Hermann Hesse

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Hermann Hesse, 1877-1962, Nobelpreisträger, war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller und Dichter. Hermann Hesse hatte große Bedeutung für die Verbreitung von Yoga in Deutschland, Europa und Amerika. In einem wichtigen Teil seiner literarischen Werke nahm Hermann Hesse auf Yoga und Buddhismus Bezug. So spielte und spielt er eine große Rolle in der Vermittlung indischen Gedankenguts und Yoga.

Hermann Hesse, 1927, Photo von Gret Widmann

Hermann Hesse, Lebensreformbewegung und Theosophie

1907 kam Hermann Hesse in den Schweizer Ort Ascona am Lago Maggiore. Dort kam er in Kontakt mit den Theosophen. Er blieb eine Weile in Kontakt mit Monte Verita, einem Zentrum der Lebensreformbewegung und damit des alternativen Lebensstils: Vegetarische Landkommune, Begegnungs- und Selbstfindungsstätte für Nudisten, Vegetariern, Asketen, Lebensreformern, Abstinenzlern und Weltverbesserern aus aller Welt. Hermann Hesse ließ seine Erfahrungen in diesem Lebensreformzentrum in seine Erzählung „Der Weltverbesserer“ und in den Roman „Demian“ einfließen.

Hermann Hesse und Yoga

Hermann Hesse setzte sich in der Folgezeit weiter gründlich mit Yoga auseinander. Und er schrieb im Jahr 1923, dass er „dem indischen Weg treu“ blieb, obwohl er diesen „nicht für besser als den christlichen“ hielt. (Hermann Hesse: Mein Glaube, S. 93).

Er blieb dem indischen Weg treu, „auch weil die Inder weit bessere, praktischere, klügere und tiefere Formen des Wahrheitssuchens, mit Hilfe der Yogamethoden wissen“. Und: „Ich habe das geistige Indertum ganz ebenso von Kindheit auf eingeatmet und miterlebt wie das Christentum.“ Hesse nimmt dabei insbesondere Bezug auf die Upanishaden, die Bhagavad Gita und die Reden des Buddha. (Hermann Hesse: Mein Glaube)

1924 schrieb Hermann Hesse in einem Brief: Die früheren Anhänger der Theosophie „vertieften sich in die östlichen Quellen und fanden diese so tief, kühl und schmackhaft, dass sie jene daraus abgeleiteten Verdünnungen nicht mehr schätzen konnten“ (Volker Michels, Materialien zu Herann Hesses Siddhartha, Band 1, S. 191).

1932 verfasste Hermann Hesse den Text: „Ein Stückchen Theologie“. Darin bezieht er sich direkt auf Yoga. Er beschreibt, wie der von Angst und Gier beherrschte Mensch sich nach Erlösng sehne. Hermann Hesse schreibt:

Mittel und Weg dazu ist Yoga, die Erziehung zur Beherrschung der Triebe. Einerlei ob Yoga als ganz materielle oder mechanische Bußübung betrieben wird oder als höchster geistiger Sport: Stets bedeutet es: Erzeiung zur Verachtung der Schein- und Sinnenwelt, Besinnung auf den Geist, den Atman, der uns innewohnt und der eins ist mit dem Weltgeist. Erst indem Yoga der Gnade weicht, indem er als Zweckstreben, als Beflissenheit, als Gier und Hunger erkannt wird, indem der aus dem Traum des Scheinlebens Erwachende sich als ewig und unzerstörbar, als Geist vom Geiste, als Atman erkennt, wird er unbeteiligter Zuschauer des Lebens, kann er beliebig tun oder nicht tun, genießen oder entbehren, ohne dass sein Ich mehr davon berührt hat“. Hesse: Gesammelte Werke in 12 Bänden, 10. Band, S. 70

Aus diesem Abschnitt kann man erkennen, dass Hermann Hesse Yoga sehr tief ergründet hat. Es ist anzunehmen, dass er sowohl Upanishaden, Bhagavad Gita, Yoga Sutra im Original kannte als auch dass er theosophische Werke und zeitgenössische Yoga Literatur kannte.

Die Yoga Praxis von Hermann Hesse

1950 schreibt Hermann Hesse nochmals über Yoga:

In Indien glaubt niemand daran, dass Meditation ohne Guru, ohne persönlichen Lehrer, erlernbar sein. Vermutlich glaubt auch niemand daran, dass ein Abendländer über die untersten Stufen des Yoga hinauskommen werde. … Ich selbst habe weder einen Guru gehabt noch bin ich auf höhere Stufen gelangt. Aber die Erfahrung habe ich machen können, dass die größte äußere Mithilfe zur Erreichung eines Zustandes der Konzentration und innerer Ruhe in der Tat in den Atemübungen besteht" (Hesse: Mein Glaube, S. 114 f.)

So kann man davon ausgehen, dass Hermann Hesse regelmäßig Meditation und Pranayama geübt hat.

Das Leben von Hermann Hesse - Chronologisch

  • 1877 2. Juli: Hermann Hesse wird als Sohn des pietistischen Missionars Johannes Hesse und dessen Frau Marie (geb. Gundert) in Calw geboren.
  • 1891 Hermann Hesse wird als Stipendiat in das evangelische Klosterseminar Maulbronn aufgenommen. Sieben Monate später flieht er, weil er nach eigenen Angaben "entweder Dichter oder gar nichts werden" will.
  • 1893 Kurz nach dem Bestehen des Einjährigen-Examens (Mittlere Reife) verläßt Hermann Hesse das Cannstatter Gymnasium.
  • 1895 Hermann Hesse schließt eine Lehre als Turmuhrenmechaniker ab und beginnt eine zweite als Buchhändler in Tübingen.
Erste literarische Arbeiten entstehen.
  • 1898 Hermann Hesses erste Lyriksammlung "Romantische Lieder" erscheint.
  • 1899 Hermann Hesse veröffentlicht Prosastücke unter dem Titel "Eine Stunde hinter Mitternacht".
  • 1899-1903 Hermann Hesse arbeitet als Buchhändler und Antiquar in Basel.
  • 1904 Der literarische Durchbruch gelingt Hermann Hesse mit dem zivilisationskritischen Entwicklungsroman "Peter Camenzind".
  • Hermann Hesse heiratet die Basler Photographin Maria Bernoulli. Aus der Ehe gehen drei Söhne hervor.
  • 1904-1912 Hermann Hesse lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in einem Bauernhaus in Gaienhofen am Bodensee.

* 1906 In der Erzählung "Unterm Rad" verarbeitet Hermann Hesse eigene Schulerfahrungen und Jugendkrisen.

  • 1907-1912 Zusammen mit Albert Langen (1869-1909), Ludwig Thoma (1867-1921) u. a. gibt Hesse die linksliberale Zeitschrift "März" heraus. Er betreut den belletristischen Teil.
  • 1911 Hermann Hesse bereist mehrere Monate mit dem Maler Hans Sturzenegger (1875-1943) Ceylon (Sri Lanka), Singapur und Sumatra, die Wirkungsstätten seines in der Mission tätigen Vaters wie seines Großvaters. Seine Hoffnung auf spirituell-religiöse Inspiration erfüllt diese Reise nach eigener Aussage nicht, dennoch wirkt sie auf sein weiteres literarisches Werk.
  • 1912 Übersiedlung mit der Familie nach Bern.
  • 1914 Bei Beginn des Ersten Weltkriegs meldet Hermann Hesse sich freiwillig zum Militärdienst für das Deutsche Reich. Er wird jedoch aufgrund seiner hochgradigen Kurzsichtigkeit für "felddienstuntauglich" erklärt. Daraufhin arbeitet er in der Kriegsgefangenenfürsorge. Unter dem Eindruck dieser Tätigkeit spricht er sich öffentlich gegen patriotische Kriegsdichtung aus und wird deshalb von rechtsstehenden Publizisten zum Vaterlandsverräter erklärt. Daraufhin reift bei Hermann Hesse der Entschluß heran, sich um die schweizerische Staatsbürgerschaft zu bemühen.
  • ab 1916 Der Tod seines Vaters, eine schwere Erkrankung seines Sohnes Martin, die ausbrechende Schizophrenie seiner Ehefrau und nicht zuletzt die Enttäuschung über das politische Versagen vieler Künstler und Intellektueller angesichts des Kriegs führen Hermann Hesse in eine tiefe Krise. Er unterzieht sich daraufhin einer Psychoanalyse bei einem Schüler von Carl Gustav Jung (1875-1961). Diese Erfahrungen fließen in den Roman "Demian" (1919) ein.
Erste malerische Arbeiten entstehen.
  • ab 1919 Hermann Hesse übersiedelt ohne seine Familie nach Montagnola im Tessin, wo er den Rest seines Lebens verbringt.
In zahlreichen Publikationen und in Antworten auf Leserbriefe wendet sich Hermann Hesse an die deutsche Jugend in der Hoffnung, Deutschland geistig zu erneuern und einen weiteren Krieg zu verhindern.
  • 1922 Der Roman "Siddharta" erscheint.
  • 1923 Hermann Hesse erhält die schweizerische Staatsbürgerschaft.
Scheidung von seiner Frau.
  • 1931 Heirat mit der Kunsthistorikerin Ninon Dolbin (geb. Ausländer).
Beginn der Arbeit am "Glasperlenspiel".
Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste aus politischen Gründen.
  • 1933-1945 Obwohl Hesse keine politischen Aufrufe unterzeichnet, läßt er in seinen Privatbriefen und literarischen Kritiken keinen Zweifel an seiner Ablehnung des NS-Regimes bzw. des Nationalsozialismus/Drittes Reich. Er dient zahlreichen Künstlern, die aus Deutschland fliehen, als erste Anlaufstation.
  • 1942 Hermann Hesse gibt sein lyrisches Werk gesammelt heraus.
  • ab 1943 Nach dem Erscheinen des "Glasperlenspiels" zieht sich Hermann Hesse aufgrund seines schlechter werdenden Gesundheitszustandes, vor allem wegen seiner zunehmenden Sehschwäche, weitgehend aus dem literarischen Leben zurück.
  • 1946 Hermann Hesse erhält den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.
Er wird für sein Lebenswerk mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
  • 1947 Hermann Hesse wird die Ehrendoktorwürde der Universität Bern verliehen.
  • 1955 Hermann Hesse erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
  • 1962 9. August: Hermann Hesse stirbt in Montagnola.

Hermann Hesse - ein westlicher Yogi

Hesse war und ist für Millionen von Menschen weltweit eine Kultfigur. Die einen verehren Hermann Hesse als Individualisten, der allen Widerständen zum Trotz seinen eigenen Weg ging. Die anderen finden in der Philosophie, die aus seinen Werken herausstrahlt den Sinn des Lebens, nach dem sie schon immer gesucht haben. Hesses Botschaft lautet kurz und knapp: Sei du selbst! Und daraus kommt natürlich die Frage: Wer bin ich?

Die Suche nach dem wahren Selbst beschäftigt die Menschen heute mehr als je zuvor. Hesse hat in seinen Werken einen Weg aufgezeigt, der zu allen Zeiten immer wieder neu gegangen werden kann. Daher sind seine Werke zeitlos und universell.

Für Millionen Menschen war Hesse ihr erster „Guru“, auch wenn das vielen zunächst nicht klar ist. Insbesondere für Teenager treffen die Worte Hermann Hesses etwas ganz Tiefes - und prägen junge Menschen zutiefst. Wer als 16- oder 17jähriger zum ersten Mal Siddhartha liest, kann davon total begeistert sein und das Gefühl bekommen, in einer fragwürdigen Welt endlich zu Hause angekommen zu sein. Die Wirkung von Siddhartha kann dabei lange nachwirken, der Geist Buddhas und Indiens kann Menschen tief berühren und danach nie mehr verlassen. So ging und geht es Millionen Menschen weltweit. Hesses Bücher verkauften und verkaufen sich in Millionenauflagen. Sie sind auch heute nach wie vor aktuell.

Siddhartha ist so etwas wie das „Glaubensbekenntnis“ Hermann Hesses. Siddhartha beschreibt gewissermaßen allegorisch den Lebensweg des historischen Gautama Buddha vom Verlassen seines Elternhauses, der langen Suche in der Welt, bis hin zu seiner Erleuchtung. Zwar betont Hermann Hesse, dass Siddhartha nicht der historische Buddha gewesen sein soll - jedoch wird er als solcher wahrgenommen. 1922 erschien das Buch Siddhartha beim S. Fischer Verlag in Berlin und trat von dort aus seinen Siegeszug in die Welt an. Der Erfolg des Buches Siddhartha verlief nicht linear. Vielmehr verlief er wellenförmig. Nach jahrelangen großen Erfolgen und der Verleihung des Nobelpreises 1946 geriet Hermann Hesse und seine Bücher gerade in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren immer mehr in Vergessenheit. Hesse wurde als verstaubter, altmodischer Kauz angesehen.

Die Renaissance von Hermann Hesse kam über den Umweg Amerika. Dort wurde Hermann Hesse in den 60er Jahren als „Prophet der Jugend und ein Guru des jungen Amerika“ gefeiert. Er wurde von der Beatgeneration begeistert als Gallionsfigur gefeiert, ebenso von der Drogenszene oder den Veteranen des Vietnamkriegs. Rebellion, Individualität und Freiheit waren die Themen der Zeit. Hermann Hesses Romanfiguren verkörperten diese Werte wie es nicht besser hätte gehen können. In den USA wurden bis 1973 acht Millionen seiner Bücher verkauft. Das meistverkaufte war Siddhartha mit drei Millionen Verkäfen, gefolgt vom Steppenwolf und Demian. Hesse ist auch heutzutage meistgelesene deutsche Autor im Ausland. Davon hätte Hermann Hesse in seinen schweren Jugendjahren kaum zu träumen gewagt.

Impressionen Indiens

Die indische Kultur wurde Hesse mit in die Wiege gelegt. Dr. H. Gundert,sein Großvater mütterlicherseits, war ein bekannter Sanskrit-Lehrer. Die Eltern von Hermann Hesse waren viele Jahre Missionare in Indien. Sie sprachen indische Sprachen und liebten die indische Kultur. Hermann Hesse beschreibt, dass das Elternhaus in Calw im Schwarzwald mit den „verschiedensten indischen Gegenständen“ ausgestattet war. Sein Großvater besaß eine umfangreiche Bibliothek der Weltliteratur, in der insbesondere Werke über Indien und von indischen Autoren einen wichtigen Teil ausmachten. So waren das indische Flair und die geistig-religiöse Kultur für Hesse von Kindheit an allgegenwärtig.

1911 begab sich Hermann Hesse im Alter von 34 Jahren gemeinsam mit dem Maler Hans Sturzenegger auf eine viermonatige Reise Richtung Indien. Sie gelangten allerdings nicht bis nach Indien - sondern blieben in Indonesien und Sri Lanka. Die als „Indienreise“ literarisch festgehaltenen Erfahrungen waren eigentlich Reiseerlebnisse in Indonesien bzw. „Hinterindien“.

Hermann Hesse beschäftigte sich schon seit 1907 intensiv mit Yoga, praktizierte Meditation und diverse Askesen. Er studierte die Bhagavad Gita, die Upanishaden, die Lehrreden Buddhas und die Schriften Laotses. Hermann Hesse war tief beeindruckt von der Weisheit indischen und taoistischen Gedankengutst. Hermann Hesse schreibt, dass ihm durch seine Reise in den Osten die Gemeinsamkeiten zwischen Christentum, Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus sehr bewusst wurden. Dieser Erfahrung der Einheit aller Religionen gab er im Rom Siddharta eindrucksvoll Ausdruck. Er bezeichnete diesen Roman als sein „Glaubensbekenntnis“. Hermann Hesse war so einer wichtigsten Vertreter „fernöstlicher Weisheit“ – und damit auch der Verbindung der geistigen Schätze des Osten und des Westens.

Hermann Hesse und das Ringen um Menschwerdung

Hermann Hesse wurde stark geprägt von der Spiritualität seiner Eltern: Diese verbanden nämlich so gegensätzliche Pole wie strnge pietistischer Religiosität und indische Spiritualität. Hermann Hesses Werke wurden so Ausdruck einer Weltanschauung, die in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen religiösen Anschauungen entstand und von dem authentischen Ringen um Menschwerdung geprägt war. In den Werken von Hermann Hesse geht es um die wahrhafte Menschwerdung und gleichzeitig um die Transzendenz des menschlichen Seins. All seine Werke sind durchdrungen von der Frage nach dem Sinn des Lebens und der Suche nach einer sinnvollen Synthese der Polaritäten.

Entsagung und Disziplin versus Genuss und Liebe als existentielle Grundfragen der Spiritualität

Eine zentrale Frage von Hermann Hesse ist die Frage, welche auch in der Bhagavad Gita, einer der wichtigsten Yoga Schriften, von entscheidender Bedeutung ist: Soll man Asket, ein Mönch der Entsagung, sein, Regeln befolgen und sich kasteien? Oder soll man sich lebensfroh und angstfrei ins volle Leben mit all den damit verbundenen Risiken stürzen? Diese Frage und die literarische Verarbeitung ist eines der Hauptthemen in den Werken von Hermann Hesse. Und dies ist eine Frage die jeden betrifft, der sich auf den spirituellen Weg begibt. Daher hat hat Hermann Hesse genau mit dieser Frage die Herzen so vieler Menschen berührt. Letztlich muss jeder der Yoga (oder andere spirituelle Praktiken) übt, für sich selbst beantworten, ob er eher asketisch oder lebensfroher leben will - oder wie er beide Pole miteinander verbindet. Wenn man Hesse liest, sieht man plötzlich ganz klar, worum es auf dem spirituellen Weg geht. Wer Hermann Hesse liest, spürt dass er nicht alleine ist mit den existenziellen Konflikten. Man kommt zum Verständnis, dass man nicht notwendigerweise ein asketisches, weltabgewandtes Leben führen muss, um zu tiefer spiritueller Verwirklichung zu kommen – eine Vorstellung, die zu Hesses Zeit noch weit verbreitet war. Vermutlich hat Hermann Hesse durch den Abbau dieser Vorstellung viel getan, um Spiritualität in der heutigen Zeit, einer eher sinneszugewandte Zeit, neue Attraktivität zu geben.

Diese philosophische Auseinandersetzung mit dem religiösen Erbe der Menschheit hat Hesse intensiv geprägt. Sie ist eine der Grundfragen im Christentum, im Judentum, im Islam, im Hinduismus, im Buddhismus - und damit auch im Yoga. Auch der Konflikt der zwei Seelen in der menschlichen Brust, wie man sie in Goethes „Faust“ auf dramatische Weise findet, ist zutiefst menschlich und für jeden nachvollziehbar.

Askese, Sinnesgenuss und Spießbürgertum

Hermann Hesse hat Askese und Sinnesgenuss als zwei Formen der Spiritualität begriffen. Nur das Spießbürgertum, das Mittelmaß, kommt bei ihm nicht so gut weg.

Das ist auch etwas Interessantes: Buddha wie auch die meisten Yoga Meister haben selbst extem gelebt - und über eine extreme Form der spirituellen Praxis die Erleuchtung erlangt.

Sie haben ihren Anhängern aber den Mittelweg , den Middle Path, gelehrt.

Hermann Hesse empfiehlt extremes, intensives Leben - für einen höheren Sinn.

Hermann Hesse zeitlos

Hermann Hesses Werke sind zeitlos, weil in ihnen die existenziellen Fragen des Lebens undogmatisch und doch intensiv, ja dramatisch, behandelt werden. Hermann Hesse glaubwürdig, weil er sich nicht rein denkerisch mit Philosophie auseinandergesetzt hat. Vielmehr hat er sich auch in die Abgründe des Daseins gewagt. Und er räumte neben dem Guten, Edlen auch dem weniger Edlen einen festen Platz im Leben ein.

Rebellion und Individuation - Begegnung mit Carl Gustav Jung

Die Begegnung mit Carl Gustav Jung, den er als genialen Menschen ansah, war ein Wendepunkt im Leben von Hermann Hesse.

1921 begann Hermann Hesse mit einer Psychoanalyse bei Jung. Damit wollte er in die Tiefen seiner Psyche eintauchen und die dort widerstreitenden Kräfte ausloten. Jung war begeistert von Hesses Roman "Demian".

Nach Abschluss der Jungschen Analyse konnte Hermann Hesse den Roman „Siddhartha“ vollenden, den er vor längerer Zeit begonnen hatte.

Hermann Hesse sah einen zweifachen Sinn einer Psychoanalyse:

  • Zunächst sollte die Analyse den Menschen in den Prozess der Rebellion und Individuation führen
  • Dann sollte aber die Erkenntnis und die Bereitschaft kommen, dass man sich nicht „gegen die Menschheit stemmt, sondern ihre Bahn willig mit beschreibt.“

Dualität und Polarität aufgelöst

Hesse formuliert die Dualität und den Konflikt zwischen ‚Sinnesgenuss und Entsagung’ in einem Gedicht an den indischen Dichter Bharthrihari: „Die gestern mich als Heiligen verehrt, sehn heute in den Wüstling mich verkehrt. Die Gestern mit mir in den Gossen lagen, sehn heute mich fasten und Gebete sagen …“. Hermann HEsse tolerierte also die beiden Pole im Menschen, er verurteilte sie nicht. Vielmehr sah Hermann Hesse es als die große Herausforderung, aus den Gegensätzen zu einer Synthese zu kommen, zu einem transzendenten Erleben, in dem sich die Dualität auflöst. Reines Advaita, könne man sagen, auch wenn Hesse selbst es nicht so genannt hat. Doch die Alleinheit bzw. der Weg dorthin liegt all seinen Werken zugrunde.

Das Gedicht "An den indischen Dichter Bhartrihari

Bhartrihari war ein König gewesen, der seinem Königreich entsagt hatte und Swami, Mönch, geworden war. Bhartrihari schrieb Werke über Vairagya, Entsagung, die für Sannyasins, also Entsagten, von großer Bedeutung sind. Der große Yoga Meister Swami Sivananda zitiert aus Bhartriharis Schriften insbesondere in seinem Buch "Necessity of Sannyas" immer wieder.

Für Hermann Hesse verkörperte Bhartrihari beide Pole: Er hatte als König ein Leben intensiver Sinnlichkeit und Weltlichkeit gelebt - und anschließend als Yogi ein Leben intensiver Askese und Entsagung.

An diesen indischen Dichter schreibt Hermann Hesse folgendes Gedicht:

An den indischen Dichter Bhartrihari

Wie du, Vorfahr und Bruder, geh auch ich
Im Zickzack zwischen Trieb und Geist durchs Leben,
Heut Weiser, morgen Narr, heut inniglich
Dem Gotte, morgen heiß dem Fleisch ergeben.
Mit beiden Büßergeißeln schlag ich mir
Die Lenden blutig: Wollust und Kasteiung;
Bald Mönch, bald Wüstling, Denker bald, bald Tier;
Des Daseins Schuld in mir schreit nach Verzeihung.
Auf beiden Wegen muß ich Sünde richten,
In beiden Feuern brennend mich vernichten.
Die gestern mich als Heiligen verehrt,
Sehn heute in den Wüstling mich verkehrt,
Die gestern mit mir in den Gossen lagen,
Sehn heut mich fasten und Gebete sagen,
Und alle speien aus und fliehen mich,
Den treulos Liebenden, den Würdelosen;
Auch der Verachtung Blume flechte ich
In meines Dornenkranzes blutige Rosen.
Scheinheilig wandl' ich durch die Welt des Scheins,
Mir selbst wie euch verhaßt, ein Greuel jedem Kinde,
Und weiß doch: alles Tun, eures wie meins,
Wiegt weniger vor Gott als Staub im Winde.
Und weiß: auf diesen ruhmlos sündigen Pfad
Weht Gottes Atem mich, ich muß es dulden,
Muß weiter treiben, tiefer mich verschulden
Im Rausch der Lust, im Bann der bösen Tat.
Was dieses Treibens Sinn sei, weiß ich nicht.
Mit den befleckten, lasterhaften Händen
Wisch ich mir Staub und Blut vom Angesicht
Und weiß nur: diesen Weg muß ich vollenden.
Hermann Hesse

Hermann Hesse und Yoga heute

Hermann Hesse ist für viele Yoga Liebhaber und Yoga Übende ihr Lieblingsautor.

Hermann Hesse als Erwecker zum Yoga

Viele Menschen kommen durch das Lesen der Romane von Hermann Hesse wie z.B. Steppenwolf aus ihrem "normalen bürgerlichen Denken" heraus. Nach Yoga Theorie werden dabei besonders Menschen angesprochen, die Yoga Samskaras aus früheren Leben haben, d.h. in einer früheren Reinkarnation schon Yoga geübt und sich im normalen Leben fremd gefühlt haben. Solche potentiellen Yoga Aspiranten finden sich im Steppenwolf wieder - und kommen so bewusst auf die spirituelle Suche. So war es auch bei Sukadev Volker Bretz, Gründer und Leiter von Yoga Vidya.

Noch mehr Menschen kommen über Hermann Hesses Roman Siddhartha, der inzwischen ja auch verfilmt wurde, zum Yoga.

Besonders wichtig war Hermann Hesse in den 1960er und 1970er Jahren. Nachdem die 1968er Generation bzw. die Hippies mit ihren gesellschaftlichen Revolutionen teilweise gescheitert waren, verhalf ihnen die Lektüre der Bücher von Hermann Hesse, mehr in Richtung Spiritualität und damit auch Yoga zu gehen.

Die Beliebtheit von Hermann Hesse ist bis heute ungebrochen - Hermann Hesse war dadurch einer der Wegbereiter der heutigen Yogawelle.

Hermann Hesse prägt das Verständnis vom Yoga

Gerade in Romanen wie Siddhartha und Narziss und Goldmund entwickelt Hermann Hesse eine Ablehnung gegen zu asketische, sinnenfeindliche Spiritualität. Viele spirituell Suchende sind dadurch mit geprägt: Spiritualität soll Lebenszugewandheit, Sinnesfreude, Liebe und Beziehung mit beinhalten.

Hermann Hesses Gedicht "Stufen"

Das in Yoga Kreisen beliebteste Gedicht von Hermann Hesse heißt "Stufen". Es wird immer wieder zitiert, insbesondere wenn ein Abschied gefeiert (oder auch betrauert) wird. Hier das Gedicht:

STUFEN

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegensenden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden....
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Am bekanntesten ist sicherlicht der mittlere Teil dieses Gedichtes>

:Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, :der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Yoga Praxis auch ohne Bücher und Gurus

Es gibt tausend Bücher darüber, die ich nicht gelesen habe, und es gibt z.B. in Nordamerika auch Yogaschulen, zum Teil mit indischen Lehrern. Auch sie kenne ich nur vom Hörensagen. Was ich zu gewissen Zeiten meines Lebens an Meditation nötig hatte, habe ich mir selbst erfunden, es ist nicht lehrbar und mittelbar.

Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, Suhrkamp Taschenbuch

Werke von Hermann Hesse

Kleine Auswahl von Werken von Hermann Hesse, die einen Bezug zu Yoga und Indien haben:

  • Aus Indien, Berlin : S. Fischer, 1913
  • Anton Schievelbeyn's ohn-freywillige Reisse nacher Ost-Indien, ünchen : Bachmair, 1914
  • Demian, Berlin : Fischer, 1919
  • Von der Seele, Stettin ( : Herrcke & Lebeling), 1920
  • Siddhartha, Berlin : S. Fischer, Verl., 1922, 1.-6. Aufl.
  • Narziß und Goldmund, Berlin : S. Fischer, Verl., 1930, 1.-20. Aufl.
  • Weg nach Innen, Berlin : S. Fischer, Verl., 1931, [Sonderausg.] 1.-30. Aufl.
  • Die Morgenlandfahrt, Berlin : S. Fischer Verl., 1932, 1.-5. Aufl.
  • Der Steppenwolf, Zürich : Büchergilde Gutenberg, 1942
  • Krieg und Frieden, Zürich : Fretz & Wasmuth, 1946

Siehe auch

Quellen