Passiv im Sanskrit

Aus Yogawiki

Das Passiv bezeichnet in der Sanskrit Grammatik die sogenannte passive Konstruktion (Karmani Prayoga) des Verbs (Akhyata), die im klassischen (d.h. nach-vedischen) Sanskrit wesentlich häufiger Verwendung findet als die aktive Konstruktion (Kartari Prayoga) des Verbs, also das Aktiv.

Das Passiv und die passive Konstruktion des Verbs

Das Sanskrit hat im Laufe seiner Entwicklung die Eigenart herausgebildet, die "passive" Ausdrucksweise (also die Verwendung des Passivs) der "aktiven" Ausdrucksweise (also der Verwendung des Aktivs) vorzuziehen. Daher sagt man im Sanskrit weniger "ich mache ..." (karomi), sondern "von mir wird ... gemacht" (mayā kriyate); oder es heißt öfter "ich habe gemacht" (kṛtavān aham) als "von mir wurde gemacht" (mayā kṛtam).

Passiv und Zeitform

Grundsätzlich kann im Sanskrit von jeder Zeitform ein Passiv gebildet werden. Besonders häufig sind jedoch die Passivformen der Gegenwart (Präsens, Vartamana) und die der Vergangenheit (Präteritum, Atita). Die jeweilige Verbform (genauer: ihre Endung) bezeichnet jeweils das, was getan wird oder wurde, d.h. das logische Objekt (Karman) der Handlung. Derjenige, der es tut, d.h. das logische Subjekt bzw. der Agens (Kartri) der Handlung, wird mit dem Instrumental (Tritiya) bezeichnet.

Passiv der Gegenwart

In den folgenden Beispielen wird stets die Passivform der 3. Person Singular der Wurzel kṛ "tun, machen" bzw. śru "hören" verwendet (kriyate bedeutet "wird getan", śrūyate bedeutet "wird gehört"). Die jeweiligen Handelnden (Agens) werden mit dem Instrumental bezeichnet.

Beispiele

  • kāryaṃ mayā (Instr.) kriyate "Die Aufgabe (Karya) wird von mir (Maya) getan (kṛ)."
  • kāryaṃ tvayā (Instr.) kriyate "Die Aufgabe (Karya) wird von dir (Tvaya) getan (kṛ)."
  • kāryaṃ puruṣeṇa (Instr.) kriyate "Die Aufgabe (Karya) wird von dem Mann (Purusha) getan (kṛ)."
  • gītā tena (Instr.) śrūyate "Die (Gita) wird von ihm (Tad) gehört (śru)."
  • gītā tayā (Instr.) śrūyate "Die (Gita) wird von ihr (Tad) gehört (śru)."
  • gītā kanyayā (Instr.) śrūyate "Die (Gita) wird von dem Mädchen (Kanya) gehört (śru)."

Passiv der Vergangenheit

In den folgenden Beispielen wurden die Sätze aus der Gegenwart in die Zeitform der Vergangenheit gebracht. Hierbei wird die Form der 3. Person Singular durch das sogenannte Partizip Präteritum Passiv (PPP) ersetzt (kṛta bedeutet "wurde gemacht", śruta bedeutet "wurde gehört"). Auch hier werden die jeweiligen Handelnden (Agens) mit dem Instrumental bezeichnet.

Beispiele

  • kāryaṃ mayā (Instr.) kṛtam "Die Aufgabe (Karya) wurde von mir (Maya) getan (Krita)", d.h. "Ich habe die Aufgabe getan"
  • kāryaṃ tvayā (Instr.) kṛtam "Die Aufgabe (Karya) wurde von dir (Tvaya) getan (Krita)", d.h. "Du hast die Aufgabe getan."
  • kāryaṃ puruṣeṇa (Instr.) kṛtam "Die Aufgabe (Karya) wurde von dem Mann (Purusha) getan (Krita)", d.h. "Der Mann hat die Aufgabe getan."
  • gītā tena (Instr.) śrutā "Die Gita wurde von ihm (Tad) gehört (Shruta)", d.h. "Er hat die Gita gehört."
  • gītā tayā (Instr.) śrutā "Die Gita wurde von ihr (Tad) gehört (Shruta)", d.h. "Sie hat die Gita gehört."
  • gītā kanyayā (Instr.) śrutā "Die Gita wurde von dem Mädchen (Kanya) gehört (Shruta)", d.h. "Das Mädchen hat die Gita gehört."

Syntax

Das Partizip Präteritum Passiv (PPP) nimmt wie ein Adjektiv (Visheshana) Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) des Substantivs an, auf das es sich bezieht. Es bezeichnet das logische Objekt (Karman) der Handlung und steht daher in der passiven Konstruktion (Karmani Prayoga) im Nominativ (Prathama). Hier folgen noch drei Beispiele zur Verdeutlichung der grammatischen Übereinstimmung (Kongruenz) von Substantiv und PPP:

  • śabdaḥ (Nom. Sg. m.) puruṣeṇa (Instr.) śrutaḥ (Nom. Sg. m.) "Der Klang (Shabda) wurde von dem Mann (Purusha) gehört."
  • gītā (Nom. Sg. f.) tvayā (Instr.) śrutā (Nom. Sg. f.) "Die Gita wurde von dir gehört."
  • sūtraṃ (Nom. Sg. n.) tena (Instr.) śrutam (Nom. Sg. n.) "Das Sutra wurde von ihm gehört."

Übersicht: Die Passivformen der Gegenwart einiger häufiger Verben

In der folgenden Übersicht erscheinen einige wichtige Verben unter folgenden Aspekten: Verbalwurzel (Dhatu) und ihre Hauptbedeutung(en), der davon abgeleitete Passivstamm, die gebeugte (konjugierte) Form der 3. Person Singular und Plural im Passiv (Karmani Prayoga) der Gegenwart (Präsens, Vartamana).

Bildung

An die schwache Form der Verbalwurzel (Dhatu), deren Vokal sich zuweilen verändert, tritt das stammbildende Infix (Vikarana) -ya sowie die Endungen des Mediums.

Verbalwurzel Bedeutung Passivstamm 3. Person Singular Übersetzung 3. Person Plural Übersetzung
pac kochen pacya- pacyate es (er, sie) wird gekocht pacyante sie werden gekocht
yuj verbinden yujya- yujyate er (...) wird verbunden
bhuj genießen bhujya- bhujyate es wird genossen
badh/bandh binden badhya- badhyate es wird gebunden
jñā wissen, kennen jñāya- jñāyate es wird gewusst, erkannt
trinken pīya- pīyate es wird getrunken
geben dīya- dīyate es wird gegeben
gā/gai singen gīya- gīyate es wird gesungen
kṛ machen, tun kriya- kriyate es wird gemacht, getan
śru hören śrūya- śrūyate es wird gehört
ji siegen jīya- jīyate es wird gesiegt
vac sagen ucya- ucyate es wird gesagt

Siehe auch