zusammen mit dem jīvātman, führt ihn zu der Welt, an die er gedacht hatte. 
ERLÄUTERUNG: Yathā-saṅkalpitam – wie gewünscht, wie gedacht;  – der jīv; lokam – Welt, Körper; prāṇam āyāti – kommt zu prāṇa, nähert sich prāṇa, erreicht prāṇa.
Zum Zeitpunkt des Todes wird die Aktivität der Sinne eingestellt. Alle Funktionen, so wie Denken, Erinnern etc. hören auf. Nur die Atmung geht weiter, denn der jīva verschmilzt mit dem prāṇa. Er kommt in die Gegenwart des Haupt-prāṇa. Der jīva, umgeben von dem subtilen Körper, erscheint dann vor dem Haupt-prāṇa. Er lebt jetzt nur noch durch die Aktivität des Haupt-prāṇa. Dann sagen die Verwandten und die anderen Leute, die um ihn herumstehen: „Er atmet und lebt noch.“ Der jīva trennt sich zur Zeit des Todes vom physischen Körper und kommt zu dem prāṇa-maya-kośa (liṅga-śarīra), mit dem Gedanken, den er zum Todeszeitpunkt hatte.
Der udāna, in Verbindung mit dem prāṇa, wirft den Mieter (die Seele, jīva) aus dem Haus (dem Körper) und führt ihn (den „Genießenden“ bzw. den Besitzer) zu den Welten, d.h. Körpern, an die er gedacht hatte, entsprechend seinen guten oder schlechten Taten. Die Bhagavad-Gītā sagt: „Wer am Ende den Körper verlässt und dabei an irgendein Wesen denkt, geht allein zu diesem, o Kaunteya, durch sein ständiges Denken an dieses Wesen.“
ya evaṃ vidvān prāṇaṃ veda na hāsya prajā hīyate'mṛto bhavati tadeṣaḥ ślokaḥ ॥ 11॥
11. Der Wissende, der prāṇa so kennt – seine Nachkommen vergehen nicht und er wird unsterblich. Dazu gibt es folgenden Vers.
ERLÄUTERUNG: Evam – so, wie oben beschrieben; mit all den Attributen, die schon über seine (des prāṇa) Geburt, seine Herrlichkeit etc. geschrieben worden sind. Hier werden die Früchte dieses Wissens, sowohl hier als auch nach diesem Leben, angedeutet: Die Linie seiner Nachkommen endet niemals und erlöscht nicht. Und er selbst erreicht, nach dem Tod, Unsterblichkeit (in einem relativen Sinne). Der folgende Vers erklärt das in Kürze.
utpattimāyatiṃ sthānaṃ vibhutvaṃ caiva pañcadhā। 
adhyātmaṃ caiva prāṇasya vijñāyāmṛtamaśnute vijñāyāmṛtamaśnuta iti ॥ 12॥
12. Wer die Entstehung, das Eintreten, den Sitz und die fünffache Aufteilung des prāṇa kennt und auch dessen inneren Zustand im Körper, erreicht Unsterblichkeit, ja, er erreicht Unsterblichkeit.
ERLÄUTERUNG: Wenn man weiß, dass der prāṇa aus dem param, dem Höchsten Selbst, geboren wurde; wenn man weiß, dass der prāṇa durch die Wirkung des manas (Gedanken und Wünsche) in den Körper kommt und dass er in den unteren Öffnungen, den Sinnen, dem Nabel, der Kehle und anderen Orten residiert; wenn man seine fünffache Herrschaft kennt – dass er wie ein König die prāṇas in ihren jeweiligen Orten und Funktionen einsetzt –, wenn man außerdem seine äußeren Manifestationen als Sonne, Äther, Wind, Feuer etc.kennt und auch seine inneren Manifestationen als Auge usw., dann erreicht man relative Unsterblichkeit, den Stand von hiraṇya-garbha, d.h. Brahmā. 
HIER ENDET DER DRITTE PRAŚNA.
OM
Caturthaḥ Praśnaḥ
(Vierte Frage)
SAURYĀYAṆIN & PIPPALĀDA
atha hainaṃ sauryāyaṇī gārgyaḥ papraccha।  bhagavannetasmin puruṣe kāni svapanti kānyasmiñjāgrati katara eṣa devaḥ svapnān paśyati
kasyaitatsukhaṃ bhavati kasminnu sarve sampratiṣṭhitā bhavantīti॥ 1॥
1. Dann fragte ihn Gārgya, der Enkel von Sūrya: O bhagavan, wer sind die, die im Menschen schlafen? Und wer sind die, die in ihm wach sind? Welcher ist der deva, der Träume sieht? Wer hat dieses Glücksgefühl? Wovon hängen all diese ab?
ERLÄUTERUNG: Sauryāyaṇin Gārgya fragte Pippalāda: „O verehrenswerter Meister! Welche Organe schlafen in dem Körper bzw. hören auf zu arbeiten, wenn der Mensch schläft? Welche sind wach, üben also ihre Tätigkeit aus? Welcher Gott ist es, der Träume sieht? Durch welches Organ träumt der jīva? Wem gehört dieses Glücklichsein? In wem sind all diese Organe gegründet oder zentriert? Wo verbinden sie sich ununterscheidbar im Schlaf, wie der Saft im Honig oder die Flüsse im Ozean? In wem werden all diese Organe absorbiert – im Schlaf und auch im pralaya?
Atha – als Nächstes; ha – wahrlich; enam – ihn (Pippalāda); etasmin – in diesem; kāni – welche (Organe oder Sinne)? asmin – in diesem (Körper); kataraḥ - wer von diesen? kasya – wem gehört? etat – dieses; kasmin – von wem? iti – so (sprach er).
Die ersten drei Fragen beschäftigen sich mit saṃsāra, also der sichtbaren Existenz, dem Gegenstand von apara-vidyā, dem niederen Wissen. Die nächsten drei Fragen werden gestellt, damit brahman, der Gegenstand von para-vidyā, erkannt werden möge – brahman, das ungeboren, unvergänglich, selbstleuchtend, alldurchdringend, unvergänglich und für den manas unerreichbar ist.
tasmai sa hovaca।    yathā gārgya marīcayo'rkasyāstaṃ gacchataḥ sarvā etasmiṃstejomaṇḍala ekībhavanti।    tāḥ punaḥ punarudayataḥ
pracarantyevaṃ ha vai tat sarvaṃ pare deve manasyekībhavati।   
tena tarhyeṣa puruṣo na śṛṇoti na paśyati na jighrati na rasayate na spṛśate nābhivadate nādatte nānandayate na visṛjate neyāyate svapitītyācakṣate॥ 2॥
2. Er antwortete: O Gārgya, genau wie die Strahlen der Sonne, wenn diese untergeht, eins werden mit jener Scheibe aus Licht und wieder hervortreten, wenn die Sonne wieder aufgeht, so werden all diese eins mit dem höchsten deva, dem manas. Daher, zu jener Zeit, hört der Mensch nicht, er sieht, riecht, schmeckt, fühlt, spricht nicht, nimmt oder genießt nicht, scheidet nicht aus und bewegt sich nicht. Sie sagen dann: Er schläft. 
ERLÄUTERUNG: Alle Organe und Sinne schlafen während des Tiefschlafs im manas. Sie werden eins mit dem manas. Der manas ist die höchste Gottheit, der höchste Sinn, denn das Auge und die anderen Sinne sind unter der Kontrolle des manas.
Im Tiefschlaf hören die Aktivitäten der Sinne auf. Der Mensch hört nicht, sieht nicht, riecht nicht, scheidet nicht aus und bewegt sich nicht. Die Menschen mit einem weltlichen Verständnis sagen: Er schläft.
prāṇāgnaya evaitasmin pure jāgrati। 
gārhapatyo ha vā eṣo'pāno vyāno'nvāhāryapacano yad
gārhapatyāt praṇīyate praṇayanādāhavanīyaḥ prāṇaḥ॥ 3॥
3. Allein die Feuer des prāṇa sind wach in der Stadt (dem Körper). Der apāna ist das gārhapatya-Feuer. Vyāna ist das anvāhāryapacana-Feuer. Prāṇa ist das āhavanīya-Feuer, weil es aus dem gārhapatya-Feuer herausgenommen wird.
ERLÄUTERUNG: Prāṇāgnayaḥ – die prāṇa-Feuer; die Feuer, die aus prāṇa, apāna etc. bestehen; die physiologischen Energien. Etasmin pure – in dieser Stadt (mit neun Toren), in diesem Körper; jāgrati – bleibt wach, passt auf, fährt fort mit seinen Funktionen, den Organismus zu erhalten.
Wenn die Sinne, das Ohr etc. schlafen gegangen sind in diesem Körper mit neun Öffnungen, bleiben die fünf prāṇas wach – die hier Feuer genannt werden, weil sie wie Feuer sind. Sie bleiben immer aktiv.
Gārhapatya – Feuer des Haushalts, das Feuer in der Küche. Gārhapatya, das im Westen des Hauses platziert ist, wird immer am Brennen gehalten. Von diesem wird das Feuer zu den anderen Altären getragen. Der apāna ist das gārhapatya-Feuer. Genau wie bei der Ausführung des agni-hotra ein anderes Feuer, genannt āvahanīya, vom gārhapatya abgenommen wird, so wird während des Schlafes prāṇa vom apāna genommen. Dies ist die Entsprechung zwischen apāna und dem gārhapatya-Feuer. Außerdem sind beide im Westen stationiert. So wie das gārhapatya-Feuer im westlichen Herd des Hauses entzündet wird, so ist apāna die westliche oder abwärts gerichtete Funktion, die Ausscheidung. Alle Opfergaben an die Götter werden in das āvahanīya-Feuer gegeben.
Vyāna – geht aus der südlichen Höhlung des Herzens hervor. Deswegen wird er anvāhāryapacana- oder auch dakṣiṇāgni-Feuer (das südliche Feuer) genannt, weil es mit dem Süden verbunden ist. Außerdem verbrennen beide, vyāna und anvāhāryapacana, Opfergaben. Das anvāhāryapacana-Feuer wird eingesetzt, um Gaben an die Vorfahren zu opfern. 
yaducchvāsaniḥśvāsāvetāvāhutī samaṃ nayatīti sa samānaḥ।
mano ha vāva yajamānaḥ iṣṭaphalamevodānaḥ sa enaṃ
yajamānamaharaharbrahma gamayati॥ 4॥
4. Weil samāna die Opfergaben gleichmäßig verteilt, die Ausatmung und die Einatmung, ist er der Priester (hotṛ). Der manas ist der Opfernde, der udāna ist der Lohn der Opfer; er führt den Opfernden jeden Tag (zu brahman, im Tiefschlaf).
ERLÄUTERUNG: Ucchvāsaniḥśvāsau – Ausatmung und Einatmung; yajamānaḥ – der Opfernde. Samāna ist der adhvaryu, der fungierende Priester. Samāna ist auch mit der Funktion der Ausatmung verbunden. Er sichert das Gleichgewicht zwischen Ausatmung und Einatmung.
So wie der Opferer, der Gott des Opfers, zum Himmel reist, so geht auch der manas zu brahman, um die Glückseligkeit des brahman zu erfahren, nachdem er die äußeren Sinne und deren Objekte als Opfergaben in die immer-wachen prāṇa-Feuer gegeben hat.
Der udāna führt den manas, den Opfergöttern, jeden Tag während des Tiefschlafes zu dem unsterblichen, glückseligen brahman. Daher ist udāna die Frucht des Opfers.
atraiṣa devaḥ svapne mahimānamanubhavati।
yad dṛṣṭaṃ dṛṣṭamanupaśyati śrutaṃ śrutamevārthamanuśṛṇoti deśadigantaraiśca pratyanubhūtaṃ punaḥ punaḥ pratyanubhavati
dṛṣṭaṃ cādṛṣṭaṃ ca śrutaṃ cāśrutaṃ cānubhūtaṃ cānanubhūtaṃ
ca saccāsacca sarvaṃ paśyati sarvaḥ paśyati॥ 5॥
5. In diesem Zustand genießt dieser deva (bzw. manas) im Traum seine Größe. Was gesehen worden war, das sieht er erneut, was gehört worden war, das hört er wieder, und was in verschieden Ländern und Gegenden erfahren worden war, das genießt er erneut. Was gesehen und nicht gesehen, gehört und nicht gehört, erfahren und nicht erfahren, wirklich und unwirklich war, all das nimmt er wahr. Indem er alles ist, nimmt er alles wahr.
ERLÄUTERUNG: Atra – hier in diesem Zustand; im Traum, wenn der prāṇa von den Sinnesorganen, Ohren usw. zurückgezogen ist, werden doch die grundlegenden Lebensfunktionen aufrechterhalten: Atmung, Blutkreislauf und Verdauung etc.
Deva – Gott, manas; anubhūtam – in diesem Leben erfahren; ananubhūtam – nicht in diesem Leben (aber in einem vergangenen Leben) erfahren; nichtwahrgenommen.
Im Traum erzeugt der manas seine eigene Welt – aus den Eindrücken, die er im Wachzustand empfangen hatte – und genießt die Bilder. Der manas selbst ist der Wahrnehmende (das Subjekt) und das Wahrgenommene (das Objekt). Der manas selbst nimmt die Form von Bergen, Flüssen, Bäumen, Blumen etc. an. Was immer im Wachzustand gesehen worden war – der manas sieht es erneut im Traum als Bild. Was auch immer gesehen oder nicht gesehen war, gehört oder nicht gehört, erfahren oder nicht erfahren, wahr oder falsch – all das sieht der manas. Im Traum werden die geistigen Eindrücke neu belebt. Der manas erzeugt eine neue und phantastische eigene Mischung und erfährt Dinge, die du niemals vorher im Wachzustand gesehen oder gehört hast. Im Traum fliegst du in der Luft; du träumst, dass du tot bist. Im Traum wirkt der subtile Körper. Manchmal taucht der manas tief in Eindrücke aus einem früheren Leben ein und belebt sie neu. In einigen Träumen gibt es keine Kohärenz von Zeit und Raum.
In diesem Vers finden wir die Antwort auf die Frage: Welcher ist der deva, der die Träume sieht? Vor dem Erreichen des Tiefschlafs hören Auge und Ohr etc. auf zu funktionieren und prāṇa und die anderen Unter-prāṇas bleiben wach, um den Körper zu erhalten. In diesem Zwischenzustand sind die Sinne in diesem deva (dem manas) absorbiert, genau wie die Sonnenstrahlen in der Sonnenscheibe absorbiert sind. Dann sieht er im Traum seine eigene Größe und Herrlichkeit.
Er sieht in den Träumen, was in diesem Leben gesehen wurde und auch, was nicht gesehen wurde, d.h. was in früheren Leben erlebt worden war. Er sieht, was real ist, z.B. Wasser, aber auch was unreal ist, wie das Wasser einer Fata Morgana.
Im Traum lebt der manas in der hītā-nāḍī (Energiekanal, der den Körper mit der Sonne verbindet) und im Tiefschlaf ruht er in der purītat-nāḍī (Energiekanal am Herzen). Der ātman leuchtet aus sich selbst heraus in den Träumen.
sa yadā tejasā'bhibhūto bhavatyatraiṣa devaḥ svapnān na paśyatyatha yadaitasmiñśarīra etatsukhaṃ bhavati ॥ 6॥
6. Wenn er überwältigt wird durch Licht, dann sieht dieser Gott (der manas) keine Träume, und zu der Zeit steigt die Glückseligkeit im Körper auf.
ERLÄUTERUNG: Tejasā – durch das Licht; śarīre – in diesem Körper, der jīva.
Im Tiefschlaf hört auch der manas auf zu funktionieren. Die Seele, der jīva, erfährt Glück, und nicht der Körper, der ohne Intelligenz ist. Der Kausalkörper ist im Tiefschlaf aktiv. Der Kausalkörper ist das Organ, durch das das Glück des Tiefschlafes (suṣupti) genossen wird.
Wenn der deva (bzw. manas) überwältigt ist, d.h. wenn all die Ausgänge geschlossen sind durch das Licht der Sonne, das in der hītā-nāḍī wohnt, dann wird der manas im Herzen absorbiert, zusammen mit seinen Tendenzen und mit den Sinnen. Dann schläft er. Während des Tiefschlafs (suṣupti) sieht der deva (bzw. manas) keine Träume, da das Tor des Gesichtssinnes geschlossen ist durch das Licht. Dann steigt Glückseligkeit auf.
Wenn der jīva (bzw. manas) überwältigt wird durch massives tamas, gelangt er in den tiefen Schlaf. Der jīva ruht in brahman. Da ist dann nur ein dünner Schleier von avidyā zwischen ihm und dem höchsten Selbst. In samādhi, dem überbewussten Zustand, ist auch dieser Schleier der Unwissenheit zerrissen und  der jīva verschmilzt mit brahman und erreicht höchstes Wissen. Dies ist der Unterschied zwischen Schlaf und samādhi.
sa yathā sobhya vāyāṃsi vasovṛkṣaṃ saṃpratiṣṭhante।
evaṃ ha vai tat sarvaṃ para ātmani saṃpratiṣṭhate ॥ 7॥
(anvaya-Transliteration, Syntax: �he saumya vayāṃsi yathā vāsovṛkṣaṃ sampratiṣṭhante evaṃ ha tat sarvaṃ para ātmani sampratiṣṭhate)
7. O geliebter Freund, genau wie die Vögel zu einem Baum fliegen, um dort zu ruhen, so ruht all dies im höchsten ātman.
ERLÄUTERUNG: He saumya – O geliebter Freund, mein junger Freund, mein guter Junge; vayāṃsi – Vögel; vāsovṛkṣam – der Baum, wo sie wohnen oder ruhen; sarvam – alles, was im nächsten Vers aufgezählt wird.
Während des Tiefschlafs werden alle Organe und der manas ruhig. Auch der jīvātman ist frei von Sorgen, Schmerz und Aufregung. Er genießt die Glückseligkeit des brahman. Genau wie die Vögel zu einem Baum fliegen, um sich auszuruhen, so ruhen auch all diese (im nächsten Vers aufgezählt) im höchsten ātman.
pṛthivī ca pṛthivīmātrā cāpaścāpomātrā ca tejaśca tejomātrā ca vāyuśca
vāyumātrā cākāśaścākāśamātrā ca cakṣuśca draṣṭavyaṃ ca śrotraṃ
ca śrotavyaṃ ca ghrāṇaṃ ca ghrātavyaṃ ca rasaśca rasayitavyaṃ ca tvakca sparśayitavyaṃ ca vākca vaktavyaṃ ca hastau cādātavyaṃ copasthaścā''nanda- yitavyaṃ ca pāyuśca visarjayitavyaṃ ca pādau ca gantavyaṃ ca manaśca mantavyaṃ ca buddhiśca boddhavyaṃ cāhaṃkāraścāhaṃkartavyaṃ ca cittaṃ ca cetayitavyaṃ ca tejaśca vidyotayitavyaṃ ca prāṇaśca vidhārayitavyaṃ ca॥ 8॥
8. Die Erde und die subtilen Elemente, das Wasser und seine subtilen Elemente, das Feuer und seine subtilen Elemente, die Luft und ihre subtilen Elemente, ākāśa und seine subtilen Elemente, das Auge und das Gesehene, das Ohr und das Gehörte, die Nase und was gerochen werden kann, der Geschmackssinn und sein Objekt, der Tastsinn und sein Objekt, die Sprache und ihr Gegenstand, die Hände und was ergriffen werden kann, die Füße und was begangen werden kann, das Geschlechtsorgan und was genossen werden kann, das Ausscheidungsorgan und was ausgeschieden werden muss, der manas und was gedacht werden muss, der Intellekt und was entschieden werden muss, Egoismus und sein Objekt citta, sein Objekt Licht, sein Objekt prāṇa und was durch ihn unterstützt werden soll – (all diese ruhen im Tiefschlaf in dem höchsten ātman).
ERLÄUTERUNG: Hier werden die Kategorien des sāṅkhya bzw. die tattvas aufgezählt.
Pṛthivīmātrā – das subtile, feinstoffliche Erdelement, das subtile tan-mātra, das Wurzelelement der Erde, aus dem die grobe Erde hervorgeht.
Die fünf Elemente (tan-mātras), die zehn Organe und ihre Objekte (viṣayas), der vierfache manas und seine Funktionen – all diese ruhen während des Tiefschlafs im höchsten ātman. Der manas (das Denkorgan) fragt sich: „Sollte ich das tun oder sollte ich es nicht tun?“ Der buddhi (Intellekt) entscheidet: „Ich muss dies tun.“ Der ahaṅ-kāra („Ich-Macher“, Ego), ist das Prinzip, welches sich alles selbst zuschreibt. Er sagt: „Ich habe das getan“, „Ich habe das genossen.“ Das citta (empirische Bewusstsein) ist die Fähigkeit des Erinnerns.
Tejas – Śaṅkara erklärt, dass die Haut, neben dem Tastsinn, Licht aufnimmt. Demnach ist dieses besondere Organ, neben der feinen Kutikula (Kapsel der Augenlinse), die Ursache der Wahrnehmung.
eṣa hi draṣṭā spraṣṭā śrotā ghrātā rasayitā mantā boddhā kartā
vijñānātmā puruṣaḥ।  sa pare'kṣara ātmani saṃpratiṣṭhate॥ 9॥
9. Er ist es, der sieht, fühlt, hört, riecht, tastet, denkt, weiß. Er ist der Täter, der Handelnde, die intelligente Seele, der puruṣa. Er wohnt im höchsten, unzerstörbaren Selbst.
ERLÄUTERUNG: Draṣṭā – der Seher; spraṣṭā – der Fühlende; śrotā – der Hörende; ghrātā – der Riechende; rasayitā – der Schmeckende; mantā – der Denkende; boddhā – der, welcher entscheidet; kartā – der Handelnde; vijñānātmā – das intelligente Selbst. Vijñāna bedeutet Intellekt, das Instrument, durch das die Dinge erkannt werden; daher bedeutet vijñānātmā: der, der erkennt, der Erkennende – er ist von seiner Natur her ein Erkennender.
Der jīvātman, mit seinen Attributen Handelder und Erfahrender, ist der Seher, Hörer etc. So wie das Abbild der Sonne im Wasser gespiegelt wird, so wird das Abbild von brahman im manas gespiegelt. Dieses reflektierte Bild ist der jīva. Dieser ist nur ein Schein, nicht wirklich.
Puruṣaḥ – Er wird puruṣa genannt, weil er gefüllt ist mit begrenzenden Attributen; er füllt all die genannten Bereiche aus, die in sich Kombinationen von Ursache und Wirkung sind. Der jīvātman tritt in das Höchste ein, den unsterblichen, unvergänglichen ātman, so wie das im Wasser reflektierte Abbild der Sonne in die Sonne eintritt.
paramevākṣaraṃ pratipadyate sa yo ha vai tadacchāyamaśarīramalohitaṃ śubhramakṣaraṃ vedayate yastu somya sa sarvajñaḥ sarvo bhavati tadeṣa ślokaḥ॥ 10॥
10. Das höchste, unzerstörbare Wesen erreicht er wahrlich. Wer immer, o geliebter Freund, dieses Wesen kennt, welches ohne Schatten ist, ohne Körper, ohne Farbe, welches rein und unzerstörbar ist, wird allwissend und wird alles. Dazu gibt es folgenden Vers.
ERLÄUTERUNG: In diesem Vers werden die Früchte der Selbstverwirklichung genannt – was man durch die Einheit mit dem ātman gewinnt. Wer das Selbst erkennt, erreicht ganz gewiss den höchsten, unzerstörbaren, reinen ātman. Er wird zu allem und allwissend.
Acchāyam – das Schattenlose, frei von tamas und Unwissenheit, nicht verhüllt durch Unwissenheit (avidyā); aśarīram – körperlos, ohne den Körper, der den Bedingungen von Name und Form unterworfen ist; alohitam – das Farbenlose, frei von allen Attributen, von den guṇas (tamas, rajas, sattva); śubhram – weiß, rein, scheinend.
Brahman ist frei von guṇas (Eigenschaften) und daher allzeit rein. Er ist körperlos und daher unvergänglich. Der jīva war eingehüllt in Unwissenheit und daher war er vorher nicht allwissend. Er wird zu allem – durch die Zerstörung der Unwisssenheit, durch das Gewinnen von Wissen.
Brahman ist ewig, unbegreifbar, ungeboren. Seiner Natur nach ist er ganz und gar Glückseligkeit, frei von allem Elend und allen Sorgen. Er existiert außerhalb und innerhalb von allem.
vijñānātmā saha devaiśca sarvaiḥ prāṇā bhutāni saṃpratiṣṭhanti yatra।
tadakṣaraṃ vedayate yastu somya sa sarvajñaḥ sarvamevāviveśeti॥ 11॥
11. O geliebter Freund, wer den unvergänglichen ātman kennt – in dem das wissende Selbst ruht, mit all den devas, den prāṇas und den fünf Elementen –, der wird unsterblich und geht ein in alle und alles.
ERLÄUTERUNG: Vijñānātma – das wissende Selbst, das Sein, dessen Natur Wissen ist; devaiḥ – die devas, die über die Funktionen der Sinne herrschen (Agni, Indra etc.); prāṇāḥ - die prāṇas (Sinne, Auge etc.); bhūtāni – die bhūtas, Elemente (Erde, Wasser etc.); aviveśa – tritt ein; sarvam eva āviveśa iti– tritt ein in alles, realisiert, dass er das Selbst ist, der ātman in allen Wesen, und fühlt, dass er selbst in allen existiert.
HIER ENDET DER VIERTE PRAŚNA.
OM
Pañcamaḥ Praśnaḥ
(Fünfte Frage)
SATYAKĀMA & PIPPALĀDA
atha hainaṃ śaibyaḥ satyakāmaḥ papraccha। 
sa yo ha vai tad bhagavanmanuṣyeṣu prāyaṇāntamoṅkāramabhidhyāyīta katamaṃ vāva sa tena lokaṃ jayatīti॥ 1॥
1. Dann fragte ihn Satyakāma, der Sohn von Śibi: O bhagavān! Welche Welt erreicht der unter den Menschen, der bis zum Tod über om meditiert?
ERLÄUTERUNG: Dieses Kapitel handelt von der heiligen Silbe om (oṅkāram, oṃ-kāram), dem großen, erhabenen Namen, mit dem man über das höchste brahman meditieren sollte. Zugleich wird erklärt, welchen Nutzen eine solche Meditation bringt.
Dieser praśna soll die Verehrung der Silbe om (praṇava) ans Herz legen, als ein Mittel, das höhere (para) wie auch das niedere (apara) brahman zu erreichen.
Om ist das pratīka, der Stellvertreter, für brahman. Es ist das Symbol von brahman. Meditation auf om, mit bhāva (Gefühl) und mit dem Wissen über seine Bedeutung ist wahre Meditation über brahman. Meditation über om bedeutet, den stetigen Fluss einer Idee über das höchste Selbst aufrechtzuerhalten. Es ist wie das Fließen von Öl von einem Gefäß zu einem anderen. Der Geist sollte stetig sein wie die Flamme einer Lampe in einem windfreien Platz. Meditation kann nur praktiziert werden von einem Suchenden, dessen Sinne von äußeren Objekten abgekehrt sind, der einen ruhigen Geist hat, der ahiṃsā (Gewaltlosigkeit), satya (Wahrheit), brahma-carya (Enthaltsamkeit) praktiziert hat, der außerdem Unterscheidungsfähigkeit, Leidenschaftslosigkeit, Selbstkontrolle, Entsagung, Reinheit, Glaube, Ausdauer und eine starke Sehnsucht nach endgültiger Befreiung hat.
tasmai sa hovāca। etad vai satyakāma paraṃ cāparaṃ ca brahma yadoṅkāraḥ।
tasmād vidvānetenaivāyatanenaikataramanveti॥ 2॥
2. Er antwortete: O Satyakāma! Om ist wahrhaftig das höhere und das niedere brahman. Deshalb: Wer ES auf diese Weise erkennt, erreicht ganz sicher eins von beiden.
ERLÄUTERUNG: Dieses brahman, unmanifest, das Höchste, transzendental, triguṇa-tīta, absolut, bekannt als puruṣa, und das niedere brahman, bekannt als prāṇa, als der Erstgeborene (hiraṇya-garbha) sind wahrlich om. Om ist auch sein pratīka, sein Stellvertreter.
Om bezeichnet in erster Linie para-brahman, das höchste Selbst und in zweiter Linie hiraṇya-garbha, denn letzterer ist nur eine Manifestation oder Ausdrucksweise des ersteren. Om repräsentiert den manifesten saguṇa-brahman durch seinen hörbaren Klang und den unmanifesten para-brahman oder nirguṇa-brahman durch seine unhörbare, unausgedrückte Form, die bekannt ist als ardhamātra.
Vidvān – der Wissende; āyatana – Zuflucht, Mittel, Stütze (ālambana), Fahrzeug; anveti – erreicht.
Das reine para-brahman ist frei von allen unterscheidenden Attributen. Es ist jenseits der Reichweite des niederen, unreinen manas. ES kann nicht durch Worte ausgedrückt werden. Es ist jenseits der Reichweite von Sprache und Intellekt, da Es extrem subtil und unbegreifbar ist. Es kann durch die Sinne nicht erfasst werden. Aber jene wohlvorbereiteten Suchenden, die mit einem reinen und konzentrierten manas über om meditieren und dessen wahre Bedeutung verstehen, erreichen brahman, entweder des höhere oder des niedere. 
sa yadyekamātramabhidhyāyīta sa tenaiva saṃveditastūrṇameva jagatyāmabhisaṃpadyate।  tamṛco manuṣyaloka
mupanayante sa tatra tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā saṃpanno mahimānamanubhavati॥ 3॥
3. Wenn er über ein mātrā (Maß) des aum (nämlich a) meditiert, dann kommt er schnell zur Erde, nachdem er dadurch erleuchtet worden ist. Die Ṛg-Hymnen führen ihn zur Welt der Menschen und er erreicht dort Erhabenheit, nachdem er Askese, Zölibat und Glauben geübt hat.
ERLÄUTERUNG: Ekamātram – ein Maß; den Buchstaben a; jenen Aspekt des brahman, der durch den Buchstaben a allein bezeichnet ist; anubhavati – erfährt, erreicht.
Obwohl er vielleicht die Unterteilung aller mātrās (Maße) der Silbe om nicht kennen mag, so erreicht er doch ein ausgezeichnetes Ziel, indem er nur über die eine mātrā der Silbe om meditiert. Ihm kann nichts Schlechtes zukommen, weil er vielleicht nur teilweises Wissen von om hat. Er erreicht Erleuchtung durch Meditation über om mit nur einem mātrā. Die Ṛg-Hymnen bringen ihn zur Welt der Menschen, wo er Größe im Leben erreicht. Er wird hervorragen unter den Menschen, indem er mit Askese, Enthaltsamkeit und Glauben ausgestattet ist. Er erreicht ganz sicher allen Reichtum auf dieser Erde. Die Ṛg-Hymnen führen ihn eine menschliche Inkarnation und geben ihm alles Glück. Er wird kein Ungläubiger werden. Er hat tiefen Glauben in die Veden, in die Existenz von brahman, in die Worte seines Lehrers und in sein eigenes Selbst. Er handelt nicht aus seinen persönlichen Launen heraus oder nur nach seinem Vergnügen. Er wählt den Weg der Rechtschaffenheit. Er folgt den Vorschriften der Schriften und daher erlangt er Größe und wird von den Leuten hoch geachtet.
Einige interpretieren die Meditation über om als ein mātrā, sodass man nur über das a der Silbe meditiert. Andere glauben, dass die Meditation über die ganze Silbe om gemeint ist. Nur die ersteren sehen es richtig, denn Vers 4 handelt von der Meditation über u und Vers 5 handelt von der Meditation über die ganze Silbe om.
atha yadi dvimātreṇa manasi saṃpadyate so'ntarikṣaṃ yajurbhirunnīyate
somalokam।  sa somaloke vibhūtimanubhūya punarāvartate॥ 4॥
4. Aber wenn er über das (erste und) zweite mātrā meditiert, wird er eins mit dem manas. Er wird durch die Yajur-Hymnen zum Himmel geleitet, der Welt des Mondes. Nachdem er dort Größe genossen hat, kehrt er wieder zurück.
ERLÄUTERUNG: Dvimātreṇa – durch zwei Silben (a und u).
Wenn jemand über u (das zweite mātrā des om) meditiert oder über a und u (also beide mātrās), dann leiten ihn die Yajur-Hymnen zur Welt der Vorfahren (candra-loka) im Himmelszwischenraum (antarikṣa). Nachdem er dort dessen Großartigkeit und Erhabenheit genossen hat, kommt er wieder zurück zur Welt der Menschen.
Manasi saṃpadyate – wird vereint mit dem manas, d.h. er bleibt im Mentalkörper (liṅga-śarīra bzw. im subtilen Körper, sūkṣma-śarīra).
yaḥ punaretaṃ trimātreṇomityetenaivākṣareṇa paraṃ puruṣamabhidhyāyīta sa tejasi sūrye saṃpannaḥ।  yathā pādodarastvacā vinirmucyata evaṃ ha vai sa pāpmanā vinirmuktaḥ sa sāmabhirunnīyate brahmalokaṃ sa etasmājjīva-
ghanātparātparaṃ puriśayaṃ puruṣamīkṣate tadetau ślokau bhavataḥ॥ 5॥
5. Aber wiederum: Wenn er über den höchsten puruṣa meditiert mit dieser Silbe om aus drei mātrās, dann wird er vereint mit der strahlenden Sonne. So wie eine Schlange von ihrer Haut befreit wird, so wird er von Sünde befreit. Er wird durch die Sāma-Hymnen zur Welt des Brahmā (hiraṇya-garbha) geleitet, und von dort, voller Leben, erblickt er den höchsten puruṣa, der im Herzen wohnt. Dazu die folgenden beiden Verse (6 und 7): 
ERLÄUTERUNG: Trimātreṇa – mit den drei mātrās (a, u, m); jīvaghanaḥ – alles Lebende in sich enthaltend, jīva-Masse (dichte/kompakte Lebensmasse), hiraṇya-garbha. In hiraṇya-garbha sind alle jīvas aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur. Hiraṇya-garbha ist die Seelenschnur, der sūtrātman [sūtra – Schnur; ātman – Seele]; tejasi sūrye saṃpannaḥ –  wird vereint mit der Sonne, er erreicht den devayāna, den Pfad der Götter, den Pfad von krama-mukti.
Wer direkt über dieses höchste Selbst mit dem om aus drei mātrās meditiert, wird eins mit der Sonne. So wie eine Schlange befreit wird von ihrer Haut, so wird auch er befreit von Sünden und er wird die die Sāma-Hymnen aufwärts geführt zur Welt von Brahmā, nämlich satya-loka. Er sieht die Person, die im Herzen lebt und die höher steht sogar als die höhere Lebensmasse (hiraṇya-garbha).
Om ist identisch mit brahman. Om ist auch ein Mittel, um brahman zu erreichen. Wer die Silbe om aus drei mātrās kennt, erblickt den höchsten puruṣa, den paramātman, der höher steht als hiraṇya-garbha und der in den Herzen aller wohnt.
tisro mātrā mṛtyumatyaḥ prayuktā anyonyasaktā anaviprayuktāḥ।
kriyāsu bāhyābhyantaramadhyamāsu samyakprayuktāsu na kampate jñaḥ॥ 6॥
6. Die drei mātrās, wenn getrennt angewandt, sind sterblich. Aber miteinander verbunden, sind sie nicht falsch angewandt. (Wenn sie) richtig angewandt werden, in allen inneren, äußeren und mittleren Funktionen, dann zittert der Wissende nicht mehr.
ERLÄUTERUNG: Wenn man jede der mātrās einzeln nimmt und darüber meditiert, muss man wieder und wieder in diese Welt geboren werden (siehe Verse 3 und 4). Wenn man über die drei mātrās in ihrer Verbindung meditiert, dann gewinnt man die Frucht, die im vorangehenden Vers beschrieben wurde. Die drei mātrās beziehen sich auf die drei Aspekte von brahman:
1. vaiśvānara oder viśva steht für den Wachzustand, repr. durch a
2. hiraṇya-garbha oder taijasa steht für den Traumzustand, repr. durch u
3. īśvara oder prājña steht für den Schlafzustand, repr. durch m
Wer so meditiert, kann nicht erschüttert werden. Er zittert nicht, denn er hat das  höchste brahman erreicht, er ist der ātman geworden, das innere Selbst von allem, und eins mit om. Wie könnte er da noch zittern? Die puruṣas, die den Wach-, Traum- und Schlafzustand repräsentieren (repr.), mit ihren jeweiligen Orten, werden von ihm als eins mit dem om aus drei mātrās gesehen. Er ist der Kenner des brahman in seinen drei Aspekten im Makrokosmos und im Mikrokosmos. Er wird nicht aus seinem brahman-Bewusstsein oder überbewussten Zustand herausgeworfen. Er ist für immer gefestigt in dem Bewusstsein: „Ich bin brahman“.
Bāhyābhyantaramadhyamāsu kriyāsu – äußere, innere und mittlere Funktionen, d.h. Wachzustand, Traumzustand und Tiefschlaf. Es kann sich auch auf die drei Arten von Aussprache beziehen, nämlich tāra (laut), mandra (mental) und madhyama (gemurmelt).
ṛgbhiretaṃ yajurbhirantarikṣaṃ sāmabhiryattatkavayo vedayante।
tamoṃkāreṇaivāyatanenānveti vidvān yattacchāntamajaramamṛtamabhayaṃ paraṃ ceti॥ 7॥
7. Durch die Ṛg-Hymnen kommt er in diese Welt, durch die Yajur-Hymnen zum Himmel, durch die Sāma-Hymnen zu dem, was die Seher kennen (brahmā-loka). Mithilfe der Silbe om erreicht der Weise diese und auch das, was still ist, unvergänglich, unsterblich, das Höchste.
ERLÄUTERUNG: In diesem letzten Vers wird eine kurze Zusammenfassung des fünften praśna gegeben.
Antarikṣa – der Himmel, die Welt, die dem Mond untersteht, candra-loka, die Welt der Vorväter.
Der Wissende erreicht, mithilfe der heiligen Silbe om, die dreifältige Welt und auch das höchste brahman, das still, unvergänglich, unsterblich, furchtlos und das Höchste ist.
Brahman ist frei von allen Charakteristika der Welt, wie z.B. Namen, Formen, Handlungen, Wach-, Traum- und Schlafzustand. Deswegen ist ES unvergänglich, frei von Alter und Verfall. ES ist ohne Tod, denn ES verfällt nicht und verändert sich nicht. ES ist das Höchste, unübertreffbar, denn ES ist furchtlos, unvergänglich und ohne Tod.
HIER ENDET DER FÜNFTE PRAŚNA.
OM
Ṣaṣṭhaḥ Praśnaḥ
(Sechste Frage)
SUKEŚA & PIPPALĀDA
atha hainaṃ sukeśā bhāradvājaḥ papraccha।  bhagavan hiraṇyanābhaḥ
kausalyo rājaputro māmupetyaitaṃ praśnamapṛcchata ṣoḍaśakalaṃ
bhāradvāja puruṣaṃ vettha।  tamahaṃ kumāramabruvaṃ nāhamimaṃ veda yadyahamimamavediṣaṃ kathaṃ te nāvakṣyamiti।  samūlo vā eṣa pariśuṣyati
yo'nṛtamabhivadati tasmānnārhāmyanṛtaṃ vaktum।  sa tūṣṇīṃ rathamāruhya pravavrāja।  taṃ tvā pṛcchāmi kvāsau puruṣa iti॥ 1॥
1. Dann fragte ihn Sukeśā, der Sohn von Bharadvāja: O bhagavan! Einmal kam Hiraṇyanābha, ein Prinz von Kosala, zu mir und fragte mich Folgendes: „O Bhāradvāja, kennst du den puruṣa aus sechzehn kalās (Teilen)?“. Ich sagte zu dem jungen Mann: „Ich kenne ihn nicht. Wenn ich ihn kennen würde, warum sollte ich es nicht sagen? Wer etwas sagt, was nicht wahr ist, der verdorrt mit Wurzeln und allem. Deswegen wage ich nicht, die Unwahrheit zu sagen.“ Nachdem er seinen Wagen bestiegen hatte, fuhr er fort in Schweigen. Das also frage ich dich: Was ist jener puruṣa?
ERLÄUTERUNG: Ṣoḍaśakalam puruṣam – der puruṣa aus sechzehn Teilen; der puruṣa, dem – durch Unwissenheit – sechzehn Teile überlagert sind; samūla – mit der ganzen Wurzel; anṛtam – Unwahrheit (wer Lügen ausspricht, wird zerstört, in dieser Welt und in der nächsten, und alle Verdienste durch seine guten Taten gehen verloren); tūṣṇīm – schweigend.
Im vorangehenden Kapitel war gesagt worden, dass alle jīvas, mit ihrem manas und ihren Sinnen, während des Schlafes in brahman eingehen. Und auch das ganze Universum geht während des pralaya in jenes höchste, unvergängliche, unsterbliche, selbstleuchtende brahman ein. Die Welt ist aus brahman, ihrer Ursache,  hervorgetreten und sie, als Wirkung, wird naturgemäß während der Auflösung in brahman absorbiert. Die Absorption einer Wirkung in etwas anderes als seine Ursache wäre sicherlich nicht richtig. Es war auch gesagt worden, dass prāṇa aus dem ātman geboren wurde.
Man erreicht die höchste Vollendung durch das Wissen über das, was die Ursache dieses Universums ist. Das ist die emphatische Erklärung aller Upanishaden. Es ist auch gesagt worden: „Der alles weiß, wird alles.“ Wo also ist jener unvergängliche, unsterbliche, vollkommen glückselige ātman, der bekannt ist als puruṣa? Zu diesem Zweck wurde diese Frage gestellt.
Aus dem Gespräch zwischen Sukeśā und dem Prinzen von Kosala wird klar, dass es schwierig ist, brahman zu erreichen. Diese Anekdote ist hier eingefügt, um den Sucher zu motivieren, intensiv sādhana zu üben, strenge Askese und Meditation.
Sukeśa war ein ernsthafter und aufrichtiger Schüler. Er war demütig und wahrhaftig. Er gab seine Unwissenheit zu. Er war nicht eingebildet. Er hatte nicht versucht, dem Prinzen irgendeine vage Antwort zu geben, um diesem zu vermitteln, dass er sehr gelehrt war – wie das so manche Menschen in dieser Welt machen. Sukeśā besaß die Qulitäten eines aufrichtigen Schülers. Da der Prinz nicht glaubte, dass Sukeśā unwissend war, sagte dieser das Folgende, um den Prinzen an seine Worte glauben zu lassen: „Wenn ich Ihn kennen würde, warum sollte ich es dir nicht sagen? Wer etwas sagt, was nicht wahr ist, der verdorrt mit Wurzeln und allem“. Da der Prinz nun überzeugt war, dass Sukeśā die Wahrheit sagte und ihn nicht einfach nur abschütteln wollte, ging er schweigend fort. Hier wird die Lehre begründet, dass man niemals, unter keinen Umständen, eine Lüge aussprechen sollte und dass das Wissen um brahman durch einen Erleuchteten nur an einen würdigen Suchenden weitergegeben werden sollte, der mit Respekt an ihn herangetreten war.
tasmai sa hovāca। 
ihaivāntaḥśarīre somya sa puruṣo yasminnetāḥ ṣoḍaśakalāḥ prabhavantīti॥ 2॥
2. Er antwortete: O edler Jüngling, dieser puruṣa, in dem diese sechzehn kalās geboren sind, ist direkt hier im Körper. 
ERLÄUTERUNG: Antaḥśarīre – im Innern des Körpers, in dem ākāśa des Herz-Lotos. Man muss nicht weit suchen. Er ist im Lotos des Herzens. Er ist dir ganz nahe, näher als dein Atem und näher als deine Hände. Man sagt, dass der ātman im Herzen wohnt, um den Aspiranten erkennen zu lassen, dass der ātman einfach sein eigenes Selbst ist. Das wird ihm helfen, Konzentration zu praktizieren. Der puruṣa wird quasi in seinem eigenen Körper verwirklicht, durch Nachdenken, Reflektieren und Meditation. Darum sagt man, dass der puruṣa in diesem Körper wohnt. Sogar ein Narr wird nicht sagen, dass der puruṣa, der die Ursache von ākāśa ist, sich wirklich in diesem Körper aufhält, wie etwa eine Mango in einer Grube liegt. Wieviel weniger würden die autoritativen Upanishaden das sagen. Der ātman ist in Wahrheit alldurchdringend und unendlich.
Der puruṣa hat in Wahrheit keine Teile. Er ist unteilbar, homogen und ohne Teile. Nur aufgrund von Unwissenheit wird Er als etwas gesehen, das Teile hat.
Die kalās sind Bedingungen, die dem puruṣa aufgrund von Unwissenheit angehängt werden. Wenn man Wissen gewinnt, fallen alle Bedingtheiten einfach ab. Man erblickt den einen, homogenen, nichtbedingten höchsten puruṣa. Das ist der Grund, warum man vom puruṣa spricht, „in dem diese sechzehn kalās geboren worden sind“.
Man muss die sechzehn kalās eliminieren, indem man die Lehre von neti, neti! („nicht dies..., nicht dies...“) praktiziert.
Intelligenz ist nicht ein Attribut des ātman. Der ātman ist eine Verkörperung von Intelligenz (prajñāna-ghana), eine dichte Masse von Intelligenz (vijñāna-ghana). Der ātman ist unveränderlich.
sa īkṣāṃcakre। 
kasminnahamutkrānta utkrānto bhaviṣyāmi kasmin vā
pratiṣṭhite pratiṣṭhāsyāmīti॥ 3॥
3. Er (der puruṣa) überlegte: Was ist das, durch dessen Weggehen ich gehen werde und durch dessen Bleiben ich bleiben werde?
ERLÄUTERUNG: Saḥ - Er (der puruṣa). Der puruṣa überlegte am Beginn des kalpa: „Lass mich kalās erschaffen“; īkṣāṃcakre – er überlegte, dachte, meditierte.
Nach sāṅkhya ist prakṛti bzw. pradhāna der Schöpfer und puruṣa ist in Wirklichkeit der Erfahrende und Genießende. Prakṛti transformiert sich selbst in mahat, manas, Egoismus, tan-mātras, bhūtas etc. – das alles dem puruṣa zuliebe.
Nach dem vedānta hat brahman zwei Aspekte, einen unbedingten und einen bedingten. In letzterem sind Namen und Formen dem unbedingten überlagert. Das geschieht durch Unwissenheit (avidyā). Der reine, unbedingte brahman erscheint als das bedingte brahman. Der ātman, der den Bedingungen von Name und Form unterworfen ist, wird in den Schriften behandelt, die von der sogenannten Gebundenheit und Befreiung des ātman sprechen. Das Unendliche, das Absolute, bleibt für immer rein und unveränderlich.
sa prāṇamasṛjata।  prāṇācchraddhāṃ khaṃ vāyurjyotirāpaḥ pṛthivīndriyaṃ
mano'nnamannādvīryaṃ tapo mantrāḥ karma lokā lokeṣu ca nāma ca॥ 4॥
4. Er schuf prāṇa; aus prāṇa Glauben, ākāśa, Luft, Feuer, Wasser, Erde, die Sinne, den manas und Nahrung. Und aus Nahrung schuf er Stärke, Buße/Askese, mantras, karma und Welten; und in den Welten auch den Namen.
ERLÄUTERUNG: In diesem Vers werden die sechzehn kalās, Teile, aufgezählt.
Vīryam – Same, Kraft; mantrāḥ – die Veden (Ṛg-Veda, Yajur-Veda, Sāma-Veda, Atharva-Veda); nāma – Namen, Individuen.
Durch den puruṣa, d.h. Īśvara selbst, ist prāṇa geschaffen worden. Prāṇa ist hiraṇya-garbha, welcher der Träger der aktiven Organe aller Lebewesen ist und der innere ātman von allen. Aus dem prāṇa erzeugte er Glauben, welcher die Menschen antreibt, tugendhaft und recht zu handeln. Dann schuf er die großen bhūtas (die fünf Elemente), die den Menschen helfen, die Früchte ihrer Handlungen (karma) zu genießen.
Ākāśa (Äther) hat als Attribut den Klang. Luft ist aus ākāśa geboren. Sie hat zwei Attribute: ihr eigenes, nämlich Berührung, und das ihres Ursprungs, d.i. Klang. Feuer ist aus Luft geboren. Es hat drei Attribute: sein eigenes, d.i. Form, und die zwei vorangehenden: Klang und Berührung. Wasser ist aus Feuer geboren. Es hat vier Attribute: sein eigenes, d.i. Geschmack, und die vorher genannten. Erde ist geboren aus Wasser. Sie hat fünf Attribute: ihr eigenes, Geruch und die vier zuvor genannten.
Aus den bhūtas wurden die fünf Organe des Wissens, die fünf Organe der Handlung und der manas, ihr Gott, geformt, mit seinen Charakteristika Zweifel und Wille (saṅkalpa-vikalpa). Dann schuf er die Nahrung für ihren Erhalt. Nahrung erzeugt Kraft und Stärke, die dem Menschen helfen, Arbeit zu leisten. Verschiedene Welten wurden geschaffen, damit die Früchte der Handlungen genossen werden konnten. Er schuf tapas (Meditation) für die geistige Reinigung derjenigen, die vom Pfad der Rechtschaffenheit abgewichen waren.
sa yathemā nadyaḥ syandamānāḥ samudrāyaṇāḥ samudraṃ prāpyāstaṃ
gacchanti bhidyete tāsāṃ nāmarūpe samudra ityevaṃ procyate। 
evamevāsya paridraṣṭurimāḥ ṣoḍaśakalāḥ puruṣāyaṇāḥ puruṣaṃ
prāpyāstaṃ gacchanti bhidyete cāsāṃ nāmarūpe puruṣa ityevaṃ
procyate sa eṣo'kalo'mṛto bhavati tadeṣa ślokaḥ॥ 5॥
5. Genau wie diese Flüsse, die zum Meer fließen, verschwinden, wenn sie das Meer erreicht haben – ihre Namen und Formen vergehen und alles wird nur noch Meer genannt –, so verschwinden auch diese sechzehn Teile des Zeugen, die zum puruṣa gehen; ihre Namen und Formen werden zerstört und alles wird nur noch „puruṣa“ genannt. Er wird ohne Teile und unsterblich. Darüber gibt es folgenden Vers (6): 
ERLÄUTERUNG: Genau wie der Ozean das Ziel der Flüsse ist, so ist auch der Höchste puruṣa das Ziel der sechzehn kalās, also von prāṇa etc. Genau wie die Flüsse im Ozean absorbiert werden, so werden auch die sechzehn kalās – die durch Unwissenheit erschaffen wurden, durch Wunsch und karma – in brahman absorbiert, nämlich in samādhi, dem überbewussten Zustand. Dann bleibt nur noch brahman in seiner ursprünglichen Herrlichkeit und seinem Glanz. Wenn die kalās zerstört werden, die durch Unwissenheit entstanden waren und die der Grund von Sterblichkeit sind, dann wird der Wissende unsterblich. Er wird identisch mit brahman, genau wie die Flüsse eins mit dem Ozean werden. (Vgl. Muṇḍaka-Upaniṣad, 3.2.8)
arā iva rathanābhau kalā yasmin pratiṣṭhitāḥ।
taṃ vedyaṃ puruṣaṃ veda yathā mā vo mṛtyuḥ parivyathā iti॥ 6॥
6. Erkenne jenen puruṣa, der wert ist erkannt zu werden, in dem die kalās zentriert sind wie die Speichen in der Nabe des Rades, damit dir der Tod nichts anhaben kann. 
ERLÄUTERUNG: Vedyam – erkennbar; wert, gewusst zu werden.
O Schüler, erkennt jenen puruṣa, den ātman aller kalās, der wert ist, erkannt zu werden, denn Er ist das einzige Unsterbliche, das existiert. Wenn du Ihn erkennst, wirst du Unsterblichkeit erreichen, ewige Glückseligkeit und der Tod wird dir nichts anhaben können. Wenn du diesen puruṣa nicht erkennst, wirst du Schmerz, Leiden und Kummer erfahren. Du wirst durch den Tod hinweggerafft werden.
Kalās sind nur Erscheinungen. Sie sind nicht in Wirklichkeit Teile des puruṣa. Sie sind Manifestationen Seiner Täuschungskraft.
tān hovācaitāvadevāhametat paraṃ brahma veda। 
nātaḥ paramastīti॥ 7॥
7. Dann sagte er (Pippalāda) zu ihnen: Das ist alles, was ich über das höchste brahman weiß; es gibt nichts Höheres darüber hinaus.
ERLÄUTERUNG: Der Weise Pippalāda sagte: „Das ist alles, was ich über das höchste brahman weiß, der wert ist, erkannt zu werden. Es gibt nichts darüber hinaus, was noch höher sein könnte und was wert wäre, erkannt zu werden.“ Die Schüler hätten ja denken können, dass da noch etwas sei, das nicht erkannt wäre, etwas, das noch höher stünde. Der Weise wollte diesen Zweifel ausräumen und ihnen versichern, dass ihr Ziel erreicht sei.
te tamarcayantastvaṃ hi naḥ pitā yo'smākamavidyāyāḥ paraṃ pāraṃ tāra-yasīti।  namaḥ paramaṛṣibhyo namaḥ paramaṛṣibhyaḥ॥ 8॥
8. Sie drückten ihre Verehrung aus und sagten: Du bist unser Vater, der uns hilft, den unendlichen Ozean unserer Unwissenheit zu überqueren. Verehrung den höchsten ṛṣis! Verehrung den höchsten ṛṣis!
ERLÄUTERUNG: In diesem mantra wird beschrieben, was die Schüler taten, nachdem sie von ihrem Lehrer Pippalāda Unterweisungen in brahma-vidyā, der Wissenschaft von der Seele, erhalten hatten. Sie erkannten, dass ihr Ziel erreicht war. Ihnen war klar, dass sie ihrem guru nicht angemessen zurückzahlen konnten, was er ihnen, in Form des Wissens um brahman, gegeben hatte. Sie verehrten ihn, indem sie Hände voll Blumen zu seinen Füßen niederlegten. Sie warfen sich vor ihm nieder und sagten: „Du bist unser wahrer Vater. Du hast uns das Wissen um brahman gegeben. Du hast uns, durch das Boot des Wissens, geholfen, den Ozean der Unwissenheit zu überqueren, der mit falschem Wissen gefüllt ist und verseucht mit den Übeln von Geburt, Alter, Tod, Krankheit, Kummer, Schmerz, Elend etc. So konnten wir das andere Ufer der Furchtlosigkeit und der Unsterblichkeit erreichen. Wie können wir dir danken, höchst verehrungswürdiger Meister? Wir haben nichts, was wir dir zurückzahlen könnten. Man muss sogar den Vater verehren, der einem den physischen Körper gegeben hat. Wie viel mehr aber den spirituellen Vater, der uns die inneren Augen geöffnet hat, der uns angehoben hat zum erhabenen Status von brahman-Bewusstsein, der alles weltliche Elend von uns genommen hat und der uns befreit hat aus den Fesseln von Geburt und Tod!“
„Verehrung den höchsten ṛṣis! Verehrung den höchsten ṛṣis!“ – Die Wiederholung zeigt die tiefste Verehrung gegenüber den spirituellen Lehrern.
HIER ENDET DER SECHSTE PRAŚNA
UND SOMIT DIE PRAŚNA-UPANIṢAD.
***
Abschluss-Mantra
oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śṛṇuyāma devāḥ ।  bhadraṃ paśyemākṣibhiryajatrāḥ ।
sthirairaṅgaistuṣṭuvāṃsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ ।
svasti na indro vṛddha-śravāḥ svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ ।
svasti nastārkṣyo ‘riṣṭanemiḥ svasti no bṛhaspatirdadhātu ॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥
Oṃ, o Götter, mögen wir mit unseren Ohren hören, was glückverheißend ist;
o Ihr, die Ihr verehrungswürdig seid, mögen wir, mit unseren Augen, sehen, was glückbringend ist. Mögen wir uns des Lebens erfreuen, das uns von den Göttern zugeteilt worden ist, indem wir unseren Lobpreis anbieten, mit unseren Körpern starker Glieder. Möge Indra, der machtvolle, ruhmvoll seit alters, uns Wohlstand gewähren. Möge Er, der Nahrungsgeber und Besitzer von Reichtum, uns geben, was gut für uns ist. Möge der Gott von schneller Bewegung uns gnädig sein, und möge der Beschützer der Großen auch uns beschützen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.


==Essenz der Prasnopanischade von [[Swami Sivananda]]==
==Essenz der Prasnopanischade von [[Swami Sivananda]]==

Version vom 7. Juni 2021, 09:05 Uhr

Prashna Upanishad, eigentlich Prashnopanishad Sanskrit: प्रश्नोपनिषद् praśnopaniṣad f.) Die Prashna Upanishad (wörtl.: "Frage-Upanishad" Prashna-Upanishad) ist eine der früheren Haupt-Upanishaden, zu welcher ein Kommentar Shankaras vorliegt. Sie gehört zum Atharvaveda, ist als vierte im Muktika Kanon aufgeführt und wird bei Deussen alsreine Vedanta Upanishad gezählt. Sechs Suchende des Brahman gehen zu einem Weisen mit Namen Pippalada und stellen ihm sechs Fragen. Diese Fragen und Antworten formen die Substanz dieser Upanishad. Ihr Name Prashna (Frage) ist daher abgeleitet.

Lehrer und Schüler

Sukadev über Prashna Upanishad

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Prashna Upanishad

Prashna Upanishad ist eine der wichtigen Upanishaden, insbesondere der Upanishaden aus dem Atharva Veda. In der Prashna Upanishad geht es um wichtige Fragestellungen, wichtige Erforschungen. "Prashna" heißt ja Frage, Erforschung, Erkundigung. Es geht darum, sein wahres Selbst zu erkunden, zu erforschen, Fragen zu stellen: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ „Was ist Brahman? Was ist das Absolute?“ Wenn Prashna Upanishad in einem Wort geschrieben ist, wird es zu "Prashnopanishad". Nach den Sandhi Regeln im Sanskrit wird, wenn auf ein „a“ ein „u“ folgt, beide Vokale zum „o“. Deshalb, findest du oft Prashna Upanishad, manchmal findest du aber auch Prashnopanishad. Prashnopanishad ist also Prashna und Upanishad in einem Wort geschrieben.

Prashna Upanishad - Übersetzung von Paul Deussen

Hier alle Verse der Prashna Upanishad aus dem Werk "60 Upanishaden des Veda von Paul Deussen:

Erster Prashna - die erste Frage der Prashna Upanishad

1. Sukeshan Bharadvaja, Shaivya Satyakama, Sauryayanin Gargya, Kausalya ashvalayana, Bhargava Vaidarbhi und Kavandhin Katyayana, diese alle, Brahman als Höchstes haltend und in Brahman feststehend, forschten nach dem höchsten Brahman, und mit den Worten: „Er, fürwahr, wird dieses alles erklären“, nahten sie sich mit dem Brennholze in den Händen dem erhabenen Pippalada.

2. Da sprach der Weise zu ihnen: „Noch weiter werdet ihr in Askese, Brahmanwandel (Keuschheit) und Glaube ein Jahr bei mir wohnen, und dann fragt ihr (mögt ihr fragen), wie es euch gefällt; wofern wir es wissen werden, wollen wir euch alles erklären.“

3. Darauf (nach Ablauf des Jahres) nahte sich ihm Kavandhin Katyayana und fragte: „Erhabener! woraus wohl entstehen die Geschöpfe?“ −

4. Und er sprach zu ihm: „Prajapati verlangte nach Nachkommen; er übte Tapas; nachdem er Tapas geübt, lässt er ein Paar entstehen, nämlich Rayi (Materie, eigentlich: Reichtum) und Prana (Leben); denn er sprach: „Diese beiden werden mir vielfältig Nachkommen schaffen.“

5. Fürwahr, die Sonne ist Prana und der Mond ist Rayi; ja Rayi ist alles dieses, was geformt und ungeformt ist; darum ist die Form selbst Rayi.

6. Wenn nun die Sonne aufgeht und die östliche Himmelsgegend betritt, so befasst sie dadurch die östlichen (in der Natur verwirklichten) Lebenshauche (Prana ) in ihren Strahlen; und wenn sie die südliche, westliche und nördliche, obere, untere und zentrale Himmelsgegend betritt, so befasst sie, indem sie alles erhellt, dadurch alle Lebenshauche in ihren Strahlen.

7. Allverbreitet und allgestaltet zieht dieses (Sonnen-)Feuer als der Prana herauf. Darüber dieser Vers:

- (ich preise)

8. Den allgestaltigen, goldnen Wesenskenner,

Der dort als höchster Hort, als einzig Licht glüht!

Mit tausend Strahlen, hundertfach sich wandelnd,

Als Lebenshauch der Wesen geht dort auf die Sonne.

9. Fürwahr, Prajapati ist das Jahr; in demselben sind zwei Gänge (der Sonne), der nach Süden und der nach Norden. Jene nun, welche mit den Worten: „Opfer und fromme Werke sind unser Tun“ Verehrung üben, die erobern nur den Mond als Stätte. Diese kehren wiederum zurück. Darum gehen diejenigen Weisen, welche nach Nachkommen begehren, den südlichen Weg. Und dieser Väterweg ist (pitriyana) Rayi.

10. Aber auf dem nördlichen Wege, nachdem sie durch Askese, Brahmanwandel, Glaube und Wissen den atman gesucht haben, erobern sie die Sonne. Diese ist der Stützpunkt der Pranas. Dieses ist das Unsterbliche, das Furchtlose, diese ist der höchste Hort. Von ihm kehren sie nicht wieder zurück. Dieses ist die Ausschließung (des Väterweges und Götterweges gegeneinander). Darüber ist dieser Vers:

11. Der Vater, fünffüßig, zwölffacher Bildung,

Sei leibhaft, heißt es, in des Himmels Jenseits;

Doch sei er auch weitleuchtend eingefügt

Dem Untern mit sechs Speichen, sieben Rädern.

12. Fürwahr, Prajapati ist der Monat. Seine dunkle Hälfte ist Rayi, seine helle Prana. Darum bringen diese Weisen (die den Prana verehren) in der hellen Hälfte das Opfer dar, die andern in der andern.

13. Fürwahr, Prajapati ist Tag und Nacht. Was von ihm Tag ist, das ist Prana, was Nacht, das Rayi. Wahrlich die verschütten den Prana (das Leben), welche am Tage sich in Lust verbinden, und dieses ist der (auch dem Grihastha obliegende) Brahmanwandel, dass man sich nur in der Nacht in Lust verbindet.

14. Fürwahr, Prajapati ist die Nahrung. Aus ihr stammt dieser Same, aus welchem diese Geschöpfe entstehen.

15. Diejenigen nun, welche diesen Prajapatiwandel einhalten, die üben die Begattung aus (mithunam utpadayante) sowie es oben von Prajapati hieß, dass er (mithunam utpadayante) „ein Paar entstehen lässt“.

Doch derer ist die Brahmanwelt, die sich kastei'n,

In denen wahre Keuschheit festgewurzelt ist;

Sie gehn zur Brahmanwelt, der fleckenlosen,

Die ohne Krummes, Falsches, ohne Trug sind.“

Zweiter Prashna - die zweite Frage der Prashna Upanishad

1. Da befragte ihn Bhargava Vaidarbhi: „Erhabener! Wie viele Götter halten das Geschöpf aufrecht, und welche von ihnen erleuchten diesen Leib, und wer unter allen ist der vorzüglichste?“ −

2. Und er sprach zu ihm: „Der Äther, fürwahr, ist dieser Gott und der Wind und das Feuer, Wasser und Erde, Rede, Manas, Auge und Ohr. Diese, indem sie (den Leib) erleuchten, rühmen sich: „Wir sind es, die dieses Röhrenwerk stützen und aufrecht erhalten.“

3. Da sprach zu ihnen der oberste Prana: „Nicht so! In Wahn seid ihr befangen. Ich allein bin es, der ich, mich fünffach teilend, dieses Röhrenwerk stütze und aufrecht halte!“

4. Sie aber wollten ihm nicht glauben. Da gibt er sich den Anschein, als wollte er, aus (verletztem) Stolz nach oben entweichen. Und wie er entweicht, da wollen auch die andern alle entweichen, und wie er stille stehen bleibt, da bleiben auch die andern stehen. Und gleichwie die Bienen der Bienenkönigin wenn sie auszieht, alle nachziehen, und solange sie bleibt, alle bleiben, also auch die Rede, das Manas, das Auge und das Ohr. Da sind sie zufriedengestellt und preisen den Prana:

5. Er brennt als Feuer, und er glüht als Sonne,

Er ist Parjanya, Maghavan und Vayu,

Er der Gott ist Erde, Rayi,

Was ist, nicht ist und ewig ist.

6. Wie Speichen an der Radnabe,

Haftet am Prana alles fest,

Die Rics, die Yajus und Samans,

Opfer, Krieger- und Brahman-Stand.

7. Als Prajapati im Mutterleib

Weilst du und wirst geboren neu,

Dir, o Prana , bringen die Geschöpfe Spende dar,

Wenn Du mit Lebenskräften weilst.

8. Du erst Göttern bringst das Opfer,

Du erst Vätern den Labetrank,

Du bist der Dichter Werk, du bist

Wahrheit der Atharvangiras.

9. An Kraft bist Indra du, Prana !

Rudra bist du, der Schützende,

Du schweifst im Luftraum als Sonne,

Du bist der Lichter Oberherr.

10. Wenn du über sie hin regnest,

Stehn deine Kreaturen hier

Voll Freude, Prana und sprechen:

Nahrung wird uns entstehen nach Lust.“

11. Du bist von selbst geweiht, Prana ,

Höchstweiser, Esser, Herr des Alls,

Wir sind des, das du isst, Spender,

Du, Matarishva(n)! Vater uns.

12. Was von dir in der Rede weilt,

Was im Ohre, im Auge weilt,

Was im Manas sich ausbreitet,

Das mache hold uns, zieh nicht aus!

13. In Pranas Macht ist dies Weltall,

Selbst was im dritten Himmel ist;

Wie die Mutter das Kind, schütz' uns,

Glück und Weisheit verleihe uns!“

Dritter Prashna - die dritte Frage der Prashna Upanishad

1. Da befragte ihn Kausalya ashvalayana: „Erhabener! Woher entsteht dieser Prana ? Wie kommt er in diesen Leib hinein? Und wie besteht er, sich selbst teilend, in demselben? Wodurch zieht er aus ihm aus? Wie waltet er in der Außenwelt und wie in dem Selbste?“

2. Und er sprach zu ihm: „Überweit gehst Du mit Fragen; du bist der Brahmanliebendste, so denke ich; darum will ich dir antworten. −

3. Aus dem atman entsteht dieser Prana; wie an einem Menschen der Schatten, so breitet er sich an demselben aus. Ohne Zutun des (bewussten) Willens kommt er in diesen Leib hinein. −

4. Und wie ein König seine Beamten beauftragt, diese oder jene Dörfer zu verwalten, also stellt auch jener Prana die übrigen Pranas, jeden besonders, an.

5. Über Entleerungs- und Zeugungsorgan stellt er den Apana. In Auge und Ohr mit Mund und Nase hat er, der Prana, selbst seinen Sitz. In der Mitte hingegen der Samana; denn er ist es, welcher diese geopferte Nahrung zur Gleichheit) führt (assimiliert); daraus entstehen jene 'sieben Opferflammen'.

6. Im Herzen aber wohnt der atman; daselbst sind jene hundert und eine Adern; zu jeder einzelnen von ihnen gehören je hundert (Zweigadern); und der Nebenzweigadern sind jedes mal zweiundsiebzig tausend; in denen waltet der Vyana.

7. Aber durch die eine nach oben gehend, führt der Udana für gutes Werk zu einer guten Welt, für schlimmes zu einer schlimmen, für beide zur Menschenwelt. −

8. Als die Sonne nun steigt jener Prana in der Außenwelt empor, denn sie ist es, welche dem Prana im Auge Beistand gewährt; und die Gottheit, welche in der Erde ist, die (gewährt Beistand) dadurch, dass sie den Apana im Menschen stützt; und dass der Raum zwischen ihnen (Sonne und Erde) ist, das ist der Samana; der Wind ist der Vyana. −

9. Die Glut (d.h. die Lebenskraft) aber ist der Udana. Darum, wenn die Glut sich legt, dann geht er (der Mensch), zur abermaligen Geburt, mitsamt den in das Manas eingegangenen Indriyas,

10. und mit dem Gedanken, der ihn (in der Todesstunde) beschäftigt, mit diesem ein in den Prana; und der Prana, mit der Glut (durch den Udana) verbunden, führt ihn mitsamt dem atman in die von ihm (in der Todesstunde) vorgestellte Welt hinüber.

11. Wer den Prana weiß, indem er ihn also weiß, dessen Nachkommenschaft erlischt nicht, und er wird unsterblich. Darüber dieser Vers:

12. Wer Ursprung, Ausbreitung, Standort,

Fünffach Verteiltsein in der Welt

Und in sich selbst weiß des Prana,

Dem wird Unsterblichkeit zu teil,

- dem wird Unsterblichkeit zu teil.“

Vierter Prashna - die vierte Frage der Prashna Upanishad

1. Da befragte ihn Sauryayanin Gargya: „Erhabener! Welche sind es, die in diesem Menschen schlafen, und welche bleiben in ihm wach? Welcher ist jener Gott, der die Träume sieht? Wessen ist jene Lust (des Tiefschlafes)? In welchem sind sie alle gegründet?“ −

2. Und er sprach zu ihm: „Gleichwie, o Gargya, die Lichtelemente der Sonne, wenn sie untergeht, alle in jener Glutscheibe zur Einheit werden, und, wenn sie aufgeht, immer wieder aus ihr hervorgehen, also wird auch dieses alles im Manas als höchster Gottheit zur Einheit; daher kommt es, dass dann der Mensch nicht hört, nicht sieht, nicht riecht, nicht schmeckt und nicht fühlt, nicht redet, nicht greift, nicht zeugt, nicht entleert und nicht hin und her geht, sondern, wie man sagt, schläft.

3. Dann wachen die Prana-Feuer in dieser Stadt; der Apana ist das Garhapatya-Feuer, der Vyana das Anvaharyapacana-Feuer; und das ahavaniya-Feuer, weil es vom Garhapatya-Feuer hergeleitet wird, heißt von dem Herleiten (pranayanam) Prana.

4. Ferner, weil er die beiden Opfergüsse des Ausatmens und Einatmens zur Einheit führt, (samam nayati) heißt er Samana. Das Manas aber ist der Veranstalter des Opfers, und die Frucht des Opfers ist der Udana; der führt den Veranstalter Tag für Tag in das Brahman.

5. Alsdann genießt jener Gott (das Manas) Großheit, sofern er das hier und da Gesehene nochmals sieht, die hier und da gehörte Sache nochmals hört, das inmitten der Orte und Gegenden einzeln Wahrgenommene wieder und wieder einzeln wahrnimmt; Gesehenes und Nichtgesehenes, Gehörtes und Nichtgehörtes, Wahrgenommenes und Nichtwahrgenommenes, das Ganze schaut er, als der Ganze schaut er.

6. Aber wenn er von der Glut (tejas) überwältigt ist, dann schaut jener Gott keine Träume, und dann herrscht in diesem Leibe keine Lust.

7. Aber gleichwie, o Teurer, die Vögel zu dem Baume sich hinbegeben, der ihr Wohnort ist, also begibt sich dieses alles in den höchsten atman hinein,

8. die Erde und der Erdstoff, das Wasser und der Wasserstoff, die Glut und der Glutstoff, der Wind und der Windstoff, der Äther und der Ätherstoff, das Auge und das Sichtbare, das Ohr und das Hörbare, der Geruch und das Riechbare, der Geschmack und das Schmeckbare, die Haut und das Fühlbare; die Rede und das Sprechbare, die Hände und das Greifbare, das Zeugungsorgan und das Zeugbare, das Entleerungsorgan und das Entleerbare, die Füße und das Gehbare; das Manas und das Vorstellbare, die Buddhi und das Beschließbare, der Ahankara (Ich-Macher) und das Ichmachbare, das Denken und das Denkbare, die Glut und das Glühbare, der Prana und das Aufrechthaltbare.

9. Denn dieser sehende, fühlende, hörende, riechende, schmeckende, vorstellende, beschließende, handelnde, das bewußte Selbst (die individuelle Seele) bildende Geist, der ist in dem höchsten, unvergänglichen Selbste gegründet.

10. Und in das höchste Unvergängliche geht der ein, welcher dieses schattenlose, körperlose, blutlose, helle, „dies Unvergängliche, o Teurer, kennend“, allwissend und zum All wird. Darüber ist dieser Vers:

11. Wo das bewusste Selbst mit allen Göttern,

Die Lebenshauche und die Wesen weilen,

Dies Unvergängliche, o Teurer, kennend,

Wird man allwissend, wird man zu dem Weltall.“

Fünfter Prashna - die fünfte Frage der Prashna Upanishad

1. Da befragte ihn Shaivya Satyakama: „Wer, o Erhabener, unter den Menschen bis zu seinem Hinscheiden den Laut Om meditiert, welche Stätte erwirbt er dadurch?“ Und er sprach zu ihm:

2. „Fürwahr, o Satyakama, der Laut Om ist das höhere und das niedere Brahman. Darum erlangt der Wissende, wenn er sich auf denselben stützt, das eine oder das andere.

3. Wenn er ein Element desselben meditiert, so gelangt er, durch das selbe belehrt, (nach dem Tode) schnell zur Lebendigkeit. Ihn führen die Rig-Hymnen hin zur Menschenwelt; daselbst erlangt er Askese, Brahmanwandel und Glauben und genießt Hoheit.

4. Wenn er zu zwei Elementen in seinem Denken gelangt, dann wird er (nach dem Tode) von den Yajus-Sprüchen emporgeführt in die Luft zur Somawelt (zum Monde). Und nachdem er in der Somawelt Herrlichkeit genossen hat, so kehret er wieder zurück.

5. Wenn er hingegen durch alle drei Elemente des Lautes Om den höchsten Geist meditiert, so wird er, nachdem er in das Licht, in die Sonne eingegangen, wie eine Schlange von ihrer Haut, also von dem Übel befreit; von den Saman-Liedern wird er emporgeführt zur Brahmanwelt; dann schaut er ihn, der höher ist als dieser höchste Komplex des Lebens (d.h. als die individuelle Seele), den in der Burg (des Leibes) wohnenden Geist. Darüber sind diese Verse:

6. Drei Elemente, wenn man stirbt, verwendet,

Zusammenhängend und nicht unverwendet,

Indem den äußern, innern, mittlern Bräuchen

Vollauf genügt wird, - so steht fest der Geist.

7. Durch Rics hierher, durch Yajus in den Luftraum,

Durch Samans dorthin, was die Weisen verkünden,

Zu ihm, auf Om gestützt, gelangt der Wisser,

Der jenes ruhig, alterlos, unsterblich, furchtlos Höchste ist.“

Sechster Prashna - die sechste Frage der Prashna Upanishad

1. Da befragte ihn Sukeshan Bharadvaja: „O Erhabener! Hiranyanabha Kausalya, der Königssohn, kam zu mir und tat diese Frage: 'Weißt du den sechzehnteiligen Purusha?' Zu ihm, dem Prinzen, sprach ich: 'Den weiß ich nicht; denn wenn ich ihn wüsste, wie sollte ich ihn dir nicht gesagt haben? Der verdorrt ja mit der Wurzel, welcher die Unwahrheit redet. Darum darf ich die Unwahrheit nicht sagen.' − Da bestieg er schweigend seinen Wagen und fuhr von dannen. Nun frage ich dich: Wo ist jener Purusha?“ −

2. Da sprach er zu ihm: „Hier, innen im Leibe, o Teurer, ist dieser Purusha, in welchem jene sechzehn Teile entspringen.

3. Dieser (Purusha) erwog: mit wessen Auszuge werde ich selbst ausgezogen sein, und mit wessen Bleiben werde ich bleiben? −

4. Da schuf er den Prana; aus dem Prana den Glauben, den Äther, der Wind, das Licht, das Wasser, die Erde, das Sinnesorgan; das Manas, die Nahrung; aus der Nahrung die Kraft, das Tapas, die Mantras, das Werk, die Welträume und in den Welträumen den Namen auch.

5. Aber gleichwie diese Ströme fließend zum Ozean ihren Gang nehmen und, in den Ozean gelangt, untergehen, wie ihre Namen und Gestalten verschwimmen, und es nur noch Ozean heißt, also auch geschieht es bei diesem Allschauenden, dass jene sechzehn Teile zum Purusha ihren Gang nehmen und, in den Purusha gelangt, untergehen; ihre Namen und Gestalten verschwimmen, und es heißt nur noch der Purusha, der aber verharrt ohne Teile und unsterblich. Darüber ist dieser Vers:

6. Wie Speichen in der Radnabe,

In ihm wurzeln die Teile fest,

Ihn, den man wissen muss, weiß ich,

Den Purusha, damit auch euch der Tod erschüttre nicht.“

7. Und zu ihnen allen sprach er: „Soweit weiß ich das höchste Brahman, nicht darüber hinaus ist es.“

8. Da verehrten sie ihn und sprachen: „Du bist unser Vater, der du uns aus dem Nichtwissen zu dem andern Ufer hinüber führst.“

Verehrung sei den höchsten Weisen!

Verehrung sei den höchsten Weisen!

Die Prasna Upanishad - Erläuterungen nach Paul Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 679.

Die an den Atharvaveda, und zwar, wie es scheint, an die Pippalada-Rezension desselben, sich anschließende Prasna Upanishad behandelt in sechs Fragen (Prasna), welche von sechs Brahmanforschern an den weisen Pippalada gerichtet werden, sechs Hauptpunkte der Vedantalehre:

1. Ursprung der Materie und des Lebens aus Prajapati.
2. Superiorität des Prana über die übrigen Lebenskräfte.
3. Der Prana und seine Verzweigungen im Menschen.
4. Über Traumschlaf und Tiefschlaf.
5. Meditation des Lautes Om.
6. Die sechzehn Teile des Menschen.

Die einrahmende Erzählung scheint eine Nachbildung von Satap. Br. 10,6,1 f. Chand. Up. 5,11,1 f. zu sein, nur daß dort viel passender die sechs Brahmanen über ein gemeinsames Thema den König Asvapati befragen, während in der Prasna Upanishad jeder etwas anderes fragt, so daß das gemeinschaftliche Aufsuchen des Pippalada nicht recht motiviert ist, zumal beim letzten Frager, der für seine Frage noch ein besonderes Motiv angibt.

Prashnopanishad - vollständiger Sanskrit Text

Hier der volle Sanskrit Text der Prashnopanishad in der IAST Transliteration:

praśnopaniṣat

oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śa‍ṛṇuyāma devā
bhadraṃ paśyemākṣabhiryajatrāḥ ।
sthirairaṅgaistuṣtuvāꣳsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ ॥
svasti na indro vṛddhaśravāḥ
svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ ।
svasti nastārkṣyo ariṣṭanemiḥ
svasti no bṛhaspatirdadhātu ॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥

prathamaḥ praśnaḥ ।

oṃ sukeśā ca bhāradvājaḥ śaibyaśca satyakāmaḥ sauryāyaṇī ca gārgyaḥ
kausalyaścāśvalāyano bhārgavo vaidarbhiḥ kabandhī kātyāyanaste haite
brahmaparā brahmaniṣṭhāḥ paraṃ brahmānveṣamāṇā eṣa ha vai tatsarvaṃ
vakṣyatīti te ha samitpāṇayo bhagavantaṃ pippalādamupasannāḥ ॥ 1.1॥
tānha sa ṛṣiruvāca bhūya eva tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā
saṃvatsaraṃ saṃvatsyatha yathākāmaṃ praśnān pṛcchata yadi
vijñāsyāmaḥ sarvaṃ ha vo vakṣyāma iti ॥ 1.2॥
atha kabandhī kātyāyana upetya papraccha ।
bhagavan kute ha vā imāḥ prajāḥ prajāyanta iti ॥ 1.3॥
tasmai sa hovāca prajākāmo vai prajāpatiḥ sa tapo'tapyata
sa tapastaptvā sa mithunamutpādayate । rayiṃ ca prāṇaṃ
cetyetau me bahudhā prajāḥ kariṣyata iti ॥ 1.4॥
ādityo ha vai prāṇo rayireva candramā rayirvā etat
sarvaṃ yanmūrtaṃ cāmūrtaṃ ca tasmānmūrtireva rayiḥ ॥ 1.5॥
athāditya udayanyatprācīṃ diśaṃ praviśati tena prācyān prāṇān
raśmiṣu sannidhatte । yaddakṣiṇāṃ yat pratīcīṃ yadudīcīṃ yadadho
yadūrdhvaṃ yadantarā diśo yat sarvaṃ prakāśayati tena sarvān prāṇān
raśmiṣu sannidhatte ॥ 1.6॥
sa eṣa vaiśvānaro viśvarūpaḥ prāṇo'gnirudayate ।
tadetadṛcā'bhyuktam ॥ 1.7॥
viśvarūpaṃ hariṇaṃ jātavedasaṃ
parāyaṇaṃ jyotirekaṃ tapantam ।
sahasraraśmiḥ śatadhā vartamānaḥ
prāṇaḥ prajānāmudayatyeṣa sūryaḥ ॥ 1.8॥
saṃvatsaro vai prajāpatistasyāyane dakṣiṇaṃ cottaraṃ ca ।
tadye ha vai tadiṣṭāpūrte kṛtamityupāsate te cāndramasameva
lokamabhijayante । ta eva punarāvartante tasmādeta ṛṣayaḥ
prajākāmā dakṣiṇaṃ pratipadyante । eṣa ha vai rayiryaḥ
pitṛyāṇaḥ ॥ 1.9॥
athottareṇa tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā
vidyayātmānamanviṣyādityamabhijayante । etadvai
prāṇānāmāyatanametadamṛtamabhayametat parāyaṇametasmānna punarāvartanta
ityeṣa nirodhastadeṣa ślokaḥ ॥ 1.10॥
pañcapādaṃ pitaraṃ dvādaśākṛtiṃ
diva āhuḥ pare ardhe purīṣiṇam ।
atheme anya u pare vicakṣaṇaṃ
saptacakre ṣaḍara āhurarpitamiti ॥ 1.11॥
māso vai prajāpatistasya kṛṣṇapakṣa eva rayiḥ śuklaḥ praṇastasmādeta
ṛṣayaḥ śukla iṣṭaṃ kurvantītara itarasmin ॥ 1.12॥
ahorātro vai prajāpatistasyāhareva prāṇo rātrireva rayiḥ prāṇaṃ vā ete
praskandanti ye divā ratyā saṃyujyante brahmacaryameva tadyadrātrau
ratyā saṃyujyante ॥ 1.13॥
annaṃ vai prajāpatistato ha vai tadretastasmādimāḥ prajāḥ
prajāyanta iti ॥ 1.14॥
tadye ha vai tat prajāpativrataṃ caranti te mithunamutpādayante ।
teṣāmevaiṣa brahmaloko yeṣāṃ tapo brahmacaryaṃ yeṣu satyaṃ
pratiṣṭhitam ॥ 1.15॥
teṣāmasau virajo brahmaloko na yeṣu jihmamanṛtaṃ na
māyā ceti ॥ 1.16॥
iti praśnopaniṣadi prathamaḥ praśnaḥ ॥

dvitīyaḥ praśnaḥ ।

atha hainaṃ bhārgavo vaidarbhiḥ papraccha । bhagavan katyeva
devāḥ prajāṃ vidhārayante katara etat prakāśayante kaḥ
punareṣāṃ variṣṭha iti ॥ 2.1॥
tasmai sa hovācākāśo ha vā eṣa devo vāyuragnirāpaḥ
pṛthivī vāṅmanaścakṣuḥ śrotraṃ ca । te prakāśyābhivadanti
vayametadbāṇamavaṣṭabhya vidhārayāmaḥ ॥ 2.2॥
tān variṣṭhaḥ prāṇa uvāca । mā mohamāpadyatha ahamevaitat
pañcadhātmānaṃ pravibhajyaitadbāṇamavaṣṭabhya vidhārayāmīti
te'śraddadhānā babhūvuḥ ॥ 2.3॥
so'bhimānādūrdhvamutkrāmata iva tasminnutkrāmatyathetare sarva
evotkrāmante tasmiṃśca pratiṣṭhamāne sarva eva pratiṣṭhante । tadyathā
makṣikā madhukararājānamutkrāmantaṃ sarva evotkramante tasmiṃṣca
pratiṣṭhamāne sarva eva prātiṣṭanta evaṃ vāṅmanaṣcakṣuḥ śrotraṃ
ca te prītāḥ prāṇaṃ stunvanti ॥ 2.4॥
eṣo'gnistapatyeṣa sūrya
eṣa parjanyo maghavāneṣa vāyuḥ
eṣa pṛthivī rayirdevaḥ
sadasaccāmṛtaṃ ca yat ॥ 2.5॥
arā iva rathanābhau prāṇe sarvaṃ pratiṣṭhitam ।
ṛco yajūꣳṣi sāmāni yajñaḥ kṣatraṃ brahma ca ॥ 2.6॥
prajāpatiścarasi garbhe tvameva pratijāyase ।
tubhyaṃ prāṇa prajāstvimā baliṃ haranti
yaḥ prāṇaiḥ pratitiṣṭhasi ॥ 2.7॥
devānāmasi vahnitamaḥ pitṝṇāṃ prathamā svadhā ।
ṛṣīṇāṃ caritaṃ satyamatharvāṅgirasāmasi ॥ 2.8॥
indrastvaṃ prāṇa tejasā rudro'si parirakṣitā ।
tvamantarikṣe carasi sūryastvaṃ jyotiṣāṃ patiḥ ॥ 2.9॥
yadā tvamabhivarṣasyathemāḥ prāṇa te prajāḥ ।
ānandarūpāstiṣṭhanti kāmāyānnaṃ bhaviṣyatīti ॥ 2.10॥
vrātyastvaṃ prāṇaikarṣarattā viśvasya satpatiḥ ।
vayamādyasya dātāraḥ pitā tvaṃ mātariśva naḥ ॥ 2.11॥
yā te tanūrvāci pratiṣṭhitā yā śrotre yā ca cakṣuṣi ।
yā ca manasi santatā śivāṃ tāṃ kuru motkramīḥ ॥ 2.12॥
prāṇasyedaṃ vaśe sarvaṃ tridive yat pratiṣṭhitam ।
māteva putrān rakṣasva śrīśca prajñāṃ ca vidhehi na iti ॥ 2.13॥
iti praśnopaniṣadi dvitīyaḥ praśnaḥ ॥

tṛtīyaḥ praśnaḥ

atha hainaṃ kauśalyaścāśvalāyanaḥ papraccha । bhagavan kuta
eṣa prāṇo jāyate kathamāyātyasmiñśarīra ātmānaṃ vā
pravibhajya kathaṃ pratiṣṭhate kenotkramate kathaṃ bāhyamabhidhatte
kathamadhyātmamiti ॥ 3.1॥
tasmai sa hovācātipraśnān pṛcchasi brahmiṣṭho'sīti
tasmātte'haṃ bravīmi ॥ 3.2॥
ātmana eṣa prāṇo jāyate । yathaiṣā puruṣe
chāyaitasminnetadātataṃ
manokṛtenāyātyasmiñśarīre ॥ 3.3॥
yathā samrādevādhikṛtān viniyuṅkte । etan grāmānotān
grāmānadhitiṣṭhasvetyevamevaiṣa prāṇa itarān prāṇān pṛthak
pṛthageva sannidhatte ॥ 3.4॥
pāyūpasthe'pānaṃ cakṣuḥśrotre mukhanāsikābhyāṃ prāṇaḥ svayaṃ
prātiṣṭhate madhye tu samānaḥ । eṣa hyetaddhutamannaṃ samaṃ nayati
tasmādetāḥ saptārciṣo bhavanti ॥ 3.5॥
hṛdi hyeṣa ātmā । atraitadekaśataṃ nāḍīnāṃ tāsāṃ śataṃ
śatamekaikasyā dvāsaptatirdvāsaptatiḥ pratiśākhānāḍīsahasrāṇi
bhavantyāsu vyānaścarati ॥ 3.6॥
athaikayordhva udānaḥ puṇyena puṇyaṃ lokaṃ nayati pāpena
pāpamubhābhyāmeva manuṣyalokam ॥ 3.7॥
ādityo ha vai bāhyaḥ prāṇa udayatyeṣa hyenaṃ cākṣuṣaṃ
prāṇamanugṛhṇānaḥ । pṛthivyāṃ yā devatā saiṣā puruṣasya
apānamavaṣṭabhyāntarā yadākāśaḥ sa samāno vāyurvyānaḥ ॥ 3.8॥
tejo ha vā udānastasmādupaśāntatejāḥ । punarbhavamindriyairmanasi
sampadyamānaiḥ ॥ 3.9॥
yaccittastenaiṣa prāṇamāyāti । prāṇastejasā yuktaḥ sahātmanā
tathāsaṅkalpitaṃ lokaṃ nayati ॥ 3.10॥
ya evaṃ vidvān prāṇaṃ veda na hāsya prajā hīyate'mṛto
bhavati tadeṣaḥ ślokaḥ ॥ 3.11॥
utpattimāyatiṃ sthānaṃ vibhutvaṃ caiva pañcadhā ।
adhyātmaṃ caiva prāṇasya vijñāyāmṛtamaśnute
vijñāyāmṛtamaśnuta iti ॥ 3.12॥
iti praśnopaniṣadi tṛtīyaḥ praśnaḥ ॥

caturthaḥ praśnaḥ ।

atha hainaṃ sauryāyaṇi gārgyaḥ papraccha । bhagavannetasmin puruṣe
kāni svapanti kānyasmiñjāgrati katara eṣa devaḥ svapnān paśyati
kasyaitat sukhaṃ bhavati kasminnu sarve sampratiṣṭhitā bhavantīti ॥ 4.1॥
tasmai sa hovāca yathā gārgya marīcayo'rkasyāstaṃ gacchataḥ sarvā
etasmiṃstejomaṇḍala ekībhavanti tāḥ punaḥ punarudayataḥ pracarantyevaṃ
ha vai tat sarvaṃ pare deve manasyekībhavati tena tarhyeṣa puruṣo na
śa‍ṛṇoti na paśyati na jighrati na rasayate na spṛśate nābhivadate
nādatte nānandayate na visṛjate neyāyate svapitītyācakṣate ॥ 4.2॥
prāṇāgnaya evaitasmin pure jāgrati । gārhapatyo ha vā eṣo'pāno
vyāno'nvāhāryapacano yadgārhapatyāt praṇīyate praṇayanādāhavanīyaḥ
prāṇaḥ ॥ 4.3॥
yaducchvāsaniḥśvāsāvetāvāhutī samaṃ nayatīti sa samānaḥ । mano ha
vāva yajamānaḥ । iṣṭaphalamevodānaḥ । sa enaṃ yajamānamaharaharbrahma
gamayati ॥ 4.4॥
atraiṣa devaḥ svapne mahimānamanubhavati । yaddṛṣṭaṃ
dṛṣṭamanupaśyati śrutaṃ śrutamevārthamanuśa‍ṛṇoti
deśadigantaraiśca pratyanubhūtaṃ punaḥ punaḥ pratyanubhavati dṛṣṭaṃ
cādṛṣṭaṃ ca śrutaṃ cāśrutaṃ cānubhūtaṃ cānanubhūtaṃ ca
saccāsacca sarvaṃ paśyati sarvaḥ paśyati ॥ 4.5॥
sa yadā tejasā'bhibhūto bhavati । atraiṣa devaḥ svapnānna
paśyatyatha yadaitasmiñśarīra etatsukhaṃ bhavati ॥ 4.6॥
sa yathā sobhya vayāṃsi vasovṛkṣaṃ sampratiṣṭhante । evaṃ
ha vai tat sarvaṃ para ātmani sampratiṣṭhate ॥ 4.7॥
pṛthivī ca pṛthivīmātrā cāpaścāpomātrā ca tejaśca tejomātrā ca
vāyuśca vāyumātrā cākāśaścākāśamātrā ca cakṣuśca draṣṭavyaṃ
ca śrotraṃ ca śrotavyaṃ ca ghrāṇaṃ ca ghrātavyaṃ ca rasaśca
rasayitavyaṃ ca tvakca sparśayitavyaṃ ca vākca vaktavyaṃ ca hastau
cādātavyaṃ copasthaścānandayitavyaṃ ca pāyuśca visarjayitavyaṃ ca
yādau ca gantavyaṃ ca manaśca mantavyaṃ ca buddhiśca boddhavyaṃ
cāhaṅkāraścāhaṅkartavyaṃ ca cittaṃ ca cetayitavyaṃ ca tejaśca
vidyotayitavyaṃ ca prāṇaśca vidhārayitavyaṃ ca ॥ 4.8॥
eṣa hi draṣṭā spraṣṭā śrotā ghrātā rasayitā mantā boddhā kartā
vijñānātmā puruṣaḥ । sa pare'kṣara ātmani sampratiṣṭhate ॥ 4.9॥
paramevākṣaraṃ pratipadyate sa yo ha vai tadacchāyamaśarīramalohitaṃ
śubhramakṣaraṃ vedayate yastu somya । sa sarvajñaḥ sarvo bhavati ।
tadeṣa ślokaḥ ॥ 4.10॥
vijñānātmā saha devaiśca sarvaiḥ prāṇā bhūtāni sampratiṣṭhanti yatra
tadakṣaraṃ vedayate yastu somya sa sarvajñaḥ sarvamevāviveśeti ॥ 4.11॥
iti praśnopaniṣadi caturthaḥ praśnaḥ ॥

pañcamaḥ praśnaḥ ।

atha hainaṃ śaibyaḥ satyakāmaḥ papraccha । sa yo ha vai
tadbhagavanmanuṣyeṣu prāyaṇāntamoṅkāramabhidhyāyīta । katamaṃ vāva
sa tena lokaṃ jayatīti । tasmai sa hovāca ॥ 5.1॥
etadvai satyakāma paraṃ cāparaṃ ca brahma yadoṅkāraḥ ।
tasmādvidvānetenaivāyatanenaikataramanveti ॥ 5.2॥
sa yadyekamātramabhidhyāyīta sa tenaiva saṃveditastūrṇameva
jagatyāmabhisampadyate । tamṛco manuṣyalokamupanayante sa tatra
tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā sampanno mahimānamanubhavati ॥ 5.3॥
atha yadi dvimātreṇa manasi sampadyate so'ntarikṣaṃ
yajurbhirunnīyate somalokam । sa somaloke vibhutimanubhūya
punarāvartate ॥ 5.4॥
yaḥ punaretaṃ trimātreṇomityetenaivākṣareṇa paraṃ puruṣamabhi-
dhyāyīta sa tejasi sūrye sampannaḥ । yathā pādodarastvacā vinirmucyata
evaṃ ha vai sa pāpmanā vinirmuktaḥ sa sāmabhirunnīyate brahmalokaṃ
sa etasmājjīvaghanāt parātparaṃ puriśayaṃ puruṣamīkṣate । tadetau
ślokau bhavataḥ ॥ 5.5॥
tisro mātrā mṛtyumatyaḥ prayuktā
anyonyasaktāḥ anaviprayuktāḥ ।
kriyāsu bāhyābhyantaramadhyamāsu
samyak prayuktāsu na kampate jñaḥ ॥ 5.6॥
ṛgbhiretaṃ yajurbhirantarikṣaṃ
sāmabhiryat tat kavayo vedayante ।
tamoṅkāreṇaivāyatanenānveti vidvān
yattacchāntamajaramamṛtamabhayaṃ paraṃ ceti ॥ 5.7॥
iti praśnopaniṣadi pañcamaḥ praśnaḥ ॥

ṣaṣṭhaḥ praśnaḥ ।

atha hainaṃ sukeśā bhāradvājaḥ papraccha । bhagavan hiraṇyanābhaḥ
kausalyo rājaputro māmupetyaitaṃ praśnamapṛcchata । ṣoḍaśakalaṃ
bhāradvāja puruṣaṃ vettha । tamahaṃ kumāramabruvaṃ nāhamimaṃ veda ।
yadyahamimamavediṣaṃ kathaṃ te nāvakṣyamiti । samūlo vā eṣa
pariśuṣyati yo'nṛtamabhivadati tasmānnārhamyanṛtaṃ vaktum । sa
tūṣṇīṃ rathamāruhya pravavrāja । taṃ tvā pṛcchāmi kvāsau puruṣa
iti ॥ 6.1॥
tasmai sa hovācehaivāntaḥśarīre somya sa puruṣo
yasminnatāḥ ṣoḍaśakalāḥ prabhavantīti ॥ 6.2॥
sa īkṣācakre । kasminnahamutkrānta utkrānto bhaviṣyāmi
kasminvā pratiṣṭhite pratiṣṭhāsyāmīti ॥ 6.3॥
sa prāṇamasṛjata prāṇācchraddhāṃ khaṃ vāyurjyotirāpaḥ pṛthivīndriyaṃ
manaḥ । annamannādvīryaṃ tapo mantrāḥ karma lokā lokeṣu ca nāma ca
॥ 6.4॥
sa yathemā nadyaḥ syandamānāḥ samudrāyaṇāḥ samudraṃ prāpyāstaṃ
gacchanti bhidyete tāsāṃ nāmarūpe samudra ityevaṃ procyate । evamevāsya
paridraṣṭurimāḥ ṣoḍaśakalāḥ puruṣāyaṇāḥ puruṣaṃ prāpyāstaṃ gacchanti
bhidyete cāsāṃ nāmarūpe puruṣa ityevaṃ procyate sa eṣo'kalo'mṛto
bhavati tadeṣa ślokaḥ ॥ 6.5॥
arā iva rathanābhau kalā yasminpratiṣṭhitāḥ ।
taṃ vedyaṃ puruṣaṃ veda yatha mā vo mṛtyuḥ parivyathā iti ॥ 6.6॥
tān hovācaitāvadevāhametat paraṃ brahma veda । nātaḥ
paramastīti ॥ 6.7॥
te tamarcayantastvaṃ hi naḥ pitā yo'smākamavidyāyāḥ paraṃ pāraṃ
tārayasīti । namaḥ paramaṛṣibhyo namaḥ paramaṛṣibhyaḥ ॥ 6.8॥
iti praśnopaniṣadi ṣaṣṭhaḥ praśnaḥ ॥
oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śa‍ṛṇuyāma devā
bhadraṃ paśyemākṣabhiryajatrāḥ ।
sthirairaṅgaistuṣtuvāꣳsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ ॥
svasti na indro vṛddhaśravāḥ
svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ ।
svasti nastārkṣyo ariṣṭanemiḥ
svasti no bṛhaspatirdadhātu ॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥

Prashna Upanishad - Sanskrit Text, Übersetzung, Interpretation

Hier der vollständige Text der Prashna Upanishad auf Sanskrit, mit deutscher Übersetzung und Kommentar, aus dem Buch "Wichtigste Upanishaden" (Principal Upanishads) von Swami Sivananda:

PRAŚNA-UPANIṢAD

Einleitung

Die Praśna-Upaniṣad ist in Prosa und gehört zum Atharva-Veda, Pippalāda-śākhā (Zweig, Abteilung). Pippalāda ist der Hauptlehrer in der Upanishad. Sie ist eine der drei klassischen Upanishaden des Atharva-Veda. Sie ist eine spätere Upanishad. Sie wird manchmal auch Śatpraśna-Upaniṣad genannt, weil sie sechs (śat) Fragen (praśna) enthält.

Die Praśna-, Muṇḍaka- und Māṇḍūkya-Upaniṣads gehören zum Atharva-Veda. Alle drei legen großes Gewicht auf die heilige Silbe om, den praṇava.

Śaṅkara sagt zu Beginn seines Kommentars: „Dieses brāhmaṇa vertieft das, was in den Versabschnitten dargelegt worden war.“ Dies bezieht sich auf die Muṇḍaka-Upaniṣad, die als eine mantra-upaniṣad betrachtet wird. Śaṅkara nennt die Praśna-Upaniṣad ein brāhmaṇa, das der mantra-upaniṣad der Muṇḍaka entspricht und diese ergänzt. Eine gemeinsame Idee zieht sich durch die Praśna-, Muṇḍaka- und Māṇḍūkya-Upaniṣads. Sie haben Familienähnlichkeit. Einige Punkte, die in der Muṇḍaka-Upaniṣad angesprochen waren, werden in voller Breite in dieser Upanishad erklärt.

Sechs Suchende des brahman nähern sich dem Seher Pippalāda und stellen diesem sechs Fragen. Diese Fragen und die Antworten bilden den Stoff dieser Upanishad. Die erste Frage ist sehr allgemein und die sechste ist die speziellste. Die erste Frage bezieht sich auf die Schöpfung bzw. die Kosmogonie.

Prāṇa (das Lebensprinzip) und rayi (Materie) wurden als erstes von Gott erschaffen. Prāṇa wirkt auf rayi ein. Verschiedene Formen manifestieren sich dadurch. Es ist die Untermischung der beiden, prāṇa und rayi, die die Welt der vielfältigen Formen hervortreten lässt. Das eine, prāṇa, ist aktiv, positiv – das männliche Prinzip; das andere ist passiv, negativ – das weibliche Prinzip. Prāṇa gehört zum Bewusstsein der Schöpfung, während rayi die Form darstellt.

Die erste Frage beleuchtet die Beziehung zwischen Prajāpati (dem Schöpfer) und den Geschöpfen, die Dauer der Schöpfung und die Weise, wie man Prajāpati verehren sollte. Die ganze Schilderung ist mythologisch und symbolisch. Prajāpati wünschte sich Nachkommen. Aus diesem Wunsch entsprang ein Paar, nämlich Materie bzw. die universale Nahrung einerseits und prāṇa (das Leben bzw. der Verzehrer) andererseits. Als Leben und Materie wird Prajāpati nacheinander die Sonne, der Mond, das Jahr mit seinen zwei Hälften, Tag und Nacht etc. prāṇa, āditya (die Sonne), der Tag, amūrta (ohne Form), Leben, Geist, der nördliche Weg, das Unsichtbare gehören zur Seite des Lebens. Rayi, der Mond, die Nacht, mūrta (mit Form), Materie, der südliche Weg, das Sichtbare gehören zur Seite der Materie. Der Körper besteht aus fünf Elementen. Die zehn Sinne üben ihre Funktion durch den Körper aus. Der Körper wird aufrechterhalten durch prāṇam, das Lebensprinzip.

Die zweite Frage betrifft die devas, die den Menschen unterstützen und die den Sinnen und den Bestandteilen des Körpers Licht geben. Die dritte Frage geht auf die Natur und den Ursprung des prāṇa ein; die vierte bezieht sich auf Schlaf und Träumen, die fünfte auf praṇava bzw. om und die sechste auf die höchste Seele (puruṣa), die aus sechzehn kalās (Teilen) besteht.

Prathamaḥ Praśnaḥ

(Erste Frage)

KABANDHIN & PIPPALĀDA

oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śṛṇuyāma devāḥ। bhadraṃ paśyemākṣibhiryajatrāḥ।

sthirairaṅgaistuṣṭuvāṃsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ।

svasti na indro vṛddha-śravāḥ svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ।

svasti nastārkṣyo ariṣṭanemiḥ svasti no bṛhaspatirdadhātu॥

oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Oṃ, o Götter, mögen wir mit unseren Ohren hören, was glückverheißend ist; o Ihr, die Ihr verehrungswürdig seid, mögen wir, mit unseren Augen, sehen, was glückbringend ist. Mögen wir uns des Lebens erfreuen, das uns von den Göttern zugeteilt worden ist, indem wir unseren Lobpreis anbieten, mit unseren Körpern starker Glieder. Möge Indra, der machtvolle, ruhmvoll seit alters, uns Wohlstand gewähren. Möge Er, der Nahrungsgeber und Besitzer von Reichtum, uns geben, was gut für uns ist. Möge der Herr von schneller Bewegung uns gnädig sei, und möge der Beschützer der Großen auch uns beschützen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.

oṃ namaḥ paramātmane। hariḥ om॥

sukeśā ca bhāradvājaḥ śaibyaśca satyakāmaḥ sauryāyaṇī ca gārgyaḥ kausalyaścāśvalāyano bhārgavo vaidarbhiḥ kabandhī kātyāyanaste haite brahmaparā brahmaniṣṭhāḥ paraṃ brahmānveṣamāṇāḥ eṣa ha vai tatsarvaṃ vakṣyatīti te ha samitpāṇayo bhagavantaṃ pippalādamupasannāḥ॥ 1॥

1. Erläuterung: Oṃ, gepriesen sei der höchste ātman! Hariḥ om. Sukeśā, der Sohn von Bhāradvāja, Satyakāma, der Sohn von Śibi, Gārgya, der Enkel von Sūrya, Kausalya, der Sohn von Aśvala, Bhārgava, der Sohn von Vidharbi, und Kabandhin, der Sohn von Kātya – all diese, die brahman hingegeben und in brahman gefestigt waren, näherten sich dem allseits verehrten Pippalāda mit Feuerholz (samidh) in den Händen, in der Zuversicht, dass der ihnen alles erklären würde.

ERLÄUTERUNG: Dieses brāhmaṇa soll im Einzelnen erklären, was in den mantras ausgerückt war. Wissen um brahman kann gewonnen werden von Menschen, die zölibatär gelebt, tapas ausgeübt und für ein Jahr bei einem Meister gelebt haben. Dieses Wissen sollte nur von Weisen wie Pippalāda ausgegeben werden, die ātma-sākṣāt-kāra (direkte Selbstverwirklichung) erreicht haben und durch keinen anderen.

Gārgya – ein Abkömmling der Garga-Familie; (gārgyaḥ sauryāyaṇī ca – Sohn des Sonnengeschlechts); bhārgavaḥ – ein Abkömmling der Bhṛgu-Familie; vaidarbhiḥ – in Vidarbha geboren. Bharadvāja, Śaibya, Garga, Aśvalayana, Bhārgava und Kātyāyana sind Namen von gotras (Familien); brahma-parāḥ – brahman gewidmet. Mit brahman ist hier saguṇa-brahman oder apara-brahman (niedere brahman) gemeint. Sie sind also Experten im Studium der Veden; brahma-niṣṭhāḥ – auf brahman konzentriert bzw. ausgerichtet. Gefestigt in den Übungen der Hingabe an saguṇa-brahman bzw. hiraṇya-garbha; paraṃ brahmān-veṣamāṇāḥ – des höchste brahman suchend; sie möchten das transzendentale, triguṇātīta, reine para-brahman erreichen.

Sie näherten sich dem verehrungswürdigen Lehrer Pippalāda, mit jeder Menge samidh (Feuerholz für das Opfer) in den Händen, damit er ihnen alles über den höchsten brahman lehrte.

Das Feuerholz galt früher als Zeichen, dass der lernwillige Aspirant bereit war vom guru aufgenommen und eingeweiht zu werden.

tān ha sa ṛṣiruvāca bhūya eva tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā saṃvatsaraṃ saṃvatsyatha yathākāmaṃ praśnān pṛcchata yadi vijñāsyāmah sarvaṃ ha vo vakṣyāma iti॥ 2॥

2. Jener ṛṣi (Seher) sagte zu ihnen: „Bleibt ein weiteres Jahr hier, in Askese, Zölibat und mit Vertrauen; dann dürft ihr Fragen stellen, wie ihr mögt; und wenn ich die Antwort weiß, werde ich euch sicher alles erklären.“

ERLÄUTERUNG: Pippalāda sagte zu den Suchenden: Obwohl ihr schon tapas praktiziert und die Sinne kontrolliert habt, so bleibt doch trotzdem noch für ein weiteres Jahr bei mir, übt tapas (Kontrolle der Sinne) und seid insbesondere achtsam mit brahma-carya (Zölibat); entwickelt noch mehr Glauben und dient eurem Lehrer von ganzem Herzen. Dann kann jeder von euch mir Fragen stellen, wie es ihm gefällt.

Die subtilen Wahrheiten des vedānta können nicht durch einen groben und unreinen Geist erfasst werden. Der Geist sollte gereinigt werden, verfeinert und scharf werden. Nur dann wird er fähig sein, Konzentration und Meditation zu üben und die subtilen Wahrheiten der Upanishaden zu begreifen. Tapas und sexuelle Enthaltsamkeit tragen zu Reinigung des Geistes bei. Wer das Gelübde des Zölibats abgelegt hat, sollte folgende acht Dinge vermeiden:

1. an Frauen (bzw. Männer) mit niederen Gedanken denken,

2. über Frauen (bzw. Männer) sprechen,

3. mit ihnen spielen,

4. ihnen lustvoll nachblicken,

5. mit ihnen an einem abgelegenen Ort reden,

6. sie begehren,

7. versuchen, sie bekommen,

8. Geschlechtsverkehr mit ihnen haben.

Dienst am guru, dem Meister, mit Glauben und Hingabe reinigt den Geist sehr schnell. Das ist das kraftvollste Mittel, den Geist zu reinigen.

Der spirituelle Lehrer erkennt, durch seine innere Intuition, den Geisteszustand des Aspiranten, den Entwicklungsgrad, seine Schwächen etc. In der Tat sieht er durch sein inneres Auge der Weisheit ihren astralen und kausalen Körper. Der Seher Pippalāda fand durch seine innere Vision, dass noch Unreinheiten in ihnen waren und so forderte er sie auf, noch ein Jahr bei ihm zu bleiben und tapas, Enthaltsamkeit und Glauben zu üben.

„Wenn ich […] weiß“ – Das Wort „wenn“ soll zeigen, dass der Lehrer nicht stolz war – und nicht, dass er sich mit dem Thema nicht auskannte. Es gab keinen Zweifel an seinem Wissen. Er war ein allwissender Seher. Er selbst sagte: „Ich werde euch alles erklären“. Das weist darauf hin, dass er vollkommenes Wissen über brahman hatte und dass er alle Fragen beantworten konnte. Er war sehr bescheiden und demütig und daher sagte er: „Wenn ich weiß…“.

atha kabandhī kātyāyana upetya papraccha bhagavan kuto ha vā imāḥ prajāḥ prajāyanta iti ॥ 3॥

3. Dann sprach Kabandhin Kātyāyana ihn an und fragte: „Verehrter Meister, von wo her werden diese Geschöpfe geboren?“

ERLÄUTERUNG: Kabandhin aus der Familie Kātyāyana sprach Pippalāda an und fragte ihn: Woher werden diese Lebewesen, Brahmanen und alle anderen, geboren?

Atha – dann, nach einem Jahr; nachdem er tapas, Enthaltsamkeit und Glauben geübt hatte, wie angewiesen; kātyāyana – aus der Familie Kātyāyana.

Die Tendenz der Frage ist, nach Śaṅkara: Was ist die Frucht von apara-vidyā (niederem Wissen) und von Handlungen in ihrer Kombination? Die Frage soll herausfinden: Welche Resultate erhält man und welchen Weg durchläuft man, wenn man apara-vidyā und karma verbindet?

Leben hat keinen Anfang (anādi). Es gibt keinen Anbeginn für die Geschöpfe. Die Welt ist nicht geschaffen worden. Sie wird lediglich „projiziert“ durch hiraṇya-garbha.

tasmai sa hovāca prajākāmo vai prajāpatiḥ sa tapo'tapyata sa tapastaptvā

sa mithunamutpādayate।

rayiṃ ca prāṇañcety etau me bahudhā prajāḥ kariṣyata iti॥ 4॥

4. Er antwortete: „Prajāpati („Herr der Kreaturen“, Schöpfer) wünschte Nachkommen. Er übte Askese (tapas) (Gedanken) und nachdem er tapas geübt hatte, schuf er ein Paar, rayi und prāṇa (Materie und Leben bzw. Nahrung und Ver⁠zeh⁠rer), in der Erwartung, dass sie zusammen für ihn in vielfältiger Weise Geschöpfe hervorbringen würden.“

ERLÄUTERUNG: Prajā-kāmaḥ – in dem Wunsch, Wesen zu erschaffen (aus sich selbst heraus); in dem Wunsch nach Geschöpfen; prajāpati – der Schöpfer, hiraṇya-garbha; tapaḥ – Askese; hier bedeutet es Nachdenken oder Meditation über das, was getan werden soll; Nachdenken, über wie und was zu erschaffen ist; mithunam – ein Paar (u.a. in Form von Gegensätzen): Energie und Materie, prāṇa und rayi, männlich und weiblich.

Der Herr der Geschöpfe wünschte sich Geschöpfe am Beginn des kalpa. Er dachte nach und plante. Er erinnerte sich an die vergangenen kalpas und machte Pläne nach dem Vorbild der Vergangenheit. Er reflektierte über das Wissen, das ihm aus den früheren kalpas geblieben war. Nachdem er einen Plan gemacht hatte, schuf er ein Paar, prāṇa (Energie) und rayi (Materie), und sagte: „Diese beiden werden vielfältige Kreaturen für mich schaffen.“ Er dachte nach über das Wissen aus den śrutis und schuf ein Paar, das notwendig war für die Schöpfung: den Mond, d.h. Nahrung, und prāṇa (Feuer, Sonne), d.h. den Verzehrer. Er dachte, dass Sonne, Mond, Nahrung und Verzehrer, vielfältige Geschöpfe erzeugen würden, deshalb schuf er sie.

Nach Śaṅkara bedeutet rayi „Nahrung“, „Mond“ und prāṇa „Feuer“, „Verzehrer“, „Sonne“. Nur durch den Einfluss des Mondes wird der köstliche soma (Nektar) produziert, der rasa (Saft) der Erde, der die Pflanzen und Kräuter nährt. Die Sonne ist das Feuer, das den rasa verzehrt. So betrachten es die Veden. Dieses Leben wird erhalten durch annam (Nahrung) und prāṇa (Luft).

ādityo ha vai prāṇo rayireva candramā rayirvā etat sarvaṃ yanmūrtaṃ cāmūrtaṃ ca tasmānmūrtireva rayiḥ॥ 5॥

5. Die Sonne ist wahrlich das Leben (prāṇa) und der Mond ist die Nahrung (Materie). All dies, was Form hat und formlos ist, ist Nahrung. Und daher ist Form in Wahrheit Nahrung.

ERLÄUTERUNG: Mūrtam – mit Form, grob (feste, flüssige und feurige Dinge); amūrtam – ohne Form, subtil (Luft und Äther).

Die Sonne ist Energie und der Mond Materie. All dies, was einen Körper (Form) hat und was keinen Körper hat (formlos ist und subtil), ist Materie; und daher ist Körper (Form) in der Tat Materie. Die Sichtweise des Weisen Pippalāda stimmt mit der modernen Wissenschaft überein.

Die Sonne ist prāṇa, Verzehrer, Feuer. Der Mond ist Nahrung. Verzehrer und Nahrung sind in Wahrheit eins. Sie sind Aspekte des Schöpfers.

Die Sonne ist das Zentrum von Energie. Sie wird daher mit dem prāṇa identifiziert.

athāditya udayan yat prācīṃ diśaṃ praviśati

tena prācyān prāṇān raśmiṣu sannidhatte।

yaddakṣiṇāṃ yat pratīcīṃ yadudīcīṃ yadadho yadūrdhvaṃ yadantarā diśo yatsarvaṃ prakāśayati tena sarvān prāṇān raśmiṣu sannidhatte॥ 6॥

6. Jetzt: Die Sonne, wenn sie aufgeht, erfüllt den Osten. Dadurch badet sie in ihren Strahlen alle prāṇas im Osten. Wenn sie die südlichen, westlichen und nördlichen Viertel erleuchtet, den Nadir bzw. Zenith, die Zwischenbereiche und alles, dann nimmt sie dadurch alle Kreaturen in ihre Strahlen auf.

ERLÄUTERUNG: Jetzt: Die Sonne, wenn sie aufgeht, betritt sie das östliche Viertel. Dadurch sammelt (hält oder badet) sie die Lebewesen (prāṇa) des Ostens in ihren Strahlen. Wenn sie die südlichen, westlichen, nördlichen, die unteren, oberen Viertel und die dazwischen – wenn sie also alles erleuchtet, dann sammelt (badet oder hält) sie dadurch alle Lebewesen in ihren Strahlen.

Prācīm – Osten; raśmiṣu – in den Strahlen (bzw. Süden); sannidhatte – hält, erhält; pratīcīm – Westen; udīcīm – Norden.

Alle Lebewesen werden durchdrungen von den allbeherrschenden Lichtstrahlen der Sonne. Die Sonne badet alle Wesen in allen Vierteln und Richtungen mit ihrem Licht. Indem die Sonne alle Wesen mit ihrem Licht durchdringt, macht sie sie eins mit ihrem eigenen Selbst. Wo immer Leben ist, wo immer Energie ist, ist das durch den Einfluss der Sonne. Die Sonne ist die größte und die unerschöpfliche Kraftquelle auf dieser Erde. Sie unterstützt durch ihre Strahlen alles Leben in allen Richtungen.

sa eṣa vaiśvānaro viśvarūpaḥ prāṇo'gnirudayate।

tadetad ṛcā'bhyuktam॥ 7॥

7. Das ist sie (vaiśvānara), die Summe aller Lebewesen, alle Formen annehmend, Leben und Feuer, die jeden Tag aufgeht. Dies wurde gesagt im folgenden mantra des Ṛg-Veda.

ERLÄUTERUNG: Die Sonne erleuchtet die ganze Welt. Sie ist das Zentrum von Kraft und Energie. Sie ist die Quelle von Leben und Aktivität. Sie ist daher, in gewisser Weise, Schöpferin. Sie ist verbunden mit allen Aktivitäten der Menschen. Sie ist in der Tat das Leben der Welt.

Dieses Leben, die Seele aller Kreaturen (vaiśvānara), die Natur von allem, das Leben, geht als Feuer auf jeden Tag und macht dabei die Himmelsrichtungen wie zu sich selbst. Das ist im folgenden Vers dargestellt.

Die Sonne und das Feuer sind beide Manifestationen desselben prāṇa, welches alldurchdringend ist. Die Sonne ist eine Masse von Energie. Ebenso ist Feuer eine Energie. Auch die Sicht der modernen Wissenschaft ist, dass Energie bzw. die Elektronen, alles ist. Die śruti drückt dieselbe Sichtweise aus. Die alten ṛṣis fanden durch Meditation heraus, dass brahman das innere Selbst aller Wesen ist und dass es auch die Seele und die Stütze dieses Universums ist. Sie analysierten diese Welt und entdeckten die verschiedenen Prinzipien (tattvas), die die Welt konstituieren.

Das ist er, der Verzehrer, die Totalität aller Wesen, das Leben, der ātman von allem, der alle Formen annimmt, insofern er die Seele, der ātman der Welt ist, der prāṇa und das Feuer. Dies ist der Verzehrer, der jeden Tag aufgeht, der alle Richtungen erleuchtet und sie sein eigen macht. Das, was hier erklärt wurde, wird auch im folgenden Vers des Rig-Veda dargestellt.

viśvarūpaṃ hariṇaṃ jātavedasaṃ parāyaṇaṃ jyotirekaṃ tapantam।

sahasraraśmiḥ śatadhā vartamānaḥ prāṇaḥ prajānāmudayatyeṣa sūryaḥ॥ 8॥

8. Alle Formen annehmend, strahlend, allwissend, das höchste Ziel, das eine Licht, der Hitzegeber, der Tausendstrahlige, in hundert Formen existierend, das Leben aller Geschöpfe, diese Sonne erhebt sich und steigt auf.

ERLÄUTERUNG: Viśvarūpam – alle Formen besitzend; von universeller Form; hariṇam – voller Strahlen, leuchtend, gelb und golden; jātavedasam – allwissend; parāyaṇaṃ – das letztendliche Ziel, die höchste Zuflucht aller Wesen, der höchste Aufenthalt; ekam jyotiḥ – das eine Licht, ohne ein zweites, sozusagen das Auge aller Lebewesen; tapantam – Hitze gebend; sahasraraśmiḥ – von tausend Strahlen.

Die Seher, die Kenner des brahman, haben die Sonne, ihre eigenes Selbst, das innerste Selbst erkannt. Die Sonne, das Leben aller Kreaturen, geht auf und erhebt sich. Sie hat tausend, d.h. viele Strahlen; sie existiert in hundert, d.h. in vielen Formen in verschiedenen Lebewesen.

saṃvatsaro vai prajāpatistasyāyane dakṣiṇañcottaraṃ ca।

tadye ha vai tad

pūrte kṛtamityupāsate te cāndramasameva

lokamabhijayante। ta eva punarāvartante।

tasmādeta ṛṣayaḥ prajākāmā dakṣiṇaṃ pratipadyante।

eṣa ha vai rayiryaḥ pitṛyāṇaḥ॥ 9॥

9. Das Jahr ist wahrlich Prajāpati („Herr der Geschöpfe“). Darin gibt es zwei Pfade: den südlichen und den nördlichen. Die dem Weg des karma allein folgen, durch Opfer und fromme Handlungen, erreichen die Welt des Mondes und kehren sicherlich zurück. Deswegen nehmen die Weisen, welche Nachkommen wün- schen, den südlichen Weg. Diese Nahrung ist wahrlich der Weg der Vorfahren.

ERLÄUTERUNG: Saṃvatsaraḥ – ein Jahr; das höchste Selbst in der Form der kontinuierlichen Zeit; Zeit.

Es wird erklärt, wie dieses Paar – einerseits der Mond, die Form, die Nahrung, und andererseits der prāṇa, das Formlose, der Verzehrer, die Sonne – wie die alle Wesen schaffen können. Dieses Paar ist selbst die Zeit.

Man sagt, dass das Jahr, welches aus Tagen und Nächten besteht – bedingt durch Mond und Sonne – die Natur des Paares hat: die Nahrung und den Verzehrer. Es gibt zwei Wege, nämlich dakṣiṇāyaṇa, den südlichen Weg, und uttarā-yaṇa, den nördlichen Weg. Diejenigen, die iṣṭāpūrta (iṣṭa Opfer; pūrta fromme Handlungen) ausführen, erreichen die Welt des Mondes (candra-loka) durch den Pfad der Manen (pitṛyāṇa) und kehren auf diese Welt zurück. Dies ist der südliche Weg, der zur Welt des Mondes führt.

Iṣṭa – tägliche Durchführung des agni-hotra, Askese, Wahrhaftigkeit, Halten von Tieren, Beköstigung von Gästen, Füttern von Vögeln und Tieren – all das wird iṣṭa genannt; pūrta – Anlegen von Brunnen und Wasserreservoirs für die Allgemeinheit, Bauen von Tempeln, Krankenhäusern und Choultries (Rastplätzen bzw. Herbergen für Reisende), Essen spenden für die Armen und Hungernden, Anlegen von öffentlichen Gärten etc. – all das wird pūrta genannt.

athottareṇa tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā vidya-yātmānamanviṣyādityamabhijayante।

etadvai prāṇānāmāyatanametadamṛtamabhayametat parāyaṇame- tasmānna punarāvartanta ityeṣa nirodhaḥ। tadeṣa ślokaḥ॥ 10॥

10. Aber diejenigen, die den ātman durch Askese, Zölibat, Glauben und Wissen gesucht haben, die erreichen den nördlichen Weg, die Sonne. Dies ist das Heim aller Leben, das Unsterbliche, Furchtlose, das höchste Ziel. Von dort kehren sie nicht zurück, denn es ist das Ende. Dies ist unerreichbar (für die Unwissenden). Dazu gibt es diesen Vers.

ERLÄUTERUNG: Diejenigen, die das Selbst auf dem nördlichen Weg suchen – durch Askese, Kontrolle der Sinne, Zölibat, Glauben und Wissen –, erreichen die Sonne, d.h. brahma-loka. Sie erreichen den Zustand von Prajāpati (das Leben) und Āditya (der Verzehrer). Sie gehen den devayāna, den Pfad der Götter, zur Welt der Sonne; und von dort gehen sie zum brahma-loka. Sie verschmelzen mit brahman am Ende des Weltzyklus. Dies ist krama-mukti, allmähliche Befreiung.

Etad amṛtam – dies ist unsterblich und daher furchtlos. Diejenigen, die brahma-loka erreicht haben, kehren nicht auf diese Welt zurück. Sie werden nicht wiedergeboren, im Gegensatz zu den Anhängern von reinem karma (religiösen Hand- lungen); nirodhaḥ – Hindernis. Die Unwissenden, behindert durch die Sonne, erreichen nicht das Jahr, die Sonne, den prāṇa. Der nördliche Pfad ist für die Unwissenden blockiert, da sie nicht die notwendigen Vorbedingungen erfüllen.

pañcapādaṃ pitaraṃ dvādaśākṛtiṃ diva āhuḥ pare ardhe purīṣiṇam।

atheme anya u pare vicakṣaṇaṃ saptacakre ṣaḍara āhurarpitamiti॥ 11॥

11. Mit fünf Füßen (d.h. Jahreszeiten), der Vater, mit zwölf Formen (d.h. Monaten), der Spender von Regen – sie (die Weisen) sagen: Er wohnt an einem Ort, der höher ist als der Himmel. Andere nennen ihn allweise, auf dem die ganze Welt ruht, wie ein Gefährt (das von sieben Pferden gezogen wird) mit sieben Rädern und sechs Speichen.

ERLÄUTERUNG: Pañca-pādam – fünf Füße. Die fünf Jahreszeiten (ṛtus) sind die fünf Füße. Hemanta und śiśira (kalte Jahreszeit, Winter) werden als eins betrachtet; vicakṣaṇaṃ – der Seher (die Sonne).

Die fünf Jahreszeiten sind die Füße der Sonne. Die Sonne ist nichts anderes als das Jahr bzw. die Zeit. Die Sonne ist der Schaffer, das Maß, der Zeit. Die Sonne markiert diese als Jahr, mit dessen Unterteilungen, den Jahreszeiten und Monaten; und insofern ist die Sonne der Vater von allem. Das Jahr bewegt sich mit den Jahreszeiten als seinen Füßen. Die Sonne wird der Vater genannt, denn er ist der Schöpfer von allem, er hält alles Leben aufrecht und alles Leben kommt aus ihm hervor.

Dvādaśākṛtim – mit zwölf Formen. Die zwölf Monate sind die zwölf Formen, d.h. die Glieder oder Komponenten des Jahres. Er wohnt an einem Ort, der höher ist als der dyu-loka (der dritte Himmel). Himmel bedeutet hier: die Atmosphäre; purīṣiṇam – voll Wasser, ausscheidend, Regen gebend. Die Sonne hat einen Überfluss an Regen, da sie diesen aus den Wassern der Ozeane herauszieht; āhuḥ – sie sagen, d.h. die Weisen sagen. Die Kenner der Zeit sagen, dass die Welt an dem Rad der Zeit befestigt ist; sie bewegt sich immer in der Form von sieben Pferden und sechs Jahreszeiten. Die Welt ist dort befestigt wie Speichen in einem Rad. Das Jahr, welches die Natur der Zeit hat, der Herr der Schöpfung, in der Form von Sonne und Mond, ist die Ursache dieser Welt; saptacakre – mit sieben Rädern. Die sieben Strahlen oder Farben der Sonne sind bekannt als die sieben Pferde der Sonne. Oder sie sind vielleicht auch die Unterteilungen des Jahres: Halbjahre, Jahreszeiten, Monate, halbe Monate, Tage, Nächte und muhūrtas (Stunden). Oder sie sind die sieben cakras, durch die der prāṇa aufsteigt; ṣaḍare – auf (einem Wagen) mit sechs Speichen. Die sechs Speichen sind die sechs Jahreszeiten. Der Seher, die Sonne, sitzt auf einem Wagen mit sieben Rädern und sechs Speichen. Die sechs Speichen sind vielleicht auch ṛc (bzw. ṛg), yajus, sāman, yajña, kṣatra und brāhmaṇa. Die zwölf Gesichter sind die zwölf Aspekte des prāṇa.

Der fünffüßige Vater kann auch der prāṇa sein, der fünf Füße oder Bewegungsformen hat: prāṇa, apāna, vyāna, samāna, udāna (die Funktionen Atem, Ausscheidung, Verdauung, Kreislauf und Schlaf).

māso vai prajāpatistasya kṛṣṇapakṣa eva rayiḥ śuklaḥ prāṇastasmādeta

ṛṣayaḥ śukla iṣṭaṃ kurvantītara itarasmin॥ 12॥

12. Der Monat ist Prajāpatī, seine dunkle Hälfte ist wahrlich die Nahrung, die helle Hälfte ist prāṇa. Deswegen führen diese ṛṣis Opfer in der hellen Hälfte aus, die anderen in der dunklen Hälfte.

ERLÄUTERUNG: Der Monat ist wahrlich Prajāpati („Herr der Geschöpfe“). Prajā-patī, in der Form des Jahres, erfährt Vollendung durch seine Teile, die Monate. Der Monat ist seiner Natur nach wiederum ein Paar: Der eine Teil, die dunkle Hälfte, ist Nahrung, Materie oder der Mond. Der andere Teil, die helle Hälfte, ist die Sonne, der Verzehrer, das Feuer oder prāṇa.

Einige ṛṣis (Seher) betrachten alles als prāṇa, gekennzeichnet durch die helle Hälfte. Sie sehen die Natur von allem als Leben. Obwohl sie daher auch in der dunklen Hälfte Opferhandlungen ausführen, so führen sie sie in Wahrheit nur in der hellen Hälfte aus, da sie die dunkle Hälfte nicht als getrennt vom prāṇa, der hellen Hälfte ansehen. Dies ist eine verfeinerte Sichtweise. Andere dagegen sehen nicht den prāṇa, sondern sie sehen nur die dunkle Hälfte. Obwohl sie daher auch Opferhandlungen in der hellen Hälfte durchführen, so führen sie diese doch in dunklen Hälfte aus, da sie den prāṇa, das Leben, nicht sehen; sie sehen die Natur nur in ihrer Dunkelheit.

Da ist Rhythmus und Harmonie in der Welt. Während pralaya (Auflösung, Rückzug der Welt) ist Ruhe. Diese wird gefolgt von Bewegung, wenn die Welt nach außen projiziert wird. Im Jahr gibt es zwei Sonnenwenden, wo die Sonne nach Norden bzw. nach Süden wandert. Im Monat gibt es die helle Hälfte und die dunkle. Innerhalb eines Tages gibt es Tag und Nacht. Die Nacht ist der tägliche pralaya.

ahorātro vai prajāpatistasyāhareva prāṇo rātrireva rayiḥ।

prāṇaṃ vā ete praskandanti ye divā ratyā saṃyujyante brahmacaryameva tadyadrātrau ratyā saṃyujyante॥ 13॥

13. Tag und Nacht sind Prajāpatī; der Tag ist der prāṇa und die Nacht ist wahrlich die Nahrung. Diejenigen, die sich bei Tage in Liebe vereinigen, vergeuden ihren prāṇa; die sich aber bei Nacht in Liebe vereinigen, kann man wahrlich als brahma-cārī betrachten.

ERLÄUTERUNG: Tage und Nächte sind die Teile des Monats. Der Tag ist in der Tat prāṇa, der Verzehrer, das Feuer; und die Nacht ist die Nahrung.

Die sich bei Tage in Liebe vereinigen, vergeuden ihre Energie. Nebenbei wird hier die Regel gesetzt, dass man sich nicht bei Tage vereinigen sollte. Wenn sie sich aber in der Nacht vereinigen, in der rechten Zeit (ṛtu), so ist das in der Tat brahma-cārya (sexuelle Selbstkontrolle). Ganz nebenbei wird hier die Regel aufgestellt, dass man sich seiner Frau nur zur geeigneten Zeit nähern soll.

annaṃ vai prajāpatistato ha vai tadretastasmādimāḥ prajāḥ prajāyanta iti॥ 14॥

14. Nahrung ist wahrlich Prajāpatī; aus ihr entsteht der Samen und aus diesem werden alle Geschöpfe geboren.

ERLÄUTERUNG: Retaḥ – Samen; annam – Nahrung. Das bedeutet: Nahrung ist der Herr der Schöpfung. Inwiefern? Aus der Nahrung entsteht der Samen, der die Ursache der Schöpfung ist. Diese Geschöpfe, Menschen und alle anderen, haben ihren Ursprung im Samen.

Dieser Vers antwortet unmittelbar auf die erste Frage „O verehrter Meister, von wo werden diese Geschöpfe geboren?“ Die Geschöpfe entstehen als Paare: Sonne und Mond etc., bis hin zu Tag und Nacht, auf dem Weg über Nahrung, Blut und Samen.

Zuvor war gesagt worden, dass Jahr, Monat, Tag und Nacht Prajāpati sind. Jetzt in diesem Vers, wird gesagt, dass auch Nahrung und Samen Prajāpati sind. Primär ist Prajāpati ein Beiname Brahmās und ein Synonym für hiraṇya-garbha. Da diese aber Manifestationen von Prajāpati sind, d.h. Materie und Energie, werden sie selbst auch Prajāpati genannt. Dieser physische Körper ist aus dem Samen hervorgegangen. Samen ist der Ursprung dieses Körpers. Daher wird auch der Samen als Prajāpati bezeichnet.

Auch die Zeit ist ein Ausdruck, eine Manifestation, von Prajāpatī, d.h. von Brahmā. In der Bhagavad-Gītā (10.30,33) sagt Kṛṣṇa: kāla kalayatānaham – „unter Zählsystemen bin Ich die Zeit“; aham eva akṣayaḥ kālaḥ – „Ich bin die immerwährende Zeit.“

Wenn die Zeit Prajāpati (Brahmā) ist, dann sind die Unterteilungen der Zeit – Jahre, Jahreszeiten, Monate, Tage und Nächte – auch Brahmā. In diesem Universum gibt es nichts anderes als brahman. Diese Unterteilungen sind Funktionen derselben Materie und Energie, welche die Grundprinzipien der Schöpfung sind.

Die Zeit wird hervorgebracht durch die Bewegung der Sonne. Wenn da keine Sonne wäre, gäbe es keine Zeit, kein Jahr, keinen Monat, keine Jahreszeit, keinen Tag, keine Nacht, keine Nahrung, kein Leben, überhaupt keine Schöpfung. Die Sonne, die Zeit, die Nahrung, das Leben und Prajāpati sind eins. Die Sonne und die Zeit kontrollieren das Leben. Und die Nahrung nährt das Leben. All diese verschiedenen Prinzipien sind eng miteinander verflochten. Hinter der Materie, der Energie, der Nahrung etc. ist ein gemeinsamer Faden, das reine Bewusstsein, welches die Quelle und der Mutterschoß von allem ist, welches selbstleuchtend ist, ewig, unveränderlich und alldurchdringend.

tadye ha vai tatprajāpativrataṃ caranti te mithunamutpādayante।

teṣāmevaiṣa brahmaloko yeṣāṃ tapo brahmacaryaṃ yeṣu satyaṃ pratiṣṭhitam॥ 15॥

15. Daher: Diejenigen, die die Regel des Prajāpati einhalten (siehe Vers 13), erzeugen ein Paar. Nur für diejenigen, in denen Askese, Enthaltsamkeit und Wahrheit verankert sind ist dieser brahma-loka.

ERLÄUTERUNG: Prajāpati-vratam – das Gelübde des Prajāpati bzw. die Regel des Prajāpatī, nach der der Ehemann sich der Ehefrau nur zu der richtigen Zeit nähert (ṛtu-kāla-gamanam); mithunam – ein Paar. Diejenigen, die das Gelübde/die Regel des Prajāpati einhalten, erzeugen ein Paar, d.h. einen Sohn und eine Tochter; brahma-loka – hier ist nur der candra-loka (die „Welt des Mondes“) gemeint und nicht die (reine) Welt des Brahmā. Sie wird hier die „Welt des Brahmā“ genannt, weil sie ein Teil von Prajāpatī, also Brahmā, ist.

Jene unwissenden Hausväter, welche nur einfach die Regel des Prajāpati einhalten, ernten die Früchte davon in dieser Welt, nämlich Söhne und Töchter. Aber diejenigen, die Askese, Zölibat und Wahrhaftigkeit praktiziert haben und außerdem Opferrituale, fromme Handlungen und milde Gaben, komen nach diesem Leben zum candra-loka, der zum Weg der Vorfahren (pitṛyāṇa) führt.

teṣāmasau virajo brahmaloko na yeṣu jihmamanṛtaṃ na māyā ceti॥ 16॥

16. Jener reine brahma-loka gehört nur denen, die frei sind von Täuschung, Falschheit oder Heuchelei.

ERLÄUTERUNG: Virajaḥ – rein, makellos; jihmam – Unehrlichkeit, Täuschung; anṛtam – Falschheit; māyā – Heuchelei, Verstellung, Arglist.

Brahma-loka – die Welt von Brahmā (satya-loka). Diese Welt ist rein, ohne Makel – anders als die Welt des Mondes (candra-loka). Die Welt von Brahmā unterliegt nicht Wachstum oder Minderung. Brahma-loka, der in diesem Vers erwähnt wird, ist das Ziel derjenigen, die karma mit Verehrung verbinden. Der brahma-loka, der im vorangehenden Vers genannt wurde, ist für die, die ausschließlich karma (Opfer und milde Gaben) durchführen.

Betrug und Täuschung führen zu Handlungen, die Konflikte bringen. Spiel, Witze-Reißen und Sich-Amüsieren führen dazu, dass man die Unwahrheit sagt. Sie sollten also vermieden werden. Heuchelei bedeutet, dass man vorgibt etwas zu sein was man nicht ist. Der Heuchler spricht von sich selbst auf die eine Weise, handelt aber anders. Betrug, Unehrlichkeit, Falschheit und Täuschung verschmutzen das Herz. Sie stellen ein großes Hindernis auf dem spirituellen Weg dar. Man sollte sie eliminieren, indem man die gegenteiligen Tugenden, wie Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit übt.

HIER ENDET DER ERSTE PRAŚNA.

OM

Dvitīyaḥ Praśnaḥ

(Zweite Frage)

BHĀRGAVA & PIPPALĀDA

atha hainaṃ bhārgavo vaidarbhiḥ papraccha।

bhagavan katyeva devāḥ prajāṃ vidhārayante katara

etatprakāśayante kaḥ punareṣāṃ variṣṭhaḥ iti॥ 1॥

1. Dann fragte ihn Bhārgava, der Sohn von Vidarbhi: O bhagavan! Wie viele devas unterstützen den geschaffenen Menschen? Welche von ihnen erhellen ihn? Wer ist unter ihnen der größte?

ERLÄUTERUNG: Devāḥ – Götter, Kräfte, Organe oder Sinne; prakāśayante – manifestieren, erleuchten; variṣṭhaḥ – der größte bzw. Gott.

Bhārgava, der Sohn des Vidarbhi fragte Pippalāda: O bhagavan (verehrungswürdiger Meister)! Wie viele devas (Sinne) unterstützen diese Schöpfung, d.h. den Körper? Welche unter den Sinnen manifestieren ihre Herrlichkeit, ihre Kraft, im Äußeren? Mittels welcher devas erhält Gott diese Geschöpfe und lässt sie das äußere Universum erfahren? Welche Energien, d.h. devas, erleuchten diesen Körper? Welche sind beteiligt an den Vorgängen der Wahrnehmung und des Erkennens? Und außerdem: Wer ist der beste und größte unter ihnen?

In der Beantwortung der ersten Frage wurde gelehrt, dass Gott alles erschuf, einschließlich prāṇa und rayi. Auf das Schaffen folgt das Erhalten. Die zweite Frage und Antwort befassen sich genau damit. Es war erklärt worden, dass prāṇa der größte ist. In der ersten Frage war das Leben als der Verzehrer, als Prajāpati, dargestellt worden. In der zweiten Frage wird analysiert, wie dessen Natur als Prajāpati – das universelle Leben bzw. der Verzehrer – sich im Körper ausdrückt. Die zweite Frage behandelt die Kräfte, die Herrlichkeit und die Brillanz des prāṇa. Es ist der prāṇa, der den Mikrokosmos und den Makrokosmos aufrechterhält. Er erleuchtet sie und ist daher der Beste von allen.

tasmai sa hovāca। ākāśo ha vā eṣa devo vāyuragnirāpaḥ pṛthivī vāṅmanaścakṣuḥ śrotraṃ ca।

te prakāśyābhivadanti vayametadbāṇamavaṣṭabhya vidhārayāmaḥ॥ 2॥

2. Er antwortete: Jene devas sind wahrlich Äther, Wind, Feuer, Wasser, Erde, Sprache, manas, Auge und Ohr. Indem sie ihre Herrlichkeit darstellten (sich rühmten und wetteiferten), sagten sie: „Wir sind es, die diesen Körper zusammenhalten und stützen.“

ERLÄUTERUNG: Abhivadanti – sie diskutierten untereinander; bāṇam („Pfeil“) – nach Śaṅkara: der Körper.

Diese devas, also die Sinne, stellten ihre Herrlichkeit heraus und wetteiferten miteinander um den Vorrang; sie sagten: „Wir allein sind es, die den Körper aufrechterhalten und stützen.“ Jeder Sinn glaubt, dass er allein den Körper aufrechterhält. Sie diskutieren miteinander. Die fünf groben Elemente stellen die Grund- lage des Körpers dar.

Neben Sprache, manas, Auge und Ohr sollten auch die anderen sieben Sinne eingeschlossen sein. Es sind diese die fünf Organe des Wissens (jñānendriyas) und die fünf Organe des Handelns (karmendriyas). Die fünf jñānendriyas sind Ohr, Haut, Auge, Zunge, Nase. Die fünf karmendriyas sind Sprache, Hände, Füße, Geschlechtsorgane und Anus.

tān variṣṭhaḥ prāṇa uvāca।

mā mohamāpadyatha ahamevaitatpañcadhātmānaṃ pravibhajyaitadbāṇa-mavaṣṭabhya vidhārayāmīti te'śraddadhānā babhūvuḥ॥ 3॥

3. Der größte prāṇa sagte zu ihnen: „Verliert euch nicht in dieser Täuschung (habt keinen falschen Stolz)! Ich allein unterstütze diesen Körper und erhalte ihn, indem ich mich in fünf Teile aufteile.

ERLÄUTERUNG: Variṣṭhaḥ prāṇaḥ – der größte prāṇa bzw. der Haupt-prāṇa; pañca-dhā – in fünf Teilen; in fünf Weisen, in denen ich mich in prāṇa, apāna, vyāna, samāna und udāna aufteile.

Der Haupt-prāṇa sprach zu den devas, die auf diese Weise miteinander argumentierten: „Wie seid ihr in diese Täuschung verfallen? Warum seid ihr so eingebildet? Wieso denkt jeder von euch: ‘Ich unterstütze und erleuchte den Körper?’ Lasst diese falschen Ideen! Ich bin es, der diesen Körper erhält und belebt, indem ich mich in fünf Teile aufteile.“ Die anderen devas glaubten ihm nicht. Sie dachten: ‘Wie könnte das sein?’

Gehirn, Lunge, Herz, Leber, Milz, Nieren, Blase, Bauchspeicheldrüse, Unterleibsorgane, Dünndarm, Dickdarm etc. – all diese üben ihre Funktion durch prāṇa (die Lebensenergie) aus. Auch das sympathische Nervensystem, die motorischen Nerven und die Sinnesnerven – alle funktionieren durch prāṇa. Der manas, der Intellekt und die zehn Organe, auch sie arbeiten allein durch prāṇa. Der Atem und die Gedanken sind alle nur Ausdruck von prāṇa. Prāṇa ist das wichtigste und grundlegende Prinzip (tattva) im Körper und in der Natur. Deswegen wird prāṇa auch als brahman bezeichnet. Der individuelle prāṇa ist ebenfalls ein Teil des universellen prāṇa bzw. der kosmischen Energie.

so'bhimānādūrdhvamutkrāmata iva tasminnutkrāmatyathetare

sarva evotkrāmante tasmiṃśca pratiṣṭhamāne sarva eva pratiṣṭhante।

tadyathā makṣikā madhukararājānamutkrāmantaṃ

sarva evotkrāmante tasmiṃśca pratiṣṭhamāne sarva eva pratiṣṭanta

evaṃ vāṅmanaścakṣuḥ śrotraṃ ca te prītāḥ prāṇaṃ stunvanti॥ 4॥

4. Sie glaubten ihm nicht. Er (der Haupt-prāṇa) tat so, als wolle er aus Ärger nach oben aus dem Körper austreten. Als der prāṇa hinausging, gingen unmittelbar auch die anderen und wenn er blieb, so blieben auch die anderen – so wie Bienen ausfliegen, wenn die Königin ausfliegt und zurückkehren, wenn sie zurückkehrt. Daraufhin priesen Denkorgan, Sprachorgan, Auge, Ohr etc., die jetzt zufriedengestellt waren, den prāṇa auf folgende Weise:

ERLÄUTERUNG: Utkrāmanti – nachdem sie hinausgegangen waren; makṣikāḥ – Bienen; madhukara-rājānam – der König der Bienen, die Bienenkönigin; pra-tiṣṭhante – bleiben.

Als die devas die wahre Aussage des Haupt-prāṇa nicht glaubten, tat er so – um sie zu überzeugen –, als wolle er den Körper verlassen. Prāṇa spielte quasi den Verletzten, als die devas ihm nicht glaubten. Er begann den Körper zu verlassen, gleichsam aus Verärgerung.

Verläßt der prāṇa den Körper, verlassen ihn auch die Sinne; bliebt er im Körper, blieben auch die Sinne. So wie die Bienen den Stock verlassen, wenn die die Königin ausfliegt, und wie sie bleiben, wenn die Königin bleibt, so taten es auch manas, Sprachorgan, Auge, Ohr etc. Der manas und die Organe gaben ihre Ungläubigkeit auf, anerkannten die Herrlichkeit und Größe des prāṇa, waren erfreut und priesen den prāṇa. (Zu diesem Disput zwischen den Organen und dem prāṇa siehe auch Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad, 6.1 und Chāndogya-Upaniṣad, 5.1.)

eṣo'gnistapatyeṣa sūrya eṣa parjanyo maghavāneṣa vāyuḥ।

eṣa pṛthivī rayirdevaḥ sadasaccāmṛtaṃ ca yat॥ 5॥

5. Siehe, das ist der, der das Feuer (agni) ist, das brennt (tapati); das ist der, der die Sonne (sūrya) ist; das ist der, der Regen (parjanyaḥ) ist; das ist der, der Indra (Maghavān) ist; das ist der, der die Luft (vāyu) ist; das ist der, der Gott ist; das ist der, der die Erde (pṛthivī) ist; das ist der, der Materie (rayi) ist; das ist er, der Form (sat) und formlos (asat) ist; und das ist der, der Unsterblichkeit (amṛta) ist.

ERLÄUTERUNG: Sat – was Sein ist, Form, grob, sichtbare Objekte; asat – was nicht ist, Nichtsein, formlos, subtil, nicht wahrnehmbar, kausale Materie, die nicht durch die Sinne erkannt und wahrgenommen werden kann.

Dieser prāṇa ist ganz und gar Energie, wo immer er zu finden ist, sei es im Feuer, in der Sonne, im Regen oder im Wind. Alle Kräfte der Natur sind prāṇa und nichts anderes. Er ist die Erde (die alles hält) und der Mond (der alles ernährt). Er ist auch amṛta, welches die Grundlage und der Sitz aller devas ist.

arā iva rathanābhau prāṇe sarvaṃ pratiṣṭhitam।

ṛco yajūṃṣi sāmāni yajñaḥ kṣatraṃ brahma ca॥ 6॥

6. Wie die Speichen in der Nabe eines Rades, so ist alles im prāṇa zentriert, so auch die Verse des Ṛg-Veda, Yajur-Veda, Sāma-Veda, die Opfer, die kṣatriyas und die brāhmaṇas.

ERLÄUTERUNG: Kṣatram (kṣatriya) – Kraft, Angehöriger der Kriegerkaste; brahma (brāhmaṇa) – Weisheit, Angehöriger der Priesterkaste.

So wie die Speichen in der Nabe des Rades festgemacht sind, so ist alles – von āśā (Wunsch, Wille, Hauch) bis hinunter zum Namen (zur Materialisierung und Bezeichnung) – festgemacht im prāṇa (siehe Chāndogya-Upaniṣad, 7.1-15). Auch die Veden sind im prāṇa festgemacht, d.h. sie kamen aus hiraṇya-garbha, dem universellen prāṇa. Sie können nur mithilfe des prāṇa rezitiert werden. Die drei Arten von mantras und was durch sie erreicht wird, d.h. die Opferhandlungen, die kṣatriyas, die Beschützer von allen, die brāhmaṇas, die befähigt sind, Opfer und religiöse Handlungen auszuführen – all diese sind in prāṇa gegründet und festgemacht. Prāṇa ist all dies. Prāṇa ist die universelle Lebenskraft.

prajāpatiścarasi garbhe tvameva pratijāyase।

tubhyaṃ prāṇa prajāstvimā baliṃ haranti yaḥ prāṇaiḥ pratitiṣṭhasi॥ 7॥

7. Als Prajāpati („Herr der Geschöpfe“) bewegst du dich im Mutterleib; du wirst immer wieder neu geboren. Dir, o prāṇa, der du zusammen mit den anderen prāṇas (den Sinnen) wohnst, bringen diese Lebewesen Opfer dar.

ERLÄUTERUNG: Prāṇa (Lebensenergie) ist Prajāpati. Er bewegt sich im Mutterleib. Im Mutterleib bewirkt er das Wachstum des Fötus. Er treibt das Kind aus dem Leib, wenn es gewachsen ist. Er wird geboren als Kind, als eine neue Verkörperung des Vaters und der Mutter. Prāṇa ist sowohl Vater als auch Mutter, da er Prajāpati, das universelle Leben, ist. Der Mensch opfert dem prāṇa durch die Augen, Ohren, Nase, Mund etc. Die Sinne bringen die Wahrnehmungen ihrer jeweiligen Objekte herbei, um das Leben in dem Körper zu nähren und aufrechtzuerhalten. Das sind die Opfer an prāṇa, den Herrn der Sinne. Prāṇa ist der Verzehrer. Alles ist Nahrung für prāṇa.

In den vorangegangenen zwei Versen (5 und 6) war prāṇa in der dritten Person gepriesen worden. In den Versen 7 bis 11 wird er direkt angesprochen: „Als Prajā-patī bewegst du dich [...]“.

devānāmasi vahnitamaḥ pitṝṇāṃ prathamā svadhā।

ṛṣīṇāṃ caritaṃ satyamatharvāṅgirasāmasi॥ 8॥

8. Du bist der beste Überbringer an die Götter, die erste Opfergabe an die Vorväter. Du bist das wahre aktive Prinzip der Sinne (prāṇas), welche die Essenz des Körpers sind.

ERLÄUTERUNG: Vahnitamaḥ – du bist der beste Überbringer; pitṝṇāṃ prathamā svadhā – die erste Opfergabe an die Ahnen; aṅgirasām – von den Söhnen Aṅgiras; atharvā – bist du Atharvān; ṛṣīṇām – von den Weisen; satyam caritam asi – bist du die Wahrheit und die Tugend. Śaṅkara deutet dies als die Sinne; die Sinne werden atharvā genannt. Die zweite Zeile kann so übersetzt werden: „Du bist das wahre Tun der Weisen, der Abkömmlinge des Atharvān und Aṅgiras.“; ṛṣi (von der Wurzel ṛṣa) – gehen, bekommen, erhalten, denn die Sinne sind die Erzeuger von Wissen.

Prāṇa ist der beste der Überbringer der Opfergaben an die devas, z.B. Agni, der Feuergott, überbringt den Göttern die Opfergaben, die in das Feuer gegeben wurden. Deswegen wird es vahni (Träger, Überbringer) genannt. „Agni“ (Feuer) ist nur eine andere Ausdrucksform von „prāṇa“ (Lebensenergie). „Dieses Leben als Feuer brennt, prāṇa brennt als Feuer.“ (siehe Vers 2.5).

Die Nahrung, die im nāndī-śrāddha den Ahnen dargebracht wird, geht sogar jener voran, die Indra geopfert wird. Prāṇa allein ist der Überbringer der ersten Opferung an die Vorfahren. Prāṇa ist das aktive Prinzip, das die Sinne und den Körper aufrechterhält. Die Glieder und die Organe würden sofort vertrocknen und verdorren, wenn da kein prāṇa wäre. Prāṇa ist also die Essenz, der Saft, aller Sinne und des Körpers.

indrastvaṃ prāṇa tejasā rudro'si parirakṣitā।

tvamantarikṣe carasi sūryastvaṃ jyotiṣāṃ patiḥ॥ 9॥

9. O prāṇa! Du bist Indra, du bist kühn wie Rudra, du bist der Beschützer, du bewegst dich im Himmel, du bist die Sonne, der Herr aller Himmelslichter.

ERLÄUTERUNG: Indraḥ – Indra bzw. Parameśvara, der höchste Gott; tejasā – hinsichtlich Glanz, Stärke, Mut; rudraḥ – Rudra (Name von Śiva), der Zerstörer; parirakṣitā – der Beschützer, also Viṣṇu; jyotiṣāṃ patiḥ – der Gott aller Lichter, alle Lichter scheinen durch dich.

Agni, o prāṇa! Du bist Indra (bzw. Parameśvara), der höchste Gott. An Stärke bist du Rudra, der Zerstörer der Welt. Du bist Viṣṇu, der Beschützer der Welt durch deinen milden Aspekt. Du bewegst dich immer in dem Himmelsraum. Du bist die Sonne, der Gott aller himmlischen Lichter.

yadā tvamabhivarṣasyathemāḥ prāṇa te prajāḥ।

ānandarūpāstiṣṭhanti kāmāyānnaṃ bhaviṣyatīti॥ 10॥

10. Wenn du Regen herniederfallen lässt, dann, o prāṇa, sind deine Geschöpfe beglückt und hoffen, dass da Nahrung sein wird, wie sie es sich wünschen.

ERLÄUTERUNG: Wenn du, als Wolke, von allen Seiten Regen niedergehen lässt, dann werden diese Geschöpfe lebendig und freuen sich, in der Hoffnung, dass es reichlich Nahrung geben wird. Wenn sie Nahrung erhalten haben, arbeiten sie eifrig.

O prāṇa, diese deine Geschöpfe, die du selbst bist, genährt durch deine Nahrung, freuen sich beim bloßen Anblick des Regens, den du schickst. Sie denken, dass es reichlich zu essen geben wird, wie sie es sich wünschen.

Nach der Lesart Prāṇate wäre der Sinn: „Dann leben diese Geschöpfe.“

vrātyastvaṃ prāṇaikarṣirattā viśvasya satpatiḥ।

vayamādyasya dātāraḥ pitā tvaṃ mātariśva naḥ॥ 11॥

11. O prāṇa! Du bist ein vrātya (Nichtgereinigter), du bist das Feuer ekaṛṣiḥ, der Allesverzehrende, der gute devatā der Welt. Wir sind die Opfernden, o Mātari-śvan; du bist unser Vater.

ERLÄUTERUNG: Vrātyaḥ – nicht gereinigt; eine Person, für den die saṃskāras, die Initiationsriten, nicht durchgeführt worden sind. Da du der erste bist, war da niemand, der dich hätte initiieren können. Da prāṇa der Erstgeborene ist, war niemand da, der die saṃskāras, die Initiationsriten, hätte durchführen können. Da er von Natur aus vollkommen rein ist, gab es keine Notwendigkeit, reinigende Rituale durchzuführen.

Ekaṛṣiḥ – du bist das berühmte Feuer der Anhänger des Atharva-Veda; du bist der Verzehrer der Opfergaben. Du allein bist der Gott alles Seienden, du bist der gute Gott; satpatiḥ – der Gott alles Seins, der Gott der Wahrheit, der gute Gott. Wir sind die Opfernden, die dir, als deine Anbeter, Gaben darbringen; mātariśva – o Mātariśvan, du bist unser Vater. (Oder: du bist der Vater von Mātariśvan, dem Wind.) Daher ist ein gesichertes Faktum, dass du der Vater des ganzen Universums bist.

yā te tanūrvāci pratiṣṭhitā yā śrotre yā ca cakṣuṣi।

yā ca manasi santatā śivāṃ tāṃ kuru motkramīḥ॥ 12॥

12. Lass deinen Körper wohlgesonnen sein, der in der Sprache, dem Ohr, dem Auge wohnt und der auch den manas durchdringt – geh nicht hinaus!

ERLÄUTERUNG: Tanuḥ – Körper oder Teil, Ausdruck von prāṇa.

Deine Form, die in der Sprache, in dem Ohr, in dem Auge und in dem manas existiert, ist in allen anwesend. Mache sie alle glückbringend. O prāṇa, geh nicht aus diesem Körper heraus.

O prāṇa, dein Körper, deine Form, ist in der Sprache. Du bewegst den Mund des Sprechers. Deine Form ist in dem Ohr und du machst, dass das Ohr hört. Deine Form ist im Auge und du lässt das Auge sehen. Deine Form ist im manas und du lässt den manas denken. Mache diese Formen still und ruhig. Mach sie nicht unruhig, indem du (nach oben) aus dem Körper weicht.

prāṇasyedaṃ vaśe sarvaṃ tridive yat pratiṣṭhitam।

māteva putrān rakṣasva śrīśca prajñāṃ ca vidhehi na iti॥ 13॥

13. All dies ist in der Kontrolle des prāṇa, ebenso wie all das, was im dritten Himmel existiert. Schütze uns wie eine Mutter. Gib uns Reichtum und Weisheit.

ERLÄUTERUNG: Alle Dinge, die wir in dieser Welt genießen, sind unter der Kontrolle des prāṇa. Alle Dinge im Himmel, die von den devas genossen werden, sind auch unter der Kontrolle des prāṇa. Tridive bedeutet wohl „die drei Welten“. Was immer in den drei Welten existiert, ist unter der Kontrolle von prāṇa. Du gibst den Glanz und Ruhm den brāhmaṇas und die Kraft den kṣatriyas. Prāṇa allein ist Gott, der Beschützer. Deswegen, O prāṇa, beschütze uns, wie eine Mutter ihre Kinder beschützt. Gib uns den Reichtum und das Wissen, die in dir sind.

Prāṇa ist der Gott der Schöpfung. Er ist der Verzehrer. Er ist der Gott von Sprache, Auge, Ohr, manas etc. Seine Herrlichkeit, Größe und Überlegenheit sind also eine gesicherte Tatsache.

HIER ENDET DER ZWEITE PRAŚNA.

OM

Tṛtīyaḥ Praśnaḥ

(Dritte Frage)

KAUSALYA & PIPPALĀDA

atha hainaṃ kausalyaścāśvalāyanaḥ papraccha। bhagavan kuta eṣa prāṇo

jāyate kathamāyātyasmiñśarīra ātmānaṃ vā pravibhajya kathaṃ pratiṣṭhate

kenotkramate kathaṃ bāhyamabhidhate kathamadhyātmamiti ॥ 1॥

1. Dann fragte ihn Kausalya, der Sohn von Aśvala: „O bhagavan! Woraus ist der prāṇa geboren? Wie gelangt er in den Körper? Wie verweilt er dort, nachdem er sich selbst aufgeteilt hat? Wie verlässt er ihn? Wie unterstützt er alles, was außerhalb des Körpers ist, und alles, was im Innern ist?“

ERLÄUTERUNG: Diese Frage zeigt, dass der höchste Gott nicht nur der Schöpfer des ganzen Universums ist, sondern auch den Mikrokosmos regiert, als der fünffältige prāṇa. Nachdem festgestellt worden ist, dass die Natur von Prajāpati, dem Verzehrer, zum Leben gehört, wird jetzt eine weitere Frage gestellt, um die Art und Weise zu klären, wie er verehrt werden sollte.

Atha – dann, als nächstes; enam – ihn; kutaḥ - woher; katham – wie; kena – durch welche Mittel; utkramate – geht heraus (aus diesem Körper); iti – so.

Dann fragte Kausalya, der Sohn des Aśvala, den Pippalāda. Obwohl nun die Herrlichkeit des prāṇa erkannt worden ist, so mag er doch eine Wirkung oder eine Kombination (saṃhata) oder eine Modifikation von etwas sein. Darum frage ich, o verehrungswürdiger Meister, woher, aus welcher Ursache, ist prāṇa geschaffen und wie gelangt er in diesen Körper, nachdem er geschaffen worden ist? Was ist der Grund dafür, dass er einen Körper annimmt? Wie verweilt er dort, nachdem er sich selbst aufgeteilt hat? Wie tritt er aus dem Körper heraus? Wie unterstützt (bzw. belebt) er das, was ohne Körper ist und sich außerhalb des Körpers befindet (adhibhūta und adhidaiva)? Wie unterstürzt (bzw. belebt) er die Gesamtheit aller Elemente und Kräfte? Wie unterstützt (bzw. belebt) er, was im Innern des Körpers ist, die Sinne und den manas?

tasmai sa hovāca। atipraśnānpṛcchasi brahmiṣṭho'sīti tasmātte'haṃ bravīmi॥ 2॥

2. Er antwortete: Du stellst Fragen über transzendentale Dinge. Ich werde sie dir erklären, weil du ein großer Frager (Erforscher) von brahman bist.

ERLÄUTERUNG: Atipraśnān – große Fragen, tiefe und schwierige Fragen, Fragen, die über normales Verständnis hinausgehen, über Mysterien, die man normalerweise nicht erforscht, Fragen über transzendentale Dinge.

Pippalāda sagte (sinngemäß): O Kausalya, du fragst über den Ursprung des prāṇa. Du fragst über transzendentale Dinge. Du bist ein großer Forschender, was brahman betrifft. Du bist ein Kenner des brahman, d.h. du bist in dem niederen brahman verankert. Du bist ein Verehrer des niederen brahman. Du bist ein echter und tiefschürfender Suchender. Daher werde ich dir jetzt erklären, wonach du gefragt hast. Höre aufmerksam zu.

ātmana eṣa prāṇo jāyate yathaiṣā। puruṣe chāyaitasminnetadātataṃ manokṛtenāyātyasmiñcharīre॥ 3॥

3. Dieser prāṇa ist aus dem ātman geboren. So wie der Schatten für einen Menschen, so ist dieser (der prāṇa) für den ātman. Durch das Wirken der manas betritt er den Körper.

ERLÄUTERUNG: Manokṛtena – durch das Wirken des manas (Gedankenkraft) durch Wollen und Wünschen, durch gute und schlechte Taten – die wiederum vom manas abhängen.

Aus dem ātman, dem höheren puruṣa, dem Selbst, das unvergänglich und wahr ist, ist dieser prāṇa geboren. So wie der Schatten dem Menschen zugehört, so breitet sich in diesem ātman, dem brahman, der prāṇa aus. Prāṇa hat keine unabhängige Existenz. Er ist nicht abgetrennt vom ātman. Die Form des Menschen ist die Ursache seines Schattens, welcher selbst die Folge ist. Ebenso ist der ātman die Ursache und der prāṇa ist die Wirkung. Durch einen rein geistigen Akt betritt er den Körper, d.h. durch das karma (Tugend und Laster), das wiederum durch Wollen (saṅkalpa), Wunsch (icchā) etc. des manas hervorgebracht ist. Eine andere śruti sagt: „Ausgerichtet auf die Frucht erhält er den Körper mit seinem karma“.

Das Leben eines Menschen in seinem Körper ist das sichere und angemessene Resultat seiner Gedanken in einer früheren Existenz, genau wie der Schatten zwangsweise dem Körper des Menschen gleichen muss, der ihn verursacht.

yathā samrāḍevādhikṛtānviniyuṅkte। etan grāmānetān grāmānadhitiṣṭha-

svetyevamevaiṣa prāṇa itarān prāṇān pṛthakpṛthageva sannidhatte॥ 4॥

4. So wie ein König seinen Beamten befielt: „Bleibt in diesen und jenen Dörfern und regiert sie“, so setzt der prāṇa die anderen prāṇas ein, jeweils für deren spezielle Aufgabe.

ERLÄUTERUNG: Samrāṭ – ein König, ein Herrscher, ein Souverän.

So wie in der Welt ein König die Beamten den verschiedenen Dörfern zuteilt und ihnen befiehlt: „Regiert diese und jene Dörfer!“, so setzt auch der Haupt- prāṇa die Unter-prāṇas (prāṇa, apāna, vyāna, samāna, udāna) ein, jeweils in ihren speziellen Posten (Organen) und Funktionen. Und er bestimmt auch andere prāṇas, z.B. die Augen, für die jeweiligen Posten, damit sie dort ihre Aufgaben erfüllen.

pāyūpasthe'pānaṃ cakṣuḥśrotre mukhanāsikābhyāṃ prāṇaḥ svayaṃ prātiṣṭhate madhye tu samānaḥ।

eṣa hyetaddhutamannaṃ samaṃ nayati tasmādetāḥ saptārciṣo bhavanti॥ 5॥

5. Der apāna wohnt in den Ausscheidungs- und Geschlechtsorganen, der prāṇa selbst in den Augen, den Ohren, dem Mund und der Nase. In der Mitte ist der samāna; er verteilt die zugeführte Nahrung gleichmäßig und die sieben Flammen kommen aus ihm hervor.

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers legt die verschiedenen Orte dar, wo diese prāṇas residieren. Auch werden ihre Aufgabenbereiche definiert. Apāna wohnt im Anus und in den Geschlechtsorganen. Er sorgt für die Ausscheidung. Prāṇa verrichtet die Lebensfunktionen der Sinne. Er wohnt in den Augen, den Ohren etc. Samāna wohnt im Nabel. Er sorgt für die Verdauung. Vyāna kümmert sich um die Blutzirkulation. Er durchdringt alles. Udāna hilft, die Nahrung und die Flüssigkeiten zu schlucken. Während des Tiefschlafes nimmt er den jīva mit zu brahman und führt ihn zu anderen Welten. Es residiert in der Kehle; pāyūpasthe – im Anus und im Geschlechtsorgan, herrscht über die Funktionen des Stuhlgangs und der Urinausscheidung; sapta-arciṣaḥ – sieben Lichter oder Flammen. Aus dem Verdauungsfeuer kommen sieben Flammen: kālī, karālī, manojava, sulohita, sudhūm- ravarṇā, sphuliṅginī und viśvarucī. Daneben werden auch die sieben Organe des Wissens als sieben Flammen bezeichnet; es sind die zwei Ohren, die zwei Augen, die zwei Nasenlöcher und der Mund. Diese Organe hängen von der Nahrung ab, die durch das Verdauungsfeuer aufgearbeitet werden; hūtam – geopfert (gegessen oder getrunken); samāna wird verglichen mit dem Feuer, das die geopferte Nahrung verzehrt und sie gleichmäßig unter die Götter verteilt.

Die sieben Flammen kommen heraus aus dem Feuer im Magen, genährt durch Nahrung und Getränke, und erreichen die Region des Herzens und dann die Öffnungen im Kopf, d.h. die Objekte des Sehens, Hörens etc. werden erleuchtet durch den prāṇa und daraufhin erfährt der Mensch Hören, Sehen, Riechen etc.

hṛdi hyeṣa ātmā।

atraitadekaśataṃ nāḍīnāṃ tāsāṃ śataṃ śatamekaikasyāṃ dvāsaptatirdvā-

saptatiḥ pratiśākhānāḍīsahasrāṇi bhavantyāsu vyānaścarati॥ 6॥

6. Dieser ātman ist im Herzen. Dort befinden sich hundertundein Nerven (nāḍīs), jede von diesen hat hundert Zweige, und von diesen wiederum hat jeder zweiundsiebzig Unterzweige. In diesen bewegt sich vyāna.

ERLÄUTERUNG: Nāḍī – die astrale Röhre bzw. der Nervenkanal, der die Energieströme befördert. Sie kann nicht mit dem physischen Auge gesehen werden. Im Allgemeinen wird sie übersetzt mit „Arterie, die das Blut befördert“.

Im Herzen, im ākāśa (Raum) des Herzens, ist dieser ātman – das bedeutet: der feinstoffliche Körper, der mit dem ātman verbunden ist. Der vyāna bewegt sich in diesen Nerven; vyāna durchdringt den ganzen Körper. So wie die Sonnenstrahlen von der Sonne ausgehen, so gehen diese Nerven vom Herzen aus zu allen Teilen des Körpers hin. Der Mensch vollführt Handlungen, die große Stärke erfordern, mithilfe von vyāna. Vyāna ist die Energie, die durch das Nervensystem, die Arterien und die Venen fließt und wirkt. Es erfüllt die Funktion, das Blut durch den Körper zirkulieren zu lassen.

Es gibt hundertundein Hauptnerven; das, mal hundert, ergibt 10 100 und jede mit 72 000 multipliziert, ergibt eine Menge von 727 200 000. Und wenn wir noch die Hauptnerven hinzuaddieren, so bekommen wir eine Gesamtmenge von 727 210 101 Nerven.

athaikayordhva udānaḥ puṇyena puṇyaṃ lokaṃ nayati pāpena

pāpamubhābhyāmeva manuṣyalokam॥ 7॥

7. Das heißt, durch einen Nerv führt uns udāna aufwärts – zu den Welten der Tugend durch gute Taten, und durch sündhafte Taten zu den Welten der Sünde; und zu der Welt der Menschen durch eine Mischung von Tugend und Sünde.

ERLÄUTERUNG: Ūrdhva – aufwärts; nayati – führt, lenkt; ubhāyām – durch beide (gute und schlechte Taten); manuṣyalokam – die Welt der Menschen.

Einer dieser hundertundein Nerven wird suṣumnā genannt; er verläuft aufwärts. Durch ihn führt uns udāna, der den ganzen Körper von Fuß zu Kopf durchdringt, zu tugendhaften Welten, wie den Himmel, und zwar durch tugendhafte Handlungen, die durch die Schriften vorgeschrieben sind. Durch sündhafte Handlungen führt er uns in sündige Welten, in niedere Welten und in niedere Geburten, z.B. als Tiere, Insekten etc. Durch eine Mischung von Tugend und Sünde führt er uns in die Welt der Menschen. Udāna kontrolliert den subtilen Körper (liṅga-śarīra, der aus 19 tattvas besteht) und trägt die Seele nach dem Tod zu verschiedenen Welten. Es ist auch udāna, der den Menschen in den Bereich des Tiefschlafes mitnimmt und der über die Funktion des Schluckens (von Nahrung) herrscht.

ādityo ha vai bāhyaḥ prāṇa udayatyeṣa hyenaṃ cākṣuṣaṃ prāṇamanu-gṛhṇānaḥ। pṛthivyāṃ yā devatā saiṣā puruṣasyāpānamavaṣṭabhyāntarā yadākāśaḥ sa samāno vāyurvyānaḥ ॥ 8॥

8. Die Sonne ist wahrlich der äußere prāṇa. Sie steigt auf und fördert dadurch den prāṇa im Auge. Die Göttin der Erde zieht den apāna abwärts. Der ākāśa (Äther) zwischen (der Sonne und der Erde) ist samāna. Der Wind ist vyāna.

ERLÄUTERUNG: Avaṣṭabhya – hinaufziehend, kontrollierend; nachdem sie apāna kontrolliert hat, lenkt sie ihn abwärts.

Die Sonne geht auf und durch ihr Licht fördert sie den prāṇa im Auge; d.h. sie hilft den Augen mit ihrem Licht, die Formen und Farben zu erkennen. Ohne die Sonne können die Augen nicht sehen.

Die Göttin der Erde zieht die Aktivität von apāna im Menschen an und kontrolliert sie. Sie hilft dem apāna in seiner Arbeit dadurch, dass sie abwärts zieht. Sonst könnte der Körper durch sein Gewicht fallen oder könnte wegfliegen durch die entgegengesetzte Kraft. Die „Göttin der Erde“ – das weist ganz offensichtlich auf die Gravitationskraft hin.

Der Raum bzw. der Äther zwischen Erde und Sonne ist der kosmische samāna. Er hilft dem samāna im Innern des Menschen. Śaṇkara sieht es so, dass samāna die Luft im ākāśa – in der Mitte zwischen Erde und Himmel – ist. Er sagt: „Im Wort ‚ākāśa‘ wird der Wind darin angedeutet – ähnlich wie das Vieh, das sich im Stall befindet, durch das Wort ‚Stall‘ angedeutet wird.“ Der kosmische samāna ähnelt dem samāna im Menschen in der Hinsicht, dass er im ākāśa in der Mitte eingeschlossen ist; und er fördert auch den samāna im Menschen. Der Wind (vāyu) ähnelt dem vyāna in seiner Funktion des Durchdringens und fördert so auch vyāna.

tejo ha vāva udānastasmādupaśāntatejāḥ।

punarbhavamindriyairmanasi sampadyamānaiḥ ॥ 9॥

9. Das äußere Feuer ist in der Tat udāna. Daher tritt einer, dessen Feuer erloschen ist, in einen anderen Körper ein, wobei seine Sinne im manas absorbiert werden.

ERLÄUTERUNG: Tejaḥ - Feuer. Das äußere Feuer ist der udāna im Körper. Es fördert durch seine Hitze und sein Licht den udāna im Körper. Der udāna im Menschen, unterstützt und gefördert durch das äußere Feuer, steigt aus dem Körper auf und nimmt den jīva, die individuelle Seele, zu den verschiedenen Welten; upaśānta-tejaḥ – die dessen Feuer erlöscht ist; punarbhavam – Wiedergeburt, sie gehen in die Wiedergeburt, d.h. sie sterben und nehmen einen neuen Körper an.

Wenn das natürliche Feuer eines Menschen erloschen ist, wenn die tierische Wärme gewichen ist, dann weiß man, dass sein Leben vorbei ist, d.h. dass er stirbt. Er tritt in einen anderen Körper ein, zusammen mit den Sinnen, die an dem manas hängen oder von diesem absorbiert worden sind.

In der Bhagavad-Gītā (15.8) finden wir: „Wenn ein Mensch einen Körper annimmt und wenn er ihn verlässt, dann nimmt er die Organe und geht mit ihnen, genau wie der Wind den Duft von den Blüten mitnimmt.“

yaccittastenaiṣa prāṇamāyāti prāṇastejasā yuktaḥ ।

sahātmanā yathāsaṅkalpitaṃ lokaṃ nayati ॥ 10॥

10. Was immer sein Gedanke ist (zum Zeitpunkt des Todes), mit dem erreicht er prāṇa; und der prāṇa, vereinigt mit dem udāna und zusammen mit dem jīvātman, führt ihn zu der Welt, an die er gedacht hatte.

ERLÄUTERUNG: Yathā-saṅkalpitam – wie gewünscht, wie gedacht; – der jīv; lokam – Welt, Körper; prāṇam āyāti – kommt zu prāṇa, nähert sich prāṇa, erreicht prāṇa.

Zum Zeitpunkt des Todes wird die Aktivität der Sinne eingestellt. Alle Funktionen, so wie Denken, Erinnern etc. hören auf. Nur die Atmung geht weiter, denn der jīva verschmilzt mit dem prāṇa. Er kommt in die Gegenwart des Haupt-prāṇa. Der jīva, umgeben von dem subtilen Körper, erscheint dann vor dem Haupt-prāṇa. Er lebt jetzt nur noch durch die Aktivität des Haupt-prāṇa. Dann sagen die Verwandten und die anderen Leute, die um ihn herumstehen: „Er atmet und lebt noch.“ Der jīva trennt sich zur Zeit des Todes vom physischen Körper und kommt zu dem prāṇa-maya-kośa (liṅga-śarīra), mit dem Gedanken, den er zum Todeszeitpunkt hatte.

Der udāna, in Verbindung mit dem prāṇa, wirft den Mieter (die Seele, jīva) aus dem Haus (dem Körper) und führt ihn (den „Genießenden“ bzw. den Besitzer) zu den Welten, d.h. Körpern, an die er gedacht hatte, entsprechend seinen guten oder schlechten Taten. Die Bhagavad-Gītā sagt: „Wer am Ende den Körper verlässt und dabei an irgendein Wesen denkt, geht allein zu diesem, o Kaunteya, durch sein ständiges Denken an dieses Wesen.“

ya evaṃ vidvān prāṇaṃ veda na hāsya prajā hīyate'mṛto bhavati tadeṣaḥ ślokaḥ ॥ 11॥

11. Der Wissende, der prāṇa so kennt – seine Nachkommen vergehen nicht und er wird unsterblich. Dazu gibt es folgenden Vers.

ERLÄUTERUNG: Evam – so, wie oben beschrieben; mit all den Attributen, die schon über seine (des prāṇa) Geburt, seine Herrlichkeit etc. geschrieben worden sind. Hier werden die Früchte dieses Wissens, sowohl hier als auch nach diesem Leben, angedeutet: Die Linie seiner Nachkommen endet niemals und erlöscht nicht. Und er selbst erreicht, nach dem Tod, Unsterblichkeit (in einem relativen Sinne). Der folgende Vers erklärt das in Kürze.

utpattimāyatiṃ sthānaṃ vibhutvaṃ caiva pañcadhā। adhyātmaṃ caiva prāṇasya vijñāyāmṛtamaśnute vijñāyāmṛtamaśnuta iti ॥ 12॥

12. Wer die Entstehung, das Eintreten, den Sitz und die fünffache Aufteilung des prāṇa kennt und auch dessen inneren Zustand im Körper, erreicht Unsterblichkeit, ja, er erreicht Unsterblichkeit.

ERLÄUTERUNG: Wenn man weiß, dass der prāṇa aus dem param, dem Höchsten Selbst, geboren wurde; wenn man weiß, dass der prāṇa durch die Wirkung des manas (Gedanken und Wünsche) in den Körper kommt und dass er in den unteren Öffnungen, den Sinnen, dem Nabel, der Kehle und anderen Orten residiert; wenn man seine fünffache Herrschaft kennt – dass er wie ein König die prāṇas in ihren jeweiligen Orten und Funktionen einsetzt –, wenn man außerdem seine äußeren Manifestationen als Sonne, Äther, Wind, Feuer etc.kennt und auch seine inneren Manifestationen als Auge usw., dann erreicht man relative Unsterblichkeit, den Stand von hiraṇya-garbha, d.h. Brahmā.

HIER ENDET DER DRITTE PRAŚNA.

OM

Caturthaḥ Praśnaḥ

(Vierte Frage)

SAURYĀYAṆIN & PIPPALĀDA

atha hainaṃ sauryāyaṇī gārgyaḥ papraccha। bhagavannetasmin puruṣe kāni svapanti kānyasmiñjāgrati katara eṣa devaḥ svapnān paśyati

kasyaitatsukhaṃ bhavati kasminnu sarve sampratiṣṭhitā bhavantīti॥ 1॥

1. Dann fragte ihn Gārgya, der Enkel von Sūrya: O bhagavan, wer sind die, die im Menschen schlafen? Und wer sind die, die in ihm wach sind? Welcher ist der deva, der Träume sieht? Wer hat dieses Glücksgefühl? Wovon hängen all diese ab?

ERLÄUTERUNG: Sauryāyaṇin Gārgya fragte Pippalāda: „O verehrenswerter Meister! Welche Organe schlafen in dem Körper bzw. hören auf zu arbeiten, wenn der Mensch schläft? Welche sind wach, üben also ihre Tätigkeit aus? Welcher Gott ist es, der Träume sieht? Durch welches Organ träumt der jīva? Wem gehört dieses Glücklichsein? In wem sind all diese Organe gegründet oder zentriert? Wo verbinden sie sich ununterscheidbar im Schlaf, wie der Saft im Honig oder die Flüsse im Ozean? In wem werden all diese Organe absorbiert – im Schlaf und auch im pralaya?

Atha – als Nächstes; ha – wahrlich; enam – ihn (Pippalāda); etasmin – in diesem; kāni – welche (Organe oder Sinne)? asmin – in diesem (Körper); kataraḥ - wer von diesen? kasya – wem gehört? etat – dieses; kasmin – von wem? iti – so (sprach er).

Die ersten drei Fragen beschäftigen sich mit saṃsāra, also der sichtbaren Existenz, dem Gegenstand von apara-vidyā, dem niederen Wissen. Die nächsten drei Fragen werden gestellt, damit brahman, der Gegenstand von para-vidyā, erkannt werden möge – brahman, das ungeboren, unvergänglich, selbstleuchtend, alldurchdringend, unvergänglich und für den manas unerreichbar ist.

tasmai sa hovaca। yathā gārgya marīcayo'rkasyāstaṃ gacchataḥ sarvā etasmiṃstejomaṇḍala ekībhavanti। tāḥ punaḥ punarudayataḥ

pracarantyevaṃ ha vai tat sarvaṃ pare deve manasyekībhavati।

tena tarhyeṣa puruṣo na śṛṇoti na paśyati na jighrati na rasayate na spṛśate nābhivadate nādatte nānandayate na visṛjate neyāyate svapitītyācakṣate॥ 2॥

2. Er antwortete: O Gārgya, genau wie die Strahlen der Sonne, wenn diese untergeht, eins werden mit jener Scheibe aus Licht und wieder hervortreten, wenn die Sonne wieder aufgeht, so werden all diese eins mit dem höchsten deva, dem manas. Daher, zu jener Zeit, hört der Mensch nicht, er sieht, riecht, schmeckt, fühlt, spricht nicht, nimmt oder genießt nicht, scheidet nicht aus und bewegt sich nicht. Sie sagen dann: Er schläft.

ERLÄUTERUNG: Alle Organe und Sinne schlafen während des Tiefschlafs im manas. Sie werden eins mit dem manas. Der manas ist die höchste Gottheit, der höchste Sinn, denn das Auge und die anderen Sinne sind unter der Kontrolle des manas.

Im Tiefschlaf hören die Aktivitäten der Sinne auf. Der Mensch hört nicht, sieht nicht, riecht nicht, scheidet nicht aus und bewegt sich nicht. Die Menschen mit einem weltlichen Verständnis sagen: Er schläft.

prāṇāgnaya evaitasmin pure jāgrati।

gārhapatyo ha vā eṣo'pāno vyāno'nvāhāryapacano yad

gārhapatyāt praṇīyate praṇayanādāhavanīyaḥ prāṇaḥ॥ 3॥

3. Allein die Feuer des prāṇa sind wach in der Stadt (dem Körper). Der apāna ist das gārhapatya-Feuer. Vyāna ist das anvāhāryapacana-Feuer. Prāṇa ist das āhavanīya-Feuer, weil es aus dem gārhapatya-Feuer herausgenommen wird.

ERLÄUTERUNG: Prāṇāgnayaḥ – die prāṇa-Feuer; die Feuer, die aus prāṇa, apāna etc. bestehen; die physiologischen Energien. Etasmin pure – in dieser Stadt (mit neun Toren), in diesem Körper; jāgrati – bleibt wach, passt auf, fährt fort mit seinen Funktionen, den Organismus zu erhalten.

Wenn die Sinne, das Ohr etc. schlafen gegangen sind in diesem Körper mit neun Öffnungen, bleiben die fünf prāṇas wach – die hier Feuer genannt werden, weil sie wie Feuer sind. Sie bleiben immer aktiv.

Gārhapatya – Feuer des Haushalts, das Feuer in der Küche. Gārhapatya, das im Westen des Hauses platziert ist, wird immer am Brennen gehalten. Von diesem wird das Feuer zu den anderen Altären getragen. Der apāna ist das gārhapatya-Feuer. Genau wie bei der Ausführung des agni-hotra ein anderes Feuer, genannt āvahanīya, vom gārhapatya abgenommen wird, so wird während des Schlafes prāṇa vom apāna genommen. Dies ist die Entsprechung zwischen apāna und dem gārhapatya-Feuer. Außerdem sind beide im Westen stationiert. So wie das gārhapatya-Feuer im westlichen Herd des Hauses entzündet wird, so ist apāna die westliche oder abwärts gerichtete Funktion, die Ausscheidung. Alle Opfergaben an die Götter werden in das āvahanīya-Feuer gegeben.

Vyāna – geht aus der südlichen Höhlung des Herzens hervor. Deswegen wird er anvāhāryapacana- oder auch dakṣiṇāgni-Feuer (das südliche Feuer) genannt, weil es mit dem Süden verbunden ist. Außerdem verbrennen beide, vyāna und anvāhāryapacana, Opfergaben. Das anvāhāryapacana-Feuer wird eingesetzt, um Gaben an die Vorfahren zu opfern.

yaducchvāsaniḥśvāsāvetāvāhutī samaṃ nayatīti sa samānaḥ।

mano ha vāva yajamānaḥ iṣṭaphalamevodānaḥ sa enaṃ

yajamānamaharaharbrahma gamayati॥ 4॥

4. Weil samāna die Opfergaben gleichmäßig verteilt, die Ausatmung und die Einatmung, ist er der Priester (hotṛ). Der manas ist der Opfernde, der udāna ist der Lohn der Opfer; er führt den Opfernden jeden Tag (zu brahman, im Tiefschlaf).

ERLÄUTERUNG: Ucchvāsaniḥśvāsau – Ausatmung und Einatmung; yajamānaḥ – der Opfernde. Samāna ist der adhvaryu, der fungierende Priester. Samāna ist auch mit der Funktion der Ausatmung verbunden. Er sichert das Gleichgewicht zwischen Ausatmung und Einatmung.

So wie der Opferer, der Gott des Opfers, zum Himmel reist, so geht auch der manas zu brahman, um die Glückseligkeit des brahman zu erfahren, nachdem er die äußeren Sinne und deren Objekte als Opfergaben in die immer-wachen prāṇa-Feuer gegeben hat.

Der udāna führt den manas, den Opfergöttern, jeden Tag während des Tiefschlafes zu dem unsterblichen, glückseligen brahman. Daher ist udāna die Frucht des Opfers.

atraiṣa devaḥ svapne mahimānamanubhavati।

yad dṛṣṭaṃ dṛṣṭamanupaśyati śrutaṃ śrutamevārthamanuśṛṇoti deśadigantaraiśca pratyanubhūtaṃ punaḥ punaḥ pratyanubhavati

dṛṣṭaṃ cādṛṣṭaṃ ca śrutaṃ cāśrutaṃ cānubhūtaṃ cānanubhūtaṃ

ca saccāsacca sarvaṃ paśyati sarvaḥ paśyati॥ 5॥

5. In diesem Zustand genießt dieser deva (bzw. manas) im Traum seine Größe. Was gesehen worden war, das sieht er erneut, was gehört worden war, das hört er wieder, und was in verschieden Ländern und Gegenden erfahren worden war, das genießt er erneut. Was gesehen und nicht gesehen, gehört und nicht gehört, erfahren und nicht erfahren, wirklich und unwirklich war, all das nimmt er wahr. Indem er alles ist, nimmt er alles wahr.

ERLÄUTERUNG: Atra – hier in diesem Zustand; im Traum, wenn der prāṇa von den Sinnesorganen, Ohren usw. zurückgezogen ist, werden doch die grundlegenden Lebensfunktionen aufrechterhalten: Atmung, Blutkreislauf und Verdauung etc.

Deva – Gott, manas; anubhūtam – in diesem Leben erfahren; ananubhūtam – nicht in diesem Leben (aber in einem vergangenen Leben) erfahren; nichtwahrgenommen.

Im Traum erzeugt der manas seine eigene Welt – aus den Eindrücken, die er im Wachzustand empfangen hatte – und genießt die Bilder. Der manas selbst ist der Wahrnehmende (das Subjekt) und das Wahrgenommene (das Objekt). Der manas selbst nimmt die Form von Bergen, Flüssen, Bäumen, Blumen etc. an. Was immer im Wachzustand gesehen worden war – der manas sieht es erneut im Traum als Bild. Was auch immer gesehen oder nicht gesehen war, gehört oder nicht gehört, erfahren oder nicht erfahren, wahr oder falsch – all das sieht der manas. Im Traum werden die geistigen Eindrücke neu belebt. Der manas erzeugt eine neue und phantastische eigene Mischung und erfährt Dinge, die du niemals vorher im Wachzustand gesehen oder gehört hast. Im Traum fliegst du in der Luft; du träumst, dass du tot bist. Im Traum wirkt der subtile Körper. Manchmal taucht der manas tief in Eindrücke aus einem früheren Leben ein und belebt sie neu. In einigen Träumen gibt es keine Kohärenz von Zeit und Raum.

In diesem Vers finden wir die Antwort auf die Frage: Welcher ist der deva, der die Träume sieht? Vor dem Erreichen des Tiefschlafs hören Auge und Ohr etc. auf zu funktionieren und prāṇa und die anderen Unter-prāṇas bleiben wach, um den Körper zu erhalten. In diesem Zwischenzustand sind die Sinne in diesem deva (dem manas) absorbiert, genau wie die Sonnenstrahlen in der Sonnenscheibe absorbiert sind. Dann sieht er im Traum seine eigene Größe und Herrlichkeit.

Er sieht in den Träumen, was in diesem Leben gesehen wurde und auch, was nicht gesehen wurde, d.h. was in früheren Leben erlebt worden war. Er sieht, was real ist, z.B. Wasser, aber auch was unreal ist, wie das Wasser einer Fata Morgana.

Im Traum lebt der manas in der hītā-nāḍī (Energiekanal, der den Körper mit der Sonne verbindet) und im Tiefschlaf ruht er in der purītat-nāḍī (Energiekanal am Herzen). Der ātman leuchtet aus sich selbst heraus in den Träumen.

sa yadā tejasā'bhibhūto bhavatyatraiṣa devaḥ svapnān na paśyatyatha yadaitasmiñśarīra etatsukhaṃ bhavati ॥ 6॥

6. Wenn er überwältigt wird durch Licht, dann sieht dieser Gott (der manas) keine Träume, und zu der Zeit steigt die Glückseligkeit im Körper auf.

ERLÄUTERUNG: Tejasā – durch das Licht; śarīre – in diesem Körper, der jīva.

Im Tiefschlaf hört auch der manas auf zu funktionieren. Die Seele, der jīva, erfährt Glück, und nicht der Körper, der ohne Intelligenz ist. Der Kausalkörper ist im Tiefschlaf aktiv. Der Kausalkörper ist das Organ, durch das das Glück des Tiefschlafes (suṣupti) genossen wird.

Wenn der deva (bzw. manas) überwältigt ist, d.h. wenn all die Ausgänge geschlossen sind durch das Licht der Sonne, das in der hītā-nāḍī wohnt, dann wird der manas im Herzen absorbiert, zusammen mit seinen Tendenzen und mit den Sinnen. Dann schläft er. Während des Tiefschlafs (suṣupti) sieht der deva (bzw. manas) keine Träume, da das Tor des Gesichtssinnes geschlossen ist durch das Licht. Dann steigt Glückseligkeit auf.

Wenn der jīva (bzw. manas) überwältigt wird durch massives tamas, gelangt er in den tiefen Schlaf. Der jīva ruht in brahman. Da ist dann nur ein dünner Schleier von avidyā zwischen ihm und dem höchsten Selbst. In samādhi, dem überbewussten Zustand, ist auch dieser Schleier der Unwissenheit zerrissen und der jīva verschmilzt mit brahman und erreicht höchstes Wissen. Dies ist der Unterschied zwischen Schlaf und samādhi.

sa yathā sobhya vāyāṃsi vasovṛkṣaṃ saṃpratiṣṭhante। evaṃ ha vai tat sarvaṃ para ātmani saṃpratiṣṭhate ॥ 7॥

(anvaya-Transliteration, Syntax: �he saumya vayāṃsi yathā vāsovṛkṣaṃ sampratiṣṭhante evaṃ ha tat sarvaṃ para ātmani sampratiṣṭhate)

7. O geliebter Freund, genau wie die Vögel zu einem Baum fliegen, um dort zu ruhen, so ruht all dies im höchsten ātman.

ERLÄUTERUNG: He saumya – O geliebter Freund, mein junger Freund, mein guter Junge; vayāṃsi – Vögel; vāsovṛkṣam – der Baum, wo sie wohnen oder ruhen; sarvam – alles, was im nächsten Vers aufgezählt wird.

Während des Tiefschlafs werden alle Organe und der manas ruhig. Auch der jīvātman ist frei von Sorgen, Schmerz und Aufregung. Er genießt die Glückseligkeit des brahman. Genau wie die Vögel zu einem Baum fliegen, um sich auszuruhen, so ruhen auch all diese (im nächsten Vers aufgezählt) im höchsten ātman.

pṛthivī ca pṛthivīmātrā cāpaścāpomātrā ca tejaśca tejomātrā ca vāyuśca

vāyumātrā cākāśaścākāśamātrā ca cakṣuśca draṣṭavyaṃ ca śrotraṃ

ca śrotavyaṃ ca ghrāṇaṃ ca ghrātavyaṃ ca rasaśca rasayitavyaṃ ca tvakca sparśayitavyaṃ ca vākca vaktavyaṃ ca hastau cādātavyaṃ copasthaścānanda- yitavyaṃ ca pāyuśca visarjayitavyaṃ ca pādau ca gantavyaṃ ca manaśca mantavyaṃ ca buddhiśca boddhavyaṃ cāhaṃkāraścāhaṃkartavyaṃ ca cittaṃ ca cetayitavyaṃ ca tejaśca vidyotayitavyaṃ ca prāṇaśca vidhārayitavyaṃ ca॥ 8॥

8. Die Erde und die subtilen Elemente, das Wasser und seine subtilen Elemente, das Feuer und seine subtilen Elemente, die Luft und ihre subtilen Elemente, ākāśa und seine subtilen Elemente, das Auge und das Gesehene, das Ohr und das Gehörte, die Nase und was gerochen werden kann, der Geschmackssinn und sein Objekt, der Tastsinn und sein Objekt, die Sprache und ihr Gegenstand, die Hände und was ergriffen werden kann, die Füße und was begangen werden kann, das Geschlechtsorgan und was genossen werden kann, das Ausscheidungsorgan und was ausgeschieden werden muss, der manas und was gedacht werden muss, der Intellekt und was entschieden werden muss, Egoismus und sein Objekt citta, sein Objekt Licht, sein Objekt prāṇa und was durch ihn unterstützt werden soll – (all diese ruhen im Tiefschlaf in dem höchsten ātman).

ERLÄUTERUNG: Hier werden die Kategorien des sāṅkhya bzw. die tattvas aufgezählt.

Pṛthivīmātrā – das subtile, feinstoffliche Erdelement, das subtile tan-mātra, das Wurzelelement der Erde, aus dem die grobe Erde hervorgeht.

Die fünf Elemente (tan-mātras), die zehn Organe und ihre Objekte (viṣayas), der vierfache manas und seine Funktionen – all diese ruhen während des Tiefschlafs im höchsten ātman. Der manas (das Denkorgan) fragt sich: „Sollte ich das tun oder sollte ich es nicht tun?“ Der buddhi (Intellekt) entscheidet: „Ich muss dies tun.“ Der ahaṅ-kāra („Ich-Macher“, Ego), ist das Prinzip, welches sich alles selbst zuschreibt. Er sagt: „Ich habe das getan“, „Ich habe das genossen.“ Das citta (empirische Bewusstsein) ist die Fähigkeit des Erinnerns.

Tejas – Śaṅkara erklärt, dass die Haut, neben dem Tastsinn, Licht aufnimmt. Demnach ist dieses besondere Organ, neben der feinen Kutikula (Kapsel der Augenlinse), die Ursache der Wahrnehmung.

eṣa hi draṣṭā spraṣṭā śrotā ghrātā rasayitā mantā boddhā kartā

vijñānātmā puruṣaḥ। sa pare'kṣara ātmani saṃpratiṣṭhate॥ 9॥

9. Er ist es, der sieht, fühlt, hört, riecht, tastet, denkt, weiß. Er ist der Täter, der Handelnde, die intelligente Seele, der puruṣa. Er wohnt im höchsten, unzerstörbaren Selbst.

ERLÄUTERUNG: Draṣṭā – der Seher; spraṣṭā – der Fühlende; śrotā – der Hörende; ghrātā – der Riechende; rasayitā – der Schmeckende; mantā – der Denkende; boddhā – der, welcher entscheidet; kartā – der Handelnde; vijñānātmā – das intelligente Selbst. Vijñāna bedeutet Intellekt, das Instrument, durch das die Dinge erkannt werden; daher bedeutet vijñānātmā: der, der erkennt, der Erkennende – er ist von seiner Natur her ein Erkennender.

Der jīvātman, mit seinen Attributen Handelder und Erfahrender, ist der Seher, Hörer etc. So wie das Abbild der Sonne im Wasser gespiegelt wird, so wird das Abbild von brahman im manas gespiegelt. Dieses reflektierte Bild ist der jīva. Dieser ist nur ein Schein, nicht wirklich.

Puruṣaḥ – Er wird puruṣa genannt, weil er gefüllt ist mit begrenzenden Attributen; er füllt all die genannten Bereiche aus, die in sich Kombinationen von Ursache und Wirkung sind. Der jīvātman tritt in das Höchste ein, den unsterblichen, unvergänglichen ātman, so wie das im Wasser reflektierte Abbild der Sonne in die Sonne eintritt.

paramevākṣaraṃ pratipadyate sa yo ha vai tadacchāyamaśarīramalohitaṃ śubhramakṣaraṃ vedayate yastu somya sa sarvajñaḥ sarvo bhavati tadeṣa ślokaḥ॥ 10॥

10. Das höchste, unzerstörbare Wesen erreicht er wahrlich. Wer immer, o geliebter Freund, dieses Wesen kennt, welches ohne Schatten ist, ohne Körper, ohne Farbe, welches rein und unzerstörbar ist, wird allwissend und wird alles. Dazu gibt es folgenden Vers.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers werden die Früchte der Selbstverwirklichung genannt – was man durch die Einheit mit dem ātman gewinnt. Wer das Selbst erkennt, erreicht ganz gewiss den höchsten, unzerstörbaren, reinen ātman. Er wird zu allem und allwissend.

Acchāyam – das Schattenlose, frei von tamas und Unwissenheit, nicht verhüllt durch Unwissenheit (avidyā); aśarīram – körperlos, ohne den Körper, der den Bedingungen von Name und Form unterworfen ist; alohitam – das Farbenlose, frei von allen Attributen, von den guṇas (tamas, rajas, sattva); śubhram – weiß, rein, scheinend.

Brahman ist frei von guṇas (Eigenschaften) und daher allzeit rein. Er ist körperlos und daher unvergänglich. Der jīva war eingehüllt in Unwissenheit und daher war er vorher nicht allwissend. Er wird zu allem – durch die Zerstörung der Unwisssenheit, durch das Gewinnen von Wissen.

Brahman ist ewig, unbegreifbar, ungeboren. Seiner Natur nach ist er ganz und gar Glückseligkeit, frei von allem Elend und allen Sorgen. Er existiert außerhalb und innerhalb von allem.

vijñānātmā saha devaiśca sarvaiḥ prāṇā bhutāni saṃpratiṣṭhanti yatra।

tadakṣaraṃ vedayate yastu somya sa sarvajñaḥ sarvamevāviveśeti॥ 11॥

11. O geliebter Freund, wer den unvergänglichen ātman kennt – in dem das wissende Selbst ruht, mit all den devas, den prāṇas und den fünf Elementen –, der wird unsterblich und geht ein in alle und alles.

ERLÄUTERUNG: Vijñānātma – das wissende Selbst, das Sein, dessen Natur Wissen ist; devaiḥ – die devas, die über die Funktionen der Sinne herrschen (Agni, Indra etc.); prāṇāḥ - die prāṇas (Sinne, Auge etc.); bhūtāni – die bhūtas, Elemente (Erde, Wasser etc.); aviveśa – tritt ein; sarvam eva āviveśa iti– tritt ein in alles, realisiert, dass er das Selbst ist, der ātman in allen Wesen, und fühlt, dass er selbst in allen existiert.

HIER ENDET DER VIERTE PRAŚNA.

OM

Pañcamaḥ Praśnaḥ

(Fünfte Frage)

SATYAKĀMA & PIPPALĀDA

atha hainaṃ śaibyaḥ satyakāmaḥ papraccha।

sa yo ha vai tad bhagavanmanuṣyeṣu prāyaṇāntamoṅkāramabhidhyāyīta katamaṃ vāva sa tena lokaṃ jayatīti॥ 1॥

1. Dann fragte ihn Satyakāma, der Sohn von Śibi: O bhagavān! Welche Welt erreicht der unter den Menschen, der bis zum Tod über om meditiert?

ERLÄUTERUNG: Dieses Kapitel handelt von der heiligen Silbe om (oṅkāram, oṃ-kāram), dem großen, erhabenen Namen, mit dem man über das höchste brahman meditieren sollte. Zugleich wird erklärt, welchen Nutzen eine solche Meditation bringt.

Dieser praśna soll die Verehrung der Silbe om (praṇava) ans Herz legen, als ein Mittel, das höhere (para) wie auch das niedere (apara) brahman zu erreichen.

Om ist das pratīka, der Stellvertreter, für brahman. Es ist das Symbol von brahman. Meditation auf om, mit bhāva (Gefühl) und mit dem Wissen über seine Bedeutung ist wahre Meditation über brahman. Meditation über om bedeutet, den stetigen Fluss einer Idee über das höchste Selbst aufrechtzuerhalten. Es ist wie das Fließen von Öl von einem Gefäß zu einem anderen. Der Geist sollte stetig sein wie die Flamme einer Lampe in einem windfreien Platz. Meditation kann nur praktiziert werden von einem Suchenden, dessen Sinne von äußeren Objekten abgekehrt sind, der einen ruhigen Geist hat, der ahiṃsā (Gewaltlosigkeit), satya (Wahrheit), brahma-carya (Enthaltsamkeit) praktiziert hat, der außerdem Unterscheidungsfähigkeit, Leidenschaftslosigkeit, Selbstkontrolle, Entsagung, Reinheit, Glaube, Ausdauer und eine starke Sehnsucht nach endgültiger Befreiung hat.

tasmai sa hovāca। etad vai satyakāma paraṃ cāparaṃ ca brahma yadoṅkāraḥ।

tasmād vidvānetenaivāyatanenaikataramanveti॥ 2॥

2. Er antwortete: O Satyakāma! Om ist wahrhaftig das höhere und das niedere brahman. Deshalb: Wer ES auf diese Weise erkennt, erreicht ganz sicher eins von beiden.

ERLÄUTERUNG: Dieses brahman, unmanifest, das Höchste, transzendental, triguṇa-tīta, absolut, bekannt als puruṣa, und das niedere brahman, bekannt als prāṇa, als der Erstgeborene (hiraṇya-garbha) sind wahrlich om. Om ist auch sein pratīka, sein Stellvertreter.

Om bezeichnet in erster Linie para-brahman, das höchste Selbst und in zweiter Linie hiraṇya-garbha, denn letzterer ist nur eine Manifestation oder Ausdrucksweise des ersteren. Om repräsentiert den manifesten saguṇa-brahman durch seinen hörbaren Klang und den unmanifesten para-brahman oder nirguṇa-brahman durch seine unhörbare, unausgedrückte Form, die bekannt ist als ardhamātra.

Vidvān – der Wissende; āyatana – Zuflucht, Mittel, Stütze (ālambana), Fahrzeug; anveti – erreicht.

Das reine para-brahman ist frei von allen unterscheidenden Attributen. Es ist jenseits der Reichweite des niederen, unreinen manas. ES kann nicht durch Worte ausgedrückt werden. Es ist jenseits der Reichweite von Sprache und Intellekt, da Es extrem subtil und unbegreifbar ist. Es kann durch die Sinne nicht erfasst werden. Aber jene wohlvorbereiteten Suchenden, die mit einem reinen und konzentrierten manas über om meditieren und dessen wahre Bedeutung verstehen, erreichen brahman, entweder des höhere oder des niedere.

sa yadyekamātramabhidhyāyīta sa tenaiva saṃveditastūrṇameva jagatyāmabhisaṃpadyate। tamṛco manuṣyaloka

mupanayante sa tatra tapasā brahmacaryeṇa śraddhayā saṃpanno mahimānamanubhavati॥ 3॥

3. Wenn er über ein mātrā (Maß) des aum (nämlich a) meditiert, dann kommt er schnell zur Erde, nachdem er dadurch erleuchtet worden ist. Die Ṛg-Hymnen führen ihn zur Welt der Menschen und er erreicht dort Erhabenheit, nachdem er Askese, Zölibat und Glauben geübt hat.

ERLÄUTERUNG: Ekamātram – ein Maß; den Buchstaben a; jenen Aspekt des brahman, der durch den Buchstaben a allein bezeichnet ist; anubhavati – erfährt, erreicht.

Obwohl er vielleicht die Unterteilung aller mātrās (Maße) der Silbe om nicht kennen mag, so erreicht er doch ein ausgezeichnetes Ziel, indem er nur über die eine mātrā der Silbe om meditiert. Ihm kann nichts Schlechtes zukommen, weil er vielleicht nur teilweises Wissen von om hat. Er erreicht Erleuchtung durch Meditation über om mit nur einem mātrā. Die Ṛg-Hymnen bringen ihn zur Welt der Menschen, wo er Größe im Leben erreicht. Er wird hervorragen unter den Menschen, indem er mit Askese, Enthaltsamkeit und Glauben ausgestattet ist. Er erreicht ganz sicher allen Reichtum auf dieser Erde. Die Ṛg-Hymnen führen ihn eine menschliche Inkarnation und geben ihm alles Glück. Er wird kein Ungläubiger werden. Er hat tiefen Glauben in die Veden, in die Existenz von brahman, in die Worte seines Lehrers und in sein eigenes Selbst. Er handelt nicht aus seinen persönlichen Launen heraus oder nur nach seinem Vergnügen. Er wählt den Weg der Rechtschaffenheit. Er folgt den Vorschriften der Schriften und daher erlangt er Größe und wird von den Leuten hoch geachtet.

Einige interpretieren die Meditation über om als ein mātrā, sodass man nur über das a der Silbe meditiert. Andere glauben, dass die Meditation über die ganze Silbe om gemeint ist. Nur die ersteren sehen es richtig, denn Vers 4 handelt von der Meditation über u und Vers 5 handelt von der Meditation über die ganze Silbe om.

atha yadi dvimātreṇa manasi saṃpadyate so'ntarikṣaṃ yajurbhirunnīyate

somalokam। sa somaloke vibhūtimanubhūya punarāvartate॥ 4॥

4. Aber wenn er über das (erste und) zweite mātrā meditiert, wird er eins mit dem manas. Er wird durch die Yajur-Hymnen zum Himmel geleitet, der Welt des Mondes. Nachdem er dort Größe genossen hat, kehrt er wieder zurück.

ERLÄUTERUNG: Dvimātreṇa – durch zwei Silben (a und u).

Wenn jemand über u (das zweite mātrā des om) meditiert oder über a und u (also beide mātrās), dann leiten ihn die Yajur-Hymnen zur Welt der Vorfahren (candra-loka) im Himmelszwischenraum (antarikṣa). Nachdem er dort dessen Großartigkeit und Erhabenheit genossen hat, kommt er wieder zurück zur Welt der Menschen.

Manasi saṃpadyate – wird vereint mit dem manas, d.h. er bleibt im Mentalkörper (liṅga-śarīra bzw. im subtilen Körper, sūkṣma-śarīra).

yaḥ punaretaṃ trimātreṇomityetenaivākṣareṇa paraṃ puruṣamabhidhyāyīta sa tejasi sūrye saṃpannaḥ। yathā pādodarastvacā vinirmucyata evaṃ ha vai sa pāpmanā vinirmuktaḥ sa sāmabhirunnīyate brahmalokaṃ sa etasmājjīva-

ghanātparātparaṃ puriśayaṃ puruṣamīkṣate tadetau ślokau bhavataḥ॥ 5॥

5. Aber wiederum: Wenn er über den höchsten puruṣa meditiert mit dieser Silbe om aus drei mātrās, dann wird er vereint mit der strahlenden Sonne. So wie eine Schlange von ihrer Haut befreit wird, so wird er von Sünde befreit. Er wird durch die Sāma-Hymnen zur Welt des Brahmā (hiraṇya-garbha) geleitet, und von dort, voller Leben, erblickt er den höchsten puruṣa, der im Herzen wohnt. Dazu die folgenden beiden Verse (6 und 7):

ERLÄUTERUNG: Trimātreṇa – mit den drei mātrās (a, u, m); jīvaghanaḥ – alles Lebende in sich enthaltend, jīva-Masse (dichte/kompakte Lebensmasse), hiraṇya-garbha. In hiraṇya-garbha sind alle jīvas aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur. Hiraṇya-garbha ist die Seelenschnur, der sūtrātman [sūtra – Schnur; ātman – Seele]; tejasi sūrye saṃpannaḥ – wird vereint mit der Sonne, er erreicht den devayāna, den Pfad der Götter, den Pfad von krama-mukti.

Wer direkt über dieses höchste Selbst mit dem om aus drei mātrās meditiert, wird eins mit der Sonne. So wie eine Schlange befreit wird von ihrer Haut, so wird auch er befreit von Sünden und er wird die die Sāma-Hymnen aufwärts geführt zur Welt von Brahmā, nämlich satya-loka. Er sieht die Person, die im Herzen lebt und die höher steht sogar als die höhere Lebensmasse (hiraṇya-garbha).

Om ist identisch mit brahman. Om ist auch ein Mittel, um brahman zu erreichen. Wer die Silbe om aus drei mātrās kennt, erblickt den höchsten puruṣa, den paramātman, der höher steht als hiraṇya-garbha und der in den Herzen aller wohnt.

tisro mātrā mṛtyumatyaḥ prayuktā anyonyasaktā anaviprayuktāḥ।

kriyāsu bāhyābhyantaramadhyamāsu samyakprayuktāsu na kampate jñaḥ॥ 6॥

6. Die drei mātrās, wenn getrennt angewandt, sind sterblich. Aber miteinander verbunden, sind sie nicht falsch angewandt. (Wenn sie) richtig angewandt werden, in allen inneren, äußeren und mittleren Funktionen, dann zittert der Wissende nicht mehr.

ERLÄUTERUNG: Wenn man jede der mātrās einzeln nimmt und darüber meditiert, muss man wieder und wieder in diese Welt geboren werden (siehe Verse 3 und 4). Wenn man über die drei mātrās in ihrer Verbindung meditiert, dann gewinnt man die Frucht, die im vorangehenden Vers beschrieben wurde. Die drei mātrās beziehen sich auf die drei Aspekte von brahman:

1. vaiśvānara oder viśva steht für den Wachzustand, repr. durch a

2. hiraṇya-garbha oder taijasa steht für den Traumzustand, repr. durch u

3. īśvara oder prājña steht für den Schlafzustand, repr. durch m

Wer so meditiert, kann nicht erschüttert werden. Er zittert nicht, denn er hat das höchste brahman erreicht, er ist der ātman geworden, das innere Selbst von allem, und eins mit om. Wie könnte er da noch zittern? Die puruṣas, die den Wach-, Traum- und Schlafzustand repräsentieren (repr.), mit ihren jeweiligen Orten, werden von ihm als eins mit dem om aus drei mātrās gesehen. Er ist der Kenner des brahman in seinen drei Aspekten im Makrokosmos und im Mikrokosmos. Er wird nicht aus seinem brahman-Bewusstsein oder überbewussten Zustand herausgeworfen. Er ist für immer gefestigt in dem Bewusstsein: „Ich bin brahman“.

Bāhyābhyantaramadhyamāsu kriyāsu – äußere, innere und mittlere Funktionen, d.h. Wachzustand, Traumzustand und Tiefschlaf. Es kann sich auch auf die drei Arten von Aussprache beziehen, nämlich tāra (laut), mandra (mental) und madhyama (gemurmelt).

ṛgbhiretaṃ yajurbhirantarikṣaṃ sāmabhiryattatkavayo vedayante।

tamoṃkāreṇaivāyatanenānveti vidvān yattacchāntamajaramamṛtamabhayaṃ paraṃ ceti॥ 7॥

7. Durch die Ṛg-Hymnen kommt er in diese Welt, durch die Yajur-Hymnen zum Himmel, durch die Sāma-Hymnen zu dem, was die Seher kennen (brahmā-loka). Mithilfe der Silbe om erreicht der Weise diese und auch das, was still ist, unvergänglich, unsterblich, das Höchste.

ERLÄUTERUNG: In diesem letzten Vers wird eine kurze Zusammenfassung des fünften praśna gegeben.

Antarikṣa – der Himmel, die Welt, die dem Mond untersteht, candra-loka, die Welt der Vorväter.

Der Wissende erreicht, mithilfe der heiligen Silbe om, die dreifältige Welt und auch das höchste brahman, das still, unvergänglich, unsterblich, furchtlos und das Höchste ist.

Brahman ist frei von allen Charakteristika der Welt, wie z.B. Namen, Formen, Handlungen, Wach-, Traum- und Schlafzustand. Deswegen ist ES unvergänglich, frei von Alter und Verfall. ES ist ohne Tod, denn ES verfällt nicht und verändert sich nicht. ES ist das Höchste, unübertreffbar, denn ES ist furchtlos, unvergänglich und ohne Tod.

HIER ENDET DER FÜNFTE PRAŚNA.

OM

Ṣaṣṭhaḥ Praśnaḥ

(Sechste Frage)

SUKEŚA & PIPPALĀDA

atha hainaṃ sukeśā bhāradvājaḥ papraccha। bhagavan hiraṇyanābhaḥ

kausalyo rājaputro māmupetyaitaṃ praśnamapṛcchata ṣoḍaśakalaṃ

bhāradvāja puruṣaṃ vettha। tamahaṃ kumāramabruvaṃ nāhamimaṃ veda yadyahamimamavediṣaṃ kathaṃ te nāvakṣyamiti। samūlo vā eṣa pariśuṣyati

yo'nṛtamabhivadati tasmānnārhāmyanṛtaṃ vaktum। sa tūṣṇīṃ rathamāruhya pravavrāja। taṃ tvā pṛcchāmi kvāsau puruṣa iti॥ 1॥

1. Dann fragte ihn Sukeśā, der Sohn von Bharadvāja: O bhagavan! Einmal kam Hiraṇyanābha, ein Prinz von Kosala, zu mir und fragte mich Folgendes: „O Bhāradvāja, kennst du den puruṣa aus sechzehn kalās (Teilen)?“. Ich sagte zu dem jungen Mann: „Ich kenne ihn nicht. Wenn ich ihn kennen würde, warum sollte ich es nicht sagen? Wer etwas sagt, was nicht wahr ist, der verdorrt mit Wurzeln und allem. Deswegen wage ich nicht, die Unwahrheit zu sagen.“ Nachdem er seinen Wagen bestiegen hatte, fuhr er fort in Schweigen. Das also frage ich dich: Was ist jener puruṣa?

ERLÄUTERUNG: Ṣoḍaśakalam puruṣam – der puruṣa aus sechzehn Teilen; der puruṣa, dem – durch Unwissenheit – sechzehn Teile überlagert sind; samūla – mit der ganzen Wurzel; anṛtam – Unwahrheit (wer Lügen ausspricht, wird zerstört, in dieser Welt und in der nächsten, und alle Verdienste durch seine guten Taten gehen verloren); tūṣṇīm – schweigend.

Im vorangehenden Kapitel war gesagt worden, dass alle jīvas, mit ihrem manas und ihren Sinnen, während des Schlafes in brahman eingehen. Und auch das ganze Universum geht während des pralaya in jenes höchste, unvergängliche, unsterbliche, selbstleuchtende brahman ein. Die Welt ist aus brahman, ihrer Ursache, hervorgetreten und sie, als Wirkung, wird naturgemäß während der Auflösung in brahman absorbiert. Die Absorption einer Wirkung in etwas anderes als seine Ursache wäre sicherlich nicht richtig. Es war auch gesagt worden, dass prāṇa aus dem ātman geboren wurde.

Man erreicht die höchste Vollendung durch das Wissen über das, was die Ursache dieses Universums ist. Das ist die emphatische Erklärung aller Upanishaden. Es ist auch gesagt worden: „Der alles weiß, wird alles.“ Wo also ist jener unvergängliche, unsterbliche, vollkommen glückselige ātman, der bekannt ist als puruṣa? Zu diesem Zweck wurde diese Frage gestellt.

Aus dem Gespräch zwischen Sukeśā und dem Prinzen von Kosala wird klar, dass es schwierig ist, brahman zu erreichen. Diese Anekdote ist hier eingefügt, um den Sucher zu motivieren, intensiv sādhana zu üben, strenge Askese und Meditation.

Sukeśa war ein ernsthafter und aufrichtiger Schüler. Er war demütig und wahrhaftig. Er gab seine Unwissenheit zu. Er war nicht eingebildet. Er hatte nicht versucht, dem Prinzen irgendeine vage Antwort zu geben, um diesem zu vermitteln, dass er sehr gelehrt war – wie das so manche Menschen in dieser Welt machen. Sukeśā besaß die Qulitäten eines aufrichtigen Schülers. Da der Prinz nicht glaubte, dass Sukeśā unwissend war, sagte dieser das Folgende, um den Prinzen an seine Worte glauben zu lassen: „Wenn ich Ihn kennen würde, warum sollte ich es dir nicht sagen? Wer etwas sagt, was nicht wahr ist, der verdorrt mit Wurzeln und allem“. Da der Prinz nun überzeugt war, dass Sukeśā die Wahrheit sagte und ihn nicht einfach nur abschütteln wollte, ging er schweigend fort. Hier wird die Lehre begründet, dass man niemals, unter keinen Umständen, eine Lüge aussprechen sollte und dass das Wissen um brahman durch einen Erleuchteten nur an einen würdigen Suchenden weitergegeben werden sollte, der mit Respekt an ihn herangetreten war.

tasmai sa hovāca।

ihaivāntaḥśarīre somya sa puruṣo yasminnetāḥ ṣoḍaśakalāḥ prabhavantīti॥ 2॥

2. Er antwortete: O edler Jüngling, dieser puruṣa, in dem diese sechzehn kalās geboren sind, ist direkt hier im Körper.

ERLÄUTERUNG: Antaḥśarīre – im Innern des Körpers, in dem ākāśa des Herz-Lotos. Man muss nicht weit suchen. Er ist im Lotos des Herzens. Er ist dir ganz nahe, näher als dein Atem und näher als deine Hände. Man sagt, dass der ātman im Herzen wohnt, um den Aspiranten erkennen zu lassen, dass der ātman einfach sein eigenes Selbst ist. Das wird ihm helfen, Konzentration zu praktizieren. Der puruṣa wird quasi in seinem eigenen Körper verwirklicht, durch Nachdenken, Reflektieren und Meditation. Darum sagt man, dass der puruṣa in diesem Körper wohnt. Sogar ein Narr wird nicht sagen, dass der puruṣa, der die Ursache von ākāśa ist, sich wirklich in diesem Körper aufhält, wie etwa eine Mango in einer Grube liegt. Wieviel weniger würden die autoritativen Upanishaden das sagen. Der ātman ist in Wahrheit alldurchdringend und unendlich.

Der puruṣa hat in Wahrheit keine Teile. Er ist unteilbar, homogen und ohne Teile. Nur aufgrund von Unwissenheit wird Er als etwas gesehen, das Teile hat.

Die kalās sind Bedingungen, die dem puruṣa aufgrund von Unwissenheit angehängt werden. Wenn man Wissen gewinnt, fallen alle Bedingtheiten einfach ab. Man erblickt den einen, homogenen, nichtbedingten höchsten puruṣa. Das ist der Grund, warum man vom puruṣa spricht, „in dem diese sechzehn kalās geboren worden sind“.

Man muss die sechzehn kalās eliminieren, indem man die Lehre von neti, neti! („nicht dies..., nicht dies...“) praktiziert.

Intelligenz ist nicht ein Attribut des ātman. Der ātman ist eine Verkörperung von Intelligenz (prajñāna-ghana), eine dichte Masse von Intelligenz (vijñāna-ghana). Der ātman ist unveränderlich.

sa īkṣāṃcakre।

kasminnahamutkrānta utkrānto bhaviṣyāmi kasmin vā

pratiṣṭhite pratiṣṭhāsyāmīti॥ 3॥

3. Er (der puruṣa) überlegte: Was ist das, durch dessen Weggehen ich gehen werde und durch dessen Bleiben ich bleiben werde?

ERLÄUTERUNG: Saḥ - Er (der puruṣa). Der puruṣa überlegte am Beginn des kalpa: „Lass mich kalās erschaffen“; īkṣāṃcakre – er überlegte, dachte, meditierte.

Nach sāṅkhya ist prakṛti bzw. pradhāna der Schöpfer und puruṣa ist in Wirklichkeit der Erfahrende und Genießende. Prakṛti transformiert sich selbst in mahat, manas, Egoismus, tan-mātras, bhūtas etc. – das alles dem puruṣa zuliebe.

Nach dem vedānta hat brahman zwei Aspekte, einen unbedingten und einen bedingten. In letzterem sind Namen und Formen dem unbedingten überlagert. Das geschieht durch Unwissenheit (avidyā). Der reine, unbedingte brahman erscheint als das bedingte brahman. Der ātman, der den Bedingungen von Name und Form unterworfen ist, wird in den Schriften behandelt, die von der sogenannten Gebundenheit und Befreiung des ātman sprechen. Das Unendliche, das Absolute, bleibt für immer rein und unveränderlich.

sa prāṇamasṛjata। prāṇācchraddhāṃ khaṃ vāyurjyotirāpaḥ pṛthivīndriyaṃ

mano'nnamannādvīryaṃ tapo mantrāḥ karma lokā lokeṣu ca nāma ca॥ 4॥

4. Er schuf prāṇa; aus prāṇa Glauben, ākāśa, Luft, Feuer, Wasser, Erde, die Sinne, den manas und Nahrung. Und aus Nahrung schuf er Stärke, Buße/Askese, mantras, karma und Welten; und in den Welten auch den Namen.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers werden die sechzehn kalās, Teile, aufgezählt.

Vīryam – Same, Kraft; mantrāḥ – die Veden (Ṛg-Veda, Yajur-Veda, Sāma-Veda, Atharva-Veda); nāma – Namen, Individuen.

Durch den puruṣa, d.h. Īśvara selbst, ist prāṇa geschaffen worden. Prāṇa ist hiraṇya-garbha, welcher der Träger der aktiven Organe aller Lebewesen ist und der innere ātman von allen. Aus dem prāṇa erzeugte er Glauben, welcher die Menschen antreibt, tugendhaft und recht zu handeln. Dann schuf er die großen bhūtas (die fünf Elemente), die den Menschen helfen, die Früchte ihrer Handlungen (karma) zu genießen.

Ākāśa (Äther) hat als Attribut den Klang. Luft ist aus ākāśa geboren. Sie hat zwei Attribute: ihr eigenes, nämlich Berührung, und das ihres Ursprungs, d.i. Klang. Feuer ist aus Luft geboren. Es hat drei Attribute: sein eigenes, d.i. Form, und die zwei vorangehenden: Klang und Berührung. Wasser ist aus Feuer geboren. Es hat vier Attribute: sein eigenes, d.i. Geschmack, und die vorher genannten. Erde ist geboren aus Wasser. Sie hat fünf Attribute: ihr eigenes, Geruch und die vier zuvor genannten.

Aus den bhūtas wurden die fünf Organe des Wissens, die fünf Organe der Handlung und der manas, ihr Gott, geformt, mit seinen Charakteristika Zweifel und Wille (saṅkalpa-vikalpa). Dann schuf er die Nahrung für ihren Erhalt. Nahrung erzeugt Kraft und Stärke, die dem Menschen helfen, Arbeit zu leisten. Verschiedene Welten wurden geschaffen, damit die Früchte der Handlungen genossen werden konnten. Er schuf tapas (Meditation) für die geistige Reinigung derjenigen, die vom Pfad der Rechtschaffenheit abgewichen waren.

sa yathemā nadyaḥ syandamānāḥ samudrāyaṇāḥ samudraṃ prāpyāstaṃ

gacchanti bhidyete tāsāṃ nāmarūpe samudra ityevaṃ procyate।

evamevāsya paridraṣṭurimāḥ ṣoḍaśakalāḥ puruṣāyaṇāḥ puruṣaṃ

prāpyāstaṃ gacchanti bhidyete cāsāṃ nāmarūpe puruṣa ityevaṃ

procyate sa eṣo'kalo'mṛto bhavati tadeṣa ślokaḥ॥ 5॥

5. Genau wie diese Flüsse, die zum Meer fließen, verschwinden, wenn sie das Meer erreicht haben – ihre Namen und Formen vergehen und alles wird nur noch Meer genannt –, so verschwinden auch diese sechzehn Teile des Zeugen, die zum puruṣa gehen; ihre Namen und Formen werden zerstört und alles wird nur noch „puruṣa“ genannt. Er wird ohne Teile und unsterblich. Darüber gibt es folgenden Vers (6):

ERLÄUTERUNG: Genau wie der Ozean das Ziel der Flüsse ist, so ist auch der Höchste puruṣa das Ziel der sechzehn kalās, also von prāṇa etc. Genau wie die Flüsse im Ozean absorbiert werden, so werden auch die sechzehn kalās – die durch Unwissenheit erschaffen wurden, durch Wunsch und karma – in brahman absorbiert, nämlich in samādhi, dem überbewussten Zustand. Dann bleibt nur noch brahman in seiner ursprünglichen Herrlichkeit und seinem Glanz. Wenn die kalās zerstört werden, die durch Unwissenheit entstanden waren und die der Grund von Sterblichkeit sind, dann wird der Wissende unsterblich. Er wird identisch mit brahman, genau wie die Flüsse eins mit dem Ozean werden. (Vgl. Muṇḍaka-Upaniṣad, 3.2.8)

arā iva rathanābhau kalā yasmin pratiṣṭhitāḥ।

taṃ vedyaṃ puruṣaṃ veda yathā mā vo mṛtyuḥ parivyathā iti॥ 6॥

6. Erkenne jenen puruṣa, der wert ist erkannt zu werden, in dem die kalās zentriert sind wie die Speichen in der Nabe des Rades, damit dir der Tod nichts anhaben kann.

ERLÄUTERUNG: Vedyam – erkennbar; wert, gewusst zu werden.

O Schüler, erkennt jenen puruṣa, den ātman aller kalās, der wert ist, erkannt zu werden, denn Er ist das einzige Unsterbliche, das existiert. Wenn du Ihn erkennst, wirst du Unsterblichkeit erreichen, ewige Glückseligkeit und der Tod wird dir nichts anhaben können. Wenn du diesen puruṣa nicht erkennst, wirst du Schmerz, Leiden und Kummer erfahren. Du wirst durch den Tod hinweggerafft werden.

Kalās sind nur Erscheinungen. Sie sind nicht in Wirklichkeit Teile des puruṣa. Sie sind Manifestationen Seiner Täuschungskraft.

tān hovācaitāvadevāhametat paraṃ brahma veda।

nātaḥ paramastīti॥ 7॥

7. Dann sagte er (Pippalāda) zu ihnen: Das ist alles, was ich über das höchste brahman weiß; es gibt nichts Höheres darüber hinaus.

ERLÄUTERUNG: Der Weise Pippalāda sagte: „Das ist alles, was ich über das höchste brahman weiß, der wert ist, erkannt zu werden. Es gibt nichts darüber hinaus, was noch höher sein könnte und was wert wäre, erkannt zu werden.“ Die Schüler hätten ja denken können, dass da noch etwas sei, das nicht erkannt wäre, etwas, das noch höher stünde. Der Weise wollte diesen Zweifel ausräumen und ihnen versichern, dass ihr Ziel erreicht sei.

te tamarcayantastvaṃ hi naḥ pitā yo'smākamavidyāyāḥ paraṃ pāraṃ tāra-yasīti। namaḥ paramaṛṣibhyo namaḥ paramaṛṣibhyaḥ॥ 8॥

8. Sie drückten ihre Verehrung aus und sagten: Du bist unser Vater, der uns hilft, den unendlichen Ozean unserer Unwissenheit zu überqueren. Verehrung den höchsten ṛṣis! Verehrung den höchsten ṛṣis!

ERLÄUTERUNG: In diesem mantra wird beschrieben, was die Schüler taten, nachdem sie von ihrem Lehrer Pippalāda Unterweisungen in brahma-vidyā, der Wissenschaft von der Seele, erhalten hatten. Sie erkannten, dass ihr Ziel erreicht war. Ihnen war klar, dass sie ihrem guru nicht angemessen zurückzahlen konnten, was er ihnen, in Form des Wissens um brahman, gegeben hatte. Sie verehrten ihn, indem sie Hände voll Blumen zu seinen Füßen niederlegten. Sie warfen sich vor ihm nieder und sagten: „Du bist unser wahrer Vater. Du hast uns das Wissen um brahman gegeben. Du hast uns, durch das Boot des Wissens, geholfen, den Ozean der Unwissenheit zu überqueren, der mit falschem Wissen gefüllt ist und verseucht mit den Übeln von Geburt, Alter, Tod, Krankheit, Kummer, Schmerz, Elend etc. So konnten wir das andere Ufer der Furchtlosigkeit und der Unsterblichkeit erreichen. Wie können wir dir danken, höchst verehrungswürdiger Meister? Wir haben nichts, was wir dir zurückzahlen könnten. Man muss sogar den Vater verehren, der einem den physischen Körper gegeben hat. Wie viel mehr aber den spirituellen Vater, der uns die inneren Augen geöffnet hat, der uns angehoben hat zum erhabenen Status von brahman-Bewusstsein, der alles weltliche Elend von uns genommen hat und der uns befreit hat aus den Fesseln von Geburt und Tod!“

„Verehrung den höchsten ṛṣis! Verehrung den höchsten ṛṣis!“ – Die Wiederholung zeigt die tiefste Verehrung gegenüber den spirituellen Lehrern.

HIER ENDET DER SECHSTE PRAŚNA

UND SOMIT DIE PRAŚNA-UPANIṢAD.

Abschluss-Mantra

oṃ bhadraṃ karṇebhiḥ śṛṇuyāma devāḥ । bhadraṃ paśyemākṣibhiryajatrāḥ ।

sthirairaṅgaistuṣṭuvāṃsastanūbhirvyaśema devahitaṃ yadāyuḥ ।

svasti na indro vṛddha-śravāḥ svasti naḥ pūṣā viśvavedāḥ ।

svasti nastārkṣyo ‘riṣṭanemiḥ svasti no bṛhaspatirdadhātu ॥

oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥

Oṃ, o Götter, mögen wir mit unseren Ohren hören, was glückverheißend ist; o Ihr, die Ihr verehrungswürdig seid, mögen wir, mit unseren Augen, sehen, was glückbringend ist. Mögen wir uns des Lebens erfreuen, das uns von den Göttern zugeteilt worden ist, indem wir unseren Lobpreis anbieten, mit unseren Körpern starker Glieder. Möge Indra, der machtvolle, ruhmvoll seit alters, uns Wohlstand gewähren. Möge Er, der Nahrungsgeber und Besitzer von Reichtum, uns geben, was gut für uns ist. Möge der Gott von schneller Bewegung uns gnädig sein, und möge der Beschützer der Großen auch uns beschützen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.



Essenz der Prasnopanischade von Swami Sivananda

Swami Sivananda

...Om. Oh Götter! Mögen wir, mit unseren Ohren, hören, oh jenes, was glückverheißend ist; bereit, angebetet zu werden! Mögen wir, mit unseren Augen, sehen, was glückverheißend ist. Mögen wir das Leben genießen, welches uns von den Göttern zugewiesen wurde, unser Lob mit unserenKörpern mit starken Gliedern darbietend. Möge Indra, der Mächtige, der Alte des Ruhms, uns Wohlstand gewähren. Möge Er, der Nährer und der Besitzer allen Reichtums, das geben, was gut für uns ist. Möge der Herr der flinken Bewegung uns gnädig sein, und möge der Beschützer der Großen uns ebenfalls beschützen.... Om Friede! Friede!! Friede!!!

Einführung

1. Sechs Suchende des Brahman gehen zu einem Weisen mit Namen Pippalada und stellen ihm sechs Fragen. Diese Fragen und Antworten formen die Substanz dieser Upanishad.

2. Prana oder das Lebensprinzip, und Rayi oder Materie wurden vom Herrn zuerst geschaffen.

3. Prana wirkt auf Rayi. Verschiedene Formen manifestieren sich.

4. Es ist das Vermischen dieser Beiden, das die Welt der diversen Formen hervorbringt.

5. Das eine ist aktiv, positiv und ist das männliche Prinzip; das andere ist passiv, negativ und ist das weibliche Prinzip.

6. Prana gehört zur bewussten Seite der Schöpfung, während Rayi oder Materie zur Seite der Formen der Schöpfung gehört.

7. Materie ist die universelle Form. Prana ist Leben oder Verbraucher.

8. Der Körper wird durch Prana oder das Lebensprinzip aufrechterhalten.

9. Prajapati war begierig nach Nachwuchs. Aus diesem Begehren entsprang ein Paar, nämlich Materie oder die universelle Form und Prana, Leben, oder Verbraucher.

10. Als Leben und Materie ist Prajapati schrittweise die Sonne und der Mond, das Jahr in seinen zwei Hälften, Tag und Nacht.

11. Prana, Aditya (Sonne), Tag, Amurta (formlos), Leben, Geist, nördlicher Pfad, Unsichtbarkeit, gehören zur Seite des Lebens.

12. Rayi, der Mond, die Nacht, Murta (mit Form), Materie, südlicher Pfad, Sichtbarkeit, gehören zur Seite der Materie.

13. Die zweite Frage bezieht sich auf die Devas die den Menschen unterstützen und die Sinne und die wesentlichen Bestandteile des Körpers erleuchten.

14. Die dritte Frage bezieht sich auf die Natur und den Ursprung des Pranas.

15. Die vierte Frage bezieht sich auf Schlaf und Traum.

16. Die fünfte Frage bezieht sich auf Prana und OM.

17. Die sechste Frage bezieht sich auf den Purusha der sechzehn Kalas oder Teile.

18. Sukesa, Satyakama, Gargya, Kausalya, Bhargava, Kabandhi, all diese dem Brahman ergeben und zentriert im Brahman, suchen den höchsten Brahman, näherten sich dem verehrten Pippalada mit Opfergaben (Samit) in ihren Händen, in dem Glauben, dass er ihnen alles erklären würde.

19. Wissen um Brahman kann von Menschen erlangt werden, die sich dem Zölibat hingaben, Tapas ausführen und sich den Regeln hingeben.

20. Dann sagte Pippalada zu dem Aspiranten: Bleibe für ein Jahr hier mit Entbehrungen, Zölibat und Glauben. Dann darfst du Fragen stellen wie es dir beliebt, und wenn ich die Antworten kenne, werde ich sie dir sicherlich erklären.

Vorbereitung des Gefäßes

21. Die subtilen Wahrheiten des Vedanta können von einem groben und unreinen Geist nicht erkannt werden. Der Geist sollte rein, fein und scharf gemacht werden. Nur dann wird er bereit sein, Konzentration und Meditation zu üben und die subtilen Wahrheiten der Upanishaden zu begreifen.

22. Dienst für den Guru oder ein Vorbild mit Glauben und Hingabe reinigt den Geist sehr schnell. Dies ist das machtvollste Mittel der Reinigung.

23. Der spirituelle Lehrer kennt durch seine innere Sicht den mentalen Zustand seiner Aspiranten, den Grad ihrer Entwicklung, ihre Fehler und Schwächen, etc.

24. Tapas und Zölibat tragen zur Reinigung des Geistes bei.

25. Der Lehrer kann ihre Astral- und Kausalkörper durch das innere Auge der Weisheit sehen.

26. Der Seher Pippalada erkannte durch seine innere Sicht, dass noch immer Unreinheiten in ihrem Geist waren und so bat er sie, mit ihm für ein Jahr zu verweilen, um Tapas, Zölibat und Glauben zu praktizieren.

Leben und Materie

Versuch, die schöpferischen Aktivitäten Prajapatis darzustellen, Stahlstich, um 1850

27. Leben hat keinen Anbeginn. Die Welt wurde nicht geschaffen. Sie wird ganz einfach von Gott projiziert.

28. Dann näherte Katyayana Kabandi sich Pippalada und fragte: "Ehrwürdiger Meister, woher wurden diese Kreaturen geboren?"

29. Er antwortete: Prajapati (der Herr der Kreaturen) war begierig nach Nachwuchs. Er tat Buße (gedanklich) und danach erschuf er in Paaren Materie (Rayi) und Leben (Prana), Nahrung und Esser, mit dem Gedanken, dass diese zusammen ihm Kreaturen in vielfältiger Weise produzieren würden.

30. Tapas ist Buße. Hier bedeutet es Überlegung darüber, wie und was geschaffen werden soll.

31. Prana ist Energie. Rayi ist Materie. Prana und Rayi sind männlich und weiblich. Prana und Materie sind das Paar.

32. Prajapati erschuf ein Paar, welches nötig für die Schöpfung ist: Der Mond, der Nahrung ist und Prana (Feuer, Sonne) bzw. den Esser.

33. Er dachte, dass Agni (Sonne) und der Mond (bzw. der Esser und die Nahrung) verschiedene Kreaturen schaffen würden, und so schuf er die Sonne und den Mond.

34. Durch den Einfluss des Mondes alleine, wird das köstliche Soma oder das Rasa der Erde, welches die Pflanzen und Kräuter nährt, produziert. Die Sonne ist das Feuer, welches das Rasa konsumiert.

35. Dieses Leben wird durch Nahrung (Annam) und Luft (Prana) aufrecht erhalten.

36. Die Sonne ist wahrlich Leben und der Mond die Materie; all dies wird eine Form besitzend und ohne Form gefunden. Aus diesem Grund ist Form in der Tat Nahrung.

37. Murtam bedeutet mit Form; grob (solide, flüssige und feurige Objekte).

38. Amurta bedeutet ohne Form; subtil (Luft, Äther).

39. Die Sonne ist Energie. Der Mond ist Materie.

40. All jenes, das einen Körper (Form) hat und das keinen Körper (formlos, feinstofflich) hat ist Materie. Deshalb ist Körper (Form) in der Tat Materie.

41. Die Sonne ist Prana, der Esser, das Feuer; der Mond ist die Nahrung. Der Esser und die Nahrung sind wirklich eins. Sie sind Aspekte des Herrn der Kreaturen.

Die herrliche Sonne

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42. Die Sonne ist das Zentrum der Energie. Sie ist folglich identisch mit dem Prana.

43. Nun, der Sonnenaufgang ist im Osten. Dadurch badet sie in ihren Strahlen alle Pranas im Osten. Wenn sie die südlichen, die westlichen, die nördlichen Viertel, die Nadir, den Zenit, die dazwischenliegenden Viertel, und alle beleuchtet, dann nimmt sie dadurch alle Kreaturen in ihre Strahlen auf.

44. Die Sonne badet alle lebenden Wesen mit ihrem Licht, lässt sie eins werden mit ihrem eigenen Selbst.

45. Wo immer Leben ist, wo immer Energie ist, ist dies aufgrund des Einflusses der Sonne.

46. Die Sonne ist das größte, unerschöpfliche Kraftwerk auf Erden. Sie unterstützt mit ihren Strahlen alles Leben in allen Richtungen.

47. Dies ist das (Vaisvanara) die Gesamtsumme aller lebenden Wesen, alle Formen annehmend, Leben und Feuer, die jeden Tag erwacht.

48. Die Sonne erleuchtet die gesamte Welt. Sie ist das Zentrum von Kraft und Energie. Sie ist die Quelle von Leben und Aktivität. Deshalb ist sie der Herr der Kreaturen. Sie ist mit den Aktivitäten aller Menschen verbunden. Sie ist in der Tat das Leben der Welt.

49. Alle Formen annehmend, glänzend, allwissend, das höchste Ziel, das eine Licht, der Geber der Hitze, mit tausend Strahlen, in hunderten Formen existierend, Leben aller Kreaturen, geht diese Sonne auf.

50. Das Jahr ist in der Tat Prajapati, der Herr der Schöpfung. Es gibt zwei Pfade, südlich und nördlich. Jene, die einzig dem Pfad des Karma folgen, durch das Ausüben von Opferungen und frommen Handlungen, erlangen einzig die Welt des Mondes und kehren mit Sicherheit wieder zurück.

51. Ishta ist das tägliche Ausführen von Agnihotra, Buße, das Speisen der Gäste.

52. Purta ist das Graben von Brunnen, Wasserspeichern etc. für die Öffentlichkeit, das Bauen von Tempeln, Krankenhäusern, Schulen, den Armen und den Hungrigen Essen geben, öffentliche Gärten anlegen, etc.

53. Aber jene, die den Atman durch Buße, Glauben und Wissen gesucht haben, erreichen die Sonne durch die nördliche Rute (Brahmaloka). Dies ist die Heimstatt allen Lebens, das Unsterbliche, furchtlose, das höchste Ziel.

54. Sie wandern auf dem Pfad von Devayana, dem Pfad der Götter, zur Welt der Sonne und gehen von dort ins Brahmaloka. Sie verschmelzen in Brahman, im Ende dieses Kreislaufs. Das ist Karma Mukti oder allmähliche Befreiung.

55. Jene, die Brahmaloka erlangt haben, kehren nicht in diese Welt zurück. Sie werden nicht wiedergeboren wie jene, die einzig dem Karma folgen.

56. Fünf Füße besitzend (die fünf Jahreszeiten), über Ihn, den Vater, zwölf Formen besitzend (zwölf Monate), der Spender des Regens, sagen sie (die Weisen), dass er auf einer Ebene verweilt, die höher als der Himmel ist. Andere nennen ihn allweise, auf welchem, wie bei einem Streitwagen (gezogen von sieben Pferden), mit sieben Rädern und sieben Speichen, sich die gesamte Welt gründet.

57. Die Sonne ist nichts weiter als das Jahr oder die Zeit. Die Sonne ist der Macher oder Messer der Zeit.

58. Sie Sonne durchdringt alle Wesen mit ihrem Licht, lässt sie eins sein mit ihrem eigenen Selbst.

59. Die Sonne wird Vater genannt, denn Sie ist der Schöpfer von Allem, sie erhält das Leben, und alles Leben geht einzig durch sie weiter.

60. Die sieben Strahlen oder Farben der Sonne sind die sieben Pferde der Sonne. Halbjahre, Jahreszeiten, Monate, halbe Monate, Tage, Nächte und Muhurtas sind ebenfalls die sieben Pferde der Sonne.

61. Die sechs Speichen sind die Jahreszeiten.

62. Der Monat ist Prajapati (der Herr der Schöpfung), seine dunkle Hälfte ist tatsächlich die Nahrung, seine helle Hälfte das Prana. Deshalb führen diese Rishis Opferriten in der hellen Hälfte durch, die anderen in der dunklen Hälfte.

63. Der Monat ist ebenfalls in der Natur eines Paars. Ein Teil, das ist die dunkle Hälfte, ist Nahrung, bzw. Materie oder Mond. Die andere Hälfte, bzw. zwei Wochen, ist die Sonne, die Erde, das Feuer oder Prana.

64. Nacht ist täglich Pralaya.

65. Tag und Nacht sind Prajapati. Der Tag ist das Prana und die Nacht ist tatsächlich Nahrung. Jene, die tagsüber sich in Liebe vereinen, verschwenden ihr Prana, jene, die sich Nachts in Liebe vereinen werden wahrlich als Brahmacharis betrachtet.

66. Nahrung ist in der Tat Prajapati; aus ihr entstehen in der Tat Samen, aus diesen werden alle Kreaturen geboren.

67. Folglich produzieren somit jene, die diese Regel des Prajapati einhalten, ein Paar. Jenen allein ist dieses Brahmaloka in denen Buße, Zölibat und Wahrheit verbleiben.

68. Dieses reine Brahmaloka gehört einzig denen, in denen kein Betrug, Falschheit oder Verheimlichung sind.

69. Betrug, Verworfenheit, Falschheit und Verheimlichung beflecken das Herz. Sie sind Hindernisse auf dem spirituellen Weg. Sie sollten durch das Kultivieren der gegenteiligen, positiven Tugenden wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Wahrheit ausgerottet werden.

Prana: Größer als die Sinne

70. Dann fragte Bhargava, Sohn von Vidarbha Pippalada: O Bhagavan, wie viele Devas unterstützen die Schöpfung? Welche von diesen erleuchten das? Wer, nochmal, ist, unter ihnen, der Größte?

71. Die zweite Frage bezieht sich auf die Kräfte, Herrlichkeit und Größe von Prana, welcher den Mikrokosmos unterstützt und somit der Beste von Allen ist.

72. Er antwortete: Diese Devas sind wahrlich der Äther, Wind, Feuer, Wasser, Sprache, Geist, Auge und das Ohr. Sie, ihre Herrlichkeit manifestierend, stritten untereinander und sagten: Wir halten zusammen und unterstützen diesen Körper.

73. Prana, der Größte, sagte zu ihnen: Verliert euch nicht in Täuschung. Haltet diesen närrischen Stolz nicht aufrecht. Ich alleine, mich selbst fünffach aufteilend, unterstütze diesen Körper und bewahre ihn.

74. Atmung und Gedanke sind Ausdrucksweisen von Prana allein. Prana ist das wichtigste, fundamentale Prinzip im Körper und in der Natur. Deshalb wird Prana auch Brahma genannt. Das individuelle Prana ist Teil des universellen Prana oder kosmischer Energie.

75. Sie glaubten ihm nicht. Das Prinzip des Prana, schien, aus Entrüstung aus dem Körper zu gehen, sozusagen von oben. Als das Prana aufstieg, stiegen all die anderen (Sinne) ebenfalls umgehend auf; und wenn er blieb, verblieben all die anderen auch; so wie Bienen den Stock verlassen, wenn die Königin diesen verlässt und zurückkehren, wenn sie zurückkehrt; und so priesen der Geist, Sprache, Auge, Ohr und der Rest, Prana.

Prana: Der wichtigste Beweger

76. So verhält es sich mit dem Leben: Als Feuer brennt es; als Sonne scheint es; als Parjanya regnet es; als Maghavan (Indra) regiert es; es ist der Wind; es ist die Erde, Mond, Deva, was Form besitzt, was formlos ist und was unsterblich ist.

77. Prana ist das Amrita, was die Basis oder der Aufenthalt aller Devas ist.

78. Wie Speichen in einem Rad, so ist alles im Prana zentriert, die Verse des Rigveda, Samaveda, Opferungen, Kshetriyas und die Brahmanen.

Gebet an Prana

79. Als Prajapati, Herr der Kreaturen, bewegst du (Prana) dich im Mutterleib; Du wirst in der Tat danach geboren. Dir, O Prana, der zusammen mit den anderen Pranas (Sinnen) verweilt, bringen diese Kreaturen Opfer dar.

80. Prana bewegt sich im Mutterleib. Im Mutterleib verursacht es die Beschleunigung des Fötus. Es stößt das Kind aus dem Leib aus, wenn es gewachsen ist.

81. Prana wird als Kind geboren. Prana ist zugleich Vater und Mutter. Es ist Prajapati, universelles Leben.

82. Die Sinne tragen die Eindrücke ihrer zugehörigen Objekte, um das Leben im Körper zu nähren und aufrecht zu erhalten. Dies sind die Opferungen an Prana, dem Herrn der Sinne.

83. Prana ist der Esser. Alles ist Nahrung für Prana.

84. O, Prana, du bist der beste Träger für die Götter, die erste Opferung an die Vorväter. Du bist das aktive Prinzip der Sinne, welche die Essenz des Körpers sind.

85. Dieses Leben, als Feuer, brennt. Prana brennt als Feuer.

86. Prana ist das aktive Prinzip, welches die Sinne und den Körper unterstützt. Die Glieder und Organe werden abmagern und austrocknen, wenn da kein Prana ist. Also ist Prana die Essenz oder Saft aller Sinne im Körper.

87. O, Prana, du bist Indra, du bist Rudra durch Tapferkeit, du bist der Beschützer, du bewegst dich im Himmel, du bist die Sonne, der Herr aller Lichter.

88. Wenn du es regnen lässt, O Prana, sitzen deine Kreaturen erfreut, hoffend, dass es Nahrung, welche sie begehren, geben wird.

89. O, Prana, du bist ein Vratya (ewig rein); du bist das Feuer Ekarshi, der Verzehrer aller Dinge, der gute Herr der Welt. Wir sind die Gebenden der Opferungen, O, Matarisvan, du bist unser Vater.

90. Sei diesem, deinen Körper gnädig, welcher in Sprache verweilt, im Ohr, im Auge und welcher ebenfalls den Geist durchdringt; gehe nicht heraus.

91. All das unterliegt der Kontrolle von Prana, und all das ist ebenfalls der dritte Himmel. Beschütze uns wie eine Mutter. Gib uns Wohlstand und Weisheit.

Das Mysterium des Lebens

92. Dann fragte Kausalya, Sohn von Asvala, Pippalada: "O, Bhagavan, wo wird dieses Prana geboren? Wie gelangt es in den Körper? Wo verbleibt es, nachdem es sich selbst aufgeteilt hat? Wie geht es heraus? Wie unterstützt es das, was ohne, und all das, was im Körper ist?"

93. Pippalada antwortete: "Du stellst Fragen zu transzendenten Dingen. Ich werde sie dir beantworten, denn du bist ein großer Erforscher von Brahman."

94. Dieses Prana wird aus dem Atman geboren. So wie dieser Schatten im Menschen ist, so ist dieses Prana im Atman. Durch die Handlung des Geistes geht dieses in den Körper ein.

95. Die Handlung des Geistes ist die Gedankenkraft wollend oder wünschend. Durch die Handlung des Geistes bedeutet, durch die guten oder bösen Taten, welche die Arbeit des Geistes sind.

Funktionen von Prana

Pranayama - Kontrolle über die Lebensenergie

96. So wie ein König seine Offiziere befehligt, ihnen sagt: 'Verweilt und verwaltet in diesen oder jenen Dörfern', ebenso verfügt dieses Prana über die anderen Pranas jeweils für ihre unterschiedlichen Arbeiten.

97. Das Apana verweilt in den Organen der Ausscheidung und Erzeugung; das Prana selbst verweilt im Auge, Ohr, Mund und Nase. In der Mitte ist Samana. Es verteilt die Nahrung, die gleichmäßig geliefert wurde und die sieben Flammen brennen dadurch weiter.

98. Apana verweilt im Anus und den generativen Organen. Es verursacht die Ausscheidung. Prana ist für die sensorischen Lebensfunktionen zuständig. Es verweilt im Auge, den Ohren, etc.. Samana verweilt im Nabel. Es ist für die Verdauungsfunktionen zuständig. Vyana lässt das Blut zirkulieren. Es ist allesdurchdringend. Udana hilft, Nahrung und Getränke zu schlucken. Es nimmt den Jiva zum Brahman während des Schlafes. Es nimmt den Jiva aus dem Körper während des Todes und leitet ihn in die andere Welt. Es verweilt in der Kehle.

99. Dieser Atman ist im Herzen. Es gibt einhundertundeins Nervenströme (Nadis). Jeder von ihnen hat einhundert Zweige; ferner hat jeder von diesen wiederum zweiundsiebzigtausend Unterzweige. In diesen bewegt sich Vyana.

100. Ferner, durch einen Nerv, den Udana, aufsteigend, führt es uns aufwärts zu den tugendhaften Welten durch gute Taten, durch die sündenvolle Welt durch Sünde und in die Welt der Menschen durch Tugend und Sünde kombiniert.

101. Die Sonne ist wahrlich das externe Prana. Sie geht auf und begünstigt das Prana in den Augen. Die Göttin der Erde zieht (kontrolliert) das Apana nach unten hin an. Der Akasha (Äther) zwischen der Sonne und der Erde ist Samana. Der Wind ist Vyana.

102. Das externe Feuer ist in der Tat Udana. Aus diesem Grund geht jener, dessen Feuer ausgegangen ist, in einen anderen Körper ein, mit seinen Sinnen im Geist absorbiert.

103. Was auch immer sein Gedanke zum Zeitpunkt des Todes, mit Diesem erlangt er Prana und das Prana, in Verbindung mit Udana, zusammen mit dem Jivatma führen ihn in die Welt, an die gedacht wurde.

104. Der Gelehrte Mensch weiß, dass sein Nachwuchs nicht umkommt, und er wird unsterblich.

105. Er, welcher den Ursprung kennt, den Eingang, den Sitz, die fünffache Verteilung von Prana und seinen internen Zustand im Körper, erlangt Unsterblichkeit, ja, erlangt Unsterblichkeit.

Traum und Tiefschlaf

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106. Dann stellte Gargya, der Enkel von Surya, Pippalada die Frage: "O Bhagavan, was sind diese, die im Menschen schlafen; was sind nochmal jene, die in ihm aufwachen? Welcher ist der Deva, der Träume sieht? Wessen ist diese Glückseligkeit? Von was hängen all diese ab?"

107. "Welche Organe schlafen im Körper oder stoppen ihre Funktion, wenn der Mensch schläft? Welche sind darin wach; bzw. üben ihre Funktionen aus?"

108. Pippalada antwortete: "O Gargya, so wie die Strahlen der Sonne, wenn sie untergeht, eins werden in dieser Scheibe aus Licht und wieder hervorkommen, wenn sie wieder aufgeht, eben so werden all diese eins im höchsten Deva, dem Geist. Deshalb hört, sieht, riecht, schmeckt oder fühlt man in dieser Zeit nichts; man spricht nicht, oder nimmt, oder genießt, oder scheidet aus oder bewegt sich. Man sagt, Er schläft."

109. All die Organe (oder Sinne) sind ruhend im Geist während des Tiefschlafs. Sie werden eins mit dem Geist.

110. Das Feuer des Prana allein ist wach in der Stadt (Körper). Das Apana ist das Garhapatya Feuer. Das Vyana ist das Ahavaniya Feuer, da es aus dem Garhapatya Feuer genommen wird.

111. Weil der Samana die Opfer (die Atmung) gleichmäßig verteilt, ist er der Priester (Hotri). Der Geist ist das Opfer, das Udana ist die Belohnung der Opfer; er führt den Opfernden jeden Tag, im Tiefschlaf, zu Brahman.

112. In diesem Zustand genießt dieser Deva (der Geist) im Traum seine Größe. Was auch immer gesehen wurde, er sieht es erneut; was gehört wurde, er hört es erneut; was genossen wurde, in verschiedenen Ländern und Vierteln, er genießt es erneut; was gesehen und nicht gesehen wurde, gehört und nicht gehört, erfahren und nicht erfahren, wirklich und unwirklich, er sieht; er alles seiend, er sieht alles.

113. Im Traum erschafft der Geist seine eigene Welt aus den Eindrücken, die er im Wachzustand erhalten hat und genießt die Vision. Der Geist selbst ist der Wahrnehmende (Subjekt) und das Wahrgenommene (Objekt). Der Geist selbst nimmt dann die Formen von Bergen, Flüssen, Bäumen, Blumen etc. an.

114. Im Traum taucht der Geist tief, manchmal in die Eindrücke vergangener Leben und durchlebt diese auch.

115. Wenn er von Licht überwältigt wird, dann sieht dieser Gott (der Geist) keine Träume und zu dieser Zeit erwacht Glückseligkeit in diesem Körper.

116. Der Kausalkörper ist im Tiefschlaf aktiv. Der Kausalkörper ist das Organ, durch welches die Glückseligkeit des Tiefschlafes genossen wird.

117. Der Jiva ruht in Brahman, im Tiefschlaf. Dort ist nur eine dünne Schicht aus Unwissenheit zwischen ihm und dem höchsten Selbst. In Samadhi oder dem Zustand von Superbewusstsein wird dieser Schleier aus Unwissenheit entzwei gerissen und der Jiva verschmilzt in Brahman und erlangt das höchste Wissen. Das ist der Unterschied zwischen Tiefschlaf und Samadhi.

118. So wie, O Geliebter, Vögel sich auf einen Baum begeben, um dort zu ruhen (zu verweilen), ebenso in der Tat ruhen all diese im höchsten Atman.

119. Die Erde und die subtilen Elemente, das Wasser und seine subtilen Elemente, die Luft und ihre subtilen Elemente, Äther und seine subtilen Elemente, das Auge und wahrnehmbare Objekte, das Ohr und was gehört werden kann, die Nase und was gerochen werden kann, Geschmack und seine Objekte, die Hände und was ergriffen werden kann, die Füße und was betreten werden kann, das Organ der Schöpfung und was genossen werden kann, das Organ der Ausscheidung und was ausgeschieden werden muss, der Geist und über was nachgedacht werden muss, der Intellekt und was bestimmt werden muss, Egoismus und seine Objekte, Chitta und dessen Objekte, Licht und seine Objekte, das Prana und was davon unterstützt werden muss, all das ruht im höchsten Atman im Tiefschlaf.

Die transzendente Erfahrung

120. Manas oder der Geist ist dieser Bereich der überlegt: 'Sollte ich dies tun oder nicht.' Der Buddhi oder der Intellekt ist der Bereich der bestimmt: 'Ich muss das tun.' Egoismus oder Ahamkara ist das selbst-fordernde Prinzip. Er fühlt: 'Ich habe das getan. Ich habe das genossen.' Chitta ist der Bereich der Erinnerung.

121. Es ist Er, der sieht, fühlt, heilt, riecht, schmeckt, denkt, weiß. Er ist der Handelnde, die intelligente Seele, der Purusha. Er verweilt im höchsten, unzerstörbaren Ort.

122. So wie ein Bild der Sonne im Wasser reflektiert wird, so wird das Bild von Brahman im Geist reflektiert. Das reflektierte Bild ist der Jiva. Dies ist nur augenscheinlich, aber nicht real.

123. Der Jivanmukta geht in den höchsten, unsterblichen, nicht verfallenden Atman ein, so wie das reflektierte Bild der Sonne im Wasser in die Sonne eingeht.

124. Das höchste, unzerstörbare Wesen erlangt er mit Sicherheit. Wer auch immer, O Geliebter, dieses Wesen erkennt, welches ohne Schatten ist, ohne Körper, ohne Farbe, welches rein und unzerstörbar ist, wird allwissend und wird alles.

125. Brahman ist frei von den Gunas und so ist er stets rein. Er ist körperlos und somit niemals verfallend.

126. Der Jiva wurde von Unwissenheit umhüllt und so war er davor nicht allwissend. Er wird zu Allem durch die Zerstörung der Unwissenheit, durch das Erlangen von Wissen.

127. Brahman ist ewig, unbegreiflich, ungeboren. Er ist alle Glückseligkeit in der Natur, frei von allen Leiden und Ärgernissen. Er existiert ohne und inmitten aller Dinge.

128. O Geliebter, er der den unauslöschlichen Atman kennt, in dem das wissende Selbst mit all den Devas aufsteigt, das Prana und die fünf Elemente, wird allwissend, und, in der Tat, geht in alles ein.

129. Geht in alles ein, bzw. erkennt, dass er das Selbst oder Atman in den Wesen ist und fühlt, dass er selbst in allen Dingen existiert.

Herrlichkeit der Meditation über Om

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130. Dann fragte Satyakama, Sohn von Sibi, Pippalada: "O Bhagavan, welche Welt erlangt jener, der, unter den Menschen, über Om bis zum Tod meditiert, dadurch?"

131. Om ist das Pratika oder Substitut für Brahman. Es ist das Symbol für Brahman.

132. Meditation auf Om mit Bhava (Gefühl) und seine Bedeutung ist wirkliche Meditation über Brahman.

133. Meditation auf Om ist das Aufrechterhalten des ständigen Flusses, der einen Idee des höchsten Selbst, wie der Fluss von Öl aus einem Gefäß in eine anderes (Tailadharavat).

134. Der Geist sollte ruhig wie die Flamme in einer Lampe an einem windstillen Ort sein.

135. Meditation kann nur von dem Aspiranten praktiziert werden, dessen Sinne von externen Objekten abgewandt sind, der einen ruhigen Geist hat, der mit Unterscheidungsgabe ausgestattet ist, Selbstbeherrschung hat, Reinheit, Glauben, Ausdauer und eine starke Sehnsucht nach der letzten Emanzipation.

136. Pippalada antwortete: "O Satyakama, die Om Silbe ist in der Tat der höhere und der niedere Brahman. Deshalb erlangt jener, der es auf diese Weise kennt, mit Sicherheit Beide."

137. Om bedeutet in erster Linie Para Brahman und dann erst bezeichnet es Hiranyagarbha.

138. Wenn er auf ein Matra davon meditiert – A, dann wird er, dadurch erleuchtet, schnell zur Erde kommen. Die Rik Verse führen in die Welt der Menschen, und da er mit Entbehrungen, Zölibat und Glauben ausgestattet wurde, erlangt er Größe.

139. Aber wenn er nur auf sein zweites Matra – U, meditiert, dann wird er eins mit dem Geist. Er wird von den Yajus Versen zum Himmel, der Welt des Mondes übergeleitet. Nachdem er dort Größe genossen hat, kehrt er zur Erde zurück.

140. Aber wenn er, noch einmal, auf den höchsten Purusha mit der Om Silbe der drei Matras meditiert, dann wird er mit der Sonne vereint werden. So wie eine Schlange von ihrer Haut befreit wird, so wird er von seiner Haut befreit. Er wird von der Sama Hymne zur Welt von Brahma gebracht, und von ihm, voll des Lebens, betrachtet er den höchsten Purusha, der im Herzen verweilt.

141. Die drei Matras sind, wenn sie einzeln benutzt werden, sterblich. Aber wenn sie miteinander verbunden werden, sind sie nicht falsch benutzt. Wenn man sie korrekt in all den internen, externen und mittleren Funktionen anwendet, dann erzittert der Wissende nicht. Er wird vom brahmischen Bewusstsein nicht geschüttelt werden. Er wird stets fest in seinem Bewusstsein verbleiben: Ich bin Brahman.

142. Durch die Rik Verse kommt er in dieser Welt an, durch die Yajus Verse im Himmel, durch die Saman Verse in dem, von welchem die Seher wissen (Brahmaloka) durch die Mittel des Buchstabens Om. Der Weise erreicht diese und also jenes, welches still, nicht-zerfallend, ohne Tod, furchtlos und das Höchste ist.

Die innewohnende Präsenz

143. Dann fragte Sukesa, Sohn von Bharadvaja, Pippalada: "O Bhagavan, Hiranyanabha, ein Prinz von Kosa, kam einst zu mir und stellte diese Frage: 'O Bharadvaja, kennst du den Purusha der sechzehn Kalas (Teile)?' Ich sagte dem Jüngling: 'Ich kenne ihn nicht. Wenn ich es wüsste, warum sollte ich dir nicht davon erzählen. Er, der erzählt, was nicht wahr ist, trocknet aus, wahrlich, bis zur Wurzel. Deshalb wage ich es nicht, die Unwahrheit auszusprechen.' Nachdem er seinen Wagen bestieg, fuhr er schweigend davon. Dieses frage ich dich, was ist dieser Purusha?"

144. Pippalada antwortete: "O edler Jüngling, dieser Purusha, in welchem die sechzehn Kalas geboren werden, ist sogar hier in diesem Körper."

145. Man muss nicht weit gehen, um Ihn zu suchen, Er ist im Lotus des Herzens. Er ist dir sehr nahe, näher als dein Atem.

146. Vom Atman sagt man, er verweilt im Herzen, damit er dem Aspiranten dabei helfen kann, zu erkennen, dass der Atman in seinem eigenen Selbst ist. Dies wird ihm helfen, Konzentration zu üben, und der Purusha wird erkannt, als ob er inmitten des eignen Körpers ist, durch den Gedankenprozess, Reflexion und Meditation.

147. Der Purusha hat wirklich keine Teile. Er ist unteilbar, homogen und ohne Teile. Aufgrund von Unwissenheit, wird Er gesehen, als bestünde er aus Teilen.

148. Die Kalas sind Gegebenheiten, die dem Purusha aufgrund von Unwissenheit hinzugefügt werden. Wenn jemand Wissen erlangt, fallen all diese Gegebenheiten weg. Er betrachtet den einen, homogenen, bedingungslosen, höchsten Purusha allein.

149. Intelligenz ist kein Attribut des Atman. Der Atman ist die Verkörperung der Intelligenz (Prajnana Ghana oder Vijnana Ghana), dichte Masse von Intelligenz.

150. Du wirst die sechzehn Kalas durch die Anwendung der Neti Neti (nicht das, nicht das) Doktrin auslöschen müssen.

151. Er (Purusha) reflektierte, was jenes ist, durch wessen Abfahrt ich abreisen solle und an welchen Aufenthaltsort ich verbleiben solle.

Grundlagen der Sankhya Philosophie

152. Der Sankhya Philosophie zufolge ist Prakriti oder Pradhana der Schöpfer und Purusha ist der Genießer.

153. Prakriti transformiert sich selbst in Mahat (Intellekt), Geist, Egoismus, Tanmatras, Elemente, etc. zum Vorteil oder Genuss des Purusha.

154. Er erschuf Prana, aus Prana Glauben, Äther, Luft, Feuer, Wasser, Erde, Sinne, Geist und Nahrung; und aus Nahrung Stärke, Buße, Mantras, Karma und die Welt, und in der Welt Name (bzw. das Individuum).

155. Akasha, Äther, besitzt die Eigenschaft des Klangs.

156. Luft ist aus Akasha geboren. Sie hat zwei Eigenschaften, ihre eigene, Berührung, und die ihrer Ursache, Klang.

157. Feuer wird aus Luft geboren. Es hat drei Eigenschaften, seine eigene, Form, und die zwei Eigenschaften der vorhergehenden Elemente, Klang und Berührung.

158. Wasser wird aus Feuer geboren. Es hat vier Eigenschaften, seine eigene, Geschmack, und die drei Eigenschaften der vorher genannten Elemente.

159. Erde wird aus Wasser geboren. Sie hat vier Eigenschaften, ihre eigene, Geruch, und die Eigenschaften der vier zuvor genannten.

160. So wie Flüsse, die in Richtung des Meeres fließen, wenn sie das Meer erreicht haben, verschwinden, lösen sich ihre Namen und Formen auf und werden Meer genannt, ebenso lösen sich die sechzehn Teile des Beobachters, die in Richtung des Purusha gehen, auf, ihre Namen und Formen werden zerstört und alles wird einzig Purusha genannt. Er wird ohne Teile und unsterblich.

161. Wisse um diesen Purusha, der erkannt werden sollte, in welchem die Kalas zentriert sind wie Speichen in der Mitte eines Rades, damit der Tod dir nichts anhaben kann.

162. Dann sagte Pippalada zu ihnen: "So viel allein weiß ich von dem höchsten Purusha; nichts ist höher als dies."

163. Und dann sagten sie, ihn verehrend: "Du bist unser Vater, der uns hilft, den Ozean der Unwissenheit zu überqueren. Grüße an die höchsten Rishis! Grüße an die höchsten Rishis!"

  • Im Englischen ist die Sonne männlich und der Mond weiblich (Anm. d. Übers.)

Aus Swami Sivananda: Essence of Principle Upanishads, Divine Life Society Sivananda Ashram Rishikesh

Prashna Upanishad प्रश्नौपनिषद् Praśna-Upaniṣad Aussprache

Hier kannst du hören, wie das Sanskritwort Prashna Upanishad, प्रश्नौपनिषद्, Praśna-Upaniṣad ausgesprochen wird:

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Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Indische Schriften

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Jnana Yoga, Philosophie

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Indische Meister

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Meditation

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Spirituelles Retreat

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Multimedia

Klassische Schriften des Yoga: Veden, Upanishaden, Smritis, Puranas und Itihasas

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Jnana Yoga und Vedanta Einführung

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Vom Begrenzten zum Unendlichen - Geschichten aus den Upanishaden

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111 Geschichten aus den Upanishaden

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