Katha Upanishad

Aus Yogawiki

Katha Upanishad, eigentlich Kathopanishad (Sanskrit: कठोपनिषद् kaṭhopaniṣad f.) auch Kathaka Upanishad, ist der Name einer berühmten Upanishad, welche die Belehrungen des Totengottes Yama an Nachiketas, den Sohn des Weisen Vajasravasa, enthält, weshalb sie auch mit "Der Tod als Lehrer" überschrieben ist. Sie ist eine der Haupt-Upanishaden, die von Shankara und Madhva kommentiert wurde. Sie steht mit dem schwarzen Yajurveda in Zusammenhang und wird als dritte der 108 Upanishaden im Muktika-Kanon gezählt. Formal ist sie in zwei Kapitel (Adhyayas) mit jeweils drei Abschnitten (Vallis) gegliedert. Sie ist die älteste Upanishad in Versform und weist eine anspruchsvolle Sprache auf.

Pieter Claesz: Vanitas, Öl auf Leinwand, 1630
Totengott Yama

Zur Aussprache

Nach den Lautregeln des Sandhi werden die beiden Worte Katha und Upanishad im Sanskrit zu Kathopanishad verbunden, da ein auslautendes a mit einem anlautenden u stets ein o ergibt. Ebenso wird Kathaka und Upanishad zu Kathakopanishad. Weitere Beispiele: Prashnopanishad aus Prashna + Upanishad; Pashchimottanasana aus Pashchima + Uttana + Asana; Purushottama aus Purusha + Uttama; Vrikodara aus Vrika + Udara.

Über die Katha Upanishad

Nachiketas ging zum Palast von Yama

- Ein Artikel aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 40 Frühjahr 2020 von Sukadev Bretz -

Die Katha Upanishad ist die vielleicht bekannteste Geschichte aus den Upanishaden, die Geschichte von Nachiketas und Yama, dem Gott des Todes. Es ist eine Geschichte, in der es um die allerhöchsten Fragen geht.

Sie hat einen lustigen, fast eigenartigen Anfang. Nachiketas hatte einen Vater, der gern in den Himmel kommen wollte. Vajashravas hatte schon ein gewisses Alter und wollte sicherstellen, dass er nach dem Tod nicht in die Hölle käme, sondern in den Himmel. Nach der damaligen Vorstellung war das Ziel des Lebens, in den Himmel zu kommen. Was hierfür nötig war, tat man und praktizierte daher ein bestimmtes Ritual, das dies ermöglichen sollte.

Die Opfergaben des Vaters

Teil dieses Opferrituals war es, die Hälfte seines Besitzes als barmherzige Gabe zu spenden. Vajashravas teilte also seine Besitztümer in zwei Teile. Er schaute sich seine Ländereien an, behielt die fruchtbaren Äcker und gab die Unfruchtbaren, wo die Böden nichts mehr hergaben, weg. Er schaute sich seine Kühe an. Die Hälfte der Kühe, die keine Milch mehr hatten, gab er weg, die Milch gebenden Kühe behielt er.

Als Nachiketas, sein Sohn, das sah, machte er sich Sorgen um seinen Vater. Er fürchtete, diese Zeremonie könnten seinem Vater mehr schaden als nutzen. Daher sagte er zu ihm: „Vater das sind keine Opfer, die dir Verdienst bringen werden. Welchen Verdienst kann es geben, wenn du das Minderwertige als Opfergabe gibst?“

Der Vater antwortete: „Nachiketas, sei ruhig, das spielt keine Rolle. Du verstehst davon nichts. In den Schriften heißt es, man solle die Hälfte seiner Besitztümer weggeben, genau das tue ich.“

Der Vater fuhr fort, seinen Besitz zu teilen. Er teilte seine Kleider in zwei Hälften. Welche er nicht mehr trug, gab er weg, welche er mochte, behielt er. Dann teilte er seine Möbel in zwei Teile. Was nicht richtig funktionierte oder er nicht mochte, gab er weg, die anderen behielt er.

Wieder kam Nachiketas zu seinem Vater und sagte: „Vater das sind keine Opfer, die dir Verdienst bringen werden.“ Doch auch diesmal reagierte sein Vater abweisend.

Schließlich sagte Nachiketas zu seinem Vater: „Vater, da du alles in zwei Teile teilst und das Schlechtere weggibst, gib auch mich weg. Da du zwei Söhne hast und mit mir immer unzufrieden bist, bin ich der weniger Gute. Wem gibst du mich?“ Hierauf antwortet der Vater erbost: „Erzähl keinen Unsinn, lass mich in Ruhe. Das (die Söhne) gehört nicht dazu.“

Doch Nachiketas fuhr unbeirrt fort: „Wenn du die Opfervorschriften wörtlich nimmst, wie du es ja machst, dann musst du auch mich weggeben. Wem gibst du mich?“

In Rage geraten, sagte daraufhin der Vater: „Ich gebe dich Yama, dem Tod.“ [Kommentar Sukadev: Das hat er natürlich nicht so gemeint. Er war nur so genervt.]

Begegnung mit dem Totengott Yama

Yama - Der Totengott

Daraufhin ging Nachiketas weg und dachte: Jetzt bin ich dem Tod übergeben. Also legte er sich hin und entschied sich zu sterben. Er hörte auf zu atmen. Sein Herzschlag stoppte. Dann verließ er seinen physischen Leib.

In der feinstofflichen Welt ging er zum Palast von Yama, dem Totengott. Als er beim Palast des Totengottes ankam, traf er Yama nicht an. Nachiketas Zeit war noch nicht reif, deshalb wurde er nicht empfangen. [Kommentar von Sukadev: Ich habe euch ja gesagt, dass die Geschichte etwas eigenartig beginnt.] Drei Tage und drei Nächte musste Nachiketas auf die Rückkehr Yamas warten.

Bei seiner Rückkehr fragte Yama ihn: „Was machst du hier?“

Nachiketas antwortete: „Ich warte auf dich. Mein Vater hat mich zu dir geschickt.“

Yama fragte weiter: „Seit wann bist du hier, seit wann wartest du auf mich?“

Nachiketas: „Seit drei Tagen sitze ich hier.“

Yama daraufhin: „Drei Tage? Die ganze Zeit hast du hier gewartet? Bist nirgends sonst hingegangen, wo es doch hier auf der Astralebene so viel Schönes zu erleben gibt?“

Nachiketas: „Nein, mein Vater hat gesagt, er gibt mich dir. Da bin ich zu deinem Palast gegangen und dort geblieben.“

Yama: „Ich gewähre dir drei Wünsche, für jede Nacht, die du gewartet hast einen. Denn es ist nicht an der Zeit für dich, gestorben zu sein. Was auch immer es ist, was du dir wünschst, wenn es in meiner Macht liegt, werde ich es dir geben.“

Nachiketas werden drei Wünsche gewährt

Nachiketas dachte, wenn es jetzt nicht an der Zeit ist in diesem Totenreich zu sein, dann wünsche ich mir, dass ich zum Vater zurückkehren kann und er mir nicht mehr böse ist. Darum bat er Yama.

Yama antwortete: „Dein Wunsch wird erfüllt. Dein Vater hat seine Worte schon bedauert. Wenn du wieder zu ihm zurückkehrst, wird er dich mit offenen Armen und offenem Herzen empfangen.“

Nachiketas bedankte sich und sagte: „Mein zweiter Wunsch ist, dass du meinem Vater verzeihst. Er hat ein unwirksames Ritual gemacht. Gibt es ein Ritual, mit dem er den Himmel erreichen kann?“

Yama antwortete: „Ja, das gibt es. Lehre deinen Vater ein Ritual, welches Mantra Rezitation, Pranayama und Meditation beinhaltet. Wegen deiner Hingabe wird dieses Opfer zukünftig als Nachiketas Ritual bezeichnet werden. Wenn dein Vater das praktiziert, erhebt er seine Schwingungsebene, erhebt er seinen Geist. Dann erreicht er den Himmel auch schon zu Lebzeiten. Wenn er mit diesem Prana, mit diesem Energielevel, mit dieser Weite von Herz und Geist anschließend stirbt, dann wird er in die höheren Welten aufsteigen. Du hast noch einen dritten Wunsch.“

Nachiketas: „Mein dritter Wunsch ist: Sage mir, wie ich unsterblich sein kann.“

Yama: „Unsterblichkeit? Du bist doch noch jung. Was kümmert dich die Unsterblichkeit? Ich gebe dir ein langes Leben.“

Nachiketas: „Und nach dem langen Leben?“

Yama: „Dann musst du sterben.“

Nachiketas: „Dann verzichte ich auf das lange Leben. Ich will unsterblich sein.“

Yama: „Ich gebe dir erstens ein langes Leben. Zweitens gebe ich dir so viele Frauen wie du willst, oder die schönste Frau.“ [Kommentar Sukadev: Eigentlich ist dieser Teil der Geschichte auch wieder komisch. Denn nach der Geschichte ist Nachiketas nur elf oder zwölf Jahre alt. Dennoch, so steht es in der Geschichte.] Doch damit war Nachiketas nicht in Versuchung zu führen, er lehnte ab.

Yama: „Ich gebe dir alles Geld der Welt. Ich gebe dir Macht. Alle sollen dich verehren und bewundern. Ich gebe dir einen Intellekt, mit dem du alle überragen wirst, mit dem du bewundert werden wirst.“

Nachiketas: „Und irgendwann muss ich dann trotzdem sterben?“

Yama: „Ja.“

Nachiketas: „Du hast mir versprochen, dass du mir alles gibst, worum ich dich bitte, sofern es dir möglich ist. Ist es dir möglich mir die Unsterblichkeit zu geben? Wenn ja, dann bitte zeige mir, wie ich sie finden kann.“

Yama: „Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen. Nachdem ich dich geprüft habe und du allen Versuchungen widerstanden hast, du ein tiefes Vairagya (Wunschlosigkeit gegenüber Dingen) in dir hast, kann ich dir den Weg zur Unsterblichkeit zeigen.

Wie der Mensch Unsterblichkeit erlangen kann

Yama unterweist Nachiketas

Höre meine Lehre: Der physische Körper kann nicht unsterblich sein. Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Alles, was beginnt, hört irgendwann auf. Alles, was dir gehört, wird dir irgendwann genommen. Wenn du mich um Unsterblichkeit bittest, dann kann es nicht um die Unsterblichkeit des physischen Körpers gehen.

Der Körper ist sterblich und wird sterben. Aber es gibt etwas, das jenseits des physischen Körpers ist. Es gibt etwas, was jenseits des Denkens und Fühlens ist, etwas, was jenseits von allem Prana ist, das höhere Selbst, und dieses gilt es zu verwirklichen.

Das Gute und das Vergnügliche

[Kommentar von Sukadev: Um es zu verwirklichen, gilt es den Shreya Marga zu folgen und nicht dem Preya Marga. Shreya Marga ist der Weg des Guten. Preya Marga ist der Weg des Vergnüglichen.] Das, was zuerst Nektar ist und nachher wie Gift, das ist Vergnügen ohne Unterscheidungskraft.

Das, was erst wie Gift ist und nachher wie Nektar, das ist das, was einem zum Guten führen kann. [Kommentar von Sukadev: Glücklicherweise gibt es auch viele Mischformen, aber zwischen dem Vergnüglichen, Angenehmen und dem Guten gilt es zu unterscheiden.

Wenn man den Weg des Guten geht, dann wird der Geist reif für höhere Erkenntnis. Wie man zur höheren Erkenntnis kommt, das beschreibt Yama seinem Schüler Nachiketas im Hauptteil der Katha Upanishad. Die findet ihr in dem Buch „Klassische Upanishaden“ im Yoga Vidya Verlag.]

Erläuterungen zur Katha Upanishad

Ich möchte noch ein paar Erklärungen zu dieser Upanishad geben. In gewisser Weise erklärt sie sich selbst und es gibt ein paar Dinge, die sie uns darüber hinaus zeigt.

Viele Menschen beginnen den spirituellen Weg aus einem gewissen Aberglauben heraus, so wie in der Upanishad der Vater von Nachiketas, der versucht Gott zu bestechen.

Dann kann eine Phase des Infragestellens kommen, das wird durch Nachiketas symbolisiert, der seinem Vater offen die Frage stellt, ob eine äußerlich gelebte Religiosität wirklich für einen gut sein kann. Wenn man die äußerlich zur Schau getragene Religiosität in Frage stellt, dann kann es geschehen, dass man von einigen Menschen (eine gewisse Zeit) gemieden wird. Auch in der heutigen Zeit kann das geschehen.

Der heutige „‚Allgemein-Glaube“ hat ein neues Gesicht bekommen. Es ist vielleicht nicht mehr der kirchlich geprägte Glaube, stattdessen glauben Menschen von heute an Attraktivität und wirtschaftliche Werte. „Wenn wir nur gut genug lernen, wenn wir ausreichend Geld verdienen, erfolgreich sind und den richtigen Partner finden, dann ist alles in Ordnung, dann werde ich glücklich sein.“ Wie Nachiketas Vater, probieren auch wir, ein bisschen zu tricksen: Abschreiben in der Schule, Tricks bei der Partnersuche (Flirtschulen sind inzwischen en vogue), Geld verdienen ohne Wissen und Kompetenz. Und wir erhoffen uns, so dauerhaft glücklich zu werden.

Die Reise beginnt - bisherige Werte in Frage stellen

In dem Moment, wenn man beginnt diese Spielchen in Frage zu stellen, rückt man weiter davon ab und manchmal fühlt man sich gar wie auf einem anderen Stern. Hier beginnt oft die Suche nach einem Lehrer.

In dieser Phase des spirituellen Weges kann es Entbehrungen geben, Nachiketas musste drei Tage lang auf Essen und ein Nachtlager verzichten, auch er musste Entbehrungen auf sich nehmen.

Viele Menschen, die ihren Weg gehen, haben eine Phase erlebt, in der sie sich verloren gefühlt haben. Dann, wenn die Zeit reif ist, begegnet man Yama, dem Tod, dem größten Lehrer. Es ist der Lehrer, der uns führt und durch den wir nach einiger Zeit auch in der normalen Welt wieder zurechtkommen. Durch ihn lernen wir Methoden, die uns tiefes Verständnis schenken.

Yoga ist so ein Weg, der eine Reihe von Methoden und Techniken beinhaltet, durch die man lernt sich wohlzufühlen, mehr Energie zu haben, eine harmonische Ausstrahlung zu haben und im Berufsleben erfolgreicher zu sein. Man lernt auch, wie man Beziehungen besser gestalten kann.

Im klassischen, ganzheitlichen Yoga beginnt man diesen Weg mit Asana, Pranayama und Entspannungstechniken. Nach einiger Zeit kommen weitere Techniken hinzu, so wie bei Nachiketas zweitem Wunsch, das Feueropfer, welches Yama nach ihm benannte (Nachiketas Feuer), weil Nachiketas, als hingebungsvoller Schüler, dieses intensiv praktizierte.

Für uns ist das eine Phase intensiver spiritueller Praktiken. Hierdurch wird das Prana (Lebensenergie) deutlich erhöht, feinere Schwingungen breiten sich aus, ein starkes Glücksgefühl stellt sich ein. In diesem Zustand können wir Gott schon erfahren, erahnen eine höhere Wirklichkeit.

Versuchungen auf dem spirituellen Weg

Die zentrale Frage: Wer bin ich?

Dann kommt der letzte Schritt. Doch bevor wir diesen gehen können, bieten sich uns eine Reihe attraktiver Versuchungen und Ablenkungen, denen wir widerstehen müssen, um zum höchsten Selbst zu kommen. Auf diesem Weg stellen wir Fragen wie:

  • Wer bin ich wirklich?
  • Wie erreiche ich die höchste Wirklichkeit?

Die Versuchungen können sogar im Yoga liegen. Wenn man über Asana, Pranayama und Meditation mehr Energie entwickelt hat, kann man in Versuchung kommen, sich mehr mit den Astralthemen zu beschäftigen. Dann kann es passieren, dass man auf der Ebene der Chakras (Energiezentren) und Nadis (Energiekanäle), der Heilungen, Wunderheilungen, Astralwelten und Astralreisen hängen bleibt.

Eine Versuchung kann auch darin liegen, dass man nach Bewunderung strebt. Durch die Erhöhung des Prana entsteht eine stärkere Ausstrahlung auf andere Menschen, die sich hierdurch angezogen fühlen. Da kann es geschehen, dass man nach dem Gefühl süchtig wird, bewundert zu werden.

Vieles kann uns auf Abwege führen und Probleme bereiten, das gilt es zu beachten. Gerade wenn man die ersten Schritte im Yoga gegangen ist, bietet einem das Leben eine Vielzahl von Angeboten. In der Upanishad gehört dazu, dass Nachiketas zur Familie zurückkehren kann. Es gehört dazu, dass er Ausstrahlung hat und höhere Ebenen erfährt. Aber es gehört auch dazu, dass er auf der Ebene nicht steckenbleibt und bereit ist, den angebotenen Versuchungen zu entsagen.

Wir müssen uns bewusst machen: Auch wenn wir zu Anfang des Weges lernen, alles anzunehmen und wenn wir lernen friedlich mit uns selbst und mit anderen zu leben, gilt es doch Viveka, die Unterscheidungskraft, zu leben.

Es gibt Dinge, die uns helfen spirituell zu wachsen, und andere helfen uns nicht. Daher gilt es, die Selbstbefragung immer wieder durchzuführen.

Es gilt, weiter zu praktizieren und uns mit keiner Erfahrung, und sei sie noch so schön und noch so wonnevoll, zu identifizieren, sondern stattdessen irgendwann zur Verwirklichung zu kommen. Aham Brahma Asmi – ich bin Brahman. Ich bin das Unendliche. Ich bin reines Bewusstsein.

Hari Om Tat Sat.

Kernaussagen der Katha Upanishad von Swami Sivananda

Swami Sivananda

Om. Möge Das uns (Lehrer und Schüler) beschützen. Möge Das uns zur Glückseligkeit (Mukti) führen. Mögen wir beide fähig sein, die wahre Bedeutung der Schriften zu erfassen. Möge unser Lernen erfolgreich sein. Mögen wir nie in Streit geraten. Om Frieden! Frieden!! Frieden!!!

1. Intuition (Aparokshanubhuti) ist die Quelle des Wissens über Atman.

2. Der Atman ist schwer zu erfassen. Er ist feinstofflich. Er kann nicht durch Schlussfolgerungen erfasst werden.

3. Ein selbstverwirklichter Guru allein kann den Aspiranten auf dem spirituellen Weg führen.

Das Angenehme vs. das Gute

4. Das eine ist gut, während das andere angenehm ist. Gesegnet ist der, der sich für das Gute (Shreyas) allein entscheidet. Wer das Angenehme (Preyas) wählt, verliert letztendlich.

5. Sreyas ist das Gute, das Höchste Selbst, das Wissen, das zu Moksha (Befreiung) führt.

6. Preyas ist das Angenehme, die Sinnesfreuden.

7. Die verkörperte Seele ist in ihrer Essenz identisch mit Brahman. Aufgrund von Unwissenheit und Illusion sind wir an Handlung gebunden und versuchen, Befreiung zu erlangen.

8. Wer den Pfad der Wahrhaftigkeit beschreitet und sich dem Guten verschreibt, erreicht Glückseligkeit und Unsterblichkeit. Wer den Sinnesfreuden frönt, verfehlt das Ziel des Lebens. Er versinkt in Sorge und Leid und ist gefangen im Rad von Geburt und Tod.

9. Shreya Marga ist der Pfad des Wissens. Preya Marga ist der Pfad des Nichtwissens.

10. Du musst die Sinnesfreuden überwinden, so du Glückseligkeit in Atman erlangen willst.

11. Das Gute und das Angenehme haben den Menschen fest im Griff. Der Weise untersucht und unterscheidet zwischen beiden, er wählt das Gute. Der Unwissende wählt das Angenehme, seinem Körper zuliebe.

12. Der Pfad des Wissens und der Pfad des Angenehmen stehen dem Menschen offen, er kann den Pfad wählen, der im zusagt.

13. So wie der Schwan Milch von Wasser trennt und nur die Milch trinkt, so trennt der Weise Gut von Böse und folgt dem Guten allein.

14. Der Weise weiß, dass Shreyo Marga zu Unsterblichkeit, Freiheit und Glückseligkeit führt, Preyo Marga dagegen zu vergänglichen sinnlichen Freuden und zu Bindung. Deshalb bevorzugt er Sreyo Marga.

15. Den Unwissenden fehlt das Unterscheidungsvermögen zwischen dem Guten und dem Angenehmen. Sie haben keine Vorstellung vom Ziel, vom Erreichen des Zieles und von den Früchten. Sie wählen das Angenehme, um gierig ihren Körper zu mästen und geben sich den Sinnesfreuden hin.

16. Die beiden Wege liegen weit auseinander und führen zu unterschiedlichen Resultaten. Sie sind wie Licht und Dunkelheit.

17. Avidya ist der Weg des Angenehmen. Er führt zu Leid und Bindung.

18. Vidya ist der Weg des Guten. Er führt zu Freiheit und Befreiung.

Zeichen der Täuschung

19. Die Unwissenden leben in Dunkelheit, sehen sich jedoch als weise und gebildet. In Illusion gehen sie verschlungene Wege, wie Blinde, die von Blinden geführt werden.

20. Die in Samsara leben, leben in Unwissenheit und Dunkelheit. Sie haben weder Verstehen noch Unterscheidungskraft.

21. Sie sind an Tausende von Seilen der Erwartung gebunden. Sie sind in Tausende von Schlingen in Form von Anhaftung an Kinder, Ehe, Wohlstand, Besitz und vieles mehr verwickelt.

22. Unwissend sind sie, doch sehen sie sich als intelligent und belesen in den Shastras.

23. Sie werden Befreiung nicht erlangen. Sie sind immer wieder an das Rad von Geburt und Tod gebunden.

24. Sie gehen im Leid von Samsara durch Geburt, Alter, Krankheit, Sorge, Leid und Tod unter.

25. So wie der Blinde, der von einem Blinden auf steiniger Straße geführt wird, leidet, so leiden die Unwissenden.

26. Der Weg in die Zukunft ist dem Unwissenden nicht klar. Er verfällt der Illusion des Wohlstandes. Das ist die Welt, es gibt keine andere, so denkt er. So fällt er wieder und wieder in das Netz von Geburt und Tod.

27. Wohlstand ist das Gift der Welt. Er schafft Stolz und Eitelkeit. Er schafft einen wirren Geist und vernebelt den Verstand. Er verschleiert den Intellekt.

28. Die Notwendigkeit, Befreiung zu erlangen, ist dem Leichtsinnigen kein Bedürfnis. Er ist in Gedanken an Kinder, Ehe und Wohlstand eingehüllt.

29. Die Sinnesfreuden sind das Ziel des weltlichen Menschen. Geld ist sein Ziel. Essen, Trinken, Spaß sind seine höchste Philosophie.

30. Viele sind nicht in der Lage auf den Atman zu hören. Auch wenn sie von Atman hören, können sie die Worte nicht erfassen, da ihr Geist nicht klar ist.

Die Erhabenheit von Brahma Vidya

31. Unübertrefflich ist es, sein Selbst ausdrücken zu können. Unübertrefflich ist es, sein Selbst zu erfassen, gelehrt von einem fähigen Lehrer.

32. Brahma Vidya ist die vollkommene Wissenschaft. Sie ist die Wissenschaft der Wissenschaften.

33. Welche ist diese höchste spirituelle Wissenschaft, die, so wir sie kennen, uns alle anderen Wissenschaften kennen lässt. Es ist Para Vidya oder Brahma Vidya, das Erkennen des unsterblichen Atmans.

34. Unübertrefflich muss der Lehrer sein, der Brahma Vidya lehrt. Unübertrefflich muss auch der Schüler sein.

35. Brahma Jnanis und befähigte Aspiranten sind sehr, sehr rar in der Welt.

36. Wer mit den vier Absichten - Viveka (Unterscheidungskraft), Vairagya (Leidenschaftslosigkeit), Shat Sampat (sechsfache Tugenden), Mumukshutva (Sehnsucht nach Befreiung) - ausgestattet ist, der ist für den Weg des Jnana Yoga befähigt.

37. Von Tausenden, die von Atman hören, die Gott suchen, erkennt einer Atman.

38. Der Atman kann nicht leicht erkannt werden, wenn Er von einem Unerfahrenen, der selbst Atman nicht erkannt hat, gelehrt wird.

39. Der Atman kann nicht durch Behauptung und Beweisführung erkannt werden, denn Er ist transzendent, jenseits von Verstand und Intellekt.

40. Der Intellekt ist ein vergängliches Instrument, bedingt durch Zeit, Raum und Ursache. Nur durch Behauptung kommen wir zu keiner endgültigen Entscheidung.

41. Ein Mensch mit niederem Intellekt wird von einem Menschen mit hohem Intellekt besiegt.

42. Argumentieren ist nur ein Jonglieren mit Worten. Es ist intellektuelle Gymnastik und sprachliche Kriegsführung.

43. Wer sein Leben nur mit Argumentieren verbringt, ist im dichten Dschungel von Dunkelheit und Nichtwissen gefangen.

44. Höre auf zu argumentieren und werde still, wende dich nach Innen und meditiere.

45. Der Atman ist nur durch stille Meditation zu erfahren.

46. Brahma Jnana kann nicht durch Behauptung und Beweisführung erlangt werden. Man muss das Brahman-Bewusstsein durch spirituelle Erfahrung erlangen.

47. Es ist leicht, Brahman zu verstehen und zu erkennen, wenn von einem verwirklichten Lehrer gelehrt.

48. Das Ewige kann nicht durch Vergängliches erkannt werden.

49. Das Ewige ist unveränderlich, es kann nicht durch Veränderliches erkannt werden.

50. Selbst Hiranyagarbha ist nichts im Vergleich zu Para Brahman.

51. Der Atman ist feinstofflich und innewohnend. Er liegt in der Höhle des Herzens verborgen. Deshalb ist er schwer zu erkennen.

52. Der Weise zieht seine Sinne von den Objekten im Außen zurück, erkennt den Atman durch Meditation auf das Selbst und ist frei von Freude und Leid.

53. Der Atman ist jenseits von Freude und Leid. Er ist Glückseligkeit. Er ist Satchidananda Svarupa.

54. Glück und Leid, Freude und Kummer sind nur Modifikationen des Geistes.

Upanishaden Sadhana

55. Der Weise meditieret auf den Atman, erkennt Ihn, den Unsichtbaren, den Unergründlichen, den in der Höhle des Herzens Verborgenen, den in der Hölle Weilenden, den in der Intelligenz Erscheinenden und ist frei von Freude und Leid.

56. Der Aspirant hört von seinem befähigten Lehrer alles über den Atman und erfasst Sein wahres Wesen.

57. Dann trennt er durch Unterscheiden zwischen Wirklichem und Nichtwirklichem den Atman von Körper und Geist, meditiert auf den Atman und erkennt Ihn durch seine Intuition.

58. Diese Welt wird von Dharma getragen. Brahman ist das Zentrum des Dharma.

59. Warum führt ein Mensch ein rechtschaffenes Leben? Weil er nur durch das Erkennen von Brahman wirklich genießen kann.

60. Das Prinzip (Svarupa) von Brahman ist Glückseligkeit.

61. Sinnesfreuden sind nur flüchtige Eindrücke, angeregt durch Reizung der Nerven. Es sind nur Reaktionen.

62. Brahman ist Fülle, Einheit, Ewigkeit.

63. Brahman ist anders als Tugend und Laster, anders als Ursache und Wirkung, anders als Vergangenheit und Zukunft.

64. Tugend und Laster, Vergangenheit und Zukunft sind nur mentale Schöpfungen.

65. Zeit ist nur ein Wert des Geistes, eine ebenso nur mentale Schöpfung.

66. In Ishvara besteht gleichzeitige Wahrnehmung. Alles ist nur. Alles ist nur jetzt.

67. Brahman ist Ewigkeit. Es ist jenseits von Zeit.

68. Das Ziel, das die Veden verkünden und für das der Aspirant in Brahmacharya lebt, dieses Ziel ist OM.

69. Buße und Brahmacharya führen zum Erkennen von Brahman.

Pranava

Das Symbol Om

70. OM ist auch unter den Namen Pranava, Ekakshara und Omkara bekannt.

71. OM ist ein Symbol (Pratika) für Brahman. Es ist Klang (Shabda Brahman).

72. OM ist der Urklang, die erste Manifestation Brahmans.

73. OM ist das geeignetste Symbol für Brahman. Es besteht aus drei Buchstaben - A, U, M.

74. Klang, Wort und Name sind untrennbar mit dem Gedanken verbunden.

75. OM ist wahrlich Brahman. OM ist wahrlich das Höchste. Jener, der OM kennt, erlangt alles, was er wünscht.

76. OM ist Brahman selbst. OM und Brahman sind untrennbar miteinander verbunden. Über OM sollte wie über Brahman selbst meditiert werden.

77. OM ist ein Symbol, sowohl für Saguna als auch für Nirguna Brahman.

78. Wer auf OM mit Saguna (gestalthaft) Bhava meditiert, der wird Saguna Brahman erlangen.

79. Wer auf OM mit Nirguna (gestaltlos) Bhava meditiert, der wird Nirguna Brahman erlangen.

80. Das manifestierte Brahman sollte erreicht werden. Das unmanifestierte Brahman sollte erkannt werden.

81. OM ist die beste Hilfe. Es ist das beste Mittel, um das Manifeste (Saguna Brahman) oder das Höchste (Nirguna Brahman) zu erkennen.

82. Wer auf Brahman meditiert, wird eins mit Brahman und ist es wert, wie Brahman verehrt zu werden.

83. Der Kenner Brahmans wird Brahman.

84. OM ist die wertvollste Hilfe. Wer diese Hilfe kennt, wird in dieser Welt als Brahman verehrt. Er wird wie Brahman verehrt.

Das Wesen des Höchsten Selbst

85. Der Atman ist ohne Geburt und ohne Tod. Er entstand nicht aus etwas. Er ist ewig. Er stirbt nicht, wenn der Körper stirbt.

86. Brahman wurde nicht wie ein Topf aus Lehm gefertigt. Es ist frei von Bedingung. Es ist frei von Modifikationen, wie sie Dingen eigen sind, die eine Form besitzen.

87. Brahman ist unvergänglich und unveränderlich.

88. Brahman ist frei von Veränderung und Entwicklung, Es ist unvergänglich und unveränderlich. Es ist archaisch (Purana).

89. So wie die Luft im Topf nicht davon berührt wird, wenn der Topf zerbricht, so ist der Atman nicht davon berührt, wenn der Körper stirbt.

90. Der Atman ist feinstofflich, kein Schwert kann Ihn töten.

91. Unwissende glauben, der Körper sei Atman und identifizieren die Seele mit dem Körper.

92. Wenn der Mörder, den Körper für die Seele haltend, denkt: ‚Ich töte‘, und wenn der Ermordete denkt: ‚Ich wurde getötet‘, dann kennen beide den Atman nicht. Beide sind unwissend. Die Seele tötet nicht und kann nicht getötet werden.

93. Der Atman, feiner als fein, größer als groß, weilend im Herzen eines jeden Wesens. Wer wunschlos ist, ruhig im Geist, die Sinne zurückgezogen hat, der behält die Würde des Selbst und wird frei von Kummer und Leid.

94. Die Seele einer Ameise ist dieselbe wie die eines Elefanten. Nur ein Bewusstsein weilt in allen Wesen.

95. Die Essenz aller Wesen ist der Atman.

96. Der Atman wird von der Welt überlagert, so wie das Seil von der Schlange überlagert wird.

97. Für sich allein hat die Welt keine eigene Existenz, alles ist Atman.

98. Der Atman ist weit, Er ist überall, denn Er ist alldurchdringend und ewig.

99. Der Atman frohlockt und frohlockt nicht. Er genießt die Welt in ihren Begrenzungen. Er ist der stille Zeuge in seinem reinsten Wesen und so frohlockt Er nicht.

100. Befähigte Aspiranten, ausgestattet mit einem feinen, scharfen und reinen Intellekt, lernbegierig und mit den vier Absichten (siehe Vers 36) vertraut, können den Atman erkennen.

101. Der Weise, der den Atman als körperlos, nur im vergänglichen Körper weilend, erhaben und alldurchdringend erkannt hat, kennt kein Leid.

102. Der Atman weilt körperlos im Körper. Er ist unveränderlich inmitten des Veränderlichen.

103. Die Weisen, die das Selbst erfahren und den Atman durch direkte intuitive Wahrnehmung (Aparokshanubhuti) erkannt haben, kennen kein Leid.

Wer erreicht Atma Jnana

104. Der Atman kann durch das Studium der Veden, durch Intelligenz oder Hören nicht erkannt werden. Der, den das Selbst erwählt, der kann das Selbst erkennen. Dem enthüllt der Atman Sein wahres Wesen.

105. Den Atman kann nur der erkennen, der wunschlos ist und nach Wissen strebt. Dem enthüllt der Atman Sein wahres Wesen.

106. Das Selbst dessen, der nach Wissen strebt, enthüllt Sich ihm.

107. Nur der Aspirant, der Atman sucht, erkennt Atman.

108. Der Atman wird nur von dem erkannt, den Gott erwählt, dem Gott Seine Gnade gewährt, den Er liebt.

109. Wer nicht von Untugenden ablässt, wer seine Sinne nicht unter Kontrolle hat, wessen Geist nicht einpünktig und geläutert ist, der kann Atman nicht erkennen.

Metaphysik des Menschen

110. Da sind zwei, Paramatman (die höchste Seele) und Jivatman (die verkörperte Seele). Paramatman ist das Licht, Jivatman ist der Schatten.

111. Paramatman kennt weder Handlung noch daraus resultierende Früchte. Er ist stets der stille Zeuge.

112. Das gegenüberliegende Ufer von Samsara ist Moksha (Befreiung).

113. Der Körper ist der Wagen, der Atman ist der Herr des Wagens, der Intellekt ist der Wagenlenker, der Geist ist die Zügel, die Sinne sind die Pferde, die Objekte sind die Straße. Der Atman, vereint mit Sinnen und Geist, ist der Genießer.

114. Der reine Atman ist tatenlos (Nishkriya). Er ist untätig (Akarta).

115. Der Atman erscheint als der Genießer, so Er Sich durch Avidya mit dem Geist, den Sinnen und dem Körper verbindet.

116. Der Geist agiert und genießt durch Sinne und Körper.

117. Die Eigenschaften von Geist, Sinnen, Prana und Körper werden auf den Atman übertragen und die Attribute des Atman werden auf Geist, Sinne, Prana und Körper übertragen. Dies wird wechselseitige Übertragung (Anyonya Adhyasa) genannt.

118. Durch diese Übertragung scheint der empfindungslose Geist, intelligent zu sein und der unreine und empfindungslose Körper wird für den reinen und empfindungsfähigen Atman gehalten.

119. Der reine Atman nimmt die Erscheinung des Jivas an und aufgrund der durch Avidya ausgelösten Übertragung verfällt Er in das Leid von Samsara - Geburt und Tod.

120. Die Essenz des Jivas ist Satchidananda Svarupa.

121. Wenn Avidya durch das Erkennen des Selbst überwunden ist, wird man eins mit Brahman.

Wichtigkeit von Selbstkontrolle

122. Wer keine Unterscheidungskraft besitzt und seinen Geist nicht unter Kontrolle hat, dessen Sinne sind derart unkontrollierbar wie wilde Pferde durch den Kutscher.

123. Wer nicht mit Unterscheidungskraft zwischen Wirklichem und Nichtwirklichem ausgestattet ist, wer nicht fähig ist zu unterscheiden, was zu tun ist und was nicht zu tun ist, wer seinen Geist nicht unter Kontrolle hat, der ist ein unfähiger Führer seines Körpers.

124. Wer Wissen besitzt, Geist und Sinne stetig unter Kontrolle hält, dessen Pferde sind vom Kutscher gezähmt.

125. So wie ein guter Kutscher seine Pferde durch die Zügel kontrolliert, so kontrolliert der gute Führer die Körper-Kutsche durch Verstehen, Unterscheidungskraft und Willen.

126. Die Sinne werden durch den beherrschten Geist kontrolliert.

127. Kontrolle der Sinne ist ein indirektes Mittel, um das Ziel, Moksha, zu erlangen.

128. Wer keine Unterscheidungskraft besitzt, wer seinen Geist nicht beherrscht, wer nicht geläutert ist, der kann das Ziel nicht erreichen, er gerät immer wieder in den Kreislauf von Geburt und Tod.

129. Wer versteht, wer seinen geläuterten Geist stets beherrscht, der erreicht das Ziel und wird nicht mehr geboren.

130. Wer als Führer eine scharfsinnige Intelligenz und als Zügel einen gut kontrollierten Geist besitzt, der erreicht am Ende seiner Reise das Reich Vishnus.

131. Der kluge Kutscher lenkt die Pferde durch die Zügel und bringt die Kutsche sicher ans Ziel, das Ende der Reise. Ebenso erreicht der Jiva sein Ziel, das Reich Vishnus, auf der Straße des Samsara, wenn er Geist und Sinne durch Unterscheidungskraft lenkt.

Die innere Ordnung

132. Hier wird der aufsteigende Grad der Feinstofflichkeit der Dinge beschrieben. Jenseits der Sinne sind die Grundlagen der Dinge, jenseits dieser Grundlagen ist der Geist, jenseits des Geistes ist der Intellekt, jenseits des Intellekts ist der kosmische Intellekt.

133. Jenseits des kosmischen Intellekts ist das Unmanifestierte (Avyakta). Jenseits des Unmanifestierten ist der Purusha. Jenseits des Purusha ist nichts. Das ist das Ende, das ist das höchste Ziel.

134. Die Überlegenheit richtet sich nach dem Grad der Feinstofflichkeit. Das Feinstoffliche ist dem Grobstofflichen überlegen. Das Feinstofflichere ist dem Feinstofflichen überlegen.

135. Der Atman ist das feinstofflichste Vastu (Substanz). Er ist allem überlegen.

136. Die Ursache ist feinstofflicher als die Wirkung.

137. Die fünf Grundlagen der Materie sind den Sinnen überlegen, denn die Sinne werden durch die Grundlagen der Materie geformt.

138. Der Geist ist den Grundlagen überlegen, denn er ist feinstofflicher und wird durch die feinstofflichen Tanmatras (Sukshma Bhutas) in ihrer feinsten Prägung geformt.

139. Die fünf Elemente sind die Auswirkungen der Tanmatras.

140. Der Geist ist der Seher (Drik), die Objekte sind das Gesehene (Drishya).

141. Der Geist ist inwendiger als die Sinne. Deshalb ist der Geist den Objekten überlegen.

142. Der Intellekt ist dem Geist überlegen, denn der Intellekt ist feinstofflicher, erhabener und inwendiger als der Geist.

143. Der Geist gibt den Gedanken an den Intellekt. Der Intellekt untersucht, entscheidet und kommt zu einer endgültigen Lösung.

144. Der Intellekt ist der Ministerpräsident des Atman. Er handelt wie ein Präsident des Obersten Gerichtshofs. Er steht dem Atman ganz nahe.

145. Der Geist ist nur ein Instrument. Er arbeitet durch die Intelligenz, die sich in ihm reflektiert.

146. Hiranyagarbha ist der Mahat Atman. Er ist die kosmische Intelligenz. Er ist das universelle Leben. Er ist die Summe aller individuellen Seelen. Er ist der Erstgeborene des Unmanifestierten (Avyakta).

147. Avyakta ist der Same aller Welten.

148. So wie der Baum potentiell im Samen enthalten ist, so ist die Welt potentiell in Avyakta enthalten.

149. Die drei Gunas sind das Gleichgewicht in Avyakta.

150. Materie, Energie und Klang sind potentiell in Avyakta enthalten.

151. In Pralaya geht die Welt in Avyakta ein.

152. Avyakta geht in Parabrahman ein wie Schuss und Kette. Es ist das Gewebe aller Potenzen von Ursache und Wirkung.

153. Der Purusha ist die Ursache aller Ursachen. Er ist Fülle. Deshalb wird er Purusha genannt.

154. Der Atman ist das Ende, das höchste Ziel. Hier enden Feinheit und Erhabenheit.

155. Wer den Purusha erkennt, wird nicht mehr in Samsara geboren. Er erreicht Moksha.

156. Der Atman ist in allen Wesen verborgen, nur die Seher nehmen Ihn wahr, durch ihren scharfen und feinen Intellekt.

157. Aufgrund von Avidya kann der Mensch, obwohl sein Wesen Brahman ist, die Wahrheit ‚Ich bin Brahman‘ nicht ermessen. Selbst dann nicht, wenn man sie ihn lehrt.

158. Doch weiß er, dass er der Sohn von dem und dem ist. Selbst wenn man ihn dieses nicht lehrt.

159. Mula Prakriti, Pradhana, Avyakta, Avyakriti und Maya sind gleichbedeutende Begriffe.

Der inwendige Pfad des Yogas

160. Der unwissende weltliche Mensch hält seinen Körper für Atman und wandert in Selbsttäuschung durch Samsara. Wie rätselhaft Avidya doch ist! Wie tief und unergründlich Maya doch ist! Wie fantastisch und undurchschaubar Moha doch ist!

161. Der Atman strahlt nicht für die, die einen unreinen, engen und groben Intellekt haben, doch Er wird von denen erkannt, die einen reinen, scharfen und feinen Intellekt haben.

162. Der Intellekt wird rein und scharf erhalten, indem man über Brahman hört, reflektiert und meditiert.

163. Der Weise versenkt seine Sinne in den Geist, den Geist in den Intellekt, den Intellekt in den kosmischen Intellekt und den kosmischen Intellekt in den friedvollen Atman.

164. Ziehe das Reden und andere Werkzeuge durch Versenkung (Pratyahara) und Selbstkontrolle (Dama) zurück.

165. Lasse den Geist mit dem Intellekt und der kosmischen Intelligenz Hiranyagarbha verschmelzen.

166. Lasse Hiranyagarbha mit dem friedvollen Atman (Shanta Atman), dem reinen, unbedingten Parabrahman, dem Nährboden für alles, dem Unwandelbaren, dem Selbst, dem Zeugen aller Modifikationen des Intellekts verschmelzen. Das ist der Prozess des Verschmelzens des Geistes mit dem Unendlichen, Laya Chintana.

167. Praktiziere Innenschau und Selbstanalyse. Kontrolliere den niederen Geist durch den höheren. Beende alle Aktivitäten der Sinne und richte das Bewusstsein auf den Geist. Dann ziehe das Bewusstsein vom Geist zurück und richte es auf den Intellekt. Ziehe das Bewusstsein vom Intellekt zurück und richte es auf die kosmische Intelligenz. Schließlich ziehe das Bewusstsein von der kosmischen Intelligenz zurück und richte es auf das absolute Bewusstsein, auf Brahman.

Göttliche Schildkröte, Gemälde des Jin-Dynastie Malers Zhang Gui, ca. 1156-1161

168. So wie die Schildkröte ihre Glieder einzieht, so ziehe die Sinne in den Geist zurück.

169. Der Intellekt wird Mahat Atman genannt, weil er Geist und Sinne durchdringt. Er ist ihr inneres Prinzip.

170. Lasse den Intellekt mit Mahat Atman, Hiranyagarbha, verschmelzen. Lasse deinen Intellekt klar und rein werden wie Hiranyagarbha.

171. Erhebe dich, erwache! Lerne von großen Lehrern, erkenne Atman. Der Weg führt auf einer scharfen Klinge, schwierig ist er zu gehen, sagen die Weisen.

172. Sind Sinne, Geist, Intellekt und Mahat Atman mit Parabrahman verschmolzen, erfährt man Glückseligkeit, ewigen Frieden und erlangt Moksha. Man erfährt das wahre Wissen über das Selbst.

173. Das Wasser der Luftspiegelung vergeht, die Schlange im Seil löst sich auf und das Blau des Himmels entweicht, sobald das wahre Wesen der Luftspiegelung, des Seiles und des Himmels erkannt ist. Wenn Atman erkannt ist, verlieren sich ebenso Name, Form und Handlung, da sie auf falschem Wissen beruhen und vom Wesen her Ursache, Wirkung und Frucht sind.

174. Erhebe dich, Mensch, aus dem Morast des Samsara, wende dich spirituellem Wissen über Atman zu. Höre auf, über weltliche Gebilde zu sinnieren.

175. Erwache aus dem Schlummer der Unwissenheit. Beende den Schlaf, den Samen allen Leides.

176. Suche hervorragende Lehrer, Brahma Nishtha, Brahma Srotriya Gurus, die Atman erkannt haben. Erkenne Atman, so wie sie es dich lehren. Fühle ‚Ich bin Das‘, Soham.

177. Er hat Das erkannt, das ohne Klang, ohne Berührung, ohne Gestalt, ohne Verfall, ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Anfang, ohne Ende, jenseits des Intellekts ist, ewig und unveränderbar. Er ist dem Rachen des Todes entkommen.

178. Der Atman ist transzendent, jenseits aller Vorstellungen. Er ist jenseits von Materie. Er ist reiner Geist. Er ist reines Bewusstsein.

179. Der Atman ist jenseits von Geist und Sprache. Jenseits von Klang, Berührung, Geschmack und Geruch.

180. Der Atman ist Glückseligkeit und Wissen.

181. Die Erde ist grob. Der Körper ist grob. Doch der Atman ist feiner als das Feine.

182. Klang, Berührung, Geschmack und Geruch existieren nicht in Atman. Deshalb kann Er nicht erlöschen, Er kann nicht steigen und nicht sinken.

183. Etwas, das vergeht, ist flüchtig. Der Atman ist ewig.

184. Was einen Anfang hat, hat eine Wirkung und geht in die Ursache ein. Deshalb ist es nicht ewig.

185. Der Atman hat keine Ursache, in die Er eingehen könnte. Er ist die Ursache von allem und hat keine Wirkung. Da Er keine Wirkung hat, ist Er ewig.

186. Vergängliche Objekte, wie Bäume, Blumen, Körper haben einen Anfang und ein Ende. Der Atman jedoch ist ohne Anfang und ohne Ende, da Er ewig ist.

187. Vernachlässige das nicht. Das ist deine erste Pflicht. Das ist deine höchste Pflicht.

188. Da der Atman feinstofflich ist, ist der Pfad des Wissens, der zu Ihm führt, schwierig zu gehen.

189. Der Aspirant, der auf der Klinge wandelt, muss vorsichtig, wachsam, bestrebt und intelligent sein.

190. Es versteht sich von selbst, dass ein Guru unverzichtbar ist.

191. Die Upanishaden sind Aufzeichnungen der intuitiven Erfahrungen großer Weiser und Seher.

192. Der Atman ist verschieden vom Intellekt, denn Er ist der stille Zeuge, das absolute Wissen und die Seele aller Wesen.

193. Nur das Unveränderliche kann als ewig bezeichnet werden.

194. Wer den Atman erkannt hat, ist dem Rachen des Todes entkommen. Er ist frei von den Fesseln von Geburt und Tod. Er ist frei von den drei Blockaden (Granthi) - von Unwissenheit, Wunsch und Handlung. Er erlangt Unsterblichkeit.

Philosophie der Sehnsucht

195. Das aus Sich Selbst Seiende (Brahman) schuf die nach außen gerichteten Sinne. Deshalb sieht der Mensch das externe Universum und nicht das innewohnende Selbst (Atman). Doch der Weise wendet Sinne und Augen von den äußeren Sinnesobjekten ab, sehnt sich nach Unsterblichkeit und erkennt den Atman in sich.

196. Es ist nicht möglich, Licht und Dunkelheit zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu haben. Es ist nicht möglich, Sinnesfreuden und gleichzeitig Glückseligkeit zu erfahren. Es ist nicht möglich, in Sinnesfreuden zu schwelgen und zur gleichen Zeit das innere Selbst zu erblicken. Es ist nicht möglich, den Mammon und Gott gleichzeitig anzubeten.

197. Der Unwissende läuft den externen Objekten der Begierde hinterher und gerät in den Fallstrick des Todes. Doch der Weise, das Wesen der Unsterblichkeit kennend, trachtet nicht nach den flüchtigen Objekten hier auf Erden.

198. Die zwei Hindernisse, die dem Erkennen des Selbst im Wege stehen, sind die Tendenz der Sinne, externen Objekten zu verfallen und der Wunsch nach Freuden in dieser und der nächsten Welt.

199. Die Sinne suchen aufgrund von Vikshepa Shakti (Rajas) im Außen.

200. Nicht nur die Augen, alle Sinnesorgane müssen von ihren jeweiligen Objekten zurückgezogen werden.

201. Der Grund für das Wünschen ist Unwissenheit. Wünschen entsteht aus Avidya.

202. Wenn Rajas in den Sinnen durch Sattva erdrückt wird, gehen die Sinne in den Geist ein. Sie wenden sich nicht mehr nach außen.

203. Der Mensch hat seine Göttlichkeit aufgrund von Unwissenheit vergessen. Sein Geist folgt den Sinnesfreuden.

204. Unwissende, die weder Verstand noch Unterscheidungskraft besitzen, rennen externen Objekten hinterher und verfangen sich so in den Maschen des Todes.

205. Der Atman steigt nicht und sinkt nicht. Er ist unveränderlich und unsterblich.

206. Die Weisen, die die Glückseligkeit des Atman genießen, kümmern sich nicht um Sinnesfreuden.

207. Die Summe der Sinnesfreuden ist nur ein Tropfen im Vergleich zur Glückseligkeit des Atman. Der Atman ist der Ozean der Glückseligkeit.

208. Der Wunsch nach Sinnesfreuden steht dem Wissen über das Selbst entgegen. Er steht dem Erkennen des Selbst entgegen.

209. Würde jemand Zucker essen, wenn Mangos reichlich vorhanden sind?

210. Dem Selbst, durch das wir Form, Geschmack, Geruch, Klang und Berührung erfahren, bleibt nichts verborgen. Wahrlich, Dieses ist Das (Brahman).

211. Der Atman ist absolutes Wissen. Er ist absolutes Bewusstsein.

212. Was in dieser Welt bleibt dem Atman verborgen? Alles ist dem Atman bekannt.

213. Geist und Intellekt sind unempfänglich. Sie borgen ihr Licht von Atman. So wie der Mond Licht von der Sonne borgt.

214. Geist, Intellekt und Sinne erfüllen ihre Aufgaben durch das Licht des Atman.

215. Der Atman steht hinter allen Sinneswahrnehmungen, Geist und Intellekt.

216. So wie Eisenspäne sich zum Magnet hin bewegen. So bewegen sich Geist, Sinne und Intellekt hin zu Atman.

Jenseits von Furcht und Leid

217. Das, wahrlich, ist der Atman, verschieden von Tugend und Untugend, Ursache und Wirkung. Er ist Vishnu, darüber hinaus ist nichts.

218. Der Weise weiß, dass alles was er im Wachen und im Traum wahrnimmt, der allgegenwärtige Atman ist. Er leidet nicht mehr.

219. Turiya (der vierte Zustand) übertrifft Wachen, Schlaf und Tiefschlaf.

220. Der Atman ist der stille Zeuge der drei Bewusstseinszustände. Er wird Turiya genannt.

221. Durch Atman allein ist man sich des Träumens und Wachens bewusst.

222. Wer den ewigen Atman erkennt, wird absolut furchtlos.

223. Furcht kommt nur auf, wenn man am Körper anhaftet, wenn man sich mit dem Körper identifiziert.

224. Wer sich mit seinem physischen Körper identifiziert, versucht, ihn zu schützen.

225. Wo immer Anhaftung herrscht, herrschen auch Furcht und Ärger.

226. Der Atman ist Eins ohne ein Zweites und ewig; so Er erkannt ist, was will man dann vor wem schützen?

227. Der Weise sieht das Selbst überall.

228. Der Weise steht über dem Körperbewusstsein. Er ist vollkommen furchtlos.

229. Atman zu kennen heißt, Atman zu verwirklichen.

230. Atman zu kennen heißt, Atman zu sein.

Einheit von Brahman, Mensch und Welt

231. Brahman erscheint durch den Upadhi (begrenzende Beifügung), d.h.Avidya, als Jiva.

232. Brahman erscheint durch den Upadhi Maya als Hiranyagarbha.

233. Die Gesamtheit aller Jivas (Samashti) ist Hiranyagarbha.

234. Der Jiva ist der mikrokosmische Aspekt Brahmans.

235. Wenn der Upadhi weicht, werden Hiranyagarbha und Jiva eins mit Brahman.

236. Hiranyagarbha ist die erste Manifestation Brahmans durch Meditation.

237. Brahman, Hiranyagarbha genannt, entstand.

238. Hiranyagarbha ist kosmischer Prana oder kosmische Intelligenz.

239. Alle Götter weilen in Brahman wie die Speichen in der Nabe. Alle Götter hängen von Brahman ab.

240. So wie die Welle nicht vom Ozean verschieden ist, so wie Goldschmuck nicht verschieden ist von Gold, so ist diese manifestierte Welt nicht verschieden von Brahman.

241. Der Unterschied besteht nur im Namen. So wie ein Seil als Schlange erscheint, so erscheint Brahman durch Avidya bzw. Maya als Welt der Namen, Formen und Handlungen, (Nama, Rupa, Kriya).

242. Wer denkt: ‚Ich bin verschieden von Brahman‘, der wird wiedergeboren und stirbt. Doch wer fühlt: ‚Ich bin wahrlich das alldurchdringende, unsterbliche Satchidananda Brahman‘, der erlangt Unsterblichkeit.

243. Brahman ist die Verkörperung der ewigen Erkenntnis (Nitya Vijnanaghana Svabhava).

244. Brahman ist frei von Eigenschaften des Samsara (Sarva Samsara Dharma Varjitam).

245. Die Höchste Seele ist mit der individuellen Seele und mit der gesamten Schöpfung identisch.

246. Das Fehlen von Unterscheidungsfähigkeit ist der Grund für Wiedergeburt.

Ästhetik und das Selbst

247. Allein durch den Geist kann Brahman erkannt werden. Es gibt keinen Unterschied zwischen Geist und Brahman. Wer einen solchen sieht, geht von Tod zu Tod.

248. Der Geist ist zweigestaltig: Suddha Manas - der reine Geist und Asuddha Manas - der verunreinigte Geist, angefüllt mit Vasanas, Ego und Gier.

249. Brahman kann nur durch einen geläuterten Geist erkannt werden. Dazu lese man die Schriften, lerne bei einem Lehrer, praktiziere die vier Absichten (siehe Vers 36) und meditiere stetig auf das Selbst.

250. So man das Selbst erkannt hat, verschwindet die Unwissenheit.

251. Der Weise erkennt Brahman in allem, nichts anderes existiert. Die Welt ist die Manifestation Brahmans allein, sie ist in ihrem Wesen nicht verschieden von Brahman.

252. Wer Verschiedenheit sieht, mit von Unwissenheit verdunkelten Augen, geht von Tod zu Tod.

253. Daumengroß sitzt der Purusha in der Mitte des Körpers. Er ist der Herr der Vergangenheit und der Zukunft, nachdem er Ihn erkannt hat, kennt der Weise keine Furcht mehr. Dieses ist Das.

254. Der Purusha weilt im Herzen. Der Atman wird Purusha genannt, weil Er in der Stadt (Puri) des Körpers weilt, und weil alles von Ihm durchdrungen ist, die ganze Welt ist Seine Fülle.

255. Der Atman ist grenzenlos, die Größe eines Daumens ist nur ein Hilfsmittel zur Meditation für Anfänger.

256. Zu Beginn meditiert der Aspirant auf den Atman als ein im Herzen strahlendes Licht (Jyoti) in Größe eines Daumens.

257. Nachdem der furchtlose, unsterbliche Atman erkannt ist, ist die Furcht vergangen.

258. Brahman ist der perfekte Purusha. Es ist die Seele, die im Herzen eines jeden Menschen weilt. Es ist der Herrscher über das Wissen. Es ist in Herz und Geist verborgen. Wer so weiß, erlangt Unsterblichkeit.

259. Brahman ist eine Flamme ohne Rauch. Es ist der Herr über Vergangenheit und Zukunft. Nur Es allein ist heute und wird morgen sein. Dieses ist wahrlich Das.

260. Brahman ist ewig, unsterblich (Kutastha) und unbewegt.

261. Brahman weilt heute in allen Lebewesen, und so wird es sicher auch morgen noch sein.

262. Der Regen fällt auf den Berg, das Wasser rinnt hinunter ins Tal, verteilt sich und verliert sich. Der Unwissende sieht Unterschiede im Leben; denkt, verschiedene Selbste seien in verschiedenen Körpern; denkt, die Welt sei verschieden von Brahman und die einzelnen Seelen seien verschieden von anderen Seelen und von der Höchsten Seele; sieht Dinge als verschieden von der Seele; hat nicht das Substrat von allem erkannt; hat nicht die Nichtzweiheit Brahmans und Seine ewige, unsterbliche, unwandelbare Einheit erfasst. Dieser Unwissende ist im Kreislauf von Geburt und Tod gefangen.

263. Reines Wasser in reines Wasser gegossen wird eins mit dem reinen Wasser. Die geläuterte individuelle Seele wird eins mit der Höchsten Seele, so sie das Höchste Selbst durch Intuition erkannt hat, die Vorstellung von Unterschieden durch das Wissen über Atman überwunden hat, die Einheit von Selbst und Atman erkannt hat.

264. Der Aspirant sollte unerschütterliches Vertrauen in die Lehren der Shrutis haben. Ohne dieses Vertrauen gibt es kein Erkennen des Selbst.

Der innere Herrscher

265. Die Stadt Brahmans, dessen Wissen ewig ist, hat elf Tore. Brahman verehren lässt Kummer vergehen und befreit von allen Bindungen, man wird frei. Dieses ist wahrlich Das.

266. Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund, das sind sieben Tore. Der Nabel und die zwei unteren Öffnungen sind zusammen zehn. Das elfte ist Brahmarandhra, die Öffnung Brahmans, die Fontanelle.

267. So wie eine Stadt einem König gehört, er jedoch unabhängig von der Stadt ist, so gehört der Körper einem König (Atman), der unabhängig vom Körper ist.

268. Wer auf Brahman meditiert und das Selbst erkannt hat, der ist frei von Kummer. Er ist frei von allen Bindungen und frei vom Kreislauf von Geburt und Tod.

269. Der Weise ist frei von den Wünschen und Fesseln des Karma, die durch Unwissenheit entstehen. Er wird vollkommen furchtlos. Er nimmt keinen weiteren Körper an. Er geht in Brahman ein.

270. Brahman schickt Prana nach oben und Apana nach unten. Dieses im Inneren weilende Verehrungswürdige verehren die Götter.

271. Fünf Prinzipien der Lebenskraft kennen wir - Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana. Es gibt weitere fünf untergeordnete Pranas (Upapranas). Der höchste Prana, Mukhyaprana, nimmt die zehn Formen an, je nach Aufgabe eines jeden einzelnen Pranas (Vritti Bheda).

272. Prana ist Odem. Apana hat die Funktion der Ausscheidung. Vyana lässt das Blut zirkulieren. Udana lässt die Stimme wirken. Samana hat die Funktion der Verdauung.

273. Prana ist nicht Atem. Prana ist Lebensenergie. Atem ist nur eine der vielen Manifestationen von Prana. Prana ist mit Atem verbunden.

274. Geist und Sinne verehren ihren Herrn, den Atman, indem sie die ihnen zugeteilten Aufgaben erfüllen.

275. Sie stimmen ihren Herrn, den Atman, günstig, indem sie die verschiedenen Wahrnehmungen - Form, Klang, Geruch, Geschmack und Berührung - Ihm darbringen, so wie das Volk den König günstig stimmt, indem es ihm Gaben darbringt.

276. Sinne, Geist und Prana sind stets damit beschäftigt, dem Atman zu dienen und Ihn zu erfreuen.

277. Der Atman allein leitet Geist, Sinne und Prana in den ihnen zugeteilten Aufgaben an.

278. Die fünf Sinnesorgane sammeln Empfindungen aus der Außenwelt und bringen sie dem Atman dar. Das ist ihre Art der Verehrung.

279. Sobald der Atman den Körper verlässt, löst dieser sich auf. So wie ein Volk sich auflöst, wenn der König aus dem Land gejagt wurde.

280. Der Sterbliche lebt weder durch Prana noch durch Apana, sondern durch Das, von dem diese beiden abhängen.

281. Die wahre Grundlage des Lebens ist der Atman. Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana können nicht die Grundlage des Lebens sein. Sie arbeiten nur zusammen zum Wohle des Atmans.

282. Der Körper löst sich auf, wenn Prana und Apana ihn verlassen und sich der Atman zurückzieht.

283. Ein Haus besteht zum Wohle des Besitzers, der verschieden ist vom Haus und sein Herr ist. Prana, Apana, Vyana, Udana, Samana, die Sinne und der Geist bestehen zum Wohle des Atmans, der verschieden von ihnen ist und ihr Herr.

284. Prana und Apana hängen von Atman ab.

285. Sie vollziehen ihre Pflichten in Harmonie zum Wohle des Atman, ihres Herrn.

286. Die Stütze der Wesen, des Pranas, der Sinne und des Geistes ist der Atman. Er ist völlig unabhängig.

287. Wie Getreide vergeht der Sterbliche und wie Getreide wird er wiedergeboren.

288. Manche Jivas gehen in einen Leib ein, um einen Körper zu erhalten, andere gehen in anorganische Substanzen ein, je nach deren Karma und Bewusstsein.

289. Der Jiva nimmt den Körper an, den sein Karma bedingt und seinem Bewusstsein entspricht.

290. Er kann Indra werden oder sogar Hiranyagarbha. Er kann in der kosmischen Hierarchie alles werden. Er kann sein letztes Leben antreten und ein Jivanmukta, ein befreiter Weiser, werden.

291. Er kann ein Muni, ein Tapasvin oder ein Yogi werden, so er sehr gute spirituelle Samskaras mit sich bringt.

292. Er kann je nach seinem Karma auch ein Baum oder etwas Anorganisches werden.

293. Brahman ist der stille Zeuge der drei Bewusstseinszustände Wachen, Traum, Tiefschlaf.

294. Der Purusha schläft nie. Selbst wenn Prana, die Sinne und der Geist schlafen, ist Er der Zeuge (Sakshi) von allem.

295. Brahman ist ewig rein und unsterblich.

296. Brahman ist die Ursache der Welt. Alle Welten hängen nur von Ihm ab. Er ist die Stütze aller Welten. In Ihm sind alle Welten enthalten.

297. Im Tiefschlaf ruhst du in Brahman. Du kommst in Kontakt mit Brahman, doch da ist der Schleier der Unwissenheit. Deshalb bist du dir Brahmans nicht bewusst.

298. In Samadhi ist dieser Schleier verschwunden. Dein reines Bewusstsein ist eins mit dem absoluten Bewusstsein.

299. Während der Geist und die Sinne im Tiefschlaf ruhen erfährst du die Glückseligkeit in Brahman.

300. Deshalb sagst du, wenn du ins Wachbewusstsein zurückkommst: ‚Ich habe gut geschlafen, ich weiß von nichts‘.

301. Dieses Erinnern an die Glückseligkeit beweist, dass Brahman ist, nichtdual, glückselig.

Das allgegenwärtige Selbst

302. Wie das eine Feuer, sobald es in der Welt erstrahlt, verschiedene Formen annimmt, je nachdem, was es verbrennt, so nimmt der ewige Atman aller Lebewesen, obwohl Eines, verschiedene Gestalten an, je nachdem, in was er in der Außenwelt eingeht. Und dennoch ist Er jenseits aller Gestalt.

303. Viele sprechen, um ihre Belesenheit zu zeigen oder über anderen zu stehen. Sie sprechen nicht der Wahrheit wegen.

304. Ehrliche und ernstgemeinte Gespräche mit großen Seelen, um Zweifel zu beseitigen und Klarheit zu erlangen, ist wünschenswert.

305. Ernsthafte Aspiranten mögen unter sich schwierige und abwegige Probleme erörtern. Das ist sehr hilfreich für ihr Wachstum und ihr Verständnis.

306. Das Wissen über die Einheit mit dem Atman ist auch nach Erklärungen und Wiederholungen nicht leicht zu verstehen. Deshalb erklären die Srutis die Wahrheit über Atman durch verschiedene Darstellungen, Gleichnisse und Analogien.

307. Der Atman ist stets rein und verschieden von Gestalt. Es wird nicht im Geringsten von Gestalt berührt, denn Er ist ohne Beifügungen und feinstofflich, reines Bewusstsein, Seele, Geist.

308. Wie sollte es eine Verbindung zwischen Materie und Geist geben?

309. Der Atman nimmt durch die Upadhis verschiedene Gestalten an, Geist, Sinne, Prana, Körper, Er ist jenseits von Name und Form.

310. Der Atman ist ein Mysterium.

311. Die Luft nimmt, nachdem sie die Welt betreten hat, verschiedene Formen an, je nachdem in welches Behältnis sie eingeht. Der Atman nimmt ebenso verschiedene Gestalten an, je nachdem in welchen Körper Er eingeht. Dennoch ist er jenseits von Name und Form.

312. Die Sonne, das Auge des Universums, wird von den Defekten des physischen Auges nicht berührt. Der Atman, das Wesen von allem, wird nicht durch das Leid der Welt, das aus Wunsch und Karma entsteht, berührt.

313. Die Schlange überlagert das Seil, so das Licht schwach ist. Silber überlagert Perlmutt. Die Welt und der Körper überlagern den Atman durch Avidya.

314. Das Seil bleibt von der Schlange unberührt, der Atman wird nicht berührt von Überlagerung.

315. Handlung, Wirkung, Frucht (Kriya, Karta, Phala) überlagern fälschlicherweise den Atman durch Unwissen. Es sind alles nur falsche Wahrnehmungen, wie die falsche Wahrnehmung einer Schlange im Seil.

316. Der Atman handelt nicht (Akarta) und genießt nicht (Abhokta). Er ist unberührt (Asanga, Nirlipta).

317. Brahman ist Eines. Es ist der Herrscher, der Atman aller Wesen. Es wird nicht berührt vom Leid der Welt.

318. Brahman ist der Herr über alles. Alldurchdringend, unabhängig. Nichts ist Ihm gleich.

319. Obwohl Eines, manifestiert Es sich in verschiedenen Namen und Formen.

320. Der Weise der Es schaut, erfährt ewige Glückseligkeit.

321. Der weltliche Mensch, bar jeder Unterscheidungskraft, erfreut sich an den Objekten im Außen. Er wird nie die Glückseligkeit Atmans genießen. Der Atman wird durch seine Unwissenheit verdeckt.

322. Für den Weisen ist das Selbst das Ewige inmitten des Transzendenten, das Bewusstsein inmitten des Bewusstseins. Es, obwohl Eines, gewährt die Wünsche vieler, weilend in ihnen. Ihnen sei ewiger Frieden. Niemand anderem.

323. Der Atman ist ewig und unveränderlich. Die Welt von Name und Form ist vergänglich und veränderlich.

324. Körper, Geist, Sinne und Prana, sie alle sind mit der Bezeichnung ‚Welt‘ gemeint.

325. Die Welt ist ein flüchtiger Schatten.

326. Der Wandel setzt eine Grundlage voraus, die ewig und unveränderlich ist.

327. Wandel kann nur im Unwandelbaren erfolgen.

328. Die Leinwand im Kino verändert sich nicht, doch die Bilder wandeln sich ständig. Brahman repräsentiert die Leinwand, die flüchtige Welt der Namen und Formen repräsentiert die Bilder.

329. Heißes Wasser borgt seine Hitze vom Feuer, der Intellekt borgt seine Intelligenz von Atman, der Grundlage von allem.

330. Wer den in seinem Herzen weilenden Atman erkennt, erfährt ewigen Frieden. Die Unwissenden leiden in Samsara.

331. Der Weise, der Wunschlosigkeit erreicht hat, erkennt diese unbeschreibliche Glückseligkeit von Dieses ist Das.

332. Weder Sonne, Mond, Sterne, Blitze noch Feuer strahlen. Wenn Es strahlt, strahlt alles andere auch. Durch Sein Licht strahlen sie.

333. Der Atman strahlt aus Sich Selbst heraus.

334. Etwas aus Sich Selbst Strahlendes benötigt kein Licht für sein Erstrahlen (Nirapeksha).

335. Wenn du sagst, der Atman erhält Sein Licht von einem Licht, dann muss dieses Licht wiederum ein Licht haben, das es illuminiert. Dies führt zu Anavasthadosha, in die Unendlichkeit. Deshalb muss der Atman aus Sich Selbst heraus strahlen.

Der Baum des Samsaras

336. Wir kennen den alten Ashvattha Baum, dessen Wurzeln oben und die Äste unten sind. Das ist der Baum der Schöpfung. Das ist Brahman und nur Das wird unsterblich genannt. Davon hängen die Welten ab und niemand sieht dahinter. Dieses ist wahrlich Das.

337. Du kannst das Wesen Brahmans erkennen, die Quelle des Samsara Baumes (Maya Vriksha), so du die Wirkung erfasst, den Samsara Baum.

338. Die Welt hat ihre Wurzeln in Brahman. Aus Brahman allein gedeiht das Universum.

339. Wie ein Baum mit der Axt gefällt werden kann, so kann der Samsara Baum ebenfalls gefällt werden. Die Axt ist Verhaftungslosigkeit, Atma Jnana oder Kenntnis über das Selbst.

340. Der Samsara Baum erhält seinen Lebenssaft von seiner Quelle, Parabrahman und wächst durch den Samen der Unwissenheit.

341. Hiranyagarbha oder Karya Brahman]] ist sein Spross. Die feinstofflichen Körper aller Lebewesen sind sein Rumpf.

342. Das Universum hat sich aus Brahman entfaltet. Brahman ist ein Donnerkeil. Wer so weiß, erlangt Unsterblichkeit.

343. Prana ist Brahman. Brahman ist der Ursprung der Welt. Er ist der Herr der Schöpfung. Der Mensch erlangt Unsterblichkeit durch Wissen über Brahman.

344. Die Aussage, die Welt sei aus dem Nichts entstanden ist absurd. Sie ist aus Brahman entstanden. Sie schwingt in Brahman. Sie ruht in Brahman. Sie geht in Brahman ein.

345. Brahman ist das Substrat der veränderlichen Welt.

346. Brahman ist ohne Veränderung und ohne Bewegung.

347. Schwingung kann nur in Unbewegtem entstehen. Dieses Unbewegte ist Brahman.

348. So wie der Diener den Anordnungen des Herrn gehorcht, so gehorcht die Welt den Schöpfungsgesetzen.

349. Den Schöpfungsgesetzen kann niemand entrinnen. Niemand kann sie übertreten.

350. Alles ist unter deren Kontrolle. Schöpfung, Erhaltung, Auflösung sind einem unveränderlichen, göttlichen Gesetz unterworfen, dem niemand zuwider handeln kann. Deshalb ist Brahman, handelnd als dieses Gesetz, ein Donnerkeil.

351. Jene, die Brahman erkennen, den Zeugen all unserer mentalen Erregungen (Vritti), den Urgrund allen Seins, den Herrn der Schöpfungsgesetze, erlangen Unsterblichkeit.

352. Aus Furcht vor Brahman brennt das Feuer, scheint die Sonne und tun Indra, Vayu und Yama ihre Pflicht.

353. Wäre Brahman nicht der Herrscher der Welt, mit dem Donnerkeil in den Händen, würde die Welt nicht in Harmonie und Perfektion bestehen. Ein sinnvolles Wirken der Weltenhüter (Loka Palas) wäre nicht möglich.

Erkenne das Selbst jetzt

354. Wer noch in diesem Leben hier auf Erden, vor dem Tod seines Körpers, Brahman erkennt, wird von den Fesseln der Welt befreit. Dem dies nicht gelingt, kommt in einem neuen Körper zurück in die Welt.

355. Deshalb sollten ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, vor dem Verfall des Körpers, Brahman zu erkennen.

356. So wie man im Spiegel klar sein Spiegelbild erkennt, so kann Brahman im eigenen Intellekt klar erkannt werden.

357. In der Welt der Ahnen wird die Wahrnehmungundeutlich, sie sind in den Genuss ihrer karmischen Früchte vertieft. Auch im Traum ist die Wahrnehmung getrübt.

358. Die Reflektion unseres Bildes im Wasser ist verschwommen, ebenso ist die Wahrnehmung des Atman in der Welt der Gandharvas verschwommen.

359. In Brahmaloka kann der Atman deutlich wahrgenommen werden. Er hebt Sich ab wie Licht vom Schatten.

360. Schwierig ist es, Brahmaloka zu erreichen. Besonderes Karma oder Verehrung sind nötig, um es zu erreichen.

361. Deshalb sollte man den Atman im Intellekt erkennen, solange man noch in der Welt weilt.

362. Der Weise hat erkannt, dass die Sinne von Atman verschieden sind, ihre Aktivitäten berühren ihn nicht mehr.

363. Die fünf Sinne bestehen neben ihrer Quelle, um die ihnen zugeordneten Objekte wahrzunehmen.

364. Der Atman ist rein, unbefleckt und aus Sich Selbst strahlend. Das Wesen der Sinne unterscheidet sich vom Wesen Brahmans.

365. Die Sinne wirken während des Wachens. Sie gehen auf beim Erwachen und unter im Tiefschlaf.

366. Der Atman geht weder auf noch unter.

367. Der Atman kennt weder Anfang noch Ende.

368. Sprunghaft sind Sinne und Geist und können klar von Atman unterschieden werden, der klar, unveränderbar, alldurchdringend, unteilbar, ohne Anfang und ohne Ende ist.

369. Der Weise leidet nicht, er hat den Unterschied zwischen Atman und Sinnen erkannt, ihr Auf und Ab, ihr Wachen und Schlafen.

370. Der Kenner des Atmans hat das Leid überwunden und ruht in Glückseligkeit.

Höchstes Bewusstsein

371. Höher als die Sinne ist der Geist. Höher als der Geist ist der Intellekt. Höher als der Intellekt ist der kosmische Intellekt, höher als dieser ist Avyakta, das Unmanifestierte.

372. Jenseits von Avyakta ist der Purusha, der Alldurchdringende, jenseits eines Sinnbildes. Wer Ihn erkennt, erlangt Befreiung und Unsterblichkeit.

373. Die Sinne sind von Atman verschieden, Er kann von den Sinnen im Außen nicht erfasst werden, denn Er ist das Innerste aller Dinge.

374. Das Wissen über diese Abstufung ist notwendig, um Unsterblichkeit und letztendliche Befreiung zu erlangen.

375. Zum Zeitpunkt von Pralaya geht die Welt in Avyakta ein. Jenseits von Avyakta ist der alldurchdringende Purusha.

376. Das Symbol, das durch die Sinne erkannt und verstanden werden kann, wird Linga genannt. Kein Linga zu haben ist Alinga.

377. Wer von Ihm durch den Lehrer, durch die Shastras und durch Intuition erfahren hat, der erreicht Unsterblichkeit und letztendliche Befreiung. Er ist von den Knoten des Herzens wie Wunsch, Unwissenheit und Handlung befreit.

378. Seine Gestalt kann nicht gesehen werden. Niemand sieht Ihn mit seinen physischen Augen. Er enthüllt sich dem Aspiranten durch Kontrolle des Geistes und tiefe Meditation. Die Brahman erkennen, erlangen Unsterblichkeit.

379. Der Atman kann nicht durch das physische Auge gesehen werden, denn Er ist feinstofflich, jenseits der Wahrnehmung von Geist und Sinnen.

Schriften und Guru

380. Wer durch reinen Intellekt den im Herzen Weilenden erkennt, erlangt Unsterblichkeit.

381. Wenn die fünf Sinnesorgane zusammen mit Geist und Intellekt ruhen, ist der höchste Zustand erreicht.

382. Der Mensch erfährt das Wissen der Welt durch die fünf Wahrnehmungsorgane.

383. Die Sinne sammeln die Erfahrungen aus der Welt und präsentieren sie dem Atman durch Geist und Intellekt.

384. Wenn die fünf Wahrnehmungsorgane vom Außen zurückgezogen werden und in den Geist eingehen, wenn der Geist auf den Atman gerichtet ist, wenn der Intellekt zur Ruhe gekommen ist, dann ist der höchste Bewusstseinszustand erreicht.

385. Wenn Sinne und Intellekt zur Ruhe gekommen sind, die Emotionen unter Kontrolle, dann ist der höchste Bewusstseinszustand erreicht. Das wird Yoga genannt.

386. Yoga ist der erhabenste Weg, denn er führt zu Moksha.

387. Die Kontrolle der Sinne nennen sie Yoga. Sei vorsichtig, denn Yoga wird erlangt und verloren.

388. Die Sinne sind zurückgezogen und der Geist ist durch stetige Konzentration und Meditation auf Atman fixiert.

389. Der Yogi sei wachsam, denn Yoga kommt und geht.

390. Yoga kommt. Und geht, wenn der Geist nicht ruhig ist, wenn die Sinne nicht unter Kontrolle sind, wenn Leidenschaftslosigkeit nachlässt, wenn Unlust bei der Meditation aufkommt.

391. Vollkommene Wachsamkeit ist nötig, wenn man mit der Yoga Praxis beginnt.

Die zwei Augen eines Sadhaka

392. Der Atman kann durch Sprache nicht beschrieben, durch den Geist nicht erfasst und durch das Auge nicht erkannt werden.

393. Weder Darlegungen noch metaphysisches Denken helfen dem Aspiranten, Brahman zu erkennen.

394. Maharshi Vyasa und Shri Shankara lehrten durch Beweis und Logik. Ihre Doktrin basiert hauptsächlich auf Shabda Pramana (Zeugnis der Veden), das so gut wie unfehlbar ist.

395. Vertraue den Worten der Shrutis und den Sehern, die Atman durch Intuition erkannt und versichert haben, dass Atman ist.

396. Shabda Pramana, die Shrutis, Apta Vakya, die Worte der Seher, sind von äußerster Wichtigkeit.

397. So du Atman erkennen willst, habe Vertrauen in die Worte des Gurus, der das Selbst erkannt hat, und folge seinen Anweisungen.

398. Der Atman muss von einem Guru erkannt worden sein, der weiß, dass Atman ist.

399. Wenn der Atman durch die Sinne nicht wahrgenommen werden kann, wie kann Er dann wahrgenommen werden? Nur durch die Belehrungen eines Gurus, der weiß, dass Er ist.

400. Ihr müsst wissen, dass Es ist und was Es ist. Wer so weiß, erkennt Sein wahres Wesen.

401. Dem, der auf Brahman meditiert und sich mit den vier Absichten (siehe Vers 36) ausstattet, dem enthüllt Sich Brahman.

Entsagung: die Voraussetzungen

402. Wenn Wunschlosigkeit erlangt ist, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit und erkennt Brahman.

403. Die Voraussetzung für Unsterblichkeit ist Entsagung aller Wünsche und Anhaftungen.

404. Die weltlichen Wünsche werden nur überwunden, wenn die Fesseln der Unwissenheit zerschnitten sind.

405. Der Geist ist der Sitz des Wunsches. In Atman ist kein Wunsch, Er ist rein und makellos.

406. Wünschen ist die Ursache für Leid und Bindung.

407. Wenn durch Erkenntnis des Selbst Wunschlosigkeit erlangt ist, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit. Er wird Brahman noch während er in diesem Körper weilt. Er ist von den Fesseln des Karma befreit.

408. Wenn alle Knoten des Herzen hier auf Erden gelöst werden, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit.

409. Unwissen, Wunsch und Handlung sind die drei großen Knoten. Egoismus, Hass, Lust, Eifersucht und Stolz entstanden aus Unwissenheit, sind kleine Knoten.

410. Weitere Knoten sind die Vorstellungen ‚Ich bin dieser Körper‘, ‚Das ist mein Besitz‘, ‚Ich bin ein Brahmane‘, ‚Ich bin ein Minister‘.

411. Sie werden durch die Erkenntnis der Einheit mit Brahman ‚Ich bin Brahman‘ vernichtet.

Das menschliche Energiesystem: Nadis, Chakren, Marmapunkte

Wissen über die Nadis

412. Einhundertundein Nervenkanäle (Nadis) sind bekannt. Einer von ihnen, Sushumna, durchdringt die Krone des Kopfes. Eine energetische Aufwärtsbewegung entlang der Sushumna zum Zeitpunkt des Todes lässt Unsterblichkeit erlangen. Die anderen Nervenkanäle haben andere Wirkungen.

413. Der Jivanmukta, der das Selbst erkannt hat, geht nirgendwohin. Seine Pranas gehen nirgendwohin. Brahman seiend erreicht er Brahman. Er erlangt Kaivalya Mukti]].

414. Wer Kaivalya Mukti nicht erlangt hat, wer das höchste Brahman nicht erkannt hat, jedoch das niedere Brahman (Saguna Brahman) verehrt hat, geht durch den Sushumna Nadi zur Sonne und dann durch weitere Bereiche nach Brahmaloka, wo er bis zum Ende des Schöpfungszyklus‘ weilt. In Brahmaloka genießt er unvergleichliche Freuden. Wenn der Zyklus endet, geht er mit Brahma in Brahman ein. Das ist Krama Mukti (allmähliche Befreiung).

415. Die anderen Nadis haben andere Auswirkungen. Sie führen zum Zeitpunkt des Todes auf verschiedene Wege. Wenn die Seele durch diese Nerven geht, wird sie wieder in Samsara geboren. Sie nimmt einen ihrem Karma entsprechenden Körper an.

416. Der Sushumna Nadi wird auch Brahma Nadi genannt.

417. Der daumengroße Purusha, das innere Selbst, weilt im Herzen aller Wesen. Man muss Ihn mit Stetigkeit aus dem Körper herausziehen, so wie man einen Halm aus der Erde herauszieht. Man sollte Ihn als rein und unsterblich erkennen. 418. Du musst die Essenz, das heißt den Atman, aus den fünf Koshas (Hüllen) herausziehen, geduldig und mutig durch Vichara und Meditation. Du musst den Atman vom Körper trennen.

419. Als Nachiketas das ihn durch Yama Gelehrte verinnerlicht hatte, erreichte er Brahman, wurde frei von allen Unreinheiten und vom Tod. So wird es allen ergehen, die das Wesen Brahmans erkannt haben.

Die Kathaka Upanishad des schwarzen Yajurveda - Erläuterungen nach Paul Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 335 - 341.

Die Kathas bilden eine Schule des schwarzen Yajurveda und besitzen ein umfangreiches, zur Zeit noch nicht publiziertes, Brahmanawerk, das Kathakam, in fünf Granthas, deren aus Mantras und Brahmanas gemischter Inhalt im allgemeinen dem der Taittiriya-Samhita (oben S. 212) parallel läuft und nach Webers Mitteilungen darüber (Berl. Handschr. I, 38. Ind. Stud. III, 451f. Literaturgesch., 2. Aufl., S. 98f.) der Hauptsache nach folgender ist:

I. 1-4 Mantras zum Neu- und Vollmondsopfer und Agnishtoma. 5 Mantras für den Yajamana. 6-15 Mantras und Brahmanas gemischt; 6-9:

Agnihotram, Agnyadhanam, Punaradheyam, Agnyupasthanam; - 10-13: Kamyaishtayah, : Sautramani, Kamyah Pasavah; - 14-15: Vajapeya und Rajasuya.
16-18 Mantras zum Agnicayanam.

II. 19-22 Brahmanas zu 16-18. 23-30 Brahmanas zu 2-4 und 1.

III. 31-32 Brahmanas zu 1 (Fortsetzung) und 5.

33-37 Vorwiegend Brahmana's: Sattras, Prayascittis, Caturmasyani u. a.

IV. Die dem Hotar zu singenden Verse aus I-III nochmals zusammengestellt.

V. Mantras zum Asvamedha.

Außer diesem Hauptwerke sind noch acht kürzere Abschnitte vorhanden, welche sich auf fünf besondere Arten der Feuerschichtung (als Savitra, Naciketa, Caturhotra, Vaisvasrija und Aruna Agni) und einiges andere beziehen. Diese acht Abschnitte, welche nach dem übereinstimmenden Zeugnis des Kandanukrama der Atreyi Sakha (Ind. Stud. III, 376) und des Sayana (zu Taitt. Ar. p. 2) ursprünglich den Kathas angehören, finden sich bei diesen nicht mehr, haben aber Aufnahme gefunden in Taitt. Br. 3,10-12. Taitt. Ar. 1-2 (vgl. oben S. 213) und geben sich, wie Weber (Literaturgesch., 2. Aufl., S. 102) bemerkt, schon durch die äußere Form als anderswoher entlehnt zu erkennen.

Der zweite dieser acht Kathaka-Abschnitte, Taitt. Br. 3,11, behandelt die Schichtung eines "Naciketa" genannten Feuers, eine Zeremonie, welche dem, der sie vollbringt und dabei die Bedeutung dieses Feuers kennt (Yo 'gnim Naciketam Cinute, Ya'u Ca Evam Veda), die Erlangung der "unendlichen, uferlosen, unvergänglichen Welt", welche jenseits der Sonne liegt, sichert. In Zusammenhang mit diesem Ritus wird Taitt. Br. 3,11,8 die Legende von dem Knaben Naciketas erzählt, welcher, von seinem Vater bei Gelegenheit eines Opfers verwünscht, in das Haus des Todes (Mrityor Grihan) hinüberwandern (nicht sterben) muß und von dem Todesgott die Gewährung dreier Wünsche erhält, als welche er

1) Rückkehr zu seinem Vater,
2) Nichtversiegung (Na Kshiti, Wortspiel mit Naciketa) der guten Werke (Nichtlässigwerden in denselben das ganze Leben durch), und
3) Nichtbesiegung (Na Jiti, Wortspiel mit Naciketa) durch den Wiedertod erwählt.

(Eine unbestimmte Befürchtung, nach dem leiblichen Sterben, im Jenseits nochmals den Tod erleiden zu müssen, findet sich oftmals in den Brahmanas ausgesprochen.) Als Mittel zur Erreichung des zweiten und auch des dritten Wunsches lehrt der Tod dem Jünglinge Naciketas die Schichtung des Naciketa genannten Feuers.

Taittiriya Brahmanam 3,11,8: "Willig gab einstmals Vajasravasa [bei einem Opfer] seine ganze Habe dahin. Ihm war ein Sohn mit Namen Naciketas. Den, obgleich er erst ein Knabe war, überkam, als die Opferlohnkühe [zur Verteilung an die Brahmanen] hergetrieben wurden, der Glaube [an die Wirksamkeit des Allhabeopfers], und er sprach [um dasselbe vollständig zu machen]: "Mein Vater, wem wirst du mich geben?" so sprach er [in ihn dringend] zum zweitenmal und drittenmal. Ihm antwortete [von Zorn, über diese Unterschätzung seiner Opfergaben] ergriffen der Vater: "Dem Tode gebe ich dich." - Zu diesem, nachdem er [vom Opfer] aufgestanden, spricht eine Stimme: "Gautama! Den Knaben!" - Da sprach er: "Gehe hin zu den Wohnstätten des Todes, denn dem Tode habe ich dich gegeben. Er wird aber, wenn du zu ihm kommst, verreist sein", fuhr er fort, "und dann sollst du drei Nächte, ohne zu essen, in seinem Hause weilen. Wenn er dich dann fragt: 'Knabe, wie viele Nächte hast du geweilt?' so sollst du antworten: ,drei`. Fragt er, was du die erste Nacht gegessen? so antworte ihm: ,deine Nachkommenschaft`; was die zweite? ,deine Herden`; was die dritte? ,dein gutes Werk`." - Als er nun zu ihm kam, war der Tod verreist; er aber weilte drei Nächte, ohne zu essen, in seinem Haus. Da traf ihn der Tod an und fragte: "Knabe, wie viele Nächte hast du geweilt?" - Er antwortete: "Drei!" - "Was hast du die erste Nacht gegessen?" - "Deine Nachkommenschaft", sprach er. - "Was die zweite?" - "Deine Herden." - "Was die dritte?" - "Dein gutes Werk." - Da sprach der Tod: "Verehrung sei dir, ehrwürdiger [Brahmane]! Wähle ein Geschenk!" - "So laß mich lebend zum Vater wiederkommen!" - "Wähle noch ein Geschenk!" - Er sprach: "So lehre mich die Nichtversiegung der Opfer und frommen Werke!" Da lehrte er ihm jenes Feuer Naciketa; dadurch kommen seine Opfer und frommen Werke nicht zum Versiegen (Na Akshiyete). Dessen Opfer und fromme Werke versiegen nicht, der das Feuer Naciketa schichtet und auch dessen, welcher es also [als Mittel der Nichtversiegung] weiß. - "Wähle noch ein drittes Geschenk!" - Da sprach er: "So lehre mich die Abwehr des Wiedersterbens!" - Da lehrte er ihm jenes Feuer Naciketa; damit, fürwahr, wehrte er das Wiedersterben ab. Der wehrt das Wiedersterben ab, der das Feuer Naciketa schichtet, und auch der, welcher es also [als Mittel des Nichtwiedersterbens] weiß."

An diese Erzählung, wahrscheinlich schon ganz in der Form, in der sie uns vorliegt[1], knüpft die Kathaka Upanishad an; und wenn sie die ersten Sätze der Erzählung wörtlich nach dem Brahmanam wiederholt, so liegt hierin wohl ein absichtlicher Hinweis auf dasselbe und eine Aufforderung an den Leser oder Hörer, den weiteren Gang der Erzählung, den die Upanishad nur in den flüchtigsten Umrissen andeutet, sich aus der als bekannt vorausgesetzten Brahmanastelle zu vergegenwärtigen. Diese Anknüpfung an einen Text der Kathas ist aber vielleicht auch der einzige Rechtstitel, durch den die Kathaka Upanishad ihren Namen führt. Denn daß sie in der vorliegenden Form, ähnlich wie die alten Prosa-Upanishaden Aitareya, Kaushitaki, Chandogya, Taittiriya, Brihadaranyaka, als eine Sammlung der Spekulationen einer alten Vedaschule über Gott und Seele, — daß sie als die ursprüngliche Upanishad derjenigen Sakha, welche das Kathakam hervorgebracht hat, angesehen werden könnte, daran ist jedenfalls nicht zu denken. Im Gegensatze zu den genannten fünf Upanishaden mit ihrem unbeholfenen Brahmanastil und ihren allegorischen Ausdeutungen des Rituals, gehört die Kathaka Upanishad einem viel fortgeschritteneren Zeitalter an, einer Zeit, in der man anfing, das Gold der Upanishadgedanken in einzelnen metrischen Sinnsprüchen auszuprägen und diese zu einem mehr oder weniger losen Zusammenhang aneinanderzureihen. Sammlungen solcher Sinnsprüche sind namentlich Kena 1-13, Isa, die eingelegten Verse Brih. 4,4,8-21, Mundaka, Maha Narayana 1.10.11, Svetasvatara, und so auch die Kathaka Upanishad, welche im ganzen und großen mit jenen auf einer Stufe steht and demselben Zeitalter angehört; daher so vielfach dieselben Sprüche in den verschiedenen Sammlungen wiederkehren. In allen diesen Werken erscheint der Upanishadgedanke nicht mehr in suchender, tastender Form wie in den früheren Upanishaden, sondern von vornherein schon in vollständiger Reife, ja, schon Überreife; das häufige Predigen über den Atman hat eine Phraseologie erzeugt, vermöge deren gewisse stehende Floskeln immer wiederkehren (vgl. z. B. Kath. 4,3 und 5,4; 4,9 und 5,8; 5,9. 10 und 11; 5,12 und 13) und mitunter auch da verwendet werden, wo sie nicht am Platze sind, wie denn namentlich Kath. 1 das Feuer Naciketa mit Ausdrucken gepriesen wird, die nicht bei ihm, sondern nur bei der Atmanlehre berechtigt sind.

Dem Inhalt nach zerfällt die Kathaka Upanishad in zwei wohlgeschiedene Teile, den ersten Adhyaya (Valli 1-3), welcher die ursprüngliche Upanishad umfaßt[2], und den zweiten Adhyaya (Valli 4-6), welcher ein derselben später aufgesetztes Stockwerk ist. Als Beweis für die Posteriorität von Valli 4-6 wollen wir nur anführen, daß die Schilderung des Yoga 6,6-13 verglichen mit der 3,10-13, so sehr beide zusammenstimmen, doch bedeutend entwickelter erscheint, und daß die Lehre von der Nichtigkeit der vielheitlichen Welt im zweiten Adhyaya 4,10-11 mit einer Schärfe ausgesprochen wird, welcher der erste Adhyaya nichts Ähnliches an die Seite zu stellen hat; wie denn auch aus den Bildern 5,9-11 uns der Geist einer späteren, schon über schwierige Punkte der Vedantalehre reflektierenden Zeit anweht. (Vgl. auch Weber, Ind. Stud. II, 198f)

Der erste Adhyaya, wenn auch wohl schwerlich frei von späteren Einschiebungen, hält doch im ganzen einen wohlgeordneten Gang inne. Die erste Valli enthält die einleitende Erzählung, die zweite behandelt den Atman nach seinem ansichseienden Wesen (Metaphysik), die dritte die Verkörperung desselben in der Leiblichkeit und die Rückkehr aus ihr auf dem Wege der Moralität und zuhöchst des Yoga (Psychologie, Ethik und Mystik).

Weniger geordnet, doch im allgemeinen dem ersten Teile analog gehalten, ist in seinem Gedankengange der zweite Adhyaya. Die vierte Valli behandelt vorwiegend den Atman als das Subjekt des Erkennens, die fünfte bis 6,5 betrachtet unter mancherlei Abschweifungen die Erscheinung des Atman in der Welt und speziell im Menschen, und zum Schluß 6,6 f. wird wieder der Yoga als der Weg zum höchsten Ziel gelehrt, woran sich 6,14-18 nachträgliche Betrachtungen schließen. Besonders auffallend ist in diesem Adhyaya das zwölfmal hinter den Versen (4,3. 5. 6. 7. 8. 9. 12. 13. 5,1. 4. 8. 6,1) in Prosa angefügte, feierliche: Etad Vai Tad. Dasselbe kann weder mit dem üblichen "Darüber ist dieser Vers" auf eine Stufe gestellt werden (Weber), noch auch bedeuten: "Dieses ist das, wonach du gefragt hast" (M. Müller), vielmehr liegt der Schlüssel in 5,14, woselbst das Bewußtsein "Tad Etad" als unbeschreibliche höchste Lust bezeichnet wird. Eine solche kann nur in dem Bewußtsein der Einheit der Seele mit Brahman bestehen, und somit werden wir auch die Formel Etad Vai Tad zu interpretieren haben: "wahrlich, dieses (wovon vorher gesprochen) ist jenes (Brahman)". (Vgl. auch Brih. 5,4.) Wir haben also in Etad Vai Tad ein Analogon und vielleicht eine Nachbildung des Chand. 6 neunmal wiederholten Tat Tvam Asi, und es liegt nur in der Natur solcher feierlichen Versicherungsformeln, wenn sie, an beiden Stellen, mitunter auch da durchbrechen, wo sie weniger am Platz zu sein scheinen.

Von großem Interesse für die Vorgeschichte des Samkhya- und Yogasystems ist, wie in weiterem Sinne die ganze Upanishad, so namentlich die 3,10-13 und, im wesentlichen übereinstimmend, 6,7-11 entwickelte Stufenfolge des psychischen Organismus:

Purushah (entspr. Atma)
Avyaktam (entspr.Santa Atma)
Mahan Atma
Buddhih(entspr. Jnana, Atma entspr. Sattvam)
Manas
Arthah und Indriyani;

beim Yoga wird das jedesmal niedere Vermögen in dem jedesmal höheren "gehemmt", bis alle unteren Vermögen im Avyaktam (aus dem sie nach Samkhya-Anschauung entsprungen sind) zur Ruhe kommen, und der Atman von ihnen allen isoliert - wie der Halm aus dem Schilf aus ihnen herausgezogen, 6,17 - und dadurch der Erlösung teilhaftig wird.

Der hierbei unbewußt sich durchziehende Widerspruch, daß der Atman alles in allem ist und doch wiederum als Purusha in schärfstem Gegensatz gegen das Avyaktam und alles ihm Untergeordnete steht, ist der Keim des Widerspruches zwischen dem späteren System des Vedanta und dem des Samkhya-Yoga.

Fußnoten

  1. Nach der ganzen Anlage der Erzählung muß in den drei Wünschen, und so auch in ihrer Gewährung, eine Steigerung erwartet werden, welche in dem Brahmanatexte, auch bei möglichst entgegenkommender Interpretation, wie wir sie oben versucht haben, doch noch vermißt wird. Aus diesem Grunde haben wir (Gesch. d. Phil. I, 177) die Vermutung aufgestellt, daß die Erzählung schon ursprünglich eine philosophische Spitze gehabt habe, welche vom Brahmanam abgebrochen und durch die nochmalige Einschiebung des Naciketafeuers ersetzt worden sei. Freilich könnte man aus der Benennung dieses Feuers nach dem Namen des Jünglings schließen, daß das Feuer Naciketa die wichtigste Errungenschaft sein muß, die sich an den Namen des Naciketas knüpft. Es bleibt aber noch die Frage, ob überhaupt beide Benennungen ursprünglich miteinander zusammenhängen (von Naciketas sollte man doch die Ableitung Naciketasa erwarten), und ob es nicht der zufällige Gleichklang war, welcher zu einer Kontaminierung der dem Feuer als dem "nichtunglänzenden" (wenn man etwa Nasatya vergleichen darf) gewidmeten Schichtung mit der philosophischen Legende von "dem tumben (Na Ciketas) Menschen" führte, welchem der Gott, und, sehr passend, gerade der Gott des Todes die höchsten Aufschlüsse über die Geheimnisse des Daseins erteilt. (Vgl. die Anm. zu 1,19.)
  2. Daß die Upanishad ursprünglich mit 3,16-17 abschloß, bedarf keines Beweises, sondern nur eines Hinblickes auf diese Stelle und hätte von M. Müller (Upanishaden II p XXIII) nicht wieder bezweifelt werden sollen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Indische Schriften

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Jnana Yoga, Philosophie

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