Invasion der Yogis Radiosendung Deutschlandfunk

Aus Yogawiki

Invasion der Yogis - eine Radiosendung vom 14.11.2011 15:05h im Deutschlandfunk, aus der Reihe "Sonntagsspaziergang. In der Radiosendung "Invasion der Yogis" wurden der Horn-Bad Meinberger Bürgermeister Eberhard Block, Sukadev Volker Bretz, einige Mitarbeiter von Yoga Vidya sowie einige Yoga Seminarteilnehmer interviewt. Die Essenz der Radiosendung: Nach dem Rückgang der Kurgäste ist die Stadt Bad Meinberg sehr froh, durch Yoga Vidya neuen Auftrieb gefunden zu haben.

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Im Gespräch mit Sukadev Bretz

Die Redakteurin hatte Sukadev viele Fragen gestellt. In der Radiosendung wurde das allerdings nicht als echtes Interview gesendet. Vielmehr wechselt sich Sprecher, Redakteurin und Sukadev in ihren Aussagen ab...

Deutschlandfunk: Wer sich dem Yogazentrum in Bad Meinberg am Rande des Teutoburger Waldes zum ersten Mal nähert, ist wahrscheinlich erst einmal enttäuscht. Riesige Kästen aus grauem Beton am Waldrand, davor ein asphaltierter Parkplatz. So sieht garantiert kein einziger Ashram, kein Yoga-Tempel in Indien aus, schwirrt es einem zwangsläufig durch den Kopf. Und dieser Funktionsbau soll ein Ort für innere Einkehr und Yoga sein? Ein Ort, an dem man vielleicht sogar auf eine spirituelle Erfahrung hoffen darf?

Sukadev: Das sind drei alte Kurkliniken, die im 70er-Jahre-Stil gebaut sind, architektonisch vielleicht nicht die größten Meisterwerke, obgleich nicht 0815-Gebäude. Das eine Gebäude, das haben wir dann auch als erstes erworben, ist pyramidenförmig, das haben wir Chakrapyramide genannt. Sieben Stockwerke symbolisieren sieben Stufen der Entwicklung des Menschen ... und das fanden wir auch von der Symbolik sehr schön.

Deutschlandfunk: Volker Bretz ist der Chef des Yogazentrums. Er trägt ein leuchtend gelbes Oberhemd, dazu eine weiße, luftige Hose und Badelatschen. Sein graumeliertes Haar ist kurz geschnitten, auf seiner kleinen Nase sitzt eine schlichte Brille. In der Yoga-Welt nennen ihn alle Sukadev. Das ist sein spiritueller, indischer Name. "Engel der Wonne". Man kann seinen Lehrer um einen spirituellen Namen bitten, erklärt der Yogameister. Er habe diesen Namen vor dreißig Jahren von seinem Lehrer in den USA erhalten. Nur noch für seine Eltern, seine Geschwister, Geschäftspartner oder Journalisten trägt er seinen bürgerlichen Namen.

Als Volker Bretz vor neun Jahren nach einem Ort für ein neues Yogazentrum suchte, klickten sich seine Mitarbeiter und er monatelang durchs Internet. Dann fanden sie diese leer stehende Immobilie am Rand der Kurstadt Bad Meinberg, vierzig Kilometer von Bielefeld entfernt. Die Kurkliniken standen zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahre leer. Wie in einer Geisterstadt war das, erinnert sich der Chef des Yoga-Zentrums.

Sukadev: Ich hatte so eine Vision, dass es einen Ort geben würde, wo tausend Menschen Yoga praktizieren würden. Da war dann klar, diese drei Kliniken zusammen, das könnten die tausend sein. Als wir 2003 eingezogen sind, sind wir erst einmal mit 35 Menschen eingezogen, die hier fünf Monate lang renoviert haben, gestrichen haben, das Haus schön gemacht haben. Dann hatten wir 2004 erst einmal 150 Gästebetten. Wir hatten im ersten Jahr um die 15000 Übernachtungen, dann hat sich das schrittweise gesteigert. Bis 2008 sind wir dann auf 50.000 Übernachtungen gekommen.

Deutschlandfunk: Der 48-Jährige steht in der Lobby der alten Kurklinik, die jetzt das größte Yogazentrum Europas beherbergt. Helles Holz, farbige Wände, Jugendherbergscharme. Irgendwo brennt ein Räucherstäbchen, aus Lautsprechern, die in die Decke eingelassen sind, wabert Meditationsmusik. Tausend Yogis üben noch nicht im Haus. 450 Gäste sind derzeit da, sagt Volker Bretz. Einige machen die Ausbildung zum Yogalehrer, andere haben Pranayama-Kurse, Lehrgänge zu yogischen Atemtechniken, oder Kinderyoga-Weiterbildungen gebucht.

Sukadev: Yoga wörtlich heißt Harmonie, Einheit, Verbindung. Die Menschen, die hier sind, haben gemeinsam, dass sie ihr Leben irgendwie verbessern wollen und, ich glaube, auch eine tiefere Dimension erfahren wollen. Ich glaube, die Menschen die hier herkommen, die wollen ein bisschen mehr ihrem Herzen folgen. Da geht es weniger um Erfolg, sondern mindestens für die Zeit, die sie hier sind, ein bisschen dem Herzen folgen. Ich glaube, der Mensch ist ganzheitlicher geworden.

Deutschlandfunk: Wer Yoga übt, wird dem nicht widersprechen.

Sukadev: Krankheiten nicht nur physisch angehen, sondern auch vom Inneren und auch vom Geistigen her. Menschen als Ganzes sehen. Manchmal gibt es ja auch Krankheiten, die sind nicht wirklich behandelbar, dann kann man aber die Einstellung dazu ändern und dann kann man vom Geist her etwas ändern. Manchmal passiert es sogar, dass wenn jemand das annimmt, dann passiert sogar die Heilung auf der physischen Ebene ganz unerwartet.

Deutschlandfunk: Ist das ein Versprechen?

Sukadev: Yoga kann keine Versprechen geben. Yoga kann Menschen sagen, Du kannst etwas harmonischer werden, Du kannst ein bisschen mehr zu Dir selbst kommen, Du kannst selbst etwas tun für Dich. Jeder der Yoga übt, wird feststellen, irgendwie berührt es ihn, irgendwie wird sein Leben positiver...

Deutschlandfunk: Volker Bretz steht immer noch in der Lobby des Yogazentrums in Bad Meinberg, er will hinauf ins oberste Stockwerk des Betonbaus. Doch der Aufzug streikt. Die Dame an der Rezeption, die sich ein lilafarbenes Tuch um den Kopf gewickelt hat, eilt zu Hilfe, drückt ein paar Male auf einen Knopf mit Pfeil nach oben, vergeblich. Also Treppensteigen. Volker Bretz lächelt.

Sukadev: Dieses Treppenhaus ist auch einer meiner Lieblingsorte. Ich geh da gern hoch und schau dann diesen vielen großen Yogameistern in die Augen.

Deutschlandfunk: An den Wänden hängen gerahmte Fotografien unzähliger Yogameister. Auch sie lächeln. Manche haben ausgemergelte Körper, tragen bunte Gewänder. Andere sitzen im Schneidersitz mit nacktem Oberkörper auf dem Boden. Die meisten Fotografien wurden vermutlich irgendwo in Indien aufgenommen. Darunter auch ein Foto von Swami Sivananda. Es ist sein hinduistisch geprägter Yogastil, der bei Yoga Vidya gelehrt wird.

Sukadev: Swami Sivananda lebte von 1887 bis 1963. Er war ein Arzt in Indien, der schon damals in den 20er Jahren in einem Krankenhaus in Malaysia Schulmedizin verbunden hat mit Ayurveda, also indischer Naturheilkunde und Yoga, und festgestellt hat, dass das sehr gut wirkt. Danach ist er zurück nach Indien, hat spirituelle Erfahrungen gemacht und anschließend Yoga und Aryuveda gelehrt und weitergegeben. Swami Sivananda war der Yogameister, der erkannt hatte, dass gerade im Hatha Yoga, also im körperbetonten Yoga sehr viel liegt auch an Chance für den Westen, hat einige seine Schüler nach Amerika und Europa geschickt und manche europäischen Schüler ermutigt zu unterrichten und so ist praktisch diese Yogabewegung in Deutschland und auch in Europa auf Swami Sivananda zurückzuführen.

Deutschlandfunk: Der Yoga-Verein Yoga Vidya wurde vor knapp 20 Jahren in Frankfurt am Main gegründet. Inzwischen gibt es etwa 80 Yoga-Vidya-Zentren in Deutschland. Das in Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen ist das größte.

Sukadev: Vidya heißt Wissen, Weisheit, Wissenschaft. Und Yoga Vidya will Yoga in seiner großen Bandbreite lehren.

Deutschlandfunk: Dann ist Volker Bretz oben angekommen, vor den Seminarräumen stehen Inseln von Badelatschen. Sie stellen gleich auf den ersten Blick klar, welcher der insgesamt dreißig Übungsräume im Ashram in Beschlag genommen ist und welcher nicht. Yogis üben barfüßig. Schuhe müssen draußen bleiben.

Sukadev: Das ist der Sahasrara Raum, der ist ganz oben, in dem unterrichte ich ganz besonders gern und man hat auch einen phantastischen Blick, sowohl auf Bad Meinberg wie auch in den Silvaticum Park wie auch in die Felder. Und irgendwie hat dieser Raum für mich etwas sehr Herz öffnendes, steht für so Einiges im Yoga, eine Weite, ein Miteinander und es meditiert sich dort einfach sehr gut.

Deutschlandfunk: Der Boden im Übungsraum ist mit naturfarbenem Teppich ausgelegt. In einem Regal liegen Yogamatten und Decken. Mit nackten Füßen schreitet der Yogameister zur Fensterfront des Raumes. Die Fenster stammen noch aus den 70er Jahren. Entsprechend schwierig lassen sie sich zur Seite schieben. Dann tritt der 48-Jährige nach draußen auf den Balkon. Sein Blick geht Richtung Südwesten.

Sukadev: Und in die Richtung würde man dann nach Bad Meinberg schauen. Da sieht man so einige Häuser von Bad Meinberg. Wenn man noch weiter guckt, sieht man auch noch Horn. Was man nicht sieht, sind hinten dran die Externsteine, die eine besondere Bedeutung haben, als besonderer Kraftort, wo unsere Gäste auch sehr gern hingehen.

Deutschlandfunk: Das Yogazentrum ist kein abgeschlossener Ort für Aussteiger, sagt Volker Bretz. Vielmehr wolle man mit Yogakursen für Einsteiger auch die Einwohner von Horn-Bad Meinberg und Umgebung für die indische Gymnastik und vielleicht sogar für ihre Philosophie begeistern. Etwa 150 Abendkursteilnehmer kommen nach Auskunft von Volker Bretz inzwischen in der Woche ins Yogazentrum am Rand der Stadt. Man schotte sich nicht ab.

Sukadev: Wir gehören ja zu Bad Meinberg und das ist uns auch sehr wichtig, dass wir keine eigenständige Stadt bilden, sondern dass wir Teil dieser Stadt sind.

Deutschlandfunk: Blaue Sonnenkollektoren glänzen auf den flacheren Dächern des Gebäudekomplexes in der Sonne. Das hier ist ein sehr energieintensiver Kasten, sagt Volker Bretz. Wärmedämmung und Energiebilanz verharren zum großen Teil immer noch auf dem Niveau der 70er Jahre. Schritt für Schritt sollen die Fenster jedoch fit gemacht werden für die Zukunft, sagt der Yogameister, der auch Chef des Vereins Yoga Vidya in Deutschland ist. Volker Bretz kennt sich nicht nur mit Yoga und indischer Philosophie aus. Er versteht auch etwas von Zahlen. Schließlich stammt er aus einer hessischen Unternehmerfamilie. Alle drei Kurkliniken hat er der Gemeinde Horn-Bad Meinberg zum Preis von drei sanierten Dachgeschosswohnungen in Berlin-Mitte abgekauft. Ein glänzendes Geschäft. Viele Details im Yogazentrum erinnern immer noch daran, dass es einmal eine Kurklinik war. In den Gästezimmern befindet sich überm Nachttisch ein Schalter mit dem Piktogramm einer Krankenschwester. Auch die dunkelbraunen Lesesessel und die orangefarbenen Fliesen im Badezimmer stammen aus den 70ern.

Sukadev: Es gibt auch keinen Grund es wegzurationalisieren, Reha-Kliniken, Kurkliniken sind ja auch was Gutes gewesen. Da ging es ja auch um die Gesundung des Menschen.

Deutschlandfunk: Aber eben anders.

Sukadev: Viele Menschen fangen mit Yoga erst einmal an, weil sie mehr Energie brauchen, weil sie Kopfweh und Rückenprobleme haben und in fünf bis 10 Wochen regelmäßiger Yogapraxis wird das alles erheblich besser. Aber was einen danach bei hält, dass wenn man Yoga übt, dann spürt man was Tieferes und es macht Spaß und es macht Freude. Physiotherapie mag auch gut sein. Aber wer macht Krankengymnastik für sich nachher weiter. Yoga dagegen macht Spaß, gibt ein schönes Gefühl und ich glaube, durch Yoga bekommt man dann überhaupt die Energie und die Entspannung sich tieferen Sachen zuzuwenden.

Deutschlandfunk: Yoga sei keine Religion, sondern eine Philosophie, wird Volker Bretz sich später beeilen klarzustellen.

Sukadev: Es gibt kein Glaubensbekenntnis im Yoga und es gibt auch nicht, dass man irgendetwas machen muss. In unseren Satsangs morgens und abends werden Mantras gesungen. Keiner von uns würde sagen, dass wir hinduistischen Göttern huldigen. Wir sehen es eher als Energieschwingungen, die da sind. Die Namen sind ja eigentlich, zum Beispiel Shiva das heißt Liebe und Güte, ein anderer Name wäre Vishnu, der überall ist - das sind eher Worte, die sich darauf beziehen, dass wir liebevoll miteinander umgehen sollen und das wir erkennen, dass hinter allem schließlich das Ganze steckt.

Im Gespräch mit dem Bürgermeisters

In der Radiosendung "Invasion der Yogis" wurde auch der Bürgermeister der Stadt Horn-Bad Meinberg, Herr Eberhard Block, interviewt. In der Radio Sendung sind seine Antworten über die ganze Sendung verstreut. Hier findest du sie zusammengefasst:

Bürgermeister: Der Teutoburger Wald hat eine ausgesprochen schöne Landschaft und wir haben hier sehr gute Wasserwerte, sehr gute Luftwerte. Nicht ohne Hintergrund ist das ja auch der Heilgarten Deutschlands.

Deutschlandfunk: Herr Block, wissen Sie was der abwärts schauende Hund ist?

Bürgermeister: Nee das weiß ich nicht.

Deutschlandfunk: Der abwärts schauende Hund ist eine Yogaposition, die in jeder Übungsstunde mehrmals wiederholt wird.

Eberhard Block ist der Bürgermeister von Bad Meinberg. Er empfängt in seiner Amtsstube. Das Hochdruckwetter macht ihm zu schaffen. Deswegen möchte er sich auch nicht im alten Kurpark treffen, sondern lieber im Rathaus. Die Fenster sind geschlossen. Auf einem Tisch vor dem schweren Sofa steht eine Thermoskanne mit Filterkaffee. Man siezt sich und vermeidet den Schneidersitz. Nach zwei Tagen im Yogazentrum wirkt diese Szene wie aus einer anderen Welt.

Bürgermeister: Nein, ich habe bisher Yoga noch nicht praktiziert. Ich habe schon viel Interessantes über Yoga gehört aber selbst praktiziert habe ich nicht. Ich sage das immer so, dass es ein Projekt ist, das ich mir vornehme, wenn ich in den Ruhestand gehe, wohl dessen bewusst, dass es gut wäre, wenn ich das jetzt schon machen würde, weil es natürlich sehr stark entspannen würde, was ich in meinem Beruf durchaus gut gebrauchen kann.

Deutschlandfunk: Dann stellt Eberhard Block klar, dass er nicht nur der Bürgermeister von Bad Meinberg ist, sondern der Gemeinde Horn-Bad Meinberg vorsteht. Schon vor über dreißig Jahren wurden die Orte Horn und Bad Meinberg verwaltungstechnisch zusammengefasst. Bad Meinberg ist die kleinere Schwester, deshalb heißt die Kleinstadt auch nicht Bad Meinberg-Horn, sondern Horn-Bad Meinberg. Das haben die Bewohner Horns Anfang der 70er Jahre durchgesetzt. Trotzdem sagt niemand im Ort er sei Horn-Bad Meinberger, erläutert der Bürgermeister. Man sei Lipper. Darauf kann man sich einigen. Schließlich gehörte die Region früher zum Fürstentum Lippe.

Bürgermeister: Ich habe mich auch mit der Regionalgeschichte befasst und dabei ist deutlich geworden, dass diese starke Identitätsbildung mit Lippe den Hintergrund einmal hat, dass man eine bestimmte Konfession hier hat: Protestanten, aber reformiert. Man ist relativ zurückhaltend. Der zweite Aspekt: Lippe war ein deutscher Kleinstaat, der bis 1947 Freistaat war und 47 erst zu Nordrhein-Westfalen gekommen ist nach langem Ringen, ob Lippe zu Niedersachsen geht oder zu Nordrhein-Westfalen.

Deutschlandfunk: Dann erzählt der 60-Jährige im grauen Anzug von der Gegend, in der er lebt.

Bürgermeister: Wir haben hier eine Bevölkerungsdichte von 200 Einwohnern pro Quadratkilometer, in Düsseldorf sind es 1000 pro Quadratmeter. Ein viel stärkerer Ressourcenverbrauch, die Grundstücke viel teurer, die Menschen wohnen viel enger zusammen.

Deutschlandfunk: Wenn man ihm zuhört, bekommt man den Eindruck, dass die Region um Bad Meinberg der perfekte Ort ist. Nicht so eng wie eine Großstadt, aber auch nicht so dünn besiedelt wie Brandenburg, wo man nach Auskunft des Bürgermeisters schon einmal fünfzig Kilometer unterwegs zu einem Facharzt ist. Perfekte Infrastruktur, perfekte Natur, hier in seiner Gegend.

Bürgermeister: Der Teutoburger Wald hat eine ausgesprochen schöne Landschaft und wir haben hier sehr gute Wasserwerte, Luftwerte. ... Nicht ohne Hintergrund ist das ja auch der Heilgarten Deutschlands.

Deutschlandfunk: Bielefeld ist 40 Kilometer, Paderborn 20 Kilometer entfernt. Hier hätte man das nun wirklich nicht erwartet.

Bürgermeister: In den 50er Jahren gehörte Bad Meinberg zu den zehn größten deutschen Bädern. Neben den traditionellen Bädern, die es natürlich in Deutschland gibt: Bad Kissingen, Baden-Baden... Die Kumpel aus dem Ruhrgebiet, die Familien der Kumpel aus dem Ruhrgebiet, die gingen zur Erholung und zur Kur hier nach Lippe. Dadurch war Bad Meinberg seiner Zeit sehr stark frequentiert.

Deutschlandfunk: Es lief gut, Mitte der 90er Jahre hatte der Kurort Bad Meinberg eine Million Übernachtungen im Jahr. Irgendwann, so sagt Eberhard Block, sorgten Gesundheitsreformen aus Bonn dafür, dass immer weniger Kuren verordnet wurden und so auch immer weniger Gäste zu Mooranwendungen nach Bad Meinberg kamen. Die sechs Kurkliniken, die es in Bad Meinberg noch in den 90er Jahren gab, kämpften ums Überleben. Am Ende des Jahrzehnts waren die Übernachtungszahlen von einer Million jährlich auf 300.000 gesunken - ein Einbruch um siebzig Prozent. Vier von sechs Kurkliniken mussten geschlossen werden. Auch die drei Kurkliniken, die in den 70er Jahren gebaut wurden und jetzt dem Yoga-Verein gehören.

Bürgermeister: Es gab eine ganze Reihe von Überlegungen, was kann man machen? ... Wir haben Marktstudien in Auftrag gegeben, welche Nischen sind besetzbar, wie könnte sich Potenzial entwickeln. Es kam aber überall raus: Entweder muss im großen Stile investiert werden oder es muss sich eine Zufälligkeit ergeben.

Deutschlandfunk: Die Zufälligkeit war schließlich der Yogaverein Yoga Vidya, der schon im Westerwald ein Yogazentrum betrieb. Der Verein signalisierte ernsthaftes Kaufinteresse. Für den Bürgermeister der Gemeinde stellten sich zunächst jedoch jede Menge Fragen.

Bürgermeister: Was ist das, Yoga Vidya? Was ist das für ein Verein, was ist das für eine Institution? Habe Kontakt mit der Heimatgemeinde von Yoga Vidya aufgenommen, habe mich auch darüber hinaus erkundigt, weil es hier auch die Fragestellung durch die Politik gab: Ist das eine Sekte? Ist das etwas, das möglicherweise negativ in Erscheinung treten könnte? Und ich bekam sowohl vom Sektenbeauftragten des Bundes als auch von der Heimatgemeinde eine sehr positive Auskunft.

Deutschlandfunk: Erste Verhandlungen. Die Chemie stimmte, erinnert sich der Bürgermeister. Er habe eine Offenheit gespürt, die ihn überzeugte. Der Kurverein, die Werbegemeinschaft, der Hotel- und Gaststättenverband - überall ist Yoga Vidya inzwischen dabei, sagt Block. Der Bürgermeister hält Begrüßungsreden bei Yogakongressen in der alten Kurklinik. Viele seiner Bekannten üben inzwischen Yoga, versichert er. Horn-Bad Meinberg profitiert vom größten Yogazentrum Europas. Für jeden Gast wird Kurtaxe gezahlt, in der Region werden massenweise Obst, Gemüse und Milchprodukte gekauft, die Wäscherei hat gut zu tun. Und dann sind da noch die 60.000 Übernachtungen im Jahr, die sich der Kurort jetzt in seine Statistikbücher schreiben darf. Yoga Vidya hat die verwaisten Kurkliniken mit Leben gefüllt und ist zu einem Wirtschaftsfaktor für Bad Meinberg geworden, sagt Eberhard Block nicht ohne Stolz und nimmt noch einen Schluck schwarzen Kaffees.

Bürgermeister: Dann gibt Yoga Vidya der Stadt natürlich ein bestimmtes Image. Ich sehe dort Kennzeichen von Flensburg, aus Berlin, aus München, aus Köln bei den Kongressen. Das heißt, dass die Menschen, die nach Horn-Bad Meinberg kommen und zu Yoga Vidya kommen ein Bewusstsein für den Kurort Bad Meinberg ausprägen. Also unter Marketingaspekten gar nicht in Gold aufzuwiegen. ... Der nächste Aspekt ist, dass Yoga Vidya uns zeigt, wie auch in Zeiten, in denen das traditionelle Gesundheitswesen große Schwierigkeiten hat, wie man Alternativen entwickeln kann, wie man alternative Gesundheitsangebote entwickeln kann, die die Menschen auch annehmen, die sie auch selbst bezahlen.

Deutschlandfunk: Für ihn sind die Yogis, die sich jetzt in der alten Kurklinik verbiegen Jünger einer Lebensphilosophie, die er zumindest interessant findet - eine Alternative zum Alltag, den er kennt. Das Harmoniebedürfnis, das dazu gehört, strahle aus - auch auf seine Gemeinde.

Bürgermeister: Wir hatten hier einen Konflikt bei der Energieversorgung von Yoga Vidya. Es war eine Biogasanlage geplant aber diese Biogasanlage auf einem landwirtschaftlichen Anwesen, die hatte das Problem, dass ein langer Zufahrtsweg von Nöten war und ein extra Weg nicht gebaut werden konnte aus landschaftschützerischen Gründen. Und die Anwohner für den Zufahrtsweg waren nicht damit einverstanden, dass dort massiv zu bestimmten Zeiten - also während der Erntezeit - ihre Straße stark in Anspruch genommen werden sollte. Dann hat Yoga Vidya gesagt, also wenn es einen Konflikt gibt, dann verzichten wir auf die Energieversorgung obwohl wir sie gern hätten, weil sie eine ökologische Energieversorgung ist. Dann haben wir uns alle zusammen hingesetzt und haben versucht Harmonie herzustellen. Auch aus der Haltung, die Yoga Vidya gezeigt hat und wir haben es hinbekommen.

Deutschlandfunk: Das mit der Harmonie hat den Bürgermeister also verblüfft. Für neue Arbeitsplätze haben die Yogis indes kaum gesorgt. Denn fast alle anfallenden Arbeiten werden von freiwilligen Mitarbeitern erledigt, Menschen, die sich um den Haushalt, die Küche oder den Garten kümmern, dafür umsonst im Yogazentrum wohnen, essen und soviel Yoga üben und meditieren können, wie sie möchten, und auch so lange bleiben können, wie sie wollen. Etwa 120 solche Sevakas, Freiwillige, helfen im Yogazentrum am Rand der Stadt - temporäre Aussteiger aus der Welt, in der Bürgermeister Eberhard Block lebt.

Im Gespräch mit dem Eisdielenbesitzer, José da Silva

Auch der Eisdielenbesitzer, Jose da Silva, wurde interviewt. Hier einige Teile aus dem Gespräch mit ihm, sie in der Radiosendung erschienen:

Deutschlandfunk: Ein tiefer Zug zur rechten Zeit schafft Ruhe und Behaglichkeit. Dieser Satz steht auf den gläsernen Aschenbechern, die in der Eisdiele von Bad Meinberg auf den Tischen stehen.

José da Silva: Von Bad Meinberg, habe ich sehr viele Gäste, von Umgebung: Horn, von Blomberg habe ich viele Gäste und natürlich von Yoga habe ich sehr, sehr viel. Die sind täglich hier bei mir.

Deutschlandfunk: Josè da Silva ist Portugiese und hat das Eiscafè seinem italienischen Vorgänger im vergangenen Jahr abgekauft. Der große, kräftige Mann trägt Dreitagebart, die kurzen Haare hat er durch Gel in Form gebracht. Auf die Yogis im Ort hat er sich eingestellt, sagt Jose, während er das Angebot in der Vitrine prüft. Er verkauft veganes Eis. Eis ohne Milch.

José da Silva: Mit Rohrzucker - nicht der normale weiße Zucker, mit Sojamilch ohne tierische Produkte.

Deutschlandfunk: Vom Yogazentrum braucht man zu Fuß etwa zwanzig Minuten bis zur Eisdiele Dolomiti. Durch den Wald hinterm Klinikkomplex, vorbei an einem Wohnmobilhafen, dann links am Teich entlang, durch den Kurpark hindurch, die Straße hinauf, dann rechts in die Krumme Straße.

Während Josè da Silva für zwei Teenager Eiskugeln in eine Waffel drückt, macht er zwei Rentnerinnen, die draußen in der Sonne sitzen Komplimente. Sie haben ihre Gehwagen in Reichweite geparkt und ziehen genüsslich an ihren extra dünnen Zigaretten. Josè da Silva strahlt. Ich freue mich über jeden Gast, sagt der Eisverkäufer. Wenn Gäste aus dem Yogazentrum kommen, erkennt er das sofort, behauptet Josè, noch bevor sie ihre Bestellung abgegeben haben. Die Gesichtszüge der Yogis seien irgendwie entspannter als andere. Die indische Gymnastik, die dafür verantwortlich sein soll, hat er bislang nur zwischen den Tischen in seinem Cafè geübt. Unter Anleitung der Gäste aus dem Yogazentrum.

José da Silva: Hier in meinem Eiscafè ja! Da bin ich neugierig und frage nach und sie zeigen mir und das habe ich versucht. Natürlich bin ich kein Profi. Aber kommt Zeit, kommt Rat.

Im Gespräch mit Marion, Yogalehrerin bei Yoga Vidya Bad Meinberg

Deutschlandfunk: Die Invasion der Yogis. Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich Europas größtes Yogazentrum. Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke.


Marion: Ich habe irgendwie zu Yoga Vidya gefunden. Ich hatte vorher schon durch Zeitschriften, durchs Internet eine Schule, eine Richtung gesucht, wo ich meine Yogapraxis vertiefen, intensivieren kann, auch den philosophische Weg, und bin zu Yoga Vidya gekommen.

Deutschlandfunk: Es ist halb zehn Uhr morgens, die Yogaklasse macht sich im Durga-Raum - benannt nach einer hinduistischen Göttin - bereit für die Sonnengrüße. Sechzehn Frauen in bequemer Baumwollkleidung stehen am vorderen Rand ihrer Yogamatte. Sie sind unterschiedlichen Alters und haben nichts mit den Frauen gemein, die man aus den schicken Yogastudios in München oder Berlin kennt. Die Frauen, die die Yogalehrerin Marion fest im Blick hat, haben unlackierte Nägel, ungeschminkte Gesichter und garantiert keine gemachten Brüste.

Yogalehrerin Marion: Kommt zunächst in Tadasana, die Berghaltung.

Die Beine und Füße sind ganz geschlossen. Bringt die Schulterblätter zusammen, lasst die Schultern nach hinten unten fließen. Der Kopf ist in der Mitte, ihr könnt den Beckenboden leicht nach vorn schieben.

Einatmen, rechtes Bein zurück, der Blick geht nach vorn. ... Linkes Bein zurück. Schiefe Ebene. Ausatmen, Knie, Brustbein, Kinn senken.

Deutschlandfunk: Synchronisiert mit ihrem Atem fließen die Yogaschülerinnen durch die Bewegungen, strecken ihren Po in die Höhe, in die Position des abwärts schauenden Hundes, senken ihren Körper wie zum Liegestütz, legen sich auf den Boden und biegen dann ihren Oberkörper nach oben. Marion, die Yogalehrerin, gibt den Takt vor.

Marion: Einatmen, kommt in die Kobra, atmet aus, kommt in den Hund, Fersen Richtung Boden drücken...Schulterblätter zusammen...

Deutschlandfunk: YOGA MIT MARION - VINYASA, DIE BEWEGUNG

Mit den [Sonnengruß|Sonnengrüßen] ist man im Durga-Raum jetzt fertig. Die Körper sind aufgewärmt, biegsamer geworden. Und obwohl die Übungen zum Teil erhebliche Kraftanstrengungen erfordern, schwitzt oder keucht niemand im Raum. Bewegungen werden gehalten und wieder aufgelöst. Leichtigkeit soll auch in schwierigen Positionen erreicht werden. Plötzlich spürt man diese Energie im Raum, über die Yogis so gern sprechen.


Marion: Wenn ihr wollt, könnt Ihr auch mit gebeugten Beinen in den Schulterstand kommen.

Und dann legt beide Knie auf der Stirn wieder ab. Kurze Entlastung für den Rücken. Und streckt die Beine wieder nach oben.

Deutschlandfunk: Marion, die Yogalehrerin, trägt wie alle Mitarbeiter im Yogazentrum ein sonnengelbes Oberteil. Sie ist 50 Jahre alt und das sieht man ihr wirklich nicht an. Die Haut unter ihren Augen ist glatt und rosig. Gesund sieht sie aus. Dafür macht sie Yoga und gesunde Ernährung verantwortlich.

Marion: Ich bin jetzt hier einige Woche als Mithelfer und habe die Möglichkeit zu unterrichten, was ich sehr spannend und interessant finde. Aber ich stehe jetzt eben auf der anderen Seite. Ich kenne das Ganze eigentlich nur als Schülerin und so ist das jetzt schon eine große Herausforderung für mich.


Deutschlandfunk: Seit dem es das Yogazentrum in Bad Meinberg gibt, kommt sie immer wieder hier her, mehrere Wochen im Jahr. Bislang hat die 50-Jährige dann immer in der Küche ausgeholfen. Jetzt darf sie Yoga unterrichten. In Bad Meinberg lässt sie den Alltag der Stenotypistin, Ehefrau und Mutter in Havelberg/Sachsen-Anhalt hinter sich, muss sich nicht rechtfertigen, dass sie kein Fleisch isst, und kann sich ganz auf ihre Yogapraxis konzentrieren. Angefangen hat sie damit vor zehn Jahren in der Volkshochschule. Zunächst ging es ihr um Bewegung. Doch das änderte sich schnell.

Marion: Für viele und die meisten Menschen, die ich kenne ist es so, wenn man erst einmal ein bisschen Berührung hatte mit Yoga, eine tiefere Berührung, dann lässt es einen einfach nicht mehr los. Ich habe irgendwie zu Yoga Vidya gefunden. Ich hatte vorher schon durch Zeitschriften, durchs Internet eine Schule gesucht, wo ich meine Yogapraxis vertiefen, intensivieren kann, auch den philosophische Weg und bin zu Yoga Vidya gekommen. Yoga ist nicht eine Körperpraxis, sondern es gehört das Mantrasingen dazu, die Meditation und all das kann man hier erfahren und leben.

Dann macht Euch bereit für die Rückbeugen...

Und ganz langsam könnt ihr Euch dann in Savasana in die Rückenlage legen und nachspüren und entspannen.

Deutschlandfunk: Zurück im Durga-Raum. Marions Yogastunde ist fast zu Ende. Die Gesichter der Yogis sehen gut durchblutet und sorglos aus. Wie Mumien in weiße Decken eingewickelt liegen sie jetzt mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Der Atem wird flacher und flacher.

Marion: Und während der kurzen Entspannungsphase achtet darauf, wie es dem Rücken geht. Und wenn ihr die Beine ausgestreckt habt, öffnet sie hüft- oder mattenbreit. Nehmt so Euren Atem wahr. Spürt Euren Körper.

Deutschlandfunk: Marion verdunkelt den Raum, bleibt vor ihren Schülern sitzen und wartet.

Marion: Ich finde es toll und wichtig, dass immer mehr Menschen Yoga üben. Jeder geht seinen Weg. Wenn jemand Yoga sieht als Körperübung, dann ist das auch gut, aber dann hat er trotzdem schon den Weg zu Yoga gefunden. Ich glaube doch bei den meisten, früher oder später hat man das Interesse, möchte wissen, was steckt dahinter, welche Philosophie. Und dann kommt man tiefer rein und dann passiert es eben auch das man überlegt, welche Ernährung ist für mich wichtig, warum? Die Fragen kommen automatisch, wenn man eine Weile Yoga übt.

Deutschlandfunk: Dann rekeln und strecken sich die Mumien wieder, richten sich auf zum Schneidersitz.

Marion: Mache den Sitz fest und stabil und angenehm. Schließe Deine Augen. Spüre Deinen ganzen Körper, von den Zehen bis zum Scheitel, von der linken bis zur rechten Hand. Und wir atmen gemeinsam tief ein. Ohmmmm.....Lokah Samastah...

Im Gespräch mit Kay, einem Mitarbeiter

M. Schielke sprach auch mit Kay, einem Mitarbeiter bei Yoga Vidya. Kay ist Yogalehrer und Mitglied des Küchenteams bzw. Veganer Koch:

Deutschlandfunk: Kay gehört zum Küchenteam im Yogazentrum Bad Meinberg. Veganer, die es im Yogazentrum auch gibt, so erklärt er, verzichten nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Milch, Eier und Käse. Jetzt kümmert sich der 29-Jährige um den Mittagstisch. Er ist groß und schlank, trägt ein sonnengelbes T-Shirt.

Kay: Vielleicht ist es für manch einen sogar besser, nicht immer eine große Reise zu machen und vor sich selbst zu fliehen, sondern in ein Zentrum zu gehen, wo man doch in einem westlichen Rahmen, einem westlichen Standard trotzdem andersartige Kultur erleben kann und sich hineindenken kann.

Deutschlandfunk: Zweimal am Tag bauen er und seine Kollegen ein riesiges Vollwertkost-Büffet im Speisesaal der alten Kurklinik auf. Um elf Uhr morgens und um sechs Uhr abends.

Kay: Das ist Seidentofu, den püriere ich und dann gibt es einen veganen Nachtisch. Das bekommt eine Puddingkonsistenz. Das kommt noch ein bisschen Vanille rein, Kardamom, Agaven-Dicksaft zum süßen. Mit Erdbeeren, Blaubeeren, Banane.

Ich wohne hier, bin fester Mitarbeiter und bleib hier auch noch eine Weile.

Deutschlandfunk: Seit einem Jahr lebt und arbeitet Kay jetzt schon im Yogazentrum.

Kay: Ich jobbe schon lange als Koch. Deswegen bin ich hier in der Küche gelandet. Ich war vorher schon bei einem vegetarischen Cateringservice in Bielefeld. Kochen ist meine Leidenschaft und ich habe immer eine Küche gesucht, wo ich vegetarisch, vegan kochen kann und vor allem Bioprodukte benutzen kann. Und dann habe ich die hier gefunden.

Deutschlandfunk: Kay will jetzt Yogalehrer werden. Neben dem Job in der Küche macht er die Yogalehrerausbildung. Da er sie nebenbei absolviert, wird es drei Jahre dauern bis er damit fertig ist.

Kay: Ich kann mein Yoga machen. Morgens und nachmittags habe ich meine sechs Stunden Arbeit oder sieben. Für mich als Koch ist das nichts, im letzten Betrieb habe ich zehn Stunden gearbeitet.

Deutschlandfunk: Kay gehört wie Marion, die Yogalehrerin, zu den 120 Mitarbeitern im Haus, die sich um alles kümmern. 300 Euro Taschengeld bekommt er dafür im Monat, Kost und Logis sind frei.

Kay: Alle Mitarbeiter haben ein Einzelzimmer, das ist ein altes Kur-Apartment mit Dusche und jeder Flur hat auch eine Küche. Das heißt als Mitarbeiter kann ich auch entscheiden, ob ich jetzt hier am Büfett teilnehme oder selber koche. Wenn einfach die Gästezahlen jetzt mit 400 doch sehr hoch sind, dann kann ich mich auch zurückziehen.

Deutschlandfunk: Eigentlich hat er mal Umweltwissenschaften studiert aber richtig sicher, was er aus seinem Leben machen will, sei er erst jetzt. Der 29-Jährige, der auch ein kleines Kind in Bielefeld hat, sagt von sich selbst, dass er lange auf der Suche war. Viele der Yogis, die sich in der alten Kurklinik gemeinschaftlich dehnen, teilen diese Erfahrung. Sie sind auf der Suche nach dem Glück.

Kay: Alle wollen dieses Wort erfahren können in ihrem Leben. Ich denke, es gibt unterschiedliche Ansätze, weshalb man hier herkommt. Es gibt einige Leute, die wollen einfach einen bewussten, trainierten Körper haben, dann wirklich einmal aus seinem Alltag auszubrechen. Man kann Leuten vielleicht auch ganz anders begegnen als jetzt in der Firma oder im Familienumfeld. Man hat immer bestimmte Rollen im Leben, die man spielt: der Chef, der Angestellte, der Vater der Sohn und hier ist man einfach jemand, der Yoga macht.

Deutschlandfunk: Dass in der Küche aber auch einer das Sagen hat, stört Kay nicht. Yoga hat er zum ersten Mal in Bad Meinberg geübt.

Kay: Es hat mich einfach interessiert mein Körpergefühl aufzubauen, eine Basis zu schaffen für meine Gesundheit. Wenn man regelmäßig eine leichte Art der Dehnung macht, jeden Tag in seinen Körper reinfühlt, zeitig aufsteht, dann bekommt man eben ein gutes Lebensgefühl. Ich bin präsenter, ich habe keine Gefühlsschwankungen. Ich bin ausgeglichen, ich bin fröhlich, nehm die Sachen, wie es kommt.

Deutschlandfunk: Im Yogazentrum gibt es keine Zeitungen, kein Radio und auch kein Fernsehen.

Kay: Wenn man sich bewusst davon verabschiedet, dann ist es nicht schlimm. Ich habe mich vorher sehr viel politisch beschäftigt, mit dem Weltgeschehen, und dann brauchte ich einen Ort der Ruhe. Ich war lange auf Teneriffa, bin dort umhergewandert und da habe ich es mir abgewöhnt Nachrichten zu hören, mich zu informieren. Und wichtige Sachen, wie das jetzt, was in Japan passiert, das erreicht einen ja immer. Wenn man mit Menschen zu tun hat, dann erreichen einen auch immer Nachrichten.

Deutschlandfunk: Dass der Tempel, in dem er jetzt lebt, Yoga übt und arbeitet nicht in Indien oder Thailand steht, findet er nicht kurios, sondern vor allem praktisch. Schließlich lebt sein Kind in Bielefeld. Mit dem Zug ist er in einer guten halben Stunde dort.

Kay: Vielleicht ist es für manch einen sogar besser, nicht immer eine große Reise zu machen und vor sich selbst zu fliehen, sondern in ein Zentrum zu gehen, wo man doch in einem westlichen Rahmen, einem westlichen Standard andersartige Kultur erleben kann und sich hineindenken kann.

Deutschlandfunk: Drei Jahre will er bleiben. Was danach kommt, ist weit weg.














Quelle

Die Radiosendung wurde produziert von M. Schielke (Autorin)

Siehe auch

Seminare mit Sukadev