Geheimnis der Katha Upanishad - Vortrag 5

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Swami Krishnananda beim Gebet

Geheimnis der Katha Upanishad - Vortrag 5

Vortrag 5

Der Pfad der Seele mit ihrer absolute Bestimmung wird in der Kathopanishad mit Hilfe des Wagens als Körper beschrieben. Wie bewegt sich dieser Wagen? Welche Philosophie spielt beim Fortschritt des Individuums auf dem Weg hin zu seinem Ziel eine Rolle? Dieser innere Prozess des Individuums hin zum Absoluten ist das, was man als Sadhana-Praxis oder Yoga kennt. Während es darüber ausgefeilte Textunterlagen gibt, trifft die Upanishad zu diesem Punkt mit folgendem Mantra nur eine Aussage:

Yachhed vang manasi prajnas tad yachhed und so weiter.

Der Weg des Yoga ist ein schrittweiser Prozess des Aufstiegs und der Erleuchtung. Es ist ein systematischer stufenweiser Prozess, wobei von Stufe zu Stufe eine immer größere Freiheit erreicht wird. Unsere Bindungen sind nicht von gleichförmigem Charakter. Die Art und Weise, wie wir in vergängliche Erfahrungen verstrickt sind, ist sehr kompliziert. Man ist nicht nur, wie beispielsweise eine Kuh, mit einem einzigen Strick an einen Pflock gebunden. Die Bindungen der Wiedergeburten sind, so weit wir Bindungen oder Leiden normalerweise verstehen, von unterschiedlicher Qualität. Unsere Leiden sind sehr seltsam. Auf Grund ihrer Eigenartigkeit wissen wir manchmal nicht, dass wir überhaupt leiden. Einige Menschen sind seit Jahren krank, sodass sie sich an diese Lebensform gewöhnt haben. Zu Beginn der Krankheit fühlten sie sich nur ein wenig unwohl. Später wurde dies zur Normalität. Unendliche Zeit muss vergangen sein, seitdem wir diese Ebene der Samsara betreten haben. Wir sind durch verschiedenste Geburten hindurchgegangen. Wir haben seit damals die Form unterschiedlichster Spezies und Organismen angenommen, und es heißt, dass wir nun die Ebene des menschlichen Daseins betreten haben. Wir haben in all diesen Lebensformen Erfahrungen gesammelt. All diese Erfahrungen waren für die jeweilige Spezies, in die wir hineingeboren wurden, von seltsamer Natur. Doch manchmal haben wir das Leben auch als Bindung empfunden. Wir, die wir als Menschen in dieser Welt, auf diesem Planeten Erde und zu dieser Zeit leben, wollen die Tatsache der Bindung, der wir unterliegen, nicht wahrhaben. Sind wir uns immer dieser Bindung oder dieser unglücklichen Erfahrung bewusst? Wir haben unzählige Gelegenheit zu jubeln und uns zu erfreuen. Das Leben ist für die meisten Menschen ein Vergnügen, doch die Bitterkeit, die sich dahinter verbirgt, kommt nur gelegentlich und unter bestimmten Umständen zum Vorschein. Unser Bewusstsein ist an diese Art der Erfahrungen gewöhnt. Diese Gewohnheit des Bewusstseins an bestimmte Zustände ist der Grund, warum wir Schmerz als Vergnügen empfinden. Das Leben eines Menschen, das Leben im Allgemeinen, ist nüchtern betrachtet, von solch einer komplizierten Verstrickung, dass unsere Unwissenheit schon als sehr ernst anzusehen ist. Diese Unwissenheit als Quelle der Freude zu betrachten, ist das Schlimmste, was den erschaffenen Individuum befallen kann. Dieses ist als Avidya oder Nichtwissen bekannt. Avidya, Unwissenheit, bedeutet nicht unbedingt Vergessenheit oder völlige Trägheit des Geistes. Die Unwissenheit, in die wir eingehüllt sind, ist keine Aufhebung allen Verstehens oder aller Verstandestätigkeiten. Es ist noch schlimmer. Es ist kein Schlafzustand des Geistes, wo ihm überhaupt nichts mehr bewusst ist, sondern ein positiver Irrtum der Wahrnehmung. Eine Sache wird für etwas Anderes angenommen, wobei dieses Andere, das als Wirklichkeit angesehen wird, irrtümlicherweise etwas überlagert, was der Wahrheit entspricht. Das augenblickliche, vergängliche Universum wird als permanente, stabile Heimstatt der Freude missverstanden. Dieses ist eine Form der Unwissenheit, denn sie ist das Gegenteil von Wahrheit. Die körperliche Kapselung, die physische Persönlichkeit und die sozialen Umstände, unter denen wir leben, werden als Quellen des Vergnügens angesehen. Selbst unser Körper wird als Objekt der Schönheit und wie ein Kunstwerk verehrt, das wir, wenn möglich, tagtäglich im Spiegel betrachten, ohne zu wissen, was es wirklich ist. Die Lebenserfahrungen sind wahrhaftig kein Vergnügen. Die Bedingungen, denen wir von morgens bis abends begegnen, sind kein Vergnügen, doch wir versuchen nicht nur das Beste daraus zu machen, sondern wollen einen Himmel aus einer Hölle erschaffen. Dieses ist gemeint, wenn man Schmerz als Vergnügen missversteht. Und der größte Irrtum, der in der langen Fehlerliste allem vorausgeht, ist das Missverständnis von non-Atman und Atman, wobei Objekte als Subjekt, Äußeres als das Universale, Vergängliches als Permanentes und Materie als Bewusstsein angenommen werden. Genau in diesem Zustand befinden wir uns. Von dieser Art der Bindung, die wirklich eine schwierige Zusammensetzung darstellt, müssen wir uns Schritt für Schritt befreien. Dieses ist das Ziel des Yoga. Von der Unwissenheit und seinen Auswüchsen müssen wir uns befreien und parallel die Meisterschaft über uns selbst erlangen.

Bindungen sind nicht allein abhängig von non-Atman, sondern gleichzeitig auch die vergessende Natur des Atman. Das Bewusstsein der Objekte erfordert gewissermaßen ein Vergessen des Subjekts. Sachlich betrachtet, ist das Bewusstsein der Existenz irgendwelcher Äußerlichkeit der Grund für die Übertragung eines Teils unseres Bewusstseins zu äußeren Objekten. Alle Wahrnehmungen sind eine nach außen gerichtete Bewegung des Bewusstseins. Das Bewusstsein eines Objektes, die Kenntnis von äußeren Dingen, ist eine Bewegungsform unseres inneren Bewusstseins und den äußeren Bedingungen. Wir sind uns auf Grund unseres Seins im Zustand der Bewegung zu den Bedingungen des Äußeren einer existierenden Welt bewusst. Aus diesem Grunde wird das menschliche Leben mehr im Zustand des Werdens als im Zustand des Seins betrachtet. Das Leben wird von Meistern wie Buddha als ein Prozess der Vergänglichkeit gesehen. Sie haben die Welt niemals als letztendliche Existenz angesehen. Nichts in der Welt ist. Alles vergeht. Alles bewegt sich. Selbst unser Bewusstsein über die existierende Welt ist ein Prozess einer flüchtigen Bedingung von Aktivitäten des Geistes, das heißt wir sind in ewiger Anityata, Sterblichkeit, Veränderung und in einem Drang hin zu etwas, was sich jenseits jeder Ebene befindet, auf der wir uns gerade aufhalten. In uns herrscht eine ewige Frage nach ‚Mehr‘. Wir fragen nach immer endlos mehr, und wir erreichen kein Ende. Einer der westlichen Philosophen, William James, nannte diesen Prozess die Philosophie des ‚Mehr‘. Das ganze Leben des Menschen wird immer von diesem ‚Mehr‘ bestimmt. Was auch immer man erhält, entspricht nicht den Vorstellungen. Wenn man zum Regenten der Erde wird, möchte man den Himmel regieren usw. Dies geschieht, weil in uns die Neigung vorherrscht, über die Fesseln / unsere Grenzen hinauszugehen, die körperlichen und geistigen Fesseln zu durchtrennen und über alles hinwegzugehen, um das zu erreichen, was wir glauben verloren zu haben, und von dem wir gegenwärtig keine Kenntnis besitzen. Wir kennen unsere Fesseln / Beschränkungen nicht einmal. Es ist wie bei einem Kranken, der nicht weiß, welche Gebrechen er hat. Die Beschränkungen werden offenbar, wenn deren Natur erkannt wird. Ein wirklicher Dieb ist jemand, der niemals gefangen wird. Ein Dieb, der gefangen wird, ist kein guter Dieb. Ähnlich verhält es sich, wenn man seine Fesseln erkannt hat, in die man verstrickt ist, existieren sie nicht mehr. In dem Augenblick hat man sie teilweise überwunden. Doch wir sind bis hinauf zu unserem Hals gefesselt. Wir sind nicht nur in ihnen gefangen, sondern wir sind auch durch unseren derzeitigen Kenntnisstand benachteiligt, denn wir wissen nicht, was mit uns geschehen ist. Dieses ist der Inbegriff von Samsara.

Die Schwierigkeit der Yogapraxis, der Weg des Spirit, liegt in diesem zentralen Rätsel unserer Unwissenheit, von der wir befallen sind, das heißt wir wissen nicht, wo wir uns augenblicklich befinden, und was wir zu unserem wahren Frieden brauchen. Es gibt mehrere Ebenen der Fesseln. Die Fesseln sind nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Sie sind in unserer Beschaffenheit, wie in einen Teppich, eingewebt, der aus verschiedenen Ebenen besteht, die miteinander verknüpft wurden. Er ist groß und dick. Wenn man eine Ebene abschält, befindet sich darunter die nächste Ebene. Es existiert eine organisch gewachsene Kompliziertheit in den fesselnden Verbindungen, die ein Teil von uns sind. Die Yogapraxis bietet darum keinen geraden Weg direkt auf ein Ziel hin. Sie ist ein sich windender Prozess, manchmal eine zirkulierende Bewegung, mit Vorwärts- und Rückwärtsschritten, mit Aufs und Abs. Sie ist wie der Einstieg in die Chakravyuha, der uneinnehmbaren Festung in der Mahabharata. Man weiß nicht, wo man anfangen soll, und wenn man sie betritt, weiß man nicht, wie man wieder herauskommen kann. Von solch einer Schwierigkeit ist die Praxis auf dem Weg des Spirits, dem Weg von Atman.


© Divine Life Society

Siehe auch

Literatur

Seminare

Jnana Yoga, Philosophie

Hier erscheint demnächst wieder eine Seminarempfehlung: url=interessengebiet/jnana-yoga-philosophie/?type=2365 max=4