Gopala: Unterschied zwischen den Versionen

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==Der große Bruder==
==Der große Bruder==

Version vom 4. Februar 2014, 10:55 Uhr

Gopala (Sanskrit: गोपल gopāla m.) Beschützer (Pala) der Kühe (Go), Kuhhirte; Beiname Krishnas; Beschützer aller Wesen.

Baby Krishna mit Flöte und Schale

Der große Bruder

Indische Geschichte aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Weisheit Indiens. Märchen und Sinnbilder" 1938 im L.C. Wittich Verlag in Darmstadt erschienen. S. 13-17.

Der kleine Gopala fürchtete sich vor seinem Schulweg ins Dorf; er musste auf ihm ganz allein ein Stück durch den Dschungel und kam auf dem Heimweg in die Dunkelheit.

Aber seine Mutter konnte ihm nicht helfen, sie war ans Haus und an die Hausarbeit gefesselt, seit ihr Mann sie mit dem kleinen Jungen in der Welt allein gelassen hatte. Ihre kleine Hütte lag abseits von den runden Strohdächern des Dorfes auf einer Lichtung im Dschungel, zwischen Reisfeld und Gemüsegarten, die der junge Brahmane beide selbst angelegt hatte, als er die Hütte errichtete und seinen bescheidenen Hausstand begründete. Er sollte nicht alt darin werden; ein paar von den Kokospalmen und Mangos, die das Haus überragten, waren von ihm selbst gepflanzt: Sie wuchsen noch schneller als sein kleiner Sohn, der eben ins Leben getreten war, als er selbst so früh daraus scheiden musste.

Statt des erhabenen Singsangs heiliger Sprüche und Litaneien, die der Vater als heiligen Wissensschatz in sich getragen hatte und sich vorzusagen pflegte, klang nur mehr das eintönige Surren des Spinnrads, an dem die Mutter saß, — das Lied der Armut, dessen unablässige Melodie die Not beschwören soll.

Daneben vernahm der kleine Gopala im Halbschlaf, wie seine Mutter vor Tagesanbruch in ihrem Bett aufsaß und halblaut mit Sprüchen und Anrufungen der Götter ihre erste Andacht verrichtete. Kam sie dann vom morgendlichen Bad im nahen Fluss nach Haus in einem frischgewaschen weißen Baumwollgewand, so brachte sie ein paar Blumen mit, die sie gepflückt hatte, und trug sie in den kleinen Raum mit dem Hausaltar. Unter einem winzigen Baldachin von grellem Seidenstoff lag dort auf einem Samtflecken die kleine Bronzefigur des lieblichen Gottkindes Krishna, das in Armut und Wildnis aufgewachsen war, wie ihr eigenes Kind, — als ein „Gopala" —, ein Kuhhirt bei Kühen und Hirten verborgen, ehe er in die Welt auszog, sie von Dämonen zu erlösen und glücklich zu machen.

Frömmigkeit und Mutterschaft, Glaube und Liebe, Himmlisches und Irdisches flossen bei ihr in eins, wenn sie das kleine Götterbild mit Sandel, Blumen und duftenden Tulsiblättern verehrte. Sie tat das Übliche : Sie badete den kleinen Gott, kleidete ihn frisch und brachte ihm Weihrauch dar; sie weckte die verborgene Gottheit in der kleinen Figur mit Sprüchen und feierte ihre Nähe wie die Ankunft eines hohen lieben Gastes. Da war ihr der göttliche Hirt wie ein großer Bruder ihres kleinen Gopala: weltumfassend, riesengroß und ungreifbar fern, und doch so nahe wie ihr eigener Herzschlag.

Was Wunder, dass sie mit ihm, dem verborgen Allgegenwärtigen, dem Heiland und Gespielen der Menschen, den kleinen Gopala tröstete, als er sich bangte, allein durch die abenddunkle Wildnis zu laufen. „Hab keine Angst", sprach sie ihm zu, „im Walde ist ein großer Gopala, der hütet im Dickicht die Kühe. Das ist dein großer Bruder. Denk immer an ihn, wenn dir bang wird; er ist dir nahe, dass dir kein Leid geschieht. Du musst ihn rufen, dann wird er dir antworten."

Gopala glaubte ihr, und als er sich im Abenddunkel auf dem Heimwege fürchtete und nach dem großen Bruder rief, vernahm er wirklich eine Stimme : „Sei nicht bang, kleiner Bruder, — ich bin da. Geh nach Haus und fürchte dich nicht."

Ganz aufgeregt und begeistert erzählte Gopala der Mutter von dieser ersten Begegnung mit dem großen Bruder: Er hauste wirklich im Dschungel ganz nahe und weidete die Kühe und hatte ihm geantwortet. Das Rufen nach dem großen Bruder wurde zu einer Gewohnheit auf dem Heimweg, zu einer Art Beschwörung. Alle Abende rief Gopala wie beim ersten Mal die Frage in den dunkelnden Busch, „Bruder Kuhhirt, bist du da? Die Mutter sagt, du wärst da, darum rufe ich nach dir. Ich fürchte mich so allein." Und jedes Mal antwortete ihm die tröstende Stimme.

Gopala war beseligt, die unsichtbare Nähe des großen Bruders füllte ihn mit einem großen, ungekannten Glück; ihm war, als habe er sich immer schon nach ihm gesehnt, ohne zu wissen, was ihm fehle. Die Mutter teilte sein Geheimnis und schien von einem zarten Glück überhaucht. Aber wie sah der große Bruder aus? Die Mutter musste es wissen. Sie musste ihn Gopala schildern, ganz genau, und sie tat es, wie die Legenden den göttlichen Hirten schildern, die ihr von klein auf vertraut waren. Sollte Gopala seinen großen Bruder nie zu sehen bekommen, — dass er einmal aus dem Dickicht hervortretend sich ihm zeigte? — diese Frage bewegte beide, seit sie zugleich in ihnen aufgestiegen war, als Gopala wie alle Abende von seinem Gespräch mit dem Bruder erzählt hatte.

Und als Gopala wieder durch den Dschungel lief, bat er den großen Bruder nach dem gewohnten Ruf- und Antwortspiel, „zeig dich mir, dass ich dich sehe". Aber des Bruders Stimme verwies ihn: Er habe keine Zeit. Doch Gopala drängte; er bat und beschwor ihn, und wahrhaftig, auf einmal trat der große Bruder aus dem Dickicht und erschien im dunkelnden Schatten der Bäume: ein schlanker junger Hirt, ganz wie die Mutter ihn beschrieben hatte, mit dunkler Haut und dunklen Träumeraugen, eine Pfauenfeder im schwarzen Lockenschopf und eine Flöte in Händen, auf der er bezaubernd blies.

Jetzt gab es zu Hause immer mehr zu erzählen von den Begegnungen im Walde: wie sie miteinander vertraut wurden, der Große und der Kleine; sie spielten zusammen und streiften durch die Wildnis, stiegen in die Bäume und pflückten Früchte und Blumen, bis Gopala lieber beim großen Bruder im Busch als in der Schule war. Die Mutter fühlte das Wunderbare, das mit dem großen Bruder ins Leben getreten war; aber sie verlangte nicht, ihn im Busch zu sehen; sie dankte ihm am Hausaltar, wenn ihre Lippen in stummem Spiel nach einem neuen Gebet, das sie noch nicht wusste, tasteten.

Und dann begab sich die Geschichte mit dem Geschenk für den Schulmeister, der ein Familienfest feierte...

Der Lehrer im Dorf sah nie ein Schulgeld, aber zu Festtagen und besonderen Anlässen erwartete er Geschenke. Die Kinder erörterten eine solche bevorstehende Gelegenheit, ihm eine Gabe von zu Hause zu bringen, lebhaft unter sich; ein paar aus wohlhabenderen Häusern taten sich mit den mutmaßlichen Geschenken ihrer Eltern wichtig, Gopala aber war traurig und ratlos. Ihm fiel nichts ein, um was er die Mutter in ihrem armseligen Haushalt hätte bitten können. Auch die Mutter wusste nichts, was als Geschenk hätte bestehen können; aber sie sah die Not des Kleinen und tröstete ihn in der Nacht: Vielleicht wüsste der große Bruder Rat, der große Gopala im Busch. Der Kleine solle ihn bitten, ihm etwas zu geben, was er dem Lehrer als Geschenk bringen könnte.

Andern Tags war das Fest im Hause des Lehrers. Auf dem Weg ins Dorf rief Gopala den wunderbaren Kuhhirten wie immer im Walde; er erschien, und Gopala klagte ihm seinen Kummer. — „Brüderchen Gopala", sagte der Große, „ich bin nur ein Kuhhirt und habe kein Geld; aber nimm hier den Topf voll Sahne und bringe ihn deinem Lehrer als Geschenk eines armen ,Kuhhirten`."

Gopala lachte über den Witz, den der große Bruder mit seinem Namen machte: Er gab der bescheidenen Gabe einen besonderen Sinn und eine Art Berechtigung. Überdies dünkte ihm alles herrlich und wunderbar, was mit dem herrlichen großen Bruder im Walde zusammenhing. Jubelnd nahm er den Topf mit Sahne und eilte ins Dorf zum Hause des Schulmeisters.

Die anderen Kinder umdrängten den Lehrer schon in einem dichten Haufen, um eins nach dem anderen ihm die Gaben der Eltern zu überreichen. Gopala mit seinem Topf Sahne nahm sich neben besser gekleideten Kindern mit reicheren Geschenken etwas armselig aus und empfand das selbst. Mit einemmal war aller Jubel in ihm wie ausgeblasen; seine großen dunklen Augen kämpften mit schweren Tränen, wie er da stand, den Sahnetopf andächtig gegen die kleine Brust gepresst, und wartete, dass endlich auch an ihn die Reihe käme, unter den geringschätzigen Blicken anderer Kinder seine ärmliche Gabe darzubringen.

Der alte Lehrer bemerkte sein schmerzlich zuckendes Gesicht und winkte ihn mit seinem Geschenk heran. Er nahm ihm den kleinen Topf Sahne aus den Händen und leerte ihn in ein Gefäß, das neben ihm stand. Aber wie er den leeren Topf dem Kinde zurückgeben wollte, quoll es innen neu in ihm auf und der Topf war wieder voll Sahne. Verwundert leerte der Schulmeister ihn wieder in das Gefäß, aber er hatte gut ausschütten und leeren soviel er wollte, — augenblicklich war der Topf wieder voll.

Alle standen herum und staunten über das Wunder; der Lehrer zog Gopala in seine Arme — es geschah zum erstenmal, und Gopala wusste es wohl — und fragte ihn, wo er den wunderbaren Sahnetopf herhabe. Da strahlte Gopala und erzählte, indes die Kinder und die Festgesellschaft um den Lehrer verwundert lauschten, von seinem großen Bruder im Walde, der nicht bloß wie er Gopala heiße, sondern ein richtiger Kuhhirt sei mit einer Pfauenfeder in den dunklen Locken, und wie schön er auf der Flöte bliese. „Soll ich dich zu ihm führen?" rief er und nahm den Schulmeister bei der Hand; der folgte ihm zweifelnd und verwundert, um zu sehen, was an der Geschichte des Kleinen sei.

Die beiden kamen in den Dschungel; Gopala rief seinen Bruder, — er rief ihn hin und her; nichts regte sich. Sie schlugen sich durchs Dickicht, traten an Stellen, wo der Große dem kleinen Bruder erschienen war und mit ihm gespielt hatte, suchten kreuz und quer und erfüllten den Wald mit ihrem Rufen, — niemand zeigte sich.

Der Lehrer verlor die Geduld und blieb ungläubig, Gopala war dem Weinen nahe. In seiner Verzweiflung beschwor er den Bruder, der sich nicht blicken ließ, wenigstens mit einem Laut auf sein Rufen zu antworten, damit der Lehrer ihm Glauben schenken könne.

Da kam aus dem reglosen Dickicht von fernher die Stimme: „Gopala, du und deine Mutter habt mich mit eurem Glauben und eurer Liebe zu euch gezogen, — aber dem Schulmeister sag: Bei ihm hat es noch gute Weile, bis er mich zu sehen bekommt."

Siehe auch

Literatur