Kunst und Wissenschaft

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Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879

Es soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Wort Arier beim Indologen Zimmer ausschließlich im völkerkundlichen und sprachwissenschaftlichen Zusammenhang genannt wird.

"Die Malkunst", Jan Vermeer, etwa 1665

Kapitel 13: Kunst und Wissenschaft

Dichtkunst

In Künsten finden wir die vedischen Arier noch im Kindesalter stehen; nur eine Kunst ist bei ihnen in voller Blüthe, die Dichtkunst. Das lyrische Lied ist schon so vollendet wie später nie mehr; Kraft vereinigt sich mit Gedrungenheit des Ausdrucks und schöner Form. Die gebundene Rede (vac chandasya) stand von Anfang im Dienst der Religion : in ihr pries man bei Opfern und Festen die Götter.

Den Sängern der vedischen Lieder muss schon ein festes Bewusstsein metrischer Gesetze inne gewohnt haben; die Anwendung derselben war zu einem wohlgeordnen (sudhita), den Göttern gefälligen Liede nothwendig, ein Verstoß gegen sie machte den Preisgesang zu einem ungeordneten (durdhita, vrjina). Es wird daher vielfach von der Dichtkunst geredet wie von gewissen Arbeiten der Hand, in denen man einige Fertigkeit erlangt hatte; vor allem gebraucht man für »dichten« den Ausdruck taksh »zimmern.« So heisst es: »Dies Lied zimmerten dir (atakshishuh) die nach Gütern verlangenden Menschen, wie einen Wagen ein kunstsinniger (dhira), geschickter Zimmermann« Rv. 1, 130, 6. »Ich, der Sänger habe diesen Preisgesang gezimmert dir, o Starker, wie ein kunstsinniger, geschickter (Mann) einen Streitwagen« Rv. 5, 2, 11. »0 Indra, finde Gefallen an unseren dargebrachten Gebeten, die wir dir, o kräftigster, darbrachten (akarma); wie prächtige, gut gearbeitete Gewänder, wie einen Wagen ein kunstsinniger, geschickter habe ich sie dir aus Verlangen nach Gut gezimmert (ataksham)« Rv. 5, 29, 15; weitere Stellen sind Rv. 1, 62, 13 ; 5, 73, 10 ; 10, 39, 14.

Daneben finden sich noch zwei Ausdrücke öfters, die nur die allgemeine Thätigkeit des Hervorbringens ausdrücken, kar »machen« und jan »hervorbringen, erzeugen« : »Diese stärkenden Gebete haben euch, o Açvin, die Grtsamada als Preislied gemacht (akran)« Rv. 2, 39, B. »Komm herbei, o Indra, wir wollen stärkende Gebete für dich machen (krnavamu)« Rv. 8, 51, 4. »Ein neues Preislied habe ich nun dem Agni, dem Falken des Himmels erzeugt (jijanam); ob er uns wohl Gut verschafft?« Rv. 7, 15, 4. »Dich soll herwenden zur Hülfe dieser Hymnus, den die Gotama erzeugten« Rv. 8, 88, 4: weitere Belege siehe bei Muir ST. 3, 133 ff.

Das Zimmern, das Machen bezieht sich nur auf die äussere Form, auf die Worte, in die das Gebet sich kleidet: »Dieser Preisgesang, der Schätze spendende, wurde dem Göttergeschlecht von den Sängern mit dem Munde (asaya) gemacht« heisst es Rv. 1, 20, 1. Das Material, wenn ich so sagen darf, ans dem die Hymnen gezimmert und verfertigt wurden, das lieferte der Geist (manas) in andächtiger Stimmung (dhi); es bekommt daher dhi geradezu die Bedeutung »Lied, Preislied« : »Euch sollen die Lieder (dhiyah) herwenden zu den Opfern« Rv. 1, 135, 5 u. o. Hierher gehört ferner ein anderer Ausdruck für »Gebet« brahman, welches »die als Drang und Fülle des Gemüths auftretende und den Göttern zustrebende Andacht« in concreter, für die Sinne fassbarer Gestalt ist. Einzelne Sänger gingen soweit, in dieser Erhebung des Gemüthes jede eigne Thätigkeit von sich abzuweisen und das Lied der in ihnen thätigen Macht der Götter zuzuschreiben : das der Marutschaar, Indra gesungene Lied (bráhman) heisst von den Göttern eingegeben (devatta) Rv. 1, 37, 4; 8, 32, 27; Vasishtha nennt seinen Gesang (manisha, dhi) göttlich (devi) Rv. 7, 37, 1. 9.

Spätere Dichter, Epigonen, die obwohl mit Augen und Ohren begabt, die himmlische Göttin weder sahen noch hörten und denen sie sich noch viel weniger hingab, wie die willige, schön gekleidete Gattin dem Gatten (Rv. 10, 71, 4), diese fabelten, um eigene Unfähigkeit zu verdecken, von einem wirklichen Verkehr der sangesreichen Vorfahren mit den Göttern. Die Stellen aus dem Rigveda hat Muir ST. 3, 141 ff. gesammelt und besprochen. Die noch spätere, nachvedische Zeit endlich führt die ihr heilig gewordenen Texte ganz auf Intuition zurück, so dass sogar der Name für die Sänger der vedischen Zeit rshi von einem der ältesten Grammatiker (Aupamanyava) von der Wurzel drç »sehen« abgeleitet wird. Yaska Nirukta 2, 11.

Ein Eingehen auf die einzelnen, zum Theil kunstvollen Metra, die in den vedischen Liedern uns begegnen, ist die Aufgabe einer vedischen Metrik. Der rythmische Bau der Verse ist im Allgemeinen ein viel freierer als in der späteren Poesie. Einzelne Unregelmässigkeiten sind nur scheinbar; sie schwinden, wenn wir zuweilen noch an anderen Stellen bezeugte, ältere Sprachformen an Stelle der überlieferten lesen. Diese Erkenntnis berechtigt uns jedoch keineswegs, nun auch überall strenge Regelmässigkeit im Sinne der mehr als 1000 Jahre jüngeren metrischen Gesetze zu verlangen und, wo solche nicht vorhanden ist, sie durch Annahme von möglichen und unmöglichen Formen herzustellen. Anderswo, beispielsweise auf dem Gebiete der altlateinischen oder altdeutschen Metrik, würden solche Experimente, wie sie nach Grassmanns Vorgange mit den vedischen Versen besonders von sprachvergleichender Seite immer kühner unternommen werden, derbe Zurückweisung erfahren. Adalb. Kuhns Untersuchungen sind viel mehr anregend als abschliessend.

In den jüngeren Liedern des Rigveda finden sich schon die technischen Namen der häufigst gebrauchten Metra, unter ihnen auch die der beiden in altéranischer und altgermanischer Poesie ebenfalls vorkommenden: Anushtubh und Gayatri. Es werden auch, worauf Roth in der Vorrede zu »Siebenzig Lieder des Rigveda übersetzt von Geldher und Kaegi« Seite VIII aufmerksam macht, häufig mehrere Verse zu einer Strophe verbunden; dies ist neuerdings auch für altéranische Poesie umfassender von K. Geldher in seiner Arbeit »Über die Metrik des jüngern Avesta« Tübingen 1877 gezeigt worden.

Besonders wohlgelungene Hymnen oder solche, an deren Darbringung eine sichtliche Erhörung der Götter sich geknüpft hatte, erbten in den Familien von Geschlecht zu Geschlecht fort. Die Nachkommen wendeten die Lieder mit einigen für den speciellen Fall nöthigen Veränderungen wieder an, dichteten wohl auch neue Verse hinzu »Mit einem alten Gebet putze ich meine Lieder heraus nach Kanvas Art, wodurch Indra Kraft empfängt« gesteht ein Sänger Rv. 8, 6,. 11 und zum Schluss desselben Hymnus heisst es: »Dies alte Andachtslied, das strotzt von Segensfülle, haben die Kanva um einen Spruch vermehrt« Rv. 8, 6, 43. »Indra, den von den Marut begleiteten, rufen wir mit altem Liede herbei zum Trunke dieses Soma« Rv. 8, 76, 6. Gegenüber diesem Geständnis finden wir, wie andere Sänger mit besonderem Stolz hervorheben, dass ihr Lied ein neues ist: »Das tadellose, heute neu gemachte (navajata adya) Loblied nehmt, o Indra und Agni, Vrtratöter, gnädig an« fleht Vasishtha Rv. 7, 93, 1. »Fürs allerneueste Lied (navyase naviyase suktaya) bereite nun (o Soma) die Pfade, nach alter Weise lass den Glanz aufleuchten« Rv. 9. 9, B. Die Stellen, in denen so das neue Lied angepriesen wird, sind zahlreich: Rv. 1, 109, 2; 2, 18, 3: 24, 1; 6, 50, 6; 7, 14, 4; 8, 23, 14 u. a.; siehe Muir ST. 3. 121-128.

Ein Versuch, die vedischen Lieder nach Gattungen zu classificieren, ist gemacht schon von Yaska im Eingang zum zweiten Theil des Nirukta (7, 1). Äusserlich unterscheidet er in ihnen drei Classen, je nachdem sie mittelbare, unmittelbare oder Selbstanrufungen enthalten. Die erste Classe umfasst also solche, in denen die Götter in dritter Person als abwesend (paroksha) angeredet werden: »Indra herrscht über Himmel und Erde« Rv. 10, 89, 10 ; die zweite Classe diejenigen, in denen Götter in zweiter Person als gegenwärtig (pratyaksha) angerufen sind: »0 Indra, schlage unsere Feinde« Rv. 10, 153, 4; die dritte Classe endlich bietet die Lieder, in denen der Verfasser in der ersten Person und in Bezug auf sich selbst spricht wie Rv. 10, 119.

Die beiden ersten Classen sind die zahlreichsten, am schwächsten vertreten ist die dritte Classe. Einzelne Lieder können Lobpreis enthalten ohne Bitte: »Indras Mannesthaten will ich nun verkünden« Rv. 1, 32, 1, andere Bitte ohne Lobpreis : »Möge ich klar sehend sein mit meinen Augen, glänzend von Antlitz und wohlhörend mit den Ohren«. Ferner kommen vor Fluch und Verwünschung: »Heute will ich sterben, wenn ich ein Yatudhana bin« Rv. 7, 104, 15 ; weiterhin findet sich Schilderung eines Zustandes : »Nicht gab es Tod, auch nicht Unsterblichkeit damals« Rv. 10, 129, 2; auch Besorgnis über einen Zustand: »Dein Freudengenosse könnte wohl heute wegeilen ohne zurück zu kehren« Rv. 10, 95, 14. Endlich findet sich Tadel und Lob: »Wer allein isst, trägt allein die Schuld« Rv. 10, 117, 6, »des Freigiebigen Haus ist wie ein Lotusteich« Rv. 10, 107, 10; so wird in dem Spielerhymnus das Spiel getadelt und der Ackerbau gelobt. In dieser Weise bewegen sich die erschauten Dichtungen der Rishi auf verschiedenen Gebieten.

Soweit Yaska. Seine Bemerkungen werden gegen Ende sehr wichtig; sie zeigen, dass auch dem orthodoxen Hindu, der den Veda fleissig studiert, die Beobachtung nicht entgehen kann, dass der Rigveda doch viele Stücke enthält, die zu der schon zu Yaskas Zeit als Glaubenssatz geltenden Lehre über den Ursprung der vedischen Poesie verzweifelt schlecht stimmen.

Den Kern und auch die grosse Masse der erhaltenen vedischen Poesie bilden lyrische Lieder; ihr Charakter ist, wie schon öfters hervorgehoben, ein religiöser. Brünstige Gebete steigen in Zeiten der Gefahr, sei es allgemeiner oder ein Individuum betreffender, aus der Seele zu den Göttern empor; laut und kräftig schallender Jubel erhebt sich zu des Himmels Kuppel und tritt in Preis - und Dankliedern vor die Götter, wenn die gewünschte Hülfe zu Theil wurde. Eine erotische Färbung bekommt diese religiöse Lyrik in den Hymnen an die Morgenröthe (Ushas), die Tochter des Himmelsvaters (duhitar Divas = gr. digátir diós), die vielfach als prächtige Jungfrau auftritt, der die männlich gedachte Sonne (surya) nachfolgt wie ein liebender Jüngling der geliebten Jungfrau (Rv. 1, 115, 2); vergleiche Rv. 1, 123, 10. 11: »Wie eine Jungfrau, herrlich von Gestalt nahst du, o Göttin, dem Gotte, der nach dir sich sehnet; lächelnd enthüllst du, Jugendliche, vor ihm deinen Busen, in Reiz erstrahlend. Herrlich von Aussehen wie eine von der Mutter geschmückte Jungfrau enthüllst du dich (deinen Körper tanvam) dem Anblick; lieblich leuchte weiterhin, o Morgenröthe, nicht haben diese Pracht andere Morgenröthen erreicht«.

Ein charakteristischer Zug ist den verschiedenen Schattierungen der ältesten indischen Poesie gemein: sie ist höchst realistisch. Nahezu jede Seite unserer Darstellung hat mehr oder minder belehrende Belege hierfür geliefert, so dass eine Ausführung dieses Punktes unnöthig ist.

In engster Verbindung mit der lyrischen Poesie steht die didaktische, die Spruchdichtung. Öfteres Eintreten ähnlicher Vorgänge bringt die Menschen leicht dahin, allgemeine Erfahrungssätze daraus zu ziehen. Diese Sprüche der Weisheit, geflossen aus der Gesamterfahrung eines Volkes, erben von Geschlecht zu Geschlecht fort. Ein Zusammenfassen solcher Erfahrungssätze in poetischer Form ist die Spruchdichtung. Dass bei dem vedischen Volke diese Richtung der Poesie Pflege genoss, dafür bieten die Lieder des Rigveda Zeugnis. Schon oben habe ich darauf hingewiesen, dass das Indra in den Mund gelegte Urtheil über das weibliche Geschlecht (Rv. 8, 33, 17) sehr ähnlich dem Odins ist in Hávamál 84. Rv. 10, 117, 1-6 finden wir eine Reihe solcher Sprüche vereinigt, die von Milde und Geiz handeln.

1. Die Götter wollen nicht, dass Hunger Strafe sei,
die Tode treten auch den satten Menschen an.
Wer Armen gerne gibt, der mindert nicht sein Gut,
des kargen Knausers nimmt indeß kein Mensch sich an.
2. Und wer dem Bettler, dem herabgekommnen Mann,
mit dem er früher gern verkehrte, sein Gesuch
Um Brot, woran es ihm nicht fehlt, mit hartem Herz
versagt, auch eines solchen nimmt kein Mensch sich an.
3. Der ist der rechte Geber, der den Bitter
beschenkt, der ausgehungert Essen heischt;
Dem Hilferufe kommt er gern entgegen
und macht zum Freund sich jenen für die Zukunft.
4. Das ist kein Freund, der nicht sein Brot mag theilen
mit einem treuen, ihm ergebnen Freunde;
Der kehrt den Rücken ihm — hier ist kein Bleiben —
und sucht sich lieber einen fremden Geber.
5. Wer's kann, der soll dem Hilfsbedürftigen spenden,
den fernern Weg des Lebens wohl bedenken.
Das Glück rollt hin und her wie Wagenruder,
bald kehrt es ein bei diesem, bald bei jenem.
6. Der Thor hat von dem Essen keinen Nutzen,
fürwahr ich sag: es wird ihm nur zur Strafe;
Er zieht sich keinen Lieben noch Genossen;
er isst allein - die Schuld ist ihm alleine.

Hieran schliessen sich in loserem Zusammenhang noch einige andere Sentenzen.

7. Die Pflugschar schafft das Brot, wenn man sie zieht;
wer seine Füsse regt, der kommt zum Ziele.
Dem Brahman bringt das Reden mehr als Schweigen;
ein Freund, der gibt, ist besser als ein Karger.
8. Der Einfuß schreitet schneller als der Zweifuß,
der Zweifuss überholt im Lauf den Dreifuß,
Der Vierfuß läuft dem Zweifuß auf der Ferse,
er schaut und steht, wo fünfe sich versammeln.
9. Zwei gleiche Hände schaffen nicht das Gleiche,
und Schwesterkühe milchen nicht das Gleiche.
Ein Zwilling gleicht dem andern nicht an Stärke,
und zwei Geschwister schenken nicht das Gleiche.«

(Siebenzig Lieder Seite 155 R.)

Auf diese Gattungen beschränkte sich jedoch die vedische Poesie nicht. Die tapfere That fand ihr Lied wie im germanischen Alterthum; die Thaten eines Volkes, eines Fürsten, in dessen Umgebung immer Sänger lebten, wurden laut durch Gesänge gepriesen. Solche historischen Siegeslieder, die in die Sammlung des Rigveda Aufnahme erlangten, sind, wie Roth zuerst zeigte, z. B. Rv. 7, 18. 33; 83; sie finden ihre beste Parallele in dem auf den westfränkischen König Ludwig den Dritten nach seinem Sieg über die Normannen (881) gedichteten Hymnus. Es waren die Fürsten auf diese Loblieder gewiss nicht minder eifersüchtig als die altn. Jarle auf die ihrer Skalden; ist es doch den Gottheiten der Flüsse Vipaç und Çutudri nicht gleichgültig, ob Viçvamitra unter den Menschen gut oder schlecht von ihnen rede: 'Dies Wort (vacas), o Sänger, vergiss nicht, das von dir künftige Geschlechter laut verkünden sollen; in Liedern preise uns (eigentlich habe an uns Gefallen), o Sänger, setze uns nicht herab unter den Menschen; Ehre sei dir« Rv. 3, 33, B.

Das Gegenstück zu dem Lobgedicht bildet das Spottlied. Sein Vorkommen ist uns durch Rv. 7, 103 bezeugt, worin das Aufwachen der Frösche zu Beginn der Regenzeit, ihr Gequake und ihre Lustigkeit mit dem Gesang somatrunkener Priester verglichen wird. Rv. 9, 112 haben wir eine Satire auf die Sucht der Menschen nach Geld und Gut.

Als eine Entwicklung didaktischer Poesie sind auch die Zauber- und Beschwörungsformeln aufzufassen, vermittelst welcher dem Menschen drohendes Unheil abgewendet, geheime Naturkräfte zu seinem Dienst gezwungen werden sollen. Das Feld dieser Poesie ist hauptsächlich Av. 1-7; 19, wenn auch im Rigveda, in den übrigen Theilen der Atharva-Samhita, sowie in den Yajustexten dieselbe ihre Vertreter hat. Für alle Vorfälle des Lebens eines Erdenpilgers von seiner Erzeugung bis zu seinem Tode finden wir hier Sprüche: Hervorrufung der Schwangerschaft in einer unfruchtbaren Frau (vehat) bezwecken Av. 3, 23; 5, 25; 6, 11. 81 ; Impotenz des Mannes suchen abzuhelfen Av. 4, 4: 6, 72. 101; für Schwangere und Wöchnerinnen dienen Av. 1, 11: 6, 17; mit den Segensprüchen Av. 2, 28. 29; 6, 110 wird der junge Erdenbürger empfangen; wichtigere Momente in der Jugend des vedischen Ariers behandeln Av. 6, 140. 68; 2, 13: mit Av. 6, 89. 102. 130. 131: 7, 36. 37. 38 will das Mädchen Gegenliebe in dem Herzen des heißgeliebten Jünglings erwecken; mit Av. 2, 30; 3, 25; 6, B. 9. 82 versucht der unglücklich liebende Jüngling Kamas sehnsuchtbefiederten Pfeil in das Herz der Spröden zu schleudern; im Herzen des geliebten Gegenstandes entstandene Eifersucht beseitigt Av. 6, 18; 7, 45, und die Versöhnung kommt durch Av. 6, 42. 43. 94. 139 zu Stande; Segenswünsche jeder Art über ein neuvermähltes Paar bieten Av. 14 und Rv. 10, 85: Eintracht in Familie stellen Av. 3, 30; 6, 64. 74; 7, 52. 94 wieder her; vermögen Av. 8, 1; 3, 11 und viele andere Sprüche den Sterblichen nicht von Krankheit und des Todes Banden zu befreien, dann bestattet man die irdische Hülle feierlichst und wünscht dem entflohenen Geist glückliche Fahrt und freundliche Aufnahme in Yamas Reich Rv. 10, 14. 16. 18: Av. 18.

Ins Ende der vedischen Zeit fallen schon die Anfänge der in späterer brahmanischer Periode so sehr gepflegten Speculation über den Ursprung der ersten Wesen, den Schöpfer des Weltalls, über das Verhältnis der sterblichen Menschen zur unsterblichen Gottheit. Auch dieses Wissen wurde in der Form des Liedes überliefert; hierher gehören Hymnen wie Rv. 10, 121. 129, die schon mehrfach Übersetzung fanden. Rv. 10, 90 behandelt, wie wir sahen, den Ursprung des Weltalls aus dem Urwesen Purusha und die Entstehung der Kasten; es stammt jedoch schon aus nachvedischer Zeit. Reicher ist der Atharvaveda; es gehören hierher 2, 1 ; 4, 1; 5, 1 u. a.

Mit der letzteren Art der didaktischen Dichtung steht eine andere Richtung der Poesie in engster Beziehung, die Räthseldichtung. Fasste man das Wissen über die Verhältnisse der Götter, die Entstehung des »Seins aus dem Nichtsein«, über das im Weltenraum Vorhandene und Vorgehende nicht erzählend, sondern in Fragen zusammen, so war das Räthsellied gegeben. Eine Reihe von Räthselsprüchen ist in dem dem Dirghatamas zugeschriebenen Hymnus Rv. 1, 164 erhalten. Man erkennt sehr leicht (vgl. Haug Sitzungsb. der Münchener Akad. der Wissenschaften 1875. 2, 457 ff.), dass hier nicht die poetische Arbeit eines Einzigen vorliegt. Verschiedene Räthselgruppen heben sich ohne Schwierigkeit ab; so beziehen sich die Fragen in den Versen 4 — 7 auf den Ursprung des ersten Geschöpfs, den Urheber des Alls, in 11-15 auf den Sonnenlauf, Jahreseintheilung in Jahreszeiten, Monate, Tage, Nächte; andere haben wiederum das Opfer und dessen Symbolik zum Vorwurf. Noch an manchen Stellen des Rigveda treffen wir solche Räthselfragen, meistens jedoch nur eingestreut; so z. B. Rv. 10, 88, 17 ff. 1, 105, 4 ff. Grössere Stücke dieser Art bietet der Atharvaveda wie 10, 2; 10, 7.

Fragen wir, bei welchen Gelegenheiten solche Räthsel gstellt und gelöst wurden, so ist kein Zweifel, dass es bei grösseren Festen, Opferversammlungen geschah, wo öfters mehrere berühmte Sänger zusammentreffen mussten. Dass Wettkämpfe in der Poesie vorkamen, ersehen wir aus Rv. 10, 71, 8. 11 deutlich; in Rv. 6, 9 liegt nach Kaegi (70 Lieder Seite 103) der Wettgesang eines jüngern Sängers gegen einen Älteren vor. Wenn wir uns erinnern, dass bei den Trtsu und ihren freigiebigen Herrschern nicht nur Vasishtha und Viçvamitra (d. h. Sänger aus dem Geschlechte beider) um den Vorrang stritten, sondern auch das Sängergeschlecht der Bharadvâja unter jenen thätig war (Rv. 6. 47, 22 ff.), so liegt es sehr nahe, in die Umgebung von Fürsten wie Divodasa oder Sudas solche Sängerkriege zu verlegen. Das feierlichste Opfer des indischen Alterthums, das noch in Gebrauch, war das Pferdeopfer (açvamedha); gegen Schluss desselben kam, wie aus V. B. 23 (T.S. 7, 4, 18) erhellt, solcher Wettstreit in der Kenntnis heiliger Dinge (brakmodya) vor.

Es fragt z. B. der Brahman den Hotar: »Wer wandelt wohl einsam und wer wird wieder geboren! Was ist Heilmittel gegen Kälte und welches ist das grosse Gefäß?«

Hierauf erwidert der Hotar:

»Die Sonne wandelt einsam, der Mond wird wieder geboren. Feuer ist Heilmittel gegen Kälte, die Erde ist das grosse Gefäss« und fragt seinerseits nun aus dem Brahman:

»Welches war der erste Begriff? Was war hochkräftig? Was war wohl schlüpfrig und was war bunt?«

Es antwortet der Brahman:

»Der Himmel war der erste Begriff, das Ross war was hochkräftiges. Die Somaseihe war schlüpfrig, die Nacht war bunt.«

Spätere Schriften berichten ausführlich über solche Wettkämpfe. So wünschte einst der König Janaka von Videha bei einem Opferfest, an dem die Weisen der Videha und der Kuru-Pancala versammelt waren, zu wissen, wer unter ihnen der gelehrteste sei in der Kenntnis des Brahman. Er liess 1000 Kühe festbinden und an die Hörner einer jeden zehn Mal zehn Pada Goldes. »Wer unter euch das Brahman am besten kennt, der nehme diese Kühe«, sprach er zu den versammelten Weisen. Ale keiner der andern dieser Aufforderung Folge leistete, befahl Yajnavalkya seinem Schüler, für ihn die Kühe fort zu treiben. Nun wurden die übrigen wegen seiner Anmaßung erzürnt, und es entspann sich eine Disputation zwischen Yâjnavalkya und Açvala, dem Opferpriester des Janaka, nebst sieben anderen Weisen; ja selbst eine Brahmanin Gargi legte dem Yajnavalkya Fragen vor. Er aber beantwortete alle Fragen und errang so den Preis (Çat. Br. 14, 6, 1 ff.). Ebenso behandelt die von Weber Ind. Stud. 9, 49ff. besprochene Ârsheya-Upanishad einen Wettstreit zwischen Viçvamitra, Jamadagni, Bharadvaja, Gautama, Vasishtha über das Wesen des Brahman; Vasishtha bleibt Sieger.

Ale Gattungen der Poesie werden Av. 15, 6, 3. 4 (cf. 11, 7, 24) aufgezählt: Rc, Saman, Yajus, Brahman; Itihasa, Purana, Gatha, Naraçamsi. Die Unterschiede der vier ersten - Lieder, Gesänge, Opferformeln, Segen- und Zaubersprüche - sind hinlänglich klar; unter Gatha, Naracamsi, Itihâsa versteht M. Müller Hist. of Anc. Sanskr. Litt. p. 40 »songs, legends, epic poems«. Nach Say. zu T.S. 7, 5, 11, 2 sind Gâtha »Götterlieder« (devatavishayakhyanapara mantrah), Naraçamsi »Heldenlieder« (manushyavishayakhyanapara rcah, manushyapraçamsapadaka naraçamsyah zu Çatap. Br. 11, 5, 6, 8). Yaska Nirukta 9, 9 sagt yena narah praçasyante sa navaçamso mantrah und citiert als einen Beleg Rv. 1, 126, 1 (s. Seite 170).

Die berühmtesten Sänger des indischen Alterthums werden Av. 4, 29 (vgl. 18, 3, 15. 16) aufgeführt: Angiras, Agasti, Jamadagni, Atri, Kaçyapa, Vasishtha, Bharadvaja, Gavishthira, Kutsa, Viçvamitra, Kakshivant, Kanva, Medhâtithi, Triçoka, Uçana kâvya, Gotama, Mudgala; vgl. Roth Zur Litt. p. 44 f. Sieben gelten als die Rishi der Vorzeit Rv. 10, 130, 7; 4, 42, B. Av. 11, 1, 1. 24; 12, 1, 39. V. S. 14, 28 ; 17, 26. 79 etc.; nach Çatap. Br. 14, 5, 2, 6 sind es Gotama, Bharadvaja, Viçvamitra, Jamadagni, Vasishtha, Kaçyapa, Atri.

Schreiben und Rechenkunst

Goldstücker, Panini pag. 15 ff., sucht die Kenntnis der Schrift schon ins höchste indische Alterthum zu verlegen; er ist geradezu geneigt, die Rishi ihre Lieder niederschreiben zu lassen. Dass die vedischen Texte zu dieser Annahme nicht den geringsten Anlass geben, hat Weber Ind. Stud. 5, 29 ff. genügend hervorgehoben. Dem vedischen Volke war die Kunst des Schreibens noch unbekannt.

Die Frage nach dem Ursprung der indischen Schrift ist zuletzt von Lassen eingehender besprochen worden Ind. Alterthumsk. 12, 1009 ff.; daselbst findet man auch eine Zusammenstellung der hierher gehörigen Literatur.

Eine bestimmte Art der Darstellung von Zahlbegriffen muss Grassmann dem vedischen Volke zuerkennen, wie aus seiner Seite 234 besprochenen Auffassung von ashtakarni hervorgeht. Nach Roths Deutung des Wortes ashtakarna fällt dieses Zeugnis weg.

Schliessen wir hier an das Wenige, das über Rechenkunst aus unseren Texten sich ergibt.

Die höchste Zahl, die der Rigveda kennt, ist ayuta; dass es den bestimmten Sinn 10 000 habe, lässt sich aus keiner Stelle erweisen, es bezeichnet immer die unbegränzte Vielheit. Die höchste bestimmte Zahl ist 100 000 (çata sahasra) Rv. 4, 32, 18: 8, 32, 18 u. ö. Beliebte Multiplicationszahlen sind 3 und 7: vgl. Weber Ind. Stud. 2, 88 Note, Elliot Memoirs 2, 48-78; Von Bruchzahlen kennt der Rigveda nur ardha halb - sami halb T.S. 1, 7, 1, 4 -, pada ein Viertel, tripod drei Viertel, çapha ein Achtel, kala ein Sechzehntel ; pada und çapha sind von dem Rindvieh entlehnt: ein Fuß, ein Huf, vgl. ashtaçapha paçu T.S. 5, 4, 11, 4. Als eine gemeinsame und grosse That Indras und Vishnus gilt Rv. 6, 69, 8 = Av. 7, 44, 1 = T.S. 3, 2, 11, 2 die Theilung von 1000 durch 3 (tredha).

Hoch hinauf reichen die Zahlenangaben in den Yajustexten. T.S. 4, 4, 11, 2 ff. = V. S. 17, 2 findet sich folgende Steigerung 1 (eka), 100 (çata), 1000 (sahasra), 10 000 (ayuta), 100 000 (niyuta), 1 000 000 (prayuta), 10 000 000 (arbuda), 100 000 000 (nyarbuda), 1 000 000 000 (samudra), 10 000 000 000 (madhya), 100 000 000 000 (anta), 1 000000 000 000 (parardha); ebenso V. S. 22, 34 = T.S. 7, 2. 20, 1. In einem Spruch Kath. 39, 6 ist hinter nyarbuda noch badra eingefügt, wodurch die Zahlen von samudra an um das Zehnfache grösser werden ; vgl. Weber ZDMG 15, 134.

Von Masseintheilung kommt nur vor angula Finger in (daçangulam Rv. 10, 90, 1, vyama Klafter, Mass der ausgespannten Arme Av. 6, 137, 2. T.S. 5, 1, 1, 4; 5, 2, 5, 1. Tausend aufeinander stehende Kühe ist nach der naiven Anschauung des Pancav. Br. 21, 1, 9; 16, 8, 6 der Himmel (asau lokah) von der Erde (asmallokat) entfernt.

Himmelskunde

Eine gute Pflege genoss bei den vedischen Ariern die Astronomie. Abgesehen von dem Reiz, der darin liegt, in sternenhellen Nächten die herniederfunkelnden Gestirne wieder und immer wieder zu betrachten, die auffallenderen und regelmässige Erscheinungen darbietenden zu benennen und zu beobachten, es trieben doch noch wesentlich praktische Zwecke dazu, sich am Himmel zurecht finden zu lernen. Hierdurch wurde man erst in Stand gesetzt, die feierlichen Opfer zu regeln und die irdischen Verhältnisse zu ordnen. Diejenigen Gestirne, nach denen beim vedischen Volke die bürgerlichen Zeiten sich richteten und die auch als Bestimmer der Festzeiten galten, waren Mond (mas, candramas) und Sonne.

Rv. 10, 85, 18. 19 heisst es von dem vereinigten Paar Soma (Mond) und Surya (Sonne): »Nacheinander wandeln sie beide in ihrer Wunderkraft, wie zwei spielende Kinder durchlaufen sie das Luftmeer (arnava v. I. des Av.); alle Wesen überschaut der eine, die Zeiten ordnend wird der andere immer neu geboren. Fort und fort entsteht er aufs Neue, als Vorläufer der Tage geht er den Morgenröthen voran; durch sein Kommen theilt er den Göttern ihren Theil zu und verleiht langes Leben, er der Mond.« Der ewige Wechsel des Mondes wird als besondere göttliche Weisheit und Grösse gepriesen: »Ihn, den einsam dahin wandelnden in der Versammlung vieler, den Jugendlichen verschlingt der altersgraue (d. h. das dunkle und alternde Stück rückt bei abnehmendem Monde immer weiter vor); schau an die Weisheit und Grösse (mahitvadya in mahitvamadya aufzulösen) der Gottheit, heute stirbt er, der gestern aufathmete (d. h. heute ist er tot, gestern lebte er und morgen wird er wieder leben) Rv. 10, 55, 5; vgl. Av. 10, 8, 32.

Gleich unabänderlich ist der regelmässige Wechsel von Sonne und Mond: »Wie durch Frost ihres Gefieders beraubte Wälder trauerte Vala um die durch Brhaspati geraubten Kühe. Eine unnachahmliche, im Laufe der Zeiten nicht wiederkehrende That, so lange Sonne und Mond abwechselnd aufgehen, vollbrachte er« Rv. 10, 68, 10. Vergleiche Rv. 1, 62, 8: »Von Alters her wandeln um Himmel und Erde die verschiedenfarbigen, sich ewig verjüngenden in eigenen Bahnen, die Nacht mit ihren schwarzen Wundern (d. h. die schwarze Nacht mit ihren Wundern), die Morgenröthe mit ihren flimmernden, beide abwechselnd.« Sonne und Mond sind des Himmels beide Augen: »Hehre Schönheit verliehen sie ihm, als sie, die Unsterblichen, des Himmels beide Augen schufen« Rv. 1, 72, 10.

Weit im Vordergrund vor dem Mond und den sonstigen Himmelslichtern steht dem vedischen Arier das glänzende Gestirn des Tages, die Sonne, bald männlich gedacht (Sura, surya), bald weiblich; in letzterem Falle gilt sie als des Savitar Tochter Rv. 10, 85, 9. Sie ist der an den Himmel versetzte Agni(dass Agni in der Welt überall derselbe ist, trete er am Himmel als das Licht der Sonne, in der Luft als Blitzstrahl, auf der Erde als Herdfeuer uns entgegen, findet sich deutlich Hr. 10, 88 ausgesprochen: Die indische Theologie hat dasselbe bekanntlich vielfach wissenschaftlich zu erweisen gesucht; vergl. Yaska Nir. 7, 23): »Als die heiligen Götter ihn an den Himmel setzten als Sonne, den Aditisohn , als das wandelnde Paar (Sonne und Mond) da war, da konnten alle Wesen sehen« Rv. 10. 88, 11. Die völlige Abhängigkeit alles menschlichen Lebens und Gedeihens von der Sonne war tief in des Volkes Bewusstsein eingedrungen; Savitar heisst daher »des Reichthums Grundlage, die Vereinigung der Reichthümer« Rv. 10, 139, 3.

Mit Dank blickte man an jedem neuen Tage zu dem flammenden Auge Mitra-Varunas empor, der Seele der belebten und unbelebten Natur: »Das lichte Antlitz der Götter steigt empor, des Mitra-Varuna und Agnis Auge: Himmel, Erde und Luftreich erfüllt Surya, er, die Seele des Lebenden und Unbelebten. Die glückbringenden Falben, die lichten, schimmernden Rosse Suryas steigen jubelnd begrüsst zu des Himmels Höhe, sie umeilen in einem Tage Himmel und Erde« Rv. 1, 115, 1. 3. Bald galt die Sonne als ein Wagen, auf dem Savitar am Himmel dahin fährt, bald war sie ein feuriges, muthiges Ross oder ein bunter Stier. Rv. 1, 164, 11 heisst sie das Rad der ewigen Ordnung (cakramrtasya), das unaufhaltsam rollende (anarva Rv. 1, 164, 2), nicht morsch werdende (ajara): seine Achse, die doch grosse Lasten trägt - in ihm bestehen nämlich alle Wesen Rv. 1, 164, 13 — erhitzt sich nicht, brennt in alle Ewigkeit nicht entzwei (Rv. 1, 164, 13).

Erregte schon der Wandel der Himmelskörper überhaupt gerechtes Staunen und wurde auf naivste Weise ausgedrückt, so war ein besonderes Räthsel für vedische Weisheit, dass die Sonne, nicht festgebunden und ungestützt, vom Himmelsgewölbe nicht herabfiel, sondern nach freien, eigenen Gesetzen dahin wandelte: »Ungestützt und nicht festgebunden, warum fällt sie (die Sonne), doch abwärts gewendet, nicht herab? Nach welchen ihr eigenen Gesetzen wandelt sie, wer sah es? Als des Himmels Stütze gemacht, erhält sie des Himmels Kuppel in ihrem Bestehen« Rv. 4, 13, 5. Neben und mit dem Monde war sie Ordnerin der Zeiten Rv. 5, 81, 1, worüber das Nähere später.

Die Sonnenfinsternis (suro markah Rv. 10, 27, 20) wird nur selten erwähnt; der Dämon, der sich der Sonne bemächtigt, heisst Svarbhanu:

»Als dich, o Sonne, der asurische Svarbhanu mit Finsternis überzog, da schauten alle Wesen wie ein Verirrter, der der Gegend unkundig ist.
Als du, o Indra, herabschlugest Svarbhanus vom Himmel her sich erstreckende Zauber (maya), da fand Atri die durch böse Finsternis verhüllte Sonne kraft des vierten Gebetes.«
Surya spricht:
»Nicht soll mich, der ich dein bin, der Schädiger aus Wuth mit Furcht verschlingen; du bist ein Freund, der wahrhaft Güter spendet, helft ihr beide mir, du und Varuna der König.«
»Der Beter die Presssteine anschirrend, dienend den Göttern mit Preis, demuthsvoll ihnen beistehend, Atri setzte des Surya Auge an den Himmel und beseitigte des Svarbhanu Zauber.
Die Sonne , die der asurische Svarbhanu mit Finsternis überzogen hatte, fanden die Atri wieder, denn nicht vermochten es die andern.«

Rv. 5, 40, 5-9. T.S. 2, 1, 2, 2 ff. ist hiernach eine Fabel gebildet. Rahu, der im Epos besonders als Verschlinger von Sonne (und Mond) gilt, kommt in vedischen Texten nur Av. 19, 9. 10 vor. Auf Verfinsterung der Sonne geht noch Av. 2, 10, 8.

Der Mond spielt in den Liedern der Rigveda keine bedeutende Rolle; die bemerkenewerthen Stellen sind schon im Vorhergehenden gegeben. Anders war dies in vorvedischer, in indogermanischer Periode; der Mond ist bei sämtlichen indogermanischen Völkern Zeitenmesser und Zeitenordner gewesen. Die einzelnen Mondphasen führen im Veda eigene Namen und erscheinen schon im Rigveda als Göttinnen personificiert. Ihnen wird ein besonderer Einfluss auf die Zeugung zugeschrieben. Raka kommt Rv. 2, 32, 4 ff. und 5, 42, 12 vor; neben ihr an ersterer Stelle Sinivali, »der Götter Schwester«, die leicht und viel gebärende (sushuma, bahusuvari) und Gungu. Die sonst nirgend mehr erwähnte Gungu identificiert Sayana zu Rv. 2, 32, 8 mit Kuhu.

Vereint werden die vier Mondphasen öfter in den Yajustexten erwähnt: Anumati, Raka, Sinivali, Kuhu T.S. 1, B. 8, 1: sie sind vier Gemahlinnen des Mondes T.S. 3, 4, 9, 1. Sinivali und Anumati werden Av. 6, 11. 3 in einem Epithalamium, Av. 2, 26, 2 in einem Viehsegen angerufen, Kuhu Av. 7, 47. An die Neumondsnacht (amavasya) ist Av. 7, 79, an die Vollmondsnacht (paurnamasi) Av. 7, 8O gerichtet. Aus unseren Texten lässt sich über das gegenwärtige Verhältnis der vier Göttinnen und der ihnen zu Grunde liegenden Mondphasen durch T.S. 3, 4, 9, 6 ins Klare kommen. Hiernach ist Raka die erste Hälfte des Monats, die Zeit des zunehmenden Mondes, Kuhu die des abnehmenden Mondes, Sinivali die Neumondsnacht, Anumati die Vollmondsnacht. Vergleiche Yaska Nir. 11, 31 ; Weber Ind. Stud. 5, 228 ff. Die den Mond verfinsternden Dämonen (grahaccandramasah)werden Av. 19. 9, 10 angerufen.

Unter den zahlreichen Sternen, in deren Mitte der Mond einsam dahin wandelte, beobachtete man einzelne und gab ihnen Namen; denn sind sie, die Beschützer der Ansiedelungen, der zwei- und vierfüßigen Wesen, auch alle Agnis Sprösslinge (jantavah Rv. 1, 94. 5), so zeichnen sich doch verschiedene aus. So kennt man im Rigveda aus indogermanischer Vorzeit her das Sternbild des grossen Bären, das Siebengestirn (rksha im Plur) : »Jene Sterne des Bären, die hoch oben stehen, sind nachts sichtbar: wohin doch gingen sie am Tage? Varunas unzerstörbare Werke beleuchtend wandelt der Mond in der Nacht dahin« Rv. 1, 24, 10.

Die sieben Sterne des grossen Bären heissen die 7 Rishi (sapta rshayah): »Jenseits jener 7 Sterne (d. h. jenseits der Sternenwelt) sind selig der Menschen Wünsche durch die Vollendung des Wunsches, dort wo man ihn den einen nennt« Rv. 10, 82, 2. Bei weiterem Vordringen ins eigentliche Hindostan trat das Sternbild immer mehr zurück; es ist nach Berichten der Griechen im südlichen Indien gar nicht sichtbar Ind. Stud. 2, 162. 165. 408. 409; 10, 271 ; vgl. A. Kuhn in Höfers Zeitschrift für die Wissenschaft der Spr. 1, 155 ff.

Mehrere Namen von Sternen und Sternbildern, die im Atharvaveda erwähnt werden, können wegen ihres vereinzelten Vorkommens nicht näher bestimmt werden. »Die drei kalakanja, die am Himmel wie Götter stehen, diese rufe ich insgesamt zur Hülfe, zur Unversehrtheit für diesen« Av. 6, 80, 2; ist der ebendaselbst genannte çvan divya der Hundsstern? Als ein Sternbild, das gutes Wetter verleiht, gilt der çakadhuma Av. 6, 128:

»Als die Sterne den Çakadhuma zum König machten, gutes Wetter brachten sie ihm dar: ,dies soll sein Herrschergebiet sein', sprachen sie.
Gutes Wetter sei uns am Mittag, gutes Wetter am Abend, gutes Wetter in der Frühe der Tage, gutes Wetter sei uns in der Nacht.
Tag und Nacht, den Gestirnen, Sonne und Mond, uns verleihe gutes Wetter, o König Çakadhuma.
Der du uns gutes Wetter verliehest am Abend, in der Nacht, am Tag; dir Çakadhuma, Sternenbeherrscher, sei immerdar Verneigung.« Vergleiche Weber Om. u. Port. p. 363.

In Rv. 1, 105, 10: »Die fünf Bullen dort, die in die Mitte des weiten Himmels traten - den Göttern ist dieses jetzt zu verkünden — kehren vereint zurück« hat man eine Hindeutung auf die 5 Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn gesucht; s. Benfey Or. und Occ. 3, 138, Ludwig Nachrichten pag. 4. Wegen des folgenden Verses: »Die schön geflügelten sitzen mitten im innern Heiligthum des Himmels, sie scheuchen den Wolf, der über rasche Wasser setzt, vom Pfad« denkt Benfey an 5 Aditya. Nach Weber, der in Betreff der astronomischen Verhältnisse die vedischen Schriften am eingehendsten durchforscht hat, sind die Planeten der vedischen Literatur völlig unbekannt: s. Ind. Stud. 9, 363, Ind. Litter. 2 267, Anm. 272; Whitney Journ. Amer. Or. Soc. 8, 67. Ihr frühestes Vorkommen ist nach Weber in der Maitray. Upan. 6, 16; vgl. Ind. Stud. 10, 240 Note. Dies ist nicht richtig. Auch unter den »am Himmel wandelnden (divicara) graha«, die Av. 19, 9, 7 neben den mondverschlingenden Dämonen (grahaçcandramasah), neben Râhu, den Kometen (dhumaketu) genannt werden, sind gewiss die Planeten gemeint. Freilich gehört dieser Spruch wie die beiden vorhergehenden zu den jüngsten Stücken des 19. Kanda, der selbst nur ein Nachtrag zur Atharva-Samhita ist, so dass für die Kenntnis der Planeten in älterer vedischer Zeit aus ihm nichts gefolgert werden kann. Aber auch anderen Theilen der Rk-Samhita ausser obiger Stelle sind dieselben nicht mehr fremd, wie wir gleich sehen werden.

Ehe wir uns der Zeiteintheilung zuwenden, ist noch ein schwieriger Punkt zu besprechen, die Frage, in wie weit den vedischen Samhita die Kenntnis der Nakshatra (Mondstationen) zuzuerkennen ist. Halten wir uns zuerst am Rigveda. M. Müller Hist. of Anc. Sanskrit Litt. pag. 212 sieht eine Anspielung auf dieselben in Rv. 10, 85, 2: »Durch Soma (d. h. durch den vergöttlichten und zur allgemeinen Naturessenz umgestempelten Somasaft) sind die Aditya stark, durch Soma ist die Erde groß, aber auch in jener nakshatranamupasthe (Sterne? Schoß) weilt der Soma (Mond) eingehegt.« Der Vers wird als sehr jung erwiesen wegen der Bezeichnung des Mondes durch soma; als Frucht priesterlicher Speculation lernen wir sie Rv. 10, 85, 3 kennen.

Ludwig, der Nachr. S. 4 M. Müller zustimmt, zieht als Stütze noch Rv. 10, 55, 3 an, wo es von Indra (?) heisst, »er leuchte allenthalben mit 34fachem Lichte, das gleichgestaltig ist, aber verschiedene Bahnen hat«; nach ihm sind gemeint Sonne, Mond, 5 Planeten und die 27 Nakshatra: der Himmel mit allen seinen Lichtern. Diese Deutung der sonst räthselhaften Zahl 34 ist im höchsten Grade ansprechend und darf wohl als vollkommen sicher gelten.

Ludwig weist ferner darauf hin, dass nach Rv. 1, 162, 18 dem Indra geopferten Rosse 34 Rippen vom Beile getroffen werden; da ein Pferd aber 36 Rippen hat, so muss die seltene Zahl 34 absichtlich gewählt sein. Zur weitern Stütze will ich noch T.S. 2, 3, 5, 1 anführen: »Prajapati hatte 33 Töchter, die gab er dem König Soma (Mond). Von ihnen wohnte derselbe (nur) der Rohini bei; die übrigen gingen deshalb voll Eifersucht weg. Er ging ihnen nach, suchte sie auf und verlangte sie wieder. Aber er (Prajapati) gab sie ihm nicht (sogleich) wieder, (sondern) er sprach: Stelle eine Ordnung fest, dass du ihnen gleichmässig beiwohnen willst, dann werde ich sie dir wiedergeben. Jener stellte eine Ordnung fest und er gab sie ihm wieder; da er aber von denselben nur der Rohini beiwohnte, befiel ihn der Yakshma«. Die 27 Nakshatra, Surya, bei welcher der Mond in der amavasya (Neumondsnacht) wohnt, und die 5 Planeten gelten hier ala Töchter Prajapatis.

Von den in den andern Samhita und sonstigen Schriften genannten Nakshatra finden wir die Namen mehrer im Rigveda erwähnt: Rv. 10, 85, 13 Agha und die beiden Arjuni (cf. Weber Ind. Stud. 5, 182), wofür Av. 14, 1. 13 die später üblicheren Namen Magha und Phalguni geboten werden. Ein weiteres Nakshatra hiess Tishya : »Mögen wir von euch gewährten Reichthum, o einsichtsvolle Marut, herbeifahren, der nicht ferne bleibt wie der Tishya am Himmel« Rv. 5, 54, 13; cf. 10, 64, B. Weber Abhandl. der Berl. Akad. 1861 Seite 290 will hier wohl mit Recht nicht an das Nakshatra dieses Namens als solches denken, sondern an einen besonders markierten Stern: der Name hängt offenbar aufs engste zusammen mit dem altb. tistrya, der in den Texten des Avesta öfters wiederkehrenden Bezeichnung des Sirius.

Ob die Stationen Revati und Punarvasu Rv. 10, 19, 1 in einem Spruch beim Austreiben des Viehes auf die Trift gemeint sind, ist höchst zweifelhaft; beide Wörter lassen sich an betreffender Stelle sehr wohl als Appellativa fassen: 'Kehret zurück, setzt euren Weg nicht fort, bei uns bleibet (an uns hängt euch), o Reiche ; Agni und Soma, ihr immer aufs neue Güter verleihende (punarvasu), verleiht uns Reichthum«. Vgl. Lassen Alterth. 12, 980.

Es ergibt sich also, dass die Kenntnis der 27 Nakshatra sowie der 5 Planeten dem ältesten Theile des Rigveda (Mandala 2-8) unbekannt ist; erst die als Ganzes jüngeren Sammlungen Mandala 1 und 10 kennen dieselben, nennen aber ihre Namen noch nicht. Diese finden wir in der Taittiriya-Samhita und im Atharvaveda. Die Taitt. S. 4, 4, 10, 1-3 nennt entsprechend den Stellen des Rigveda deren nur 27; Av. 19, 7 jedoch finden wir schon die spätere Zahl 28, die Reihe beginnt noch mit Krttika. Neu hinzugetreten ist Abhijit, wie auch T. Br. 3, 1, 2, 6 gegenüber der Stelle der Samhita.

Einzelne Mondstationen werden im Atharvaveda und in der Vaj. Samhita mehrfach erwähnt: »Aufgegangen ist das beglückende Sternenpaar mit Namen Vicrt: des Kshetriya unterste und oberste Schlinge löse es« Av. 2, 8, 1 : vgl. Av. 3, 7, 4; 6, 121, 3. »Unter der Jyeshthaghni, unter den beiden Vicrt, Yarnas Doppelgestirn ist er geboren; vor dem Mulabarhana schütze jenen« Av. 6, 110, 2; vgl. 112, 1. Jyeshthaghni ist die 16. Mondstation, die Av. 19, 7, 3 einfach Jyeshtha, T.S. 1. c. Rohini heisst. Mulabarhana (Mula Av. 19, 7, 3) ist synonym mit Vicrt. In der Stelle V. S. 9. 7 werden die 27 Gandharva, die im Anfang das Ross anschirrten, von Mahidhara auf die Nakshatra gedeutet. Soviel ich sehe, treten die Gandharva in dieser Anzahl sonst nicht mehr auf. Als Lieblingsgattin König Somas, d. i. des Mondes, gilt Rohini T.S. 2, 3, 5, 1 ff.

Auf die Frage nach dem Ursprung der Nakshatra ist hier nicht näher einzugehen. Ich schliesse mich vollkommen Webers Ansicht an, dass die einfachen Hirten und Ansiedler des Fünfstromlandes, wie wir sie kennen lernten, ebensowenig wie die phantastischen Denker der späteren Periode zu solchen Himmebeobachtungen und solcher Abtsraction fähig waren; man vergleiche besonders die Ind. Stud. 9, 358-364 gesammelten Angaben über die naiven komisch-astronomischen Vorstellungen, die in den Brahmana noch herrschen, also in einer Zeit, die schon längst die Mondstationen kannte.

An ein Mitbringen nach Indien aus früheren, den Semiten benachbarten Sitzen ist gar nicht zu denken. Einestheils ist das, was man aus skandinavischer Mythologie für Kenntnis der Nakshatra in indogermanischer Periode beibringt, völlig haltlos, wie Weber selbst ausführt Ind. Stud. 9, 243; sodann spricht dagegen, dass dieselben den ältesten Ganzen des Rigveda fremd sind. Sie stammen ohne Zweifel aus Babylon und sind mit der Kenntnis der Planeten auf demselben Wege zu den Indern gelangt, wie das älteste Gewicht (mana), wie die Fluthsage und die älteste genaue Tageseintheilung; siehe Seite 50 ff., 101.

Zur Zeit der Entstehung der Vajas. Samhita steht astronomische respect. astrologische Wissenschaft in Blüthe; es werden unter den Opfermenschen V. S. 30, 10. 20 erwähnt der Sternenschauer (nakshatradarça) und der Berechner, Astrolog (ganaka).

Kosmologische Vorstellungen

Nach dem kosmologischen Wissen der Sänger unterschied man drei grosse Lebensgebiete: Himmel (div), Erde (prthivi, bhumi, ksham, ksha, gma) und den zwischen beiden liegenden Luftraum (antariksha). Erstere beide werden häufig auch persönlich gedacht, der Luftraum nie; sodann finden sich beide als obere und untere Welt unter dem Namen rodasi zusammengefasst: dyavaprthivi rodasi ubhe Rv. 2, 1, 15 u. ö.

"Der Geograph", Jan Vermeer, 1669

Die Erde dachte man sich aus drei übereinander liegenden Schichten bestehend, unterschied demgemäß drei Erden (tisro bhumih, tisrah prthivih), eine obere (parama), mittlere (madhyama) und untere (avama): »Wenn ihr, Indra und Agni, auf der obersten, mittleren, unteren Erde seid, von dort, o Stiere, eilt herbei, trinkt den gepressten Soma« Rv. I, 108, 9. Von diesen drei Erdschichten ist die, auf der wir wohnen, die beste (? höchste ? uttama) Av. 6, 21, 1.

Über sich hat die Erde den Luftraum, das antariksha; er heisst auch rajas Dunstkreis, insofern darin Nebel, Wolken und dergleichen sich bewegen: »Die Lüfte hat mit Wolken er durchwoben« Rv. 5, 85, 2; speciell ist er der himmlische (rajo divyam, rajo divah), obere (uttamam Rv. 9, 22 5, paramam Rv. 3, 30, 2) Luftraum, da es auch einen unteren (uparam) oder irdischen (parthivam) Luftraum unter der Erde gibt: »Der Erde Oberfläche, o Indra, breitetest du aus, du stütztest des Himmels Luftraum und den unteren« Rv. 1, 62, 5. »Du, o Savitar, erfülltest den himmlischen und den irdischen Luftrahm (rajamsi divyani parthiva) Rv. 4, 53, 3.

Letzterer, der untere Luftraum, befindet sich unter der Erde und wird von Surya während der Nacht durchwandert, während er am Tage den über der Erde befindlichen durchzieht: »Es durchrollen die lichte und schwarze Tageshälfte offenkundig die beiden Luftkreise« Rv. 6, 9, 1; die Nacht umwandelt Surya von beiden Seiten nach Rv. 5, 81, 4. Beide Gebiete stoßen aneinander Rv. 7, 80, 1.

Gleicherweise wie die Erde dachte man sich den Himmel, der Götter und Seligen Wohnsitz eingetheilt: »Wenn, o Marut, ihr am obersten (uttame), oder am mittleren, oder im untern Himmel, ihr Glückseligen, weilt« Rv. 5, 60, 6. »An Wasser reich (udanvati) ist der unterste Himmel, pilumati ist der mittelste, der dritte ist die Pradyaus, in welcher die Väter sitzen« Av. 18, 2, 48.

Nach Av. 4, 14, 3 (= V. S. 17, 67) steigt man von der Erde Rücken in den Luftraum, von dort in den Himmel (div), sodann zu des Himmels Decke (divo naka) und von hier endlich in die Lichtwelt (svarjyotis). Gleichbedeutend mit dem uttamo dyaus ist auch der uttaro und paryo dyaus Rv. 4, 26, 6; 6, 40, 5. Diesen jenseits des durchsichtigen Luftkreises liegenden unendlichen Himmelsraum dachte man sich als lauteres Licht, sagte daher auch statt divi (im Himmel) vielfach rocane divah (in des Himmels Glanz Rv. 1, 105, 5; 1, 155, 3 u. ö.); rocana ward als Lichtraum oft geradezu für div gesetzt, und so unterschied man auch drei Lichträume (trini, tri rocana Rv. 1, 149, 4. 1, 102, 8 neben tisro bhumih u. ö.). In diesem Lichtäther thronen die Aditya, die Lichtgötter; sehr häufig wird ihr Sitz parame rocane, parame vyoman erwähnt.

Wie weit man sich Erde und Himmel von einander entfernt dachte, erfahren wir aus Liedern des Rigveda nicht. »Tausend Tagereisen sind die beiden Fittiche (paksha) des zum Himmel (svarga) fliegenden gelben Hamsa voneinander entfernt« nach Av. 10, 8, 18 = 13, 2, 38; 3, 14. Es liegt hier, worauf schon Weber Ind. Stud. 9, 360 hinwies, dieselbe Anschauung vor wie Ait. Br. 2, 17; »1000 Tagereisen für ein Pferd (açvina) liegt die Himmelswelt von hier«. Nach der Vorstellung des Pancav. Br. 16, 8, 6; 21, 1, 9 ist die Himmelswelt (svargo lokah, asau lokah) von der Erde (asmallokat) soweit entfernt, wie tausend auf einander stehende Kühe.

Zur besseren Orientierung auf der Erde nahm man vier Richtungen an: Von hinten (paçcat Westen), von vornen (purastat Osten), von oben (uttarat Norden), von unten (adharat Süden) (Rv. 7, 72, 5; 10, 36, 14; 10, 42, 11). eine östliche (praci), südliche (dakshina), westliche (pratici), nördliche (udici) Av. 15, 2, 1 ff.

Nach diesen vier Himmelsrichtungen unterschied man vier Räume der Erde: »Vier Weltgegenden (pradiçah) hat die Erde« Rv. 10, 19, 8. »Ihr (der Wolke) entströmen Fluthen, durch dieselben leben die 4 Erdenräume« Rv. 1, 164, 42; hier bezeichnet catasrah pradiçah deutlich die ganze Welt, bhuvanani viçva. Ganz dem entsprechend denkt sich der Besprecher in Rv. 10, 58, 3 die Erde (bhumi) als viereckig (caturbhrshti). Werden fünf Richtungen gezählt (Rv. 9, 86, 29. Av. 3, 24, 3; 8, 9, 15; 13, 3, 6), so gilt als fünfte die nach der Mitte, wo man sich selbst befindet, die dhruva diç Av. 15, 14, 1-5; bei sechs kam urdhva hinzu, die Richtung von oben nach unten (uparishtat) Av. 3, 27, 6; 4, 14, 8; 12, 3, 55; 15, 4, 1; 18, 3, 34; bei sieben endlich kam zu den vorigen noch vyadhva, die zwischen Fußpunkt und Zenith (antarikshat) Av. 4, 40, vgl. 4, 14, B. »Sieben von verschiedenen Sonnen beschienene Himmelsrichtungen« nimmt der Sänger von Rv. 9, 114, 3 an; vgl. Rv. 1, 22, 16.

Etwas anders gestaltet sich die Erdkarte des Hiranyastupa Angirasa Rv. 1, 35, 8: »Die acht Gipfel (Spitzen) der Erde überschaute er, die drei Festländer (? tri dhanva yojana drei wüste Flächen?), die sieben Ströme; der goldaugige Gott Savitar kam heran, auserwählte Schätze dem Frommen spendend".

Die Anschauung, die sich bei Griechen und Nordgermanen findet, dass die Erde eine Scheibe sei, um die sich das Meer schlingt, begegnet in den vedischen Samhita nirgends; Çatap. Br. 7, 1, 1, 37 wird diese Erde (ayam lokah) kreisrund (parimandala) genannt. Die kosmischen Anschauungen der Brahmana hat Weber Ind. Stud. 9, 358-364 zusammengestellt.

Zeiteinteilung

»Nec dierum numerum, ut nos, sed noctium computant; sic constituunt sic condicunt: nox ducere diem videtur« berichtet Tacitus von den Germanen des Festlandes; skandinavische Quellen, altdeutsche Rechtsbücher (lex Salica »inter decem noctes«, Sachsenspiegel »ûber vîrzehn nacht«) sowie noch engl. sennight, fortnight, nhd. Weihnachten, Fastnacht erweisen die Richtigkeit seiner Beobachtung. Über die Rechnung der Gallier nach Nächten berichtet Caesar, De bello Gall. 6, 18. Auch das Avesta zählt nach Nächten: tao kshapanô ist die Zeit des Lebens Vend. 18, 61, Yaçna 61, 29.

Ebenso geht im indischen Alterthum die Nacht dem Tage vorher, wie ja aus dem Dunkel und der Kälte das Licht und die zeugende Wärme entstand. Rv. 10, 129. Zwölf Nächte schob man nach uralter Rechnung am Schluss des Mondjahres ein, um es mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bringen, wie wir noch sehen werden. Im grossen Jahresgewebe spannt die Nacht den Zettel auf, während die Tage den Einschlag bilden Av. 10, 7, 42. »Mit diesen Helden, die dir anhangen, die, o Schätzereicher, bei jedem Kampfe Schätze spenden, wollen wir wie die Himmel durch Glanz unsern Feinden überlegen sein und wollen uns noch viele Nächte und Herbste (d. h. Tage und Jahre) freuen (kshapo madema çaradaçca purvih)« fleht Vâmadeva Rv. 4, 16, 19.

»Euch rufen wir heute herbei durch Opferguss, o Güterreiche, die ihr reiche Labung sendet lange Zeit« (ati kshapah »Nächte hindurch«) Rv. 8, 26, 3. »Er, der Festes und Bewegliches mit der heiligen Ordnung befruchtet, dem viele verschieden gestaltete Nächte (kshápah zu betonen) Wachsthum verleihen mögen (d. h. der noch viele Tage, lange Zeit wachsen möge), er ward (für uns) gewonnen, der im Lichte sitzende Hotar, der alle Werke gedeihen (eigentlich zur Wahrheit) macht« Rv. 1, 70, 4.

Auch Rv. 10, 95, 16 ratrih çaradaçcatasrah erinnert an Verbindungen wie Rv. 4, 16, 19. Daçaratra bezeichnet in Brahmana und Sutra »zehntägig« oder eine zehntägige Feier. Schwarze und weisse Tageshälfte (ahaçca krshnamahararjunam ca) rollen offenkundig durch die beiden Lufträume (Rv. 6, 9, I); beide zusammen bilden die Zeiteinheit Tag (ahan) und beide werden gleicherweise durch Savitar eingeführt: die dunkle Hälfte durch sein Weggehn, die helle durch das Hervortreten der von ihm gesendeten Ushas (Rv. 5, 82, 8). Beide Hälften werden auch durch die Duale ahani, dyava zusammengefasst; bei Tag und bei Nacht heisst diva naktam.

Der Tag im engeren Sinne, vom Herauffahren des Savitar bis zum Ausschirren, zerfiel in drei grössere Abschnitte; für sie finden wir in den vedischen Liedern eine Fülle stehender Bezeichnungen. Dieselben lassen sich nach zwei Gesichtspunkten anordnen: entweder benennen und charakterisieren sie menschliche Beschäftigungen, die einer Tageszeit speciell eigen sind, oder sie haben ihre Namen aus der Natur und den zu dieser Zeit auffallendsten Erscheinungen derselben hergenommen.

Der Morgen. Tiefe Stille herrscht noch in der ganzen Natur; über der Erde ist der weite Himmel mit seinen Wundern ausgebreitet; hoch oben stehen die beiden Bären (Rv. t, 24, 10), Agnis Sprösslinge ziehen dahin (Rv. 1, 94, 5): es ist noch aktu. Da steckt im Osten der duftigen Lüfte Ushas ihr erstes Zeichen aus, und bald wächst sie weiter und weiter in die Breite, bis sie den Schoß der Eltern (d. i. Himmel und Erde) erfüllt (Rv. 1, 124, 5); dann beginnt es zu dämmern, die Helle siegt immer mehr, Agni stellt sich in jedem Haus ein (Rv. 1, 124, 11); wie Diebe schleichen die Gestirne des nächtlichen Himmels weg (Rv. 1, 50, 2), es verlassen die Vögel ihr Nest und fliegen davon, die Menschen um Nahrung zu geniessen (pitubhajah) erheben sich (R.v. 1, 124, 12), aber auch um an die Arbeit zu gehen, denn nicht war der Gott jener Arier so gesinnt, wie der des Königs Salomo, der »den Seinen im Schlaf gibt« (Psalm 127, 2): »nimmermehr verschaffte Indra Schätze den Schlafenden« (Rv. 1, 53, 1). Von dieser Seite betrachtet wird der Morgen ushaso vyushti »der Ushas Aufleuchten«, vastu »das Tagen«, prabudh »die Zeit des Erwachens« genannt. Apiçarvara heisst er als der Theil des Tages, der an die Nacht grenzt, »Frühmorgen«, wenn der Agni entzündet wird, und Menschen und Herden sich um ihn sammeln:

»Schön ist es, deine Wunderkraft,
sie leuchtet selbst den Thoren ein,
Wenn sich um dich, o Agni, sammelt Mensch und Vieh,
wenn Morgens (apiçarvare) du entzündet bist«,

Rv. 3, 9, 7. Ehe man die Herden aufs Neue aus ihren Hürden auf die Weide trieb, wurden sie noch gemolken, daher heisst diese Tageszeit auch samgava, Zeit, wo die Kühe zur Melkung versammelt sind: »Und kommt zur Melkzeit (samgave) frühe her am Tage (pratarahnah), zur Mittagszeit und bei der Sonne Weggang« Rv. 5, 76, 3. Eine andere Bezeichnung des Morgens haben wir in prapitva, welches ursprünglich das »Vordringen« bedeutet, dann mit ahnah der Tagesanbruch, die Frühe (Rv. 4, 16, 12) und endlich ohne jeglichen Zusatz »die Frühe, der Morgen«: so erscheint prapitve öfters neben den beiden anderen Tageszeiten (Rv. 7, 41, 4; 8, 1, 29). Weitere Benennungen derselben Tageszeit sind udita suryasya »beim Aufgang des Surya«, pratar, pratarahnah; vgl. Roth Erläut. zu Nir. 3, 20.

Die zweite Tageszeit ist der Mittag; er wird bezeichnet durch madhyam ahnam, die Mitte der Tage (Rv. 7, 41, 4), mittags einfach durch madhye (Rv. 8, 27, 20), wo der Gegensatz abhipitve (abends) klar ist. Gewöhnlich dient jedoch hierzu das Compositum madhyamdina, wozu bisweilen pleonastisch der Genetiv divah hinzugefügt wird.

Die dritte Zeit ist der Abend; auch seine Benennungen lassen sich wieder in die erwähnten zwei Kategorien sondern. Insofern er die Zeit ist, in der die ganze Natur auf Savitars Geheiß sich zur Ruhe begibt, heisst er abhipitva, Einkehr, Heimkehr, auch abhipitva ahnam, Einkehr der Tage (Rv. 1, 126, 3 : 4, 34, 5). Sehr schön schildert Grtsamada diese Seite des Abends Rv. 2, 38:

»Es streckt der Gott die breite Hand, die Arme
dort oben aus: und alles hier gehorcht ihm;
Auf sein Geheiß begeben sich die Wasser,
sogar des Windes Wehen legt sich ringsum.
Mit Rennern ging die Fahrt — er spannt sie ab jetzt
und bringt damit der eiligen Lauf zum Stehen;
Des Schlangenstößers heftigen Flug bezähmt er:
wenn Savitar gebeut, so kommt die Löserin.
Zusammen rollt die Weberin den Aufzug,
sein Werk gibt auf der Künstler mitten drinne:
Der Gott hat sich erhoben, um die Zeiten
zu scheiden kommt er, rastet nie — hier ist er!
Wo Menschen wohnen da und dort verbreitet,
erscheint Hausfeuers weithin heller Schirmer;
Das beste Theil vergibt dem Sohn die Mutter,
weil ihm der Gott des Essens Lust erregte.
Wer auf Erwerb gereist war, kehret wieder,
und aller Wandrer Sehnen strebt nach Haus,
Man lässt was halb gethan um heim zu gehn:
das ist des himmlischen Bewegers Ordnung.
Der Fisch, der ew'ge Zappler, sucht, wenn's dunkelt,
so gut er kann, im Wasser seinen Schutzort,
Der Sohn des Eis das Nest, den Stall die Herde:
vertheilt hat Savitar die Thierwelt örtlich.«

Siebenzig Lieder, Seite 46; vgl. Roth Erläut. zu Nir. 3, 15.

Richtete man andererseits seinen Blick an den Himmel, so war der Abend der »Weggang, Ausgang des Surya« (uditi, nimruc sûryasya) wie der Morgen »der Aufgang des Surya«. Die Dämmrung begann sich einzustellen und als solche hiess die Zeit dosha. Ist Surya endlich hinter dem Horizont verschwunden, hat von seinem Wagen die Füchse losgeschirrt, dann bedeckt die Nacht (ratri) mit ihrem Schleier alles (Rv. 1, 115, 4), und die Väter beginnen den nächtlichen Himmel mit Sternen zu schmücken wie ein braunes Ross mit Perlen Rv. 10, 68, 11; cf. Av. 19, 49, 8.

Neben dieser uralten und von selbst sich ergebenden Eintheilung des eigentlichen Tages zerlegte man zur genaueren Stundenzählung Tag und Nacht in 30 Theile : »Gleichbleibend heut und gleich auch morgen befolgen sie (die Morgenröthen) des Varuna lang dauernde Satzung; die tadellosen durchlaufen dreissig Yojana (Wegstrecke, Station), jede einzelne ihren Plan, innerhalb eines Tages« Rv. t, 123, 8; siehe Roth im Wtb. s. kratu.

Wir haben hier nach vieler Wahrscheinlichkeit eine Nachbildung der 60-Theilung von Tag und Nacht bei den Babyloniern. Yojana ist späterhin ein Wegmaß von bestimmter Entfernung (= 4 Kroça = 8 Gavyuti = 8000 Danda = 32000 Hasta), die nach einer Berechnung (s. Wtb. s. v.) etwa 2 1/2 engl. Meilen beträgt, d. h. 50 Minuten. Dies stimmt trefflich zu der Angabe des Sängers, wonach ein Yojana auf 48 Minuten Dauer sich berechnet. So viel beträgt auch die ungefähre Entfernung einer Parasange, welche ursprünglich ebenfalls ein babylonisches Maß ist. Av. 6, 131, 3 kann die Länge eines Yojana auch kaum größer sein: »Wenn du eine Strecke von drei Yojana, von fünf Yojana oder gar die Tagereise eines Pferdes wegläufst, von dort kehre wieder um, sei Vater mir von Söhnen«. — Muhurta hat in den Samhita noch immer den allgemeinen Sinn »kleine Weile, Augenblick«.

Eine Zusammenfassung der Tage wurde durch den Mondwechsel gebildet. Die ewige und unabänderliche Wiederkehr von Neumond und Vollmond ergab von selbst wichtige Abschnitte für das bürgerliche und religiöse Leben des Volkes. Neumondsnacht (amavasya) und Vollmondsnacht (paurnamasi) bildeten wie bei den alten Germanen (cum aut inchoatur luna aut impletur, Tacitus, Germ. 11) die Grenzen zweier Abschnitte, die Knotenpunkte (parvan). Durch erstere wurde die hellere Monatshälfte, die Zeit des zunehmenden Lichtes (purvapaksha, yava V. S. 14, 26. 31) eingeleitet, deren Personification die Göttin Raka war (T.S. 3, 4, 9, 6), durch die Vollmondsnacht, der Anumati vorstand, die dunklere Hälfte des Monats (aparapaksha, ayava), die man in der Göttin Kuhu verehrte.

Ein solcher Halbmonat, von Neumondsnacht bis Vollmondsnacht, oder umgekehrt hiess pancadaça (vgl. franz. quinze jours) : »Wenn ich sie nur zum kämpfen veranlassen könnte, die Gottlosen, auf ihre Person trotzenden, dann wollte ich dir zu Hause einen fetten Stier braten und beim Beginn des Halbmonats (pancadaçam adverb. Accusativ wie naktam) von kräftigem Soma dir einschenken« Rv. 10, 27, 2.

Die indogermanische Religion war auf die Natur gegründet, und die Feste fallen daher mit natürlichen Erscheinungen zusammen. Die Feier der Neumonds- und Vollmondsopfer (darçapurnamasa), die jeder Hausvater in späterer brahmanischer Zeit dreissig Jahre lang darbringen musste (Weber Ind. Stud. 10, 337), reicht gewiss in indogerm. Alterthum; sie ist auch in vedischer Periode bekannt, obwohl die Art der Begehung dieser Feier eine viel einfachere gewesen sein mag als in späterer Zeit: »Lasst uns Brennholz herbeitragen, wir wollen Opfergüsse für dich zubereiten, dein gedenkend an jedem Knotenpunkt (der Zeit); führe zum Ziel unsere Gebete, damit wir noch lange leben; mögen wir, o Agni, in deiner Freundschaft keinen Schaden erleiden« Rv. 1, 94, 4. »Komm herbei, Indra, berausche dich am Soma bei allen Somafesten (? viçvebhih somaparvabhih)« Rv. 1, 9, 1. »Sie kam herbei die Neumondsnacht, die Sammlerin der Güter, Labung, Gedeihen, Schätze mittheilend; der Neumondsnacht wollen wir mit Opferguss dienen; Labung strömen lassend (duhana) kam sie wie mit Milch heran« Av. 7, 79, 3. »Voll ist er von hinten und voll von vornen und auch in der Mitte siegte er in der Vollmondsnacht; in ihr mit den Göttern in Herrlichkeit zusammenwohnend wollen wir an des Himmels Höhe (nakasya prshthe) uns ergötzen durch Labungstrank. Dem kräftigen Stiere, dem Vollmonde opfern wir; er verleihe unvergänglichen, unversieglichen Reichthum« Av. 7, 80, 1. 2. Häufig findet sich die Feier in den Yajustexten erwähnt; vgl. noch M. Müller Hist. of Ane. Sanskrit Litt. p. 490 ff.

Durch eine nochmalige Theilung der beiden Monatshälften, worauf das Zu- und Abnehmen des Mondes ebenfalls führte, kam man zu Wochen. So finden wir die achte Nacht (ashtaka) nach Vollmond Av. 15, 16, 2 erwähnt. An eine bestimmte hervorragende Ashtaka, vielleicht die letzte des alten Jahres, ist der Spruch Av. 3, 10 gerichtet; sie ist Herrin (patni) und Abbild (pratima) des Jahres (Av. 3, 10, 2); nach ihr regeln sich die Tage (T.S. 3, 3, 8, 4); vgl. noch T.S. 7, 4, 8, 1; 4, 3, 11, 3; Av. 8, 9, 10 ff.

Die Vereinigung zweier Halbmonate, die Zeit von Neumond bis wieder Neumond bildete einen Monat (mas, masa). Es waren also Mondmonate von 29/30 Tagen, nach denen man rechnete; ist doch der Mond der an den Himmel gesetzte Ordner der Monate (vidhano masam) Rv. 10, 138, 6. Zwölf dieser natürlichen Abschnitte (354 Tage) stimmten ungefähr mit dem Umlauf des wichtigen Tagesgestirnes, der Sonne; sie bildeten daher die höhere Einheit, das Jahr (parivatsara, samvatsara, deren Element vats-, vergl. samvatsam Rv. 4, 33, 4, lat. vetus ist). Dasselbe heisst dvadaça, das Zwölftheilige : »Sie halten ein des Jahres (dvadaçasya) heilige Ordnung« Rv. 7, 103, 9.

Die Rechnung des Jahres nach Mondmonaten ist, wie schon der Name für Monat zeigt, die ältere und kommt auch bei andern indogerm. Völkern vor; sie ergibt sich als vedisch schon daraus, dass die reife Frucht des menschlichen Mutterleibes garbho daçamasyah »zehn Monate alt« heisst Rv. 5, 78, 7. »Nachdem der Knabe zehn Monate in der Mutter gelegen hat, gehe er heraus lebend, unverletzt, lebend aus der lebendigen (Mutter)« heisst es Rv. 5, 78, 9. Vgl. noch Rv. 10, 184, 3; Av. 1, 11, 6: 3, 23, 2.

Nach Verlauf einiger solcher Jahre musste man wahrnehmen, dass Zeit überschüssig wurde; denn innerhalb drei Jahren gewann man bereits einen Überschuss von mehr als einem Monat. Diesem Übelstande - und man wird ihn schon in indogermanischer Zeit erkannt haben, da er keinem Volke, welches bis 30 zu zählen versteht, verborgen bleiben kann — ließ sich auf verschiedene Weise abhelfen: entweder schob man jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit die überschüssigen Tage ein, oder man ließ dieselben zusammen kommen und fügte von Zeit zu Zeit zu den 12 Monaten einen dreizehnten. Beides kam im vedischen Alterthum vor. Die erstere Weise ist die alterthümlichere, in indogermanische Vorzeit reichende; nach ihr schob man 12 Tage am Schluss (?) des Jahres, die 12 Tage des Wintersolstitiums ein und brachte so das 354tägige Mondjahr in Harmonie mit dem 366tägigen Sonnenjahr.

Die Rbhu, die Genien der Jahreszeiten, die durch ihren Wechsel ihre Eltern (d. h. Himmel und Erde cf. Rv. 4, 36, 1) verjüngten, ruhen 12 Tage im Hause des Agohya Rv. 4, 33, 7: »Als die Rbhu in der Gastfreundschaft des Agohya 12 Tage in Ruhe (sasantah) sich erfreut hatten, da schufen sie wieder schöne Gefilde, ließen Ströme fliessen: in dem trocknen Lande (dhanvan) sprossten die Pflanzen, die Niederungen füllten sich mit Wasser.« Agohya ist die »nicht zu bergende« Sonne (Savitar), in deren Haus die Rbhu ja auf ihrer Wanderschaft kamen (Rv. 1, 110, 2), nachdem sie ein Jahr lang (samvatsam) die Kuh beschützt, ihren Körper gebildet und ihr Futter gebracht hatten (Rv. 4, 33, 4). Das Jahr ist zu Ende; die drei Jahreszeiten und die Sonne, die ihren tiefsten Stand erreicht hat, ruhen scheinbar 12 Tage: von dem Hunde aufgetrieben (budh Rv. 1. 161, 13) erheben sie sich und von Neuem beginnt der alte Wechsel des Jahres. Vgl. Ludwig Nachr. Seite 5 ff.

Durch diese 12 ausserhalb des Jahres stehenden Tage — oder auch Nächte, da dies ja die ältere Rechnung — wird das 12theilige Mondjahr noch einmal im Kleinen dargestellt, sie heißen daher des Jahres Abbild (samvatsarasya pratima vai dvadaça ratrayah) T. Br. 1, 1, 9, 10. Kath. 7, 15. Diese 12 Nächte des Wintersolstitiums hat Weber Om. u. Port. p. 388 auch aus Av. 4, 11, 11, sowie in andern an die Samhita sich anschließenden Schriften nachgewiesen; vgl. noch Ind. Stud. 10, 242 ff. Wie derselbe gleichfalls l. c. bereits erkannt hat, erhellt aus der Heiligkeit, in der »die 12 Nächte« bei den Germanen stehen, dass diese Jahresregulirung eine uralte, in indogermanische Zeit hinaufreichende ist.

Auf die zweite Weise, d. h. durch Hinzufügung eines dreizehnten Monats regulierte offenbar der Sänger von Rv. 1, 25, 8 die Differenz zwischen Sonnen- und Mondjahren: »Er, der feste Satzungen hat (Varuna), kennt die 12 Monate, die an Nachkommenschaft reichen, er kennt den, welcher hinzugeboren wird (ya upajayate)«; über die Einwendungen, die gegen diese Auffassung des vierten Pada erhoben sind, siehe M. Müller Hist. p. 212. — Wie der Dichter von Av. 8, 9, 17: »Sechs kalte Monate und sechs heiße, sagen sie, gäbe es: die Zeit nennt uns, welche überschüssig ist (atirikta)« den Überschuss verrechnete, ist nicht zu bestimmen.

Die Hinzufügung eines Schaltmonats nach gewissen Zeiträumen gewann bei den Indern wie fast sämtlichen alten Völkern, über deren Kalenderwesen wir näher unterrichtet sind, die Oberhand. Zu einer bestimmten Zeit, die der Entstehung eines grossen Theiles unserer Texte vorangeht, erfuhr die Einschaltung eine feste Regelung. Dieselbe knüpft sich an eine genauere Beobachtung der Sonnenwenden, und es liegt die Vermuthung nicht allzuweit ab, das Aufkommen dieser Regelung mit dem durch die Kenntnis der Nakshatra, der fünf Planeten erweiterten astronomischen Wissen in Berührung zu setzen. Man gab die Rechnung nach Mondjahren und Mondmonaten auf: 12 Monate, von denen jeder 30 Tage von Sonnenaufgang bis wieder Sonnenaufgang (ahoratre) hatte, machten ein Jahr von 360 bürgerlichen (savana) Tagen. Fünf solcher Jahre (1800 Tage) bildeten eine Periode, an deren Ende ein Monat von ebenfalls 30 Tagen hinzugefügt wurde.

Diese Rechnung ist der fünfjährige Cyklus (pancaka yuga Pancav. Br. 17, 13, 17) nach Nycthemera. Deutlich wird er in vedischen Texten genannt. Rv. 3, 55, 18: »Des Helden Rossebesitz, o Stammesgenossen. wollen wir jetzt preisen; die Götter kennen denselben: Sechsfach verbunden fahren je fünf; groß ist allein der Götter Asurawürde«. Die sechsfach verbundenen — natürlich zu je 2 — sind die 12 Monate des Jahres; je 5 solcher sechsfach verbundenen (d. h. Jahre) machen eine Periode aus; unter dem reichen Rossebesitz des Helden sind die 60 (+ 1) Monate der fünfjährigen Periode zu verstehen, sie sind ja angeschirrt (yuj) und fahren (vah). In dem grossen allegorischen Liede Rv. 1, 164, das, wie wir oben sahen, eine Reihe mehr oder minder lose zusammenhängender Räthselsprüche enthält, von denen eine ganze Anzahl sich auf den Sonnenlauf, die Eintheilung des Jahres in Jahreszeiten, Monate, Tage, Nächte bezieht, heisst es Vers 14: »Mit dem Radkranz versehen (sanemi) dreht sich das unalternde Rad; an der ausgestreckten (Deichsel) ziehen 10 angeschirrte Zugthiere: des Surya Auge wandert im Raum (von Raum umgeben), in diesem beruhen alle Wesen«.

Unter den »10 angeschirrten Zugthieren« (daça yuktah) kann man kaum etwas anderes suchen, als die 10 Halbjahre (ayana) des fünfjährigen Yuga ; vgl. Weber Jenaer Litter. 1876, Art. 550. In demselben Liede kommen noch weiterhin hierhergehörige Sprüche vor: »Das zwölfspeichige Rad der ewigen Ordnung rollt dahin um den Himmel, nicht nutzt es sich ab: an ihm befinden sich, o Agni, die 720 gepaarten Kinder« (Vers 11) ; »die zwölf Felgen, das eine Rad, die drei Naben, wer erkennt das (den Sinn)? an ihm sind gleichsam zusammen 360 bewegliche, schwankende Speichen« (Vers 48). Allegorisch sind die 12 Monate, 360 Tage und 3 Jahreszeiten gemeint. Auch Rv. 10, 189, 3 gehört her: »Die dreißig Häuser füllt sein (Suryas) Glanz«. Av. 4, 35, 4 heisst der Monat 30speichig (trimçadara), das Jahr 12 speichig (dvadaçara). Nach Av. 13, 3, 8 besteht der dreißiggliedrige (trimçadanga), dreizehnte Monat aus Nycthemera (ahoratrairvimita); demnach werden auch die andern Monate nach Savanatagen berechnet worden sein, vgl. noch Rv. 10, 190, 2. Av. 10, 7, 6 ; 8, 23. V.S. 23, 41.

Der Umfang des fünfjährigen Cyklus liess sich auch noch anders als nach dem bürgerlichen Zeitmaße ausmessen. Behielt man die synodischen Mondmonate zu je 29 1/2 bürgerlichen Tagen bei — das Jahr hatte also deren 354 — so waren, sei es innerhalb der Periode, sei es am Ende derselben, 2 Monate von je 30 Savanatagen einzuschalten (5 x 354 = 1770 + 60 = 1830). Von periodischen Mondmonaten (nakshatra, siderische Monate) zu 27 1/2 Nycthemera hatte der fünfjährige Cyklus 67; Sonnenmonate endlich zu 30 1/2 Savanatagen gingen 60 auf das Yuga, ein Schaltmonat kommt nicht vor. Dass nach einem der drei letzterwähnten Zeitmasse der fünfjährige Cyklus in vedischer Zeit berechnet wurde, dafür liegen in den Samhita keine Andeutungen vor, man müsste denn in Av. 6, 128, 3:

Ahoratrabhyamnakshatrebhyah suryacandramasabhyam».
Bhadrahamasmabhyam rajam chakadhûma tvam krdhi

eine Anspielung sehen auf die bürgerlichen, siderischen, solaren und synodischen Monate.

In Betreff der Kenntnis des fünfjährigen Yuga ist Weber ZDMG. 15, 132 ff. anderer Ansicht: »Selbst das fünfjährige Yuga ist noch nicht einmal mit völliger Sicherheit im Veda nachzuweisen. Wie oft auch das Jahr mit seinen 360 Tagen behufs allegorischer Zwecke in den Brahmana genannt wird, nirgendwo erscheint eine feste, über dasselbe hinaus gehende Zeiteintheilung. Die in den Samhita des Yajus zusammenstehenden Namen: samvatsara, parivatsara, idavatsara, anuvatsara, idvatsara, welche als Namen der fünf Jahre des Yuga gefasst werden, erscheinen hie und da auch zu sechs (mit Hinzufügung von iduvatsara oder vatsara), oder zu vier, zu drei, selbst zu zwei, so dass ihre chronologische Bedeutung jedenfalls eine schwankende ist«. Hiergegen ist zu bemerken, dass in allen Fällen, wo dem Jahr 360 Tage, dem Monat allgemein 30 Tage zugeschrieben werden, eine »feste über das Jahr hinaus gehende Zeiteintheilung« zu Grunde liegt, die nicht genannt, aber selbstverständlich ist. Denn bloß um ein Jahr von 360 Tagen zu haben, wird man ganz gewiss nicht die höchst bequemen natürlichen Monate zu 29/30 Tagen geopfert haben; ein Vortheil erwuchs ja dadurch nicht, wohl aber Unbequemlichkeiten mancher Art. Ein Gewinn wurde jedoch erreicht, wenn man dabei auf irgend eine Weise die Differenz zwischen Mondjahren und Sonnenjahren beseitigen konnte. Dies geschieht bei einem Jahr von 360 Nycthemera am einfachsten durch den fünfjährigen Cyklus. Da nun derselbe in einigen oben angeführten Stellen sicher vorliegt, so ist es am natürlichsten, denselben überall zu Grunde liegend zu denken, wo von 360 Tagen des Jahres die Rede ist.

Selbstverständlich wurde diese Rechnung nicht bei allen vedischen Stämmen und noch weniger gleichzeitig bei ihnen eingeführt — die Verhältnisse lagen eben anders als in Athen und Rom —; viele mögen auf andere Weise, die natürlichen Monate beibehaltend, den Unterschied zu heben gesucht haben. Annähernd erreichte man dies schon, wenn man ein Jahr ums andere einen 29 oder 30tägigen Schaltmonat einschob, wodurch man alle 2 Jahre 7 Tage zu viel rechnete. Noch näher kam man der Wirklichkeit, wenn man nach drei Mondjahren einen Schaltmonat hinzufügte. Solche und ähnliche Cyklen von Mondjahren werden wir anzunehmen haben, wo die Jahre zu zwei (Av. 8, 8, 23 samvatsara, parivatsara), drei (Av. 6, 55, 3. T.S. 5, 7, 2, 4 ida-, pari-, samvatsara) oder vier neben einander erscheinen. Ale einzelne Jahre des fünfjährigen Yuga werden aufgezählt V. S. 27, 45 Samvatsara, Parivatsara, Idavatsara, Idvatsara, Vatsara; ebenso 30, 14-15. T.S. 5, 5, 7, 3-4. Auch bei demselben Yuga blieb ein Überschuss von beinahe 4 Tagen über das wahre Sonnenjahr; ihn zu beseitigen, reichten die astronomischen Kenntnisse, wie sie in unsern Texten vorliegen, nicht aus.

Nach Rv. 3, 55, 18 fahren die Monate sechsfach verbunden: Av. 10, 8, 5 ruft ein Sänger: »Dies erkenne, o Savitar: sechs sind Zwillinge, einer ist einzeln geboren; die Verwandtschaft suchen sie zu erhalten mit dem, der unter ihnen allein einzeln geboren ist«. Dies wird nun auch durch ihre Namen bestätigt, die in den Yajustexten öfters vorkommen: Madhu und Madhava, Çukra und Çuci, Nabhas und Nabhasya, Ish und Urj, Sahas und Sahasya, Tapas und Tapasya (V. S. 7, 30; 22, 31). Die beiden ersten sind Frühlingsmonate (V. S. 13, 25), die beiden folgenden Sommermonate (V. S. 14, 6), Nabhas und Nabhasya gehören der Regenzeit an (V. S. 14, 15), Ish und Urj dem Herbst (V. S. 14, 16),Sahas und Sahasya dem Winter (V. S. 14, 27), die beiden letzten endlich dem ersten Frühling, der kühlen Zeit (V. S. 15, 57); ebenso Av. 15, 4. Der dreizehnte Monat (Av. 13, 3, 8) oder Schaltmonat heisst V. S. 7, 30; 22, 31 Amhaspati, Kath 35, 10 und 28, 14 Malimluca ; vgl. Sayana zu Çatap. Br. 10, 2, 6, t.

Die Vorstellung von den berüchtigten 4 Weltaltern, die nach Lassen Alterth. 1, 987 sich auf die Verehrung der 4 Phasen des Mondes in der vedischen Zeit gründen soll, ist der vedischen Periode fremd. Die Anfänge scheinen in das Ende derselben zu reichen: »Wir schaffen dir 100, 10 000, (? ayuta) Jahre, 2, 3, 4 Yuga« Av. 8, 2, 21. Hier hat Yuga zwar noch nicht den bestimmten Umfang, der später den vier Weltperioden zugelegt wird, begreift jedoch, da zwei Yuga mehr als 10 000 Jahre sein müssen, schon eine stattliche Reihe von Jahren; vgl. auch Rv. 8, 101 14 = Av. 10, 8, 3. V. S. 30, 18 bezeichnen aksharajan, krta, treta, dvapara, askanda deutlich 5 Würfel; ebenso sind T.S. 4, 3, 3, 1-2 aya, d. h. Wilde] gemeint : siehe noch Muir ST. 1, 43 ff. Weber ZDMO. 15, 132.

Schon in grauer Vorzeit, ehe die Indogermanen gelernt hatten, die Sonnenbahn beobachten und durch Theilung derselben vermittels einzelner Mondumläufe sich ein Jahr mit 12 Unterabtheilungen zu schaffen, hatte man eine Zeiteintheilung. Dieselbe gründete sich auf die klimatischen Verhältnisse der Ursitze des indogermanischen Volkes. Nach denselben hatte man 2 Halbjahre gleichsam: Winter (hima) und Sommer (sama), kalte und warme Jahreszeit. In jener Periode rechnete man nicht nach Jahren sondern nach Wintern und Sommern; ersteres häufiger, da, wie wir sahen, damals auch die Nächte zählten statt der Tage. Die Spuren der alten Rechnung haben sich noch bei den meisten indogermanischen Völkern erhalten: Nach Halbjahren (misseri), speciell Wintern, rechnet skandinavisches Alterthum, tvalibvintrus »zwölfwintrig« übersetzt bei Ulfilas gr. éton dodeka; chimaros, chimaira bezeichnet bei Dorern die junge, einjährige Ziege; lat. bimo-, trimo-, aus bi-himo, tri-himo entstanden, bedeutet demnach »zwei, drei Winter alt«, altb. thricatozima-, navacatozima- meint 300-, 900jährig.

Gleiches treffen wir auch in den vedischen Liedern. Die Ausdrücke hima und sama haben nur noch die allgemeine Bedeutung »Jahr« und kommen fast nur in stehenden Redensarten vor. Ihr ursprünglicher Sinn lässt sich nur aus der Etymologie oder den verwandten Sprachen erschliessen: hima — altb.: zima Winter, gr. chimo- in dischimos; vgl. lit. zemà, altslov.: zima Winter, Sanskrit heman. Sama bedeutet an einigen Stellen des Atharvaveda noch Halbjahr, im Altb. hama nur Sommer; ebenso ist altkymr. ham, neukym., korn., arem. haf (Zeus Gramm. Celt.2 821) aestas, und ahd. sumar verhält sich ähnlich zu sama.

Frühling, das Übergangsstadium vom Winter zum Sommer, und Herbst, Ausgang des Sommers, galten damals noch nicht als besondere Jahreszeiten. Der Sänger von Av. 8, 9, 17 kennt sechs kalte und sechs warme Monate. Als man im weiteren Verlauf dem Ackerbau eine grössere Aufmerksamkeit zuwendete, setzte man noch eine dritte Jahreszeit hinzu, die Zeit der Ernte und Reife çarad; dies geschah während der Vereinigung mit den éranischen Stämmen, wie die Übereinstimmung von altb. çaredhu mit altind. çarad zeigt. Auch çarad wird sowohl bei den indischen als bei éranischen Stämmen zur Berechnung verwendet; ja in vedischer Periode trat, da der Ackerbau eine immer wichtigere Stelle erlangte, die Zeit der Reife und Ernte der Saaten so in den Vordergrund, dass der Wunsch, hundert Herbste zu leben, häufiger im Veda ist, als der hundert Winter. Am spätesten gelangte der Frühling dazu, als eigene Jahreszeit anerkannt zu werden. Sein Name vasanta hängt zwar aufs Engste mit der europäischen Bezeichnung zusammen, er wird aber im Rigveda nur zweimal erwähnt, und zwar in Liedern des 10. Mandalas (Rv. 10, 90, 6 ; 161, 4), war also von geringer Wichtigkeit.

Die Dreitheilung des Jahres - Frühling-Vorsommer, Hochsommer mit Regenperiode, Herbst als Erntezeit mit anschliessender Kälte - war demnach in vedischer Periode die herrschende; sie gründet sich auf die klimatischen Verhältnisse der damaligen Sitze des Volkes im Penjab, wo man noch heutigen Tages nur drei Jahreszeiten zählt: »Chaumâsa or Barkha, constitutes the four months of the rainy season. The rest of the year is comprised in Syála, Jára or Mohára, the cold season and Dhúpkál or Kharsá the hot season«. Elliot Memoirs 2, 47. Einen wichtigen Beweis für die Eintheilung des Jahres in drei Jahreszeiten bei dem vedischen Volke können wir noch aus späterer Periode gewinnen.

Zu einer Zeit, als die indischen Arier längst ins eigentliche Hindostan vorgerückt waren und den dort vorgefundenen klimatischen Verhältnissen entsprechend 5 oder 6, ja 7 Jahreszeiten zählten, feierte man - wie bis auf den heutigen Tag - noch die caturmasya, d. h. Tertialopfer, am Beginn der oben genannten drei Jahreszeiten; vgl. Weber Nakshatra 2, 329 ff. Ist auch die Begehung dieser Opfer, wie sie Weber Ind. Stud. 9, 337 nach dem Çrautas des weißen Yajus dargestellt hat, in ihren Einzelheiten jüngere Entwicklung, die Feier als solche ist gewiss uralt, und die Zeit, auf die sie fiel, aus einer Periode überkommen, in welcher das Volk noch andere Wohnsitze inne hatte. Als die vedischen Stämme aus dem Penjab nach Südosten vordrangen, wurden sie in veränderte klimatische Verhältnisse versetzt. Am häufigsten werden nun fünf Jahreszeiten (rtavah)gezählt: Frühling (vasanta), heisse Zeit (grishma), Regenzeit (varshah), Herbst (çarad), Winter (hemanta oder hemantaçiçirau) V. S. 10, 10 ff. T.S. 1, 6, 2, 3 ; 4, 3, 3, 1. 2 ; 5, 3, 1, 2 ; 5, 6, 10, 1; 5, 7, 2, 4 ; 5, 1, 10, 3; 5, 4, 12, 2; 7, 1, 18, 1-2. Av. 8, 2, 22 ; 8, 9, 15 ; 13, 1, 18. Daneben nahm man auch 6 Jahreszeiten an, offenbar, um auf jede derselben 2 Monate zu bekommen; man schob zwischen Winter (hemanta) und eigentlichen Frühling einen Vorfrühling ein, die kühle Zeit (çirira) von Mitte Januar bis Mitte März; so Av. 6, 55, 2; 12, 1, 36; cf. 9, 5, 31-36; 15, 4. V. S. 13, 25; 14, 6. 16. 27; 15, 56; 21, 23 ff. T.8. 5, 1. 5, 2; 5, 1, 7, 3; 5, 2, 6, 1; 5, 1, 10, 5; 5, 1, 9, 1.

Aus demselben Bestreben, aus dem die Annahme einer sechsten Jahreszeit hervorging, schuf man ihrer sieben, nämlich in Schaltjahren. In ihnen wurde der 13. Monat als 7. Jahreszeit gerechnet (vergleiche Sayana zu Rv. 2, 40, 3) Av. 6, 61, 2; 8, 9, 18. Ein bestimmter Name für diese siebente Jahreszeit begegnet nicht, wie auch natürlich ist, da dieselbe nicht mehr in klimatischen Verhältnissen ihren Grund hat, sondern in systematisierendem Bestreben. Eine Zusammenfassung mehrerer Jahreszeiten hiess artava (Semester ?): Jahreszeiten, Semester. Jahre Av. 3, 10, 9 ; Halbmonate, Monate, Jahreszeiten, Artava Av. 11, 7, 20; s. Wtb. a. v.

Auf 3, 5, 6, 7 Jahreszeiten ist eine Reihe der allegorischen Ausdrücke im Dirghatamaslied Rv. 1, 164 zu deuten: Drei Naben hat das den Sonnenlauf personificierende Rad Rv. 1, 164, 2: nach Yaska Nir. 4, 27 sind es Grishma, Varsha, Hemanta. »In dem fünfspeichigen dahin rollenden bestehen alle Welten« RT. 1, 164, 13. Die Sonne heisst der Fürst, der sieben Söhne hat (Vers 1), sieben schirren daher auch der Sonne einräderigen Wagen an, ein Ross, das sieben Erscheinungsformen hat, fährt; sieben befinden sich auf ihm, dem siebenrädrigen Wagen, sieben Rosse fahren. Auf 6 Jahreszeiten bezieht Roth im Wtb. s. indu Rv. 1, 23, 15: »Er leitet mir mit den (wechselnden) Monden die sechs Verbundenen (die Jahreszeiten) zurück, wie mit den Rindern der Pflüger des Fruchtfeldes (zurück lenkt)«. Anders Benfey Or. und Occid. 1, 32 und Ludwig Rigveda 1 S. 269.

Heilkunde

Jüngere indische Schriften nennen die medicinische Wissenschaft den Ayurveda »die heilige Lehre von der Gesundheit« und führen sie, wie natürlich, auf die Götter zurück. Es sind kaum dreißig Jahre her, dass auch noch europäische Gelehrte in der That glaubten, der Verfasser des berühmtesten medicinischen Lehrbuches, Suçruta, habe gegen Ende des ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gelebt; ein Glaube der verzeihlich ist, wenn man bedenkt, in welch uranfängliche Vorzeit fast gleichzeitig die jüngsten Upanishad gerückt wurden. Seitdem sind die wirklich ältesten Erzeugnisse indischen Geistes, die erhalten geblieben sind, nach und nach allgemein bekannt geworden und haben wie in vielen anderen Punkten so auch hier luftige Phantasiegebilde in ihr Gebiet, das Reich der Träume verwiesen. Die Veden und vor allem der Atharvaveda, zu dem die Inder ihren Ayurveda als Supplement rechnen, zeigen uns, dass das indische Volk im ältesten Zeitraum seiner Geschichte noch in den Anfängen eines wirklichen medicinischen Wissens stand. So zahlreich auch die Krankheiten (roga) und Gebrechen (rapas tanvah) sind, die wir im Atharvaveda kennen lernen: Beschwörung ist das Hauptmittel gegen alle; hinzu tritt bei einzelnen Leiden, besonders äusserlichen, Anwendung von Heilkräutern, deren Heilkräfte durch ganz allgemeine, jedem sich aufdrängende Erfahrungen bekannt geworden waren.

Ein häufig erwähntes Leiden ist der Yakshma: Hiermit wird eine ganze Klasse von Krankheiten bezeichnet — hundert Yakshma gibt es nach V. S. 12, 97 —, deren Hauptmerkmal am ganzen Körper eintretende Abmagerung ist, also Auszehrung und Schwindsucht verschiedener Art. Rv. 10, 97, 12 werden die Heilpflanzen aufgefordert, von Glied zu Glied, von Gelenk zu Gelenk zu kriechen, um den Yakshma zu vertreiben. Gegen ihn ist der Segen Rv. 10, 163 (cf. Av. 2, 33) gerichtet.

Als Yakshmaarten werden T.S. 2, 3, 5, 1-3 (cf. 2, 5, 6, 4-5) erwähnt Rajayakshma, Papayakshma und Jayenya und über ihren Ursprung wird nach Brahmana Art folgende Geschichte erzählt: »Prajapati hatte 33 Töchter, die gab er dem König Soma. Derselbe wohnte von ihnen (nur) der Rohini bei; die übrigen gingen deshalb aus Eifersucht weg. Er folgte ihnen und verlangte sie wieder. Aber jener (Prajapati) gab sie ihm nicht (sogleich) wieder, sondern er sprach: Stelle eine Ordnung fest, dass du ihnen gleichmässig beiwohnen willst, dann werde ich sie dir wiedergeben. Jener stellte eine Ordnung fest und er gab sie ihm wieder. Da er von denselben jedoch (aufs Neue) nur der Rohini beiwohnte, befiel ihn der Yakshma. Der Yakshma hat den König befallen' so sprach man; dies war der Ursprung des Râjayakshma. Als er (der Yakshma) schlimmer wurde, war dies der Ursprung des Pâpayakshma; weil er ihn in Folge der Weiber befiel, war dies der Ursprung des Jâyenya. Wer den Ursprung dieser Yakshmaarten kennt, den befallen diese Yakshma nicht. Er (Soma) aber, sich demüthig zeigend, ging jene (die Töchter Prajâpats) um Hülfe an; sie sprachen: ,Wir wollen die Bedingung stellen, wohne uns gleichmässig bei'. Sie brachten sodann (als er zustimmte) für ihn dar (niravapan) diese Aditya-Opferspeise , damit lösten sie ihn von dem bösen Siechthum (srama). Wer vom Pâpayakshma ergriffen ist, für den soll man diese Adityaopferspeise darbringen; die Aditya geht man mit ihrem Antheil an, sie lösen ihn von bösem Siechthum; in der Neumondsnacht soll man (dies Opfer) darbringen. Nachdem dieser (Soma, der Mond) voll geworden ist, macht sie (die Aditya-Opferspeise) auch jenen (den Abgemagerten) wieder kräftig (dpyayayati)«.

Von diesen 3 Arten ist in der späteren indischen Medicin nur der Râjayakshma (Râj Jakshya bei Wise) bekannt; er ist Lungenschwindsucht (Phthisis Pulmonalis), die fast immer tödlichen Ausgang nimmt. Dies wird auch durch Rv. 10, 161, 2 bestätigt, wo es von einem durch diese Krankheit befallenen heisst : »Wenn seine Lebenskraft vernichtet ist (kshitayus), oder wenn er schon (beinahe) hingegangen (pareta) ist, wenn er in des Todes Nähe geführt ist, so hole ich ihn doch aus der Nirrti Schoß; ich zog ihn an mich zu einem Leben von hundert Herbsten«. Die Krankheit wird auch Av. 11, 3, 39: 12, 5, 22 erwähnt; über ihre Entstehung, Symptome und Behandlung siehe Wise pag. 321 ff.

Unter Papayakshma »böse Sucht« , der nicht weiter vorkommt, dürfen wir vielleicht galoppierende Lungenschwindsucht suchen.

Mit dem Jayenya der T.S. ist wohl identisch die im Atharvaveda öfters genannte Krankheit Jayanya: »Der Brustbein- und Rippenknorpeln zerbricht, der in das Talidya (unbekannter Körpertheil) eindringt: jeden Jayanya entfernt, auch den, welcher im Haupte sitzt.

Beflügelt fliegt der Jaynya, er dringt in den Menschen ein: hier habe ich ein Heilmitttel für den Menschen, der den Kshata noch nicht hat und den, der schwer an ihm erkrankt ist (sukshata).

Wir wissen, Jâyânya, deinen Ursprung, woher du entstanden bist; wie magst du dort schlagen, in dessen Hause wir ein Opfer bringen«. Av. 7, 76, 3-5.

Als Symptome dieser Yakshma-Art werden Av. 19, 44, 2 genannt Blässe (hariman) und Gliederreissen verursachender Visalyaka. Durch diese Angaben ist die sonst nicht mehr unter dem Namen Jayanya erwähnte Krankheit hinreichend bestimmt; nach Wise, pag. 321 ist Kshata »rupture or ulcer of the respiratory organs«, eine Art der Phthisis Pulmonalis. »The characteristic symptoms are pain in shoulders, and sides of the chest« ibid. 322. Auch Blässe (jaundice) stellt sich ein, die Augen bekommen eine periweiße Farbe.

Eine vierte Art heisst Ajnatayakshma; er wird Rv. 10, 161, 1 — Av. 3, 11, 1 mit Rajayakshma genannt: »Ich befreie dich durch dieses Opfer vom Ajnâta- und vom Rajayakshma, damit du lebest; wenn Bewusstlosigkeit ihn schon ergriffen hat, so befreit ihn von ihr, Indra und Agni«. — Grohmann Ind. Stud. 9, 400 nimmt Ajnatayakshma für Anschwellung und Rajayakshma für Abzehrung; sie »sind hier die beiden Gegensätze, in denen sich die Krankheiten bewegen, etwa wie Hypertrophie und Atrophie, und somit will der Vers nichts anderes besagen als: ich befreie dich von jeder Krankheit«. Schon der Umstand, dass der Yakshma (Yakhma Wise p. 210) überhaupt Abzehrung ist, macht es unmöglich, dass eine Art desselben »Anschwellung« sein kann; sodann zeigt der ganze Zauberspruch — Vers 2 ist oben übersetzt —, dass von einer bestimmt erkannten, lebensgefährlichen Krankheit die Rede ist, ein so allgemeiner Sinn, wie Grohmann findet, demnach wenig passt. Zu der verkehrten Auffassung ist Grohmann durch Av. 6, 127, 3 verführt: para tamajnatam yaksh mamadharancam suvamasi; hiermit endet ein gegen den Balasa gerichteter Zauberspruch, und Grohmann schließt, dass »ajnata Yakshma« und »Balâsa« dasselbe bedeuten. Der Segen besteht jedoch, wie der metrische Bau ausweist, aus drei Anushtubh-Strophen, und obiges Avasana ist angehängt. Identität von Balâsa und Ajnatayakshma ist daher unerweisbar.

Auszehrung und Schwindsucht in ihren verschiedenen Arten kommen selten als selbständige Krankheiten vor; sie sind meist Folgen anderer Krankheiten und mit solchen verbunden. Blässe (hariman) und Gliederreissen verursachender Visalyaka lernten wir schon oben aus Av. 19, 44, 2 als Symptome einer Yakshma-Art (Jâyânya) kennen. Andere Verbündete treten Av. 9, 8 auf:

»Kopfschmerz, Kopfleiden, Ohrenstechen, Entzündung (? vilohita): jede Kopfkrankheit bannen wir dir mit unserm Spruch fort. 1.
Aus deinen Ohren, aus den kankusha (wohl Theile des Ohrs) bannen wir mit unserm Spruch das Ohrenstechen, das Reissen, sowie jede Kopfkrankheit. 2.
Damit der Yakshma weicht aus dem Ohr, aus dem Munde bannen wir jede Kopfkrankheit dir mit unserm Spruch fort. 3.
Welche den Menschen taub, welche ihn blind macht: jede Kopfkrankheit bannen wir dir mit unserm Spruch. 4.
Das Reissen in den Gliedern, das mit Fieber und Stechen in den Gliedern verknüpft ist, jede Kopfkrankheit bannen w. d. m. u. S. 5.
Dessen fürchterliches Aussehen im Menschen Schrecken erregt, den Takman, der in jedem Herbste wiederkehrt, bannen wir mit unserm Spruch hinweg. 6.
Der in die beiden Schenkel kriecht und in die Leisten geht, den Yakshma, den bannen wir dir aus den Gliedern durch unsern Spruch. 7.
Wenn er aus Liebe entsteht, aus Ekel, aus dem Herzen kommt: aus dem Herzen, aus den Gliedern bannen wir den Balasa durch unsern Spruch. 8.
Die Gelbsucht aus den Gliedern, die Ruhr aus dem Innern, die Yakshmodha bannen wir dir aus der Seele durch unsern Spruch. 9.
Zu Asche (asa) soll der Balasa werden, zu krankem Urin soll er werden: aller Yakshmaarten Gift rief ich aus dir heraus. 10.
Heraus aus der Höhle laufe es, das Kollern aus deinem Bauche: aller Yakshmaarten Gift rief ich aus dir heraus. 11.
Aus dem Bauche, aus der Lunge, dem Nabel, dem Herzen rief ich dir aller Yakshmaarten Gift. 12.
Die stechenden Schmerzen, die den Scheitel auf dem Haupt zerreissen, sie sollen ohne zu verletzen, ohne zu schaden heraus laufen. 13.
Die das Herz stacheln, das Brustbein entlang sich ausdehnen: sie s. o. z. v., o. z. sch. h. l. 14.
Die die Seiten stacheln, die Rippen entlang bohren: sie sollen u.s.w. 15.
Die stechenden Schmerzen, welche in die Quere stacheln in den Weichen dir : sie sollen u.s.w. 16.
Die in die Gedärme kriechen und die Eingeweide in Unordnung bringen: sie sollen u.s.w. 17.
Die das Mark aussaugen, die Gelenke zerreißen: sie sollen u.s.w. 18.
Die die Glieder lähmen, deine Leibschneiden verursachenden Yakshma: aller Yahshmaarten Gift rief ich aus dir heraus. 19.
Die mit Visalya, Vidradha, Vatikâra, Alaji verbundenen: aller dieser Yakshmaarten Gift rief ich aus dir heraus. 20.
Aus den Füßen, aus den Knien, aus den Hüften, aus dem Hintern, aus dem Rückgrat vernichte ich die stechenden Schmerzen, aus dem Genick die Krankheit. 21.
Heil sind dir des Hauptes Schädelknochen und des Herzens Schlag; aufgehend, o Aditya, vernichtetest du mit deinen Strahlen des Hauptes Krankheit, stilltest den Gliederschmerz.« 22.

Der gefährlichste unter den vielen Genossen des Yakshma, die in vorstehendem Segen genannt werden, ist der Takman, dessen fürchterliches Aussehen den Menschen aufschrecken macht (Vers 6). »Furchtbar sind deine Waffen, Takman, mit diesen verschone uns« fleht der Besprecher Av. 5, 22, 10; der Takman gilt daher als Rudras Geschoss Av. 11, 2. 22. 26. Im Rigveda wird die Krankheit nirgends genannt, um so häufiger erscheint sie im Atharvaveda. Fünf Sprüche (1, 25; 5, 22; 6, 20; 7, 116: 19, 39) sind gegen sie ausschließlich gerichtet und auch sonst wird sie noch oft erwähnt. Da das Wort weder bei Suçruta noch sonst wo in späteren Schriften erscheint, so sind wir darauf angewiesen, die Krankheit oder vielmehr die Klasse von Krankheiten, die unter dem Namen Takman zusammengefasst werden, aus den angegebenen Symptomen zu bestimmen. Aus dem Umstand, dass mit Kushtha, dem Namen des Hauptheilkrautes gegen den Takman, in späterer Medicin der Aussatz bezeichnet wird, schloss Roth Zur Litt. Seite 39, dass Takman eine ähnliche Hautkrankheit bedeute. Weber jedoch, Ind. Stud. 4, 119, hauptsächlich auf die in Av. 1, 25 genannten Symptome der Krankheit sich stützend, erkannte im Takman das Fieber. In einer vortrefflichen Untersuchung hat V. Grohmann Ind. Stud. 9, 381 ff. durch Herzuziehung sämtlicher Stellen Webers Ansicht als richtig erwiesen.

Hauptsymptome eines jeden Fiebers sind nach späterer indischer Medicin (s. Wise pag. 221) die Abwechslung von Hitze und Frost, und diese beiden werden vorzugsweise am Takman des Atharvaveda hervorgehoben:

»Wie eines sengenden, sprühenden Feuers kommt sein (Zug), wie ein Trunkener gehe er murmelnd weg. Einen andern als uns suche er auf, der Ruhelose : dem Takman, der glühende Waffen führt, sei Verneigung. 1.
Verneigung dem Rudra, Verneigung sei dem Takman, Verneigung dem ungestümen König Yaruna, Verneigung dem Himmel, Verneigung der Erde, Verneigung den Heilkräutern. 2.
Du, der du glühend bist, die Körper alle gelblich machst. dir dem rothbraunen, fahlen, dem Urwald entsprossenen (vanya) Takman bringe ich Verneigung dar.« 3. Av. 6, 20.

An einer anderen Stelle (Av. 1, 25, 2, 3) wird der Takman angerufen:

»Wenn du Feuer (arcis), oder wenn du Gluth (çocis) bist, oder wenn deine Geburtsstätte glimmend ist: Hrudu mit Namen heissest du; Gott des Gelben, verschone uns gnädig, o Takman. 2.
Wenn du Flamme bist (çoka), oder wenn brennende Gluth (abhiçoka), oder ein Sohn König Varunas: Hrudu mit Namen heissest du; Gott etc.« 3.

In dem durch Roth Zur Litt. Seite 38 zuerst bekannt gewordenen Segen Av. 5, 22, 2 heisst es:

»Der du alle (die du ergreifst) gelb machst, sie in Flamme setzest wie heftig brennendes Feuer: mögest du kraftlos werden, o Takman, ab- und niederwärts gehe wieder hinweg.«

Vor dem Hitzestadium tritt ein Gefühl von heftigem Frost beim Fieberkranken ein, und wie das Volk noch jetzt von »kaltem Fieber« spricht, so auch der Atharvaveda von »kaltem (çita) Takman«: »Verehrung dem kalten, Verehrung der heissen Gluth bringe ich dar; der an jedem folgenden Tag, in zwei aufeinander folgenden Tagen, der jeden dritten Tag wiederkehrt, dem Takman sei Verehrung« Av. 1, 25, 4. »Der du kalt bist und dann hitzig, mit Husten erzittern machst: furchtbar sind deine Geschosse, o Takman, mit diesen verschone uns« Av. 5, 22, 10. Nur an den Takman kann auch Av. 7, 116 gerichtet sein:

»Verneigung dem hitzigen, erschütternden, aufregenden, ungestümen; Verneigung dem kalten, nach altem Triebe thätigen (purvakamakrtvan; s. Grohmann, 1. c. 368). 1.
Der an jedem folgenden Tag, in zwei auf einander folgenden Tagen sich einstellt: auf diesen Frosch gehe er über, der Ruchlose«. 2.

Die mit der Hitze abwechselnden Fieberfröste machen den Kranken erzittern (vepay Av. 5, 22, 10; 9, 8, 6), sie schütteln ihn gleichsam (dhû); »Gehe zu den Mujavant, o Takman, oder noch weiter zu den Balhika, das Çûdraweib, das strotzende, such auf, dieses schüttele etwas, o Takman.« Av. 5, 22, 7.

Die spätere indische Medicin unterscheidet vier Hauptgattungen von Fieber: »Continued, mixed remittent, accidental, intermittent fever« Wise, p. 223. Zum »Continued fever« gehören sechs Varietäten, zur zweiten Gattung sogar dreizehn and zur vierten fünf; mehrere derselben lassen sich im Atharvaveda wieder erkennen. Die Hauptsymptome des »Mixed remittent fever« (sannipat Jvara Bikâra), das immer lebensgefährlich ist, sind nach Wise folgende: »At one time the patient is hot, at other cold, with pains in the bones, and joints; the eyes are watery, of a dirty yellow and hellow; the patient complains of ringing, and pain in the ears, with pain in the head, neck and thorax; is always dozing, but cannot sleep at night; has no memory, and is often delirous«. Hiermit vergleiche man den oben übersetzten Segen Av. 9, 8.

Am deutlichsten erkennbar sind mehrere Arten des intermittierenden Fiebers. Von einer Takmanart heisst es, dass sie an jedem folgenden Tag sich einstellt (yo anyedyurabhyeti) Av. 1, 25, 4 ; 7, 116, 2; hiermit ist der Rhythmus quotidianus gemeint, den auch Suçruta 2, 405, 6 kennt. Über den Anyejyuka vergleiche auch noch Wise, p. 232. — Neben diesem wird an beiden Stellen noch der Takman genannt, der in zwei auf einander folgenden Tagen sich einstellt (ya ubhayadyurabhyeti); es ist wohl der Fieberrythmus, den Wise p. 232 beschreibt: »In Cháturthaka, the paroxysms of this fever occur every fourth day. When the paroxysm continues for two days, there is no paroxysm on the first and fourth day, the fever is that called Cháturthaka Biparjyaya«.

Der am häufigsten genannte Rhythmus ist der Takman trtiyaka Av. 1, 25, 4; 5, 22, 13; 19, 39, 10. Es liegt hier am nächsten mit Roth und Grohmann an den Jvara trtiyaka (Suçruta 2, 404, 7), den Rhythmus tertianus zu denken, »der jeden dritten Tag wiederkehrt«; der zweite Tag ist dann fieberfrei. Eine Angabe Hügels Kashmir 1, 133 macht eine andere Auffassung des Takman trtiyaka nicht minder wahrscheinlich: »Das Volk ist mager — in der Gegend von Auch — vielleicht ebenso sehr aus Mangel als wegen des ungesunden Klimas, welches dicht unter dem Hochgebirge, wo sich der Urwald ausbreitet, herrschen mag, wie es gewöhnlich in Indien der Fall ist, wo unter dem Himalaya oft grosse Strecken wegen Fiebers ganz unbewohnbar sind. Der Tod bei diesen Fiebern tritt gewöhnlich am vierten Tage ein, nach dem ersten Anfall der Krankheit; der dritte Paroxismus führt die Auflösung herbei, und wenn es daher dem Arzte nicht gelingt, diesen zu verhindern, so ist der Kranke rettungslos verloren, er stirbt dann, ohne starkes Fieber und ohne andere Schmerzen als die der gänzlichen Abspannung.« Dürfen wir unter dem Takman trtiyaka diesen dritten, über Leben und Tod entscheidenden Paroxysmus suchen, so ist erklärlich, warum ihm besonders Verneigung gilt Av. 1, 25, 4.

In dem Takman, der Av. 5, 22. 13 vitrtiya genannt wird, sieht Grohmann 1. c. 388 die Tertiana duplicata, »eine sehr gefürchtete Form des Wechselfiebers in südlichen Ländern, mit täglichen Paroxysmen, die aber je über den andern Tag in Bezug auf ihre Eintrittszeit oder in Bezug auf die Intensität ihrer Anfälle miteinander wechseln.« An zwei Stellen (Av. 5, 22, 13; 19, 39, 10) wird neben andern Rhythmen auch ein Takman sadamdi genannt; er ist vermuthlich eine der beiden Formen des Wechselfiebers, die bei Wise, pag. 231 Santata-jwara und Satata-jwara heißen: »Santata-jwara affects the chyle and blood; and it continues for 7, 10 or 12 days; followed by an interval and again occurs and remains for several days. — Satata has two paroxysms daily, one at night and another during the day«.

Der Takman ist eine endemische Krankheit, er kommt das ganze Jahr hindurch vor (Av. 19, 39, 10). Je nach den verschiedenen Jahreszeiten variiert derselbe jedoch; so wird denn auch unterschieden der zur Regenzeit herrschende Takman (varshika), der in der heissen Jahreszeit (graishma) und der in der schwülen Zeit vorkommt, welche der Regenzeit folgt (çarada) Av. 5, 22, 13. Besonders in letzterer Jahreszeit pflegt noch jetzt das Fieber am heftigsten aufzutreten, wozu vortrefflich stimmt, dass Av. 9, 8, 6 und 19, 34, 10 der Takman viçvaçarada, »der jeden Herbst sich einstellende« heisst.

Über Entstehung dieser furchtbaren Krankheit erfahren wir aus unsern Texten wenig; nur an einer Stelle wird auf ihre Herkunft (janitra) angespielt: »Als Agni in die Wasser gefahren brannte, wo die Frommen Verneigung darbrachten, dort sagt man, ist dein hauptsächlichster Ursprung, verschone uns gnädig, o Takman« Av. 1, 25, 1. Hierzu bemerkt Weber Ind. Stud, 4, 119: »Soll der erste Pada wirklich einen Entstehungsgrund des Takman enthalten, so kann damit eine Erkältung nach vorhergehender Erhitzung oder der Einfluss der Hitze auf feuchte Niederungen, Marschlande gemeint sein«. Dagegen hält Grohmann Ind. Stud. 9, 403 mit Recht, dass dem ersten Pada nur jene mythischen Vorstellungen zu Grunde liegen, welchen anderwärts die Sagen von Agnis Flucht in die Gewässer (Ind. Stud. 3, 467), von seiner Rückkehr zu den Müttern entsprungen sind. »Die Zeit aber, wo der Blitz-Agni ins Wasser taucht, ist die Regenzeit, die bekanntlich unter unaufhörlichen Blitzen hereinbricht (siehe oben Seite 42 ff.). Unsere Stelle gewinnt dadurch einen Sinn, der mit unseren bisherigen Resultaten übereinstimmt: Die Regenzeit ist hauptsächlich die Geburtsstätte des Fiebers«. Wie aus den oben angeführten Worten Hügels erhellt, ist noch jetzt der Urwald, der sich dicht unter dem Himalaya ausbreitet, der Herd jener ganze Gegenden entvölkernden Fieber; »living in wood, ill ventilated valleys« ist nach Wise, p. 220 eine der Ursachen »of all the principal varieties of fever«. Demgemäß habe ich vanya Av. 6, 20, 4, ein Beiwort des Takman, als »dem Urwalde (vana) entsprossen« gefasst. Hierzu passt vortrefflich, dass Av. 5, 22, 5 Mujavant und Mahavrsha, wie wir sahen, zwei Bergvölker des West-Himalaya, als Takmans Wohnstätte (okas) gelten.

Untersuchen wir nun die mit dem Takman verbundenen Krankheiten. Dieselben treten zum Theil auch als selbständige Übel auf, sind zum Theil jedoch nur mit ihm vorkommend oder durch ihn hervorgerufen, insofern also auch als Symptome desselben zu betrachten:

»Mache dir nicht diese zu Genossen, den Balasa und den sich anschliessenden Kasa; nicht komme dann wieder her: um dieses, o Takman, flehe ich dich an. 0 Takman, mit deinem Bruder Balasa und deiner Schwester Kasika, mit deinem Brudersohne Paman gehe zu jenem fremden Volke«. Av. 5, 22, 11. 12.

Kas, Kasa, Kasika, der Husten; er tritt häufig beim Wechselfieber auf, kann daher sehr wohl Schwester des Takman heißen. »Der du kalt bist und dann heiss, unter Husten zittern machst, furchtbar sind deine Waffen mit diesen verschone uns« fleht der Beschwörer Av. 5, 22, 10. Über Husten bei Fieber vergleiche auch Wise pag. 228, 229. 230.

Der Husten ist jedoch auch im Atharvaveda wie in späterer indischer Medicin (Wise pag. 318 ff.) eine selbständige Krankheit. Für sie ist der Segen Av. 6, 105:

»Wie der Geist mit den Vorstellungen schnell wegfliegt, so fliege der Husten auf des Geistes Fittich (pravayya). 1.
Wie der gut geschnellte Pfeil eilig hinwegfliegt, so fliege du, o Husten, weg über der Erde Strich. 2.
Wie der Sonne Strahlen schnell dahin fliegen, so fliege du, o Husten, weg über des Samudra Abfluss«. 3.

Mit Kopfschmerz verbunden kommt der Husten Av. 1, 12, 3 vor. Balasa erscheint im Atharvaveda noch vielfach in Gesellschaft des Takman: Drei Untergebene (dasa) hat die heilkräftige vom Trikakud stammende Salbe : Takman, Balasa und die Schlange Av. 4, 9, 8; Balasa und Takman werden durch den Jangida geheilt Av. 19, 34, 10.

Welche Krankheit haben wir unter Balasa zu verstehen? Mahidhara zu V. S. 12, 97 umschreibt kshayavyadhi, fasst es also deutlich als »Auszehrung«, wie Weber Ind. Stud. 4, 417 übersetzt. So sieht auch Roth im Wtb. darunter »schwindsüchtiger Schleimauswurf«. Hierzu passt vortrefflich Av. 9, 8, 10, wo der Balasa unter die Yakshmaarten gezählt wird; ferner, dass er Av. 6, 14, 1 »Knochen, Gelenke auseinander fallen machend« (asthisramsa, paruhsramsa) heißt; auch die etymologische Bedeutung »starken Auswurf habend« stimmt gut. Vollständig bestätigt wird die Deutung durch das, was wir über die Entstehung des Balasa aus Av. 9, 8, 8 erfahren: »Wenn er aus Liebe entsteht, aus Ekel, aus dem Herzen kommt: aus dem Herzen, aus den Gliedern bannen wir den Balasa durch unsern Spruch«. Hauptursachen der Auszehrung sind nämlich nach indischer Medizin übermässiger Liebesgenuss, Kummer, Ekel. Wise pag. 321, 322.

Nach all dem haben wir unter dem Balasa des Atharvaveda, wenn er als selbständige Krankheit auftritt, »Abmagerung, Auszehrung, Schwindsucht« zu verstehen; erscheint er als Genosse des Takman, so ist es jene gänzliche Abspannung, die dem letzten Paroxysmus folgt und die endliche Auflösung (vgl. asthi-, paruhsramsa) herbeiführt.

Zu ganz anderem Ergebnis kommt Grohmann Ind. Stud. 9, 396 ff. über den Balasa: »Der Balasa, der im Atharvaveda bei Knochenbrüchen, bei Wunden oder phlegmonösen Entzündungen auftritt, und der in der spätern Medicin eine Geschwulst in der Kehle bezeichnet, kann kaum etwas anderes sein, als Geschwulst oder krankhafte Anschwellung im Allgemeinen« ibid. 399. Balasa als Bruder des Takman wäre dann durch symptomatischen Hydrops hervorgerufene Anschwellung des Körpers, wie solche nach Wise p. 232 bei der Quartana vorkommen soll.

Grohmann ist hier durch einseitige Urgierung verschiedener Ausdrücke in Av. 6, 127 und 6, 14, t irre geleitet worden.

»Vom Vidradha, vom Balasa, vom Lohita, o Pflanze, vom Visalyaka lass auch nicht ein Stückchen übrig, o Heilkraut. 1.
Welche beide Hoden dir in der Achselgrube stehen, o Balasa: ich kenne für es ein Heilmittel, Çipudru ist das Schutzmittel. 2.
Der Visalyaka, der in den Gliedern, der in den Ohren, der in den Augen, wir reißen ihn heraus den Visalyaka, den Vidradha, die Herzenskrankheit«. 3. Av. 6, 127.

Vidradha, nur noch Av. 9, 8, 20 erwähnt, wird dort neben Visalya ausdrücklich als ein Symptom des Yakshma bezeichnet; ebenso wird der Gliederschmerzen verursachende Visalyaka auch Av. 19, 44, 2 Yakshma genannt, neben der Blässe und dem besprochenen Jayanya. Visalyaka, der in den Gliedern, in den Ohren, in den Augen sitzt (Av. 6, 127, 3), der Gliederschmerzen verursacht, der neben Ohrenschmerz (karnaçûla) vorkommt, bezeichnet demnach deutlich die Schmerzen, das Reißen, das bei der gänzlichen Abspannung, wie sie bei Fiebern, Schwindsucht, Auszehrung eintritt, alle Glieder durchzieht.

Mit Vidradha hängt der spätere, medicinische Ausdruck Vidradhi zusammen, worunter gefährliche Abscesse, innerlich und äusserlich vorkommend, verstanden werden: »Internal abscesses of the abdomen (bidradhi) if accompanied with swelling, without any discharge; and if the person vomits, has hiccough, thirst, pain and difficulty in breathing, he will die« Wise pag. 210. Nach den Lehrbüchern indischer Medicin wird nun consumption häufig auch hervorgerufen »by the debility produced by old ulcers.« Wise pag. 322. »When old ulcers debilitate the body, by the great loss of blood, when there is much pain, and there is little nourishment in the food which is taken, the disease is incurable« l.c. 323. Wie bisher alles, wodurch Grohmann sich genöthigt glaubte, für den Balasa des Atharvaveda obige Bedeutung in Anspruch nehmen zu müssen, sich trefflich der Erklärung Mahidharas fügte, so ist dies auch bei der letzten Stelle Av. 6, 14, 1 der Fall. Hier übersetzt Grohmann: »Der beim Knochenbruch, beim Gelenkbruch zugegen ist, die Herzkrankheit, allen Balasa vertreibe, der in den Gliedern sitzt, in den Gelenken«. Der Sinn ist vielmehr der: »Die zugestoßene Herzkrankheit, die Knochen und Gelenke auseinander fallen macht, jeden Balasa vernichte, der in den Gliedern und in den Gelenken sitzt«, was ungezwungen von der den Menschen allmählich aufzehrenden und auflösenden Auszehrung mid Schwindsucht gesagt werden kann.

Bei Grohmanns Deutung des Balasa ist die Benennung hrdayamaya »Herzkrankheit« völlig farblos, ja geradezu uneinig, bekommt aber einen recht prägnanten Sinn, wenn wir unter dem selbständigen Balasa Auszehrung suchen, die ja aus Liebe, Kummer, Ekel entsteht (Wise pag. 321. 322). Bezeichnend ist auch, dass hrdayamaya, dreimal überhaupt vorkommend, nur von Yakshma (Av. 5, 30, 9) und Balasa (Av. 6, 14, 1; 127, 3) gebraucht wird. Es lässt Grohmann ferner die Av. 9, 8, 9 klar gegebene Entstehung des Balisa unerklärt; endlich kann auch die für seine Deutung von ihm angezogene Stelle aus Wise pag. 232 nichts beweisen: »This fever (cháturthaka) presents the following symptoms. It commences with shivering, dryness and swelling«. Av. 5, 22, 11 begegnen wir jedoch dem Wunsche, dass der Takman sich nicht auch den Balasa befreunden möge: es ist also der Balasa nach dem Takman eintretend. Dies passt ebenfalls auf die von mir oben gegebene Auffassung.

Betrachten wir nun den Brudersohn des Takman, den Pâman. Bei Suçruta wird er zum leichten Aussatz gerechnet; Wise pag. 261 schildert denselben nach Caraka: »Small tubercles in great numbers, of a black or purplish hue, with a copious blood discharge, accompanied with burning, and itching, it is called pámá.«. Wir haben daher bei Paman, dem nahen Verwandten des Takman, an die bei Fiebern und hitzigen Krankheiten häufig auftretenden Hautausschläge zu denken. Von ihnen heisst daher auch der Takman fleckig (parusha), scheckig (parusheya), wie mit Röthe überstreut (avadhvamsa ivarunah) Av. 5, 22, 3.

Mit dem Fieber, besonders im Hitzestadium, ist heftiger Kopfschmerz verbunden. Derselbe wird auch beim Takman erwähnt; siehe oben Av. 9, 8, 1- 6 und Av. 19, 39, 10: »Den Kopfschmerz verursachenden, am dritten Tage wiederkehrenden, den anhaltenden, der das Jahr hindurch dauert: o du allkräftiger (kushtha), den Takman vertreibe du niederwärts hinweg«.

Bei einem gewissen Fieber, durch das nach den Lehrbüchern der indischen Medicin besonders die Galle afficiert ist, bekommt der Körper des Kranken eine blassgelbliche Farbe und zeigt Symptome, die als Hauptcharacteristica der Gelbsucht gelten; siehe Wise, pag. 225 über Paittika Jwara und 247 über die zweite Art des Panduroga. Dieses Symptom wird einige Male dem Takman zugeschrieben. Av. 5, 22, 2; 6, 20, 2 heißt es von ihm, dass er alle Körper gelb (harita) macht, Av. 1, 25, 2. 3 wird er sogar »Gott des Gelben« genannt; dieselbe heilkräftige Salbe, die wir oben gegen Takman und Balasa wirksam erkannten, gilt auch als haritabheshaja Av. 4, 9, 3. Av. 19, 44, 2 wird Blässe oder Gelbsucht (hariman) mit dem Jayanya aufgeführt, 9, 8, 9 ist dieselbe mit der Yakshmodha beschworen. Auch der Sänger von Rv. 1, 50, 11 leidet an Gelbsucht (hariman) und hrdroga Herzkrankheit. Hrdroga, wofür Av. 1, 22, 1 hrdyota erscheint, wird im Verein mit Gelbsucht wohl kaum eine andere Krankheit als die besprochene hrdayamaya sein. Unter Ridraga als selbständige Krankheit vermuthet Wise pag. 321 Angina pectoris.

Weitere Übel, die noch Av. 9, 8 genannt werden, sind Apva, Vatikara, Alaji.

Apva bezeichnet eine Krankheit des Bauches (udara) Av. 9, 8, 9; sie wird noch einmal Rv. 10, 103, 12 genannt: »Ihrer (der Feinde) Sinn verwirrend, ergreife ihre Glieder, o Apva; uns meide (parehi), tritt an sie heran, brenne mit Gluthen in ihrem Leibe, anhängen soll den Feinden blindes Dunkel«. Da die Verwünschung dem Zusammenhang nach deutlich wider ein gegenüberstehendes Heer gerichtet ist, so darf man hier in Apva vielleicht eine Art Ruhr oder ähnliche Krankheit suchen, die ja auch unseren längere Zeit im Felde stehenden Heeren so gefährlich werden. Bei Phthisis lässt nach den medicinischen Lehrbüchern der Inder »diarrhoea, pain of the chest and sides« auf tödlichen Ausgang schliessen; Wise pag. 322. Vgl. Weber Ind. Stud. 9, 482.

Vatikara ist wohl dasselbe Leiden wie Vatikrta Av. 6, 109, 3. Als Heilmittel gilt nach Av. 6, 44, 3 die Pflanze Vishanaka. Einen Anhalt zur näheren Bestimmung des Übels gewinnen wir vielleicht aus Av. 6, 109:

»Die Beere der Ficus religiosa (Pippali) enthält Heilmittel gegen die Wurfwunde (kshipta) und gegen die Stichwunde (atividdha). Diese ersahen die Götter aus , sie reicht hin, um das Leben zu bewahren. 1.
Die Beeren unterredeten sich kommend von ihrem Schöpfer (d. h. gleich nach ihrer Entstehung): Wen wir noch lebend erreichen, der Mensch wird nicht (weiter) Schaden nehmen. 2.
Die Asuren vergruben dich, die Götter gruben dich wieder aus, dich das Heilmittel gegen den Vatikrta, und auch Heilmittel gegen die Wurfwunde (kshipta)«. 3.

Dürfen wir in Vers 1 und 3 einen Parallelismus suchen, so ist Vatikrta die Stichwunde (atividdha). Dies passt dazu, dass Av. 9, 8, 20 Vatikara direkt mit Vidradha genannt wird, worunter, wie wir sahen, Geschwüre, Schwären gemeint sind. Beide sind nach Wise, pag. 323 Ursachen der Phthisis: »When old ulcers debilitate the body — Vidradha —, by the great loss of blood — was durch Wunden geschieht —, when there is much pain, and there is little nourishment in the food which is taken, the disease is incurable. When consumption is produced by a rupture of the respiratory organs ... or throw pieces of wood or stone, the disease is dangerous«.

Aufs beste fügt sich auch der etymologische Sinn des Wortes dieser Deutung. Der erste Theil von Vatikrta, Vatikara ist nicht vata, Wind, wie Roth will, sondern ein vata - die Wunde. Dies Wort liegt vor in ávata - »unverletzt«: vanvannavato astrtah »selbst bewältigend ist er unverwundet, nicht niedergestreckt« Rv. 6, 16, 20; »der berauschende bleibt, obwohl in Schlachten kämpfend, unverwundet« Rv. 9, 96, 8. (...) Die Grundform war vantá, Particip zu Wurzel van, und diese hat das Germanische erhalten: got. vunds, and. wund, nhd. wund, ahd. wunda, nhd. Wunde, engl. wound. Vedisch vata- ist aus vanta- entstanden wie ati- aus anti-, ata- aus anta- u.s.w. Der Yakshma vatikrta, vatikara (Av. 9, 8, 20) ist also der, welcher durch (schlecht geheilte, eiternde) Wunden (vata) entstanden ist, welcher solche als Ursache (kara) hat.

Alaji ist bei Suçruta ein Augenleiden, Ausschwitzung auf der Verbindung der Cornea und Sclerotica. Wise pag. 296 sagt: »When small pimples appear at the joints of the eye, of a red colour, they burn and are painful. They are called Parbaniká. Sometimes this occurs at the juncture of the cornea and selerotica, and are accompanied by the same symptoms as the last. They are of a red colour, and are called Alaghi«.

In einem Spruch, in dem die Heilpflanze Jangida um Vertreibung des allherbstlichen Takman und des Balasa angerufen wird, finden sich noch folgende mit ihnen verbundene Übel erwähnt: Vishkandha, Samskandha, Açarika, Viçarika, Prshtyamaya.

Vishkandha wird im Atharvaveda häufig genannt, ohne dass die Natur des Übels sich sicher bestimmen ließe. 101 Vishkandha sind über die Erde verbreitet Av. 3, 9, 6; gegen dieselbe trug man Amulette (mani) von Blei (sisa) Av. 1, 16, 3; 2, 4; 3, 9, 6; auch Hanf (çana) galt als Schutzmittel Av. 2, 4, 5, ebenso eine wunderkräftige Salbe Av. 4, 9, 5. Als Specificum wider den Vishkandha verwendete man die Heilpflanze Jangida Av. 19, 35, 1; 34, 5; 2, 4, 1. 5. Weber Ind. Stud. 13, 141 fasst Vishkandha als »die Schultern auseinander ziehend«, also Rheumatismus in den Schultern, Hexenschuss, Reißen überhaupt. Dies passt trefflich zu der Gesellschaft, in der der Vishkandha Av. 19, 34 erscheint; »pain affecting the whole body, but particulary the members« gehört zu den Hauptsymptomen des Fiebers, Wise pag. 221.

Samskandha »die Schultern zusammenziehend« ist dann wesentlich dasselbe Übel.

Ebenso dienen Açarika, Viçarika, Viçara (Av. 2, 4, 2) neben Prshtyamaya ([Rückenschmerzen) nur dazu, um die beim Takman auftretenden Schmerzen in den Gliedern zu bezeichnen; sie bedeuten etymologisch alle »Reißen«.

Die noch übrigen Krankheiten, deren in den Samhita Erwähnung geschieht, sind schnell besprochen.

Kilasa, der Aussatz; er verbreitete sich über den ganzen Körper und zeigte sich in grauen oder weissen (palita, çukla, çveta) Flecken und Malen auf der Haut. Segen wider den Aussatz liegen vor Av. 1, 23; 24. Der Aussatz kommt noch jetzt durchs ganze Penjab bis in die Vorketten des Himalaya vor, Hügel Kashmir 1, 204. Der Name kilasa hängt, wie Weber Ind. Stud. 4, 416 vermuthet, mit asa Asche zusammen: »den Körper grau wie mit Asche bestreuend«. Vgl. Wise pag. 258.

Eine Krankheit, die sich an die Glieder setzt, also wohl Ausschlag oder Flechten war, hieß Vandana: »Das Vandana, das in dem gedoppelten Gelenk entstand, das Knie und Knöchel ringsum überzieht« Rv. 7, 50, 2; trshtavandana wird Av. 7, 113, 1 ein widerliches Weib genannt.

Kshetriya wird vom Commentator zum T.Br. als eine vom Mutterleib anhaftende Krankheit erklärt, als organisches Übel. Es sitzt im Herzen Av. 3, 7, 2 ; drei Segen des Atharvaveda 2, B. 10; 3, 7) sind gegen dasselbe gerichtet. Beim Heimleuchten der Gestirne und der Morgenröthe, also frühmorgens, werden Waschungen an dem mit diesem Übel behafteten vorgenommen Av. 3, 7, 5. Auch das Hirschhorn übt Heilkraft auf das Leiden aus, ebenso das Doppelgestirn Vicrt Av. 3, 7, 1. 2. 4; 2, 8, 1. Vgl. Panini 5, 2, 92; Ind. Stud.. 13, 157; 5, 145 Note.

Der Rishi Vasishtha litt an der Wassersucht; er schildert seinen Zustand Rv. 7, 89, 2. 4: »Bei Schritt und Tritt schüttere ich wie ein aufgeblasener Schlauch, im Wasser steh ich mitten drin und doch quält Durst (mich), den Sänger«. Diese Krankheit gilt besonders als eine Strafe, die von Varuna ausgeht: »Mit hundert Stricken umstricke ihn, o Varuna, lass ihn nicht los, Menschenwächter, den Verleumder: mit hängendem Bauch sitze der Gemeine da, umwunden wie ein Fass, das aus dem Bande geht« Av. 4, 16, 7. Auch Hariçcandra, der sein Gelübde gebrochen und seinen Sohn nicht geopfert hatte, wurde von Varuna mit der Wassersucht heimgesucht Ait. Br. 7, 15. Vergleiche Wise pag. 241 ff.

Jambha heisst eine Krankheit oder der Dämon einer solchen, von der die Heilpflanze Jangida befreit Av. 2, 4, 2. Weber Ind. Stud. 13, 142 sieht unter Verweis auf Kauç. 32 (jambhagrhihitaya stanam prayacchati) darin eine Kinderkrankheit, speciell das Zahnen. Das Übel führt Av. 8, 1, 16 das Beiwort samhanu die »Kinnladen zusammenklappend«.

Asrava bedeutet etymologisch das »Fliessen, Ausfliessen«; da nun das Heilmittel dagegen Av. 2, 3, 2 ff. arussrana »Wunden heilend« (eigentlich »Wunden gar machend«) heisst, so haben wir darunter das Eitern von ungeheilten Wunden zu verstehen. Mit reinem Quellwasser spülte man dieselben aus und legte Munjagras nach Av. _ 1, 2, 4 zur Heilung auf.

Vishucika, Indigestion mit Ausleerungen nach beiden Seiten. d. h. oben und unten, ist Folge des zuviel genossenen Somatrankes V. S. 19, 10. Wise, pag. 330 beschreibt die Krankheit Bisúchika als die Cholera in ihrer sporadischen Form: »The person first feels pain, as from indigestion, in the abdomen, followed by frequent stools and vomiting, great thirst, and pain in the abdomen, fainting giddiness, yawning, and cramps in the legs. The colour of the body is altered, accompanied with shivering, pain in the chest and head-ache. The unfavorable symptoms of cholera are, the lips, teeth and nails become blackish, the person insensible, with frequent vomiting. The eyes become sunken, voice feeble, and the joints loose, with great debility. Such a person may be taken out to be burnt, and he will not recover. The most fatal symptoms of cholera are, want of sleep, restlessness, no secretion of urine and insensibility. This is certainly the same cholera which is still so common, and fatal in this country; but as a sporadic disease«.

Arças, Hämorrhoiden (gudavyadhi - Mahidh.) werden V. S. 12, 97 erwähnt. Spätere indische Medicin unterscheidet sechs Varietäten dieses Leidens; Wise 209,384 ff.

Mit beiden letzten Krankheiten wird V. S. 12, 97 noch genannt das sonst nirgends erwähnte Übel Pakaru. Mahidharas Erklärung ist: mukhapakakshatadi, pako mukhapakah aruh kshatamucyate pakenaruh pakaruh.

Wahnsinn war Folge eines Vergehens gegen die Götter (devainasa); den von ihm ergriffenen (unmadita) band und knebelte man. Gegen dieses schreckliche Leiden richtet sich der Segen Av. 6, 111:

»Diesen Mann löse mir, o Agni, der da gefesselt und gut geknebelt sinnlos redet (lalapiti): dann wird er dir deinen Antheil darbringen, wenn er nicht mehr toll ist. 1.
Agni soll deinen Geist beruhigen , wenn er verrückt (aufgeregt - udyuta) ist; kundig bereite ich ein Heilmittel, damit du nicht mehr toll seist. 2.
Den in Folge eines Frevels gegen die Götter tollen (unmadita), den von einem Dämon in Wahnsinn gestürzten (unmatta): kundig bereite ich ein Heilmittel, damit er nicht mehr toll sei. 3.
Los gaben (purnarduh) dich die Apsaras, los gaben Indra, los Bhaga, los gaben dich alle Götter, damit du nicht mehr toll seist«. 4.

Vergleiche Wise, pag. 279 ff.

Würmer (krmi) waren eine grosse Plage: sie sitzen in Eingeweiden, auf dem Kopf, in den Rippen der Menschen (Av. 2, 31, 4), kriechen in die Augen, die Nase und Zähne des Menschen (Av. 5, 23, 3) und schaben und nagen an ihm (Av. 2, 31, 4). Auch im Vieh kommen sie vor. Drei Wurmsegen kennt der Atharvaveda (2, 31; 2, 32; 5, 23), außerdem werden dieselben noch öfters erwähnt. — Den Begriff krmi fasst die spätere indische Medicin sehr weit; sie versteht darunter z. B. auch Läuse, und so werden in den Würmern des Kopfes Av. 2, 31, 4 ebenfalls solche zu suchen sein. Fäulnis der Zähne (krimidantaka) führte man auf den Dantáda zurück; hierzu vergleiche Av. 5, 23, 3. Aussatz, Krätze und andere Hautausschläge verursachten sie ebenfalls. Vergl. Wise, pag. 348 ff.; 307.

Gegen Urinzwang dient der Spruch Av. 1, 3; vgl. Wise, pag. 365.

Unfruchtbarkeit der Frau, Impotenz des Mannes werden versegnet durch Av. 3, 25; 5, 25; 6, 11. 81; 4,4; 6, 72. 101. Weist Rv, 1, 104, 8: »Nicht, o reicher, mächtiger Indra, zerspalte uns die Eier, nicht vernichte die Schalen uns samt der Brut« auf Krankheiten der Geschlechtstheile? vgl. Wise, pag. 383 ff.

Näheres über Çipada- und Çimidakrankheit (Rv. 7, 50, 4) wissen wir nicht.

Es kamen, wie wir schon gelegentlich sahen, zu all diesen Krankheiten und Übeln noch äussere Gebrechen des Körpers mannigfacher Art wie Verletzungen am Fuß (rapas padya) Rv. 7, 50, daher die Lahmen (çrona, srama). Fiel man in Löcher oder wurde von Steinen getroffen (Av. 4, 12, 7), so entstanden Verletzungen, Verrenkungen, Brüche der Knochen (Av. 4, 2, 1). Blinden (andha, apiripta, tamah pranita) begegnen wir häufig; besonders bei hohem Alter nahm das Augenlicht ab, weshalb ein Rishi zu den Açvin betet: »Möge ich sehenden Auges, langes Leben genießend in das Greisenalter gelangen wie in einen Ruhesitz« Rv. 1, 116, 25.

Die Krankheiten und Gebrechen aller Art, die wir kennen lernten, wurden selten auf natürliche Ursachen zurückgeführt, es sei denn, dass solche, wie bei Wunden u.s.w., zu klar vorlagen. Gewöhnlich sind es übernatürliche Kräfte, die das Leiden hervorrufen.

Jede Krankheit kann nach der Anschauung des vedischen Volkes als Strafe für begangenes Unrecht aufgefasst werden: besonders haben sie ihren Grund in Versündigung gegen den obersten Gott Varuna und die von ihm eingesetzte sittliche Weltordnung. Dies spricht der an der Wassersucht leidende Vasishtha deutlich aus Rv. 7, 86, 3: »Begierig forsche ich nach meiner Sünde und gehe zu den Weisen, sie zu fragen; nur eine Antwort geben mir die Seher: Wahrhaftig Varuna ist's, der dir zürnet«.

Daivya, »vom Himmel gesendet«, nennt Grtsamada Rv. 2, 33, 7 seine Leiden. Krankheiten sind die Fesseln (paça), mit denen Varuna durch seine die Welt durchstreifenden Boten die Frevler bindet. Auf diese Weise zugezogene Leiden konnten nur durch aufrichtige Reue und Besserung gewendet werden: »Treib weit hinweg das von mir begangene Unrecht, nicht mög ich büßen das von einem andern verübte; viele Morgenröthen harren noch des Aufgangs, verleihe sie uns bei unserm Leben« Rv. 2, 28, 9. »Vergib die Sünde unserer Väter, vergib uns, was wir selbst verbrochen; wie einen rindergierigen Dieb, wie das Kalb vom Stricke lass, o König Varuna, den Vasishtha los« fleht der Sänger Rv. 7, 86, 5, nachdem er den Grund seiner Leiden erfahren hat. »Wenn du Schaden zugefügt hast, geflucht hast einer Frau, einem Manne, mit Verblendung: Lösung, Befreiung, beides sprech ich dir zu durch mein Wort. Wenn du in Folge von Sündenschuld (enas) gegen die Mutter begangen, gegen den Vater begangen, hier liegst: Lösung, Befreiung, beides sprech ich dir zu durch mein Wort« wird Av. 5, 30, 3. 4 einem am Yakshma schwer Erkrankten zugerufen.

Diese reinere Ansicht über die Quelle der Leiden ist jedoch nur bei den Vasishthiden und wenigen andern geistig hervorragenden Rishi zu treffen. Viel häufiger führte man die Krankheiten auf den Angriff dunkler und feindlicher Mächte zurück. Siechte der Mensch dahin, magerte Ross oder Rind ab, versiegte plötzlich das sonst reichlich strömende Euter der Kuh, so musste dies ein Werk der Yatudhana sein : »Der an Menschenfleisch sich sättigt (es ist paurushena zu lesen), an Ross- und Rinderfleisch, der Yatudhana, der die Milch der Kuh nimmt: o Agni, denen reiß die Köpfe mit packender Gewalt ab« Rv. 10, 87, 16. »Sofort will ich sterben, wenn ich ein Yatudhâna bin, wenn ich eines Menschen Lebenskraft vernichtete (yadyayustatapa pûrushasya)« Rv. 7, 104, 15. Besonders dem Atharvaveda ist es eigen, die Ursache der Krankheiten im bösen Zauber (krtya) zu suchen.

Derselbe ging aus sowohl von feindlichen Dämonen (rakshas) und Zaubergeistern (yatudhana), als auch von Sterblichen, befreundeten und fremden (Av. 5, 30, 2). Vor solchem Zauber (asanmantra), bösem Traum, Übelthat und Befleckung, vor dem bösen Blick des Schlimmen soll die wunderkräftige Salbe schützen Av. 4, 9, 6.

Wie jetzt erste Aufgabe eines Arztes ist, sich eine richtige Diagnose der Krankheit zu verschaffen, so galt es in jener Zeit vorzüglich die Art des Zaubers zu erkennen. War solches gelungen, so bestand die Heilkunst darin, die Angriffe der bösen Gewalten unschädlich zu machen.

Verschiedene Wege schlug man ein, um dies zu erreichen. Man wendete sich an die Götter, brachte ihnen Opfer und Gebete dar, damit sie durch ihre Hülfe Befreiung schafften; so z. B. Av. 5, 22, 1. Oder man suchte den bösen Dämon, der durch Zauber über den Menschen gekommen war, in Gutem los zu werden; so wird Av. 1, 25, 2. 3 der Krankheitsdämon mit »Gott« angeredet und unter Darbringung von Verneigung (Vers 4) um Schonung angefleht (Vers 1. 2).

Am häufigsten jedoch trat man dem Dämon feindlich gegenüber, man griff zum Gegenzauber und suchte dadurch die urholden Wesen zu vertreiben (bahirnirmantray Av. 9, 8, 1 ff.). Dämonenfeindliche Heilpflanzen, Amulette, Salben wurden unter sinnbildlichen Handlungen dabei verwendet. Zuweilen bannte man den Dämon und zwang ihn auf den Zauberer selbst (krtyakrt) zu dessen Züchtigung überzugehen; so Av. 5, 14:

»Ein Adler fand dich, ein wilder Eber grub dich mit der Schnauze: suche zu verderben, o Heilkraut, den Verderber, schlage zurück den Zauberer. 1.
Schlage zurück die Dämonen, schlage zurück den Zauberer, und den, der uns zu verderben sucht, schlage du zurück, o Pflanze. 2.
Den Ausschnitt eines Antilopenbocks gleichsam rings aus der Haut (wessen?) umschneidend, bindet, o Götter, den Zauber an den Zauberer wie ein Schmuckstück (nishka). 3.
Ergreife (o Pflanze) den Zauber an der Hand und führe ihn wieder dem Zauberer zu, setze ihn vor ihm nieder, dass er den Zauberer schlage. 4.
Die Zauber sollen dem Zauberer zurückfallen, der Fluch dem Fluchenden, wie ein Wagen mit guter Nabe rolle der Zauber wieder zum Zauberer. 5.
Wenn ein Weib oder ein Mann den Zauber anthat zum Unheil, so führen wir denselben ihm wieder zu wie ein Ross am Halfter. 6.
Wenn du von übernatürlichen Wesen angethan bist (devakrta), oder wenn von Menschen angethan, mit Indra als Genossen führen wir dich ihm wieder zu. 7.
O Agni, in Schlachten siegreicher, überwältige die Feinde, zurück bringen wir den Zauber dem Zauberer und schlagen ihm denselben heim. 8.
O du bewaffnete (Heilpflanze) durchbohre den, schlage den, der ihn (den Zauber) verübte; denn nicht schärfen wir dich, dass du den schlagest, der ihn nicht verübte. 9.
Wie ein Sohn zum Vater tritt zu ihm (dem Zauberer), wie eine getretene Natter beiß ihn, wie den Banden entfliehend, eile zurück, o Zauber, zum Zauberer. 10.
Wie die scheue Antilope, die Gazelle dem Angreifer (entflieht, so du, o Kranker, dem Zauber); es treffe die Behexung den Zauberer. 11.
Gerader als ein Pfeil fliege er (der Zauber) auf ihn los, o Himmel und Erde ; er ergreife ihn wie ein Wild, der Zauber den Zauberer wieder. 12.
Wie das Feuer laufe er gegen den Strich (pratikûlam), wie das Wasser der Bahn nach (anukulam); wie ein mit guter Nabe versehener Wagen rolle der Zauber wieder zum Zauberer«. 13.

Nach Av. 10, 1, 3 soll der Zauber zu dem Zauberer zurückkehren wie eine durch den Gatten verstoßene Frau zur Verwandtschaft. Av. 7, 116, 2 wird der Dämon des Takman in einen Frosch gebannt.

Standen nun diese Wege auch Jedem offen und wurden zweifelsohne von Jedem betreten, so gelangten doch einzelne Personen, vielleicht durch glückliche Kuren, in einen besonderen Ruf. Dieselben machten ein Gewerbe aus ihrer Kunst. Nähere Mittheilungen darüber macht uns ein Arzt (bishaj) in Rv. 10, 97.

Doctor und Apotheker sind noch in einer Person bei ihm vereinigt; grosse Unkosten bereitet ihm die Anschaffung der Arzneien nicht, da er sie sich in eigener Person graben kann. Sie bestehen aus Pflanzen verschiedener Art; von der einen sind es die Früchte, von der andern die Blüthen (Vers 3. 5), die er benutzt. In einem Holzkästchen, das er mit sich führt (Vers 5), hat er eine Anzahl duftender Kräuter bereit, um mit ihnen jeden Schaden zu heben. Die Krankheit denkt er als Feind der heilkräftigen Gewächse; dieselbe weicht schon, wenn er das Kraut nur in die Hände fasst. Freilich das Kraut thuts nicht allein. Heilkräftige Sprüche unterstützen seine Wirkung; getrennt sind beide machtlos. Er der geschickte Arzt, der beides vereinigt, ist daher nicht nur amivacatana, Krankheitverscheucher, sondern rakshohan, Dämonentöter.

Dass nicht Menschenfreundlichkeit ihn zur Praxis trieb, erfahren wir deutlich; wünscht doch der bhishaj den Bruch ebenso wie der takshan (Zimmermann) den Riss (Rv. 9, 112, 1), und beide nur des Gewinnes halber (Rv. 9 112, 3). Auch unser Wunderdoctor in Rv. 10, 97 kündet seinen Kräutern an, dass er von ihnen »Ross, Rind und ein Gewand erwarte«, nämlich, wenn sie ihm das Leben des Kranken retteten (Vers 4. 8) ; »rinderbringend« nennt er sie, wenn sie dem Kranken helfen (Vers 5).

Als bester der Ärzte (bhishaktamo bhishajam) gilt Rudra Rv. 2, 33, 4; »seine gnädige Hand ist heilende Arznei für den Menschen« Rv. 2, 33, 7. Auch Varuna ist der Heilmittel kundig (Rv. 1, 24, 9), aber die eigentlichen Ärzte unter den Göttern sind das Açvinpaar: sie sind Heiler der Blinden (andha), der Abgemagerten (krça), des Lahmen (ruta, çrona, srama Rv. 10, 39, 3; 1, 112, 8 u. ö.); dem von seinem unheilvollen Vater geblendeten Rjraçva gaben sie die Augen wieder Rv. 1, 116, 17; den alten Cyavana machten sie jung und schenkten ihm obendrein ein junges Mädchen Rv. 10, 39, 4 u. ö; der Puramdhi, die an einen unvermögenden Mann vermählt war, gaben sie den Hiranyahasta Rv. 1, 116, 13; der Viçpala, die im Kampfgetümmel ein Bein verloren hatte, setzen sie ein ehernes an (janghamayasim) Rv. 1, 116, 15 u. ö. Aus letzterer Stelle dürfen wir wohl schließen, dass die Arier schon eine gewisse Fertigkeit in der Chirurgie erlangt hatten.

Als Heilmittel gelten, wie schon bemerkt, Pflanzen. Da dieselben nach den im Atharvaveda geltenden Anschauungen häufig nicht durch officinelle Eigenschaften wirken, sondern durch die ihnen innewohnende Zauberkraft, die durch des Beschwörers Spruch geweckt (ca) und auf ein Ziel gerichtet wurde, so erklärt sich, wie ein und dieselbe Pflanze gegen die verschiedensten Übel verwendet werden konnte. Manche dieser Gewächse, in Folge der in ihnen wirksam gedachten übernatürlichen Kräfte als höhere Wesen verehrt, kamen sicherlich dadurch zu ihrem Ruf, dass sie gegen gewisse Übel wirklich officinell waren und ursprünglich bei diesen allein Verwendung fanden. Eine Aufzählung und Beschreibung der officinellen und zauberkräftigen Pflanzen des Atharvaveda ist oben Seite 60 ff. gegeben.

Rv. 1, 34, 6 sind dreierlei Heilmittel unterschieden: himmlische, irdische und solche, die in den Wassern sind. Besonders letztere werden deshalb oft überschwänglich gepriesen: in ihnen liegen alle Heilmittel, sie gewähren dem Körper Gesundheit, Schutz und langes Schauen der Sonne (Rv. 1, 23, 16-21.) Dies ruht wohl theilweise in der Beobachtung des wohlthätigen Einflusses der Bäder anf den Körper; im warmen, ja zum Theil heissen Klima der Wohnsitze des vedischen Volkes sind sie zur Erfrischung und Stärkung unumgänglich nothwendig.

(Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879)

Siehe auch

Literatur

Seminare

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