Die Verwirklichung des Absoluten - Kapitel 4 - Die Natur der Wirklichkeit

Aus Yogawiki
Swami Krishnananda beim Arati

Die Verwirklichung des Absoluten - Kapitel 4 - Die Natur der Wirklichkeit

Die Verwirklichung des Absoluten - Kapitel 4 - Die Natur der Wirklichkeit

Brahman als Existenz oder Sein

Vor langer Zeit hat der Rigveda verkündet:

"Das Eine Sein, von dem die Weisen unterschiedlich sprechen."

Die ganze Philosophie geht davon aus und die ganze Religion gründet darauf. Wir hören außerdem solche Erklärungen wie: "Wahrheit, Wissen, Unendlichkeit ist Brahman", "Bewusstsein und Wonne ist Brahman", "All DAS ist wahrlich Brahman", "Dieses Selbst ist Brahman", "Unsterblich, furchtlos ist Brahman" und so weiter. Weiterhin sind uns Behauptungen bekannt wie: "DAS, aus dem diese Wesen geboren sind, durch DAS sie nach der Geburt leben, in DAS sie wieder eintreten und mit DEM sie EINS werden, - erkenne DAS, "Allgegenwart, Allwissenheit und Allmacht, so wird gesagt, sind die Eigenschaften Gottes. Sie dienen dazu, die zwiefältige Natur Brahmans, - die Wirklichkeit - zu bestimmen, und zwar ihre essentielle Natur (Svarupa-Lakshana) und die nebensächlichen Beifügungen (Tatastha-Lakshana). Erstgenanntes ist die unzerstörbare Wahrheit Brahmans, letztgenannte sind seine aufgestülpten abhängigen Qualitäten, die den Veränderungen des Zeitprozesses unterliegen. Das 'Svarupa-Lakshana' eines Dinges entspricht seiner Definition in Begriffen, die sich auf die Eigenschaftsmerkmale oder 'Svabhavas' stützen, aus denen sich das Ding, solange es existiert, zusammensetzt. Die Merkmale, die das 'Svarupa-Lakshana' eines Dinges ausmachen, sind identisch mit der essentiellen Existenz eines Dinges als solchem. 'Svabhava' und 'Svarupa ' bedeuten das gleiche Ding und sind keine zwei Dinge, die zu einem anderen in irgendeinem Kontakt stehen. Ein Haus kann zum Beispiel anhand seiner essentiellen Merkmale, die solange verweilen wie das Haus selbst besteht, definiert werden. Solch eine Definition würde das 'Svarupa-Lakshana' eines Hauses sein. Als 'Svarupa-Lakshana' Brahmans sollten nur jene Eigenschaften zugelassen sein, die EWIG sind wie Brahman Selbst und nicht wie jene, die vorübergehend im Verhältnis zu Jiva (individuelle Seele) erscheinen. Existenz oder 'Sat' ist stets Ewig. Es kann keine Auflösung der Existenz geben. Und Existenz wiederum kann nicht ohne das Bewusstsein von Existenz sein. Daher ist Bewusstsein oder 'CHIT' ebenfalls Ewig. Da Existenz Ungebunden, Ungeteilt, Einzigartig und in jeder Hinsicht Unendlich ist, ist sie auch höchste Freiheit oder Wonne. Somit ist Wonne oder 'Ananda ' genauso Ewig wie Existenz und Bewusstsein. Existenz-Bewusstsein-Wonne oder 'Satchidananda' ist keine dreigeteilte, sondern die eine ewige Wirklichkeit. Dies entspricht dem 'Svarupa-Lakshana' oder der Definition von der ESSENTIELLEN NATUR Brahmans. Obwohl Sat-Chit-Ananda in Wirklichkeit Eins sind, manifestieren sie sich unterschiedlich durch die tamasischen, rajasischen und sattvischen Vritti (Gedankenbewegungen) des Manas (Denkorganes), wobei das Tamasika-Vritti ausschließlich Existenz offenbart, das Rajasika-Vritti die Kombination von Existenz und Bewusstsein und das Sattvika-Vritti den gesamten Existenz-Bewusstsein-Wonne-Komplex. Sat-Chit-Ananda sind keine Teile oder Eigentum Brahmans, sondern Brahmans wahre Essenz oder eigenes Sein. Das 'Tatasthalakshana' eines Dinges entspricht dessen Definition in Begriffen von bestimmten Eigenschaftsmerkmalen, die in nebensächlichem Zusammenhang zu ihm bestehen und nicht für immer existieren. Diese Merkmale befinden sich außerhalb des definierten Dinges und bilden somit nicht dessen essentielle Natur. Sie unterscheiden sich vom Svarupa oder Svabhava, das heißt vom definierten Ding als solchem. Es besteht eine äußere Beziehung zwischen diesen Merkmalen und dem Ding, das sie definieren. Ein Haus kann zum Beispiel als ein Gebäude definiert werden, auf dessen Dach eine Krähe sitzt, was jedoch nicht bedeuten muss, dass sich auf jedem Haus stets eine Krähe befindet. Dies ist nur eine vergängliche Definition des Hauses im Verhältnis zu einem äußeren Objekt, wobei das Verhältnis eher vorübergehender Natur ist. Diese Definition hat keinen dauerhaften Wert. Weiterhin ist dies eine unvollständige Definition, die allerdings dem 'Tatasthalakshana' eines Hauses durchaus entsprechen würde. Das 'Tatasthalakshana' von Brahman ist die Definition Brahmans in Begriffen des scheinbaren und vergänglichen Universums, entsprechend der individuellen Erfahrung. Sowohl Schöpfung, Erhaltung und Auflösung des Universums, als auch All-Gegenwart, Allwissenheit und All-Macht, sind alles Merkmale, die Brahman im Verhältnis zu etwas, das sich (scheinbar) außerhalb von IHM befindet, zugeordnet und übergestülpt werden. Diese Definition ist nur solange tauglich, solange das Universum (als wirklich) erfahren wird. Es ist eine abhängige und künstliche Definition, die kein wirkliches Verhältnis zu DEM hat, was zu definieren versucht wird. Die Ursächlichkeit Brahmans ist keine Tatsache als solche, sondern eine erfahrungsbedingte Vorstellung des 'Jiva' (indiv. Seele).SEIN ist Wahrheit im transzendenten Sinne ohne Beziehung zu irgend etwas. ES kümmert sich nicht um die Schwierigkeit des Menschen, die Begrenzungen des relativen Bewusstseins nicht transzendieren zu können und somit den Wert und die Bedeutung der relativen Ordnung für die Wahrheit zu halten. Der Höchste Wert der Wahrheit ist gleichbedeutend mit reinem Sein, denn Nicht-Sein kann keinen Wert haben.

"Dies war am Anfang ausschließlich Existenz (Sein), -Eines allein ohne ein Zweites."
-Chh. Upanishad, VII.2.1.

Brahman ist DAS, was beständig in den Dingen ist, die sich verändern. ES ist ohne Namen und Form, welche beide die charakteristischen Eigenschaften der Erscheinungswelt sind. ES ist essentiell Absolute Existenz. Existenz kann sich niemals verändern, kann niemals vergehen, auch wenn die von IHR durchdrungenen Dinge verschwinden. Existenz ist daher die Natur der Wirklichkeit und unterscheidet sich von den formen- und namengebundenen Dingen. Existenz ist ohne etwas Zweites und hat keine äußeren Beziehungen oder innere Unterscheidungen. ES ist nicht von Raum, Zeit und Individualität begrenzt. ES bezieht sich auf nichts, da es nichts Zweites gibt. Es gibt weder etwas Ähnliches noch etwas Unähnliches, denn nur 'DAS allein IST'. Das gesamte Universum ist eine spirituelle Einheit und eins mit dem essentiellen Brahman. ES hat weder innen noch außen einen Unterschied. Brahman ist strukturell überall gleich und daher entspricht die Kenntnis von Einem Teil dem Wissen um das Ganze. Selbst-Erkenntnis ist die Erkenntnis Brahmans. Alles, was ist, ist der eine Brahman, das Wirkliche des Wirklichen,- "Satyasya Satyam" -. ES zu kennen, heißt ALLES zu kennen.

"Wie durch die Erkenntnis eines Klumpen Erde alles, was aus Erde gemacht ist, erkannt werden kann, - alle Veränderungen sind lediglich Namen und ein Spiel der Sprache, da das letztendliche Substrat all dieser Dinge die Erde ist - , so wird gleichermaßen alles erkannt, wenn Brahman erkannt wird."
"Wo scheinbare Dualität ist, ist eine Subjekt-Objekt-Beziehung; doch wo Atman allein ist, - wie kann es da irgendeine Beziehung geben oder eine Handlung zwischen irgend etwas stattfinden ?"
"Da ist Wissen und dennoch ist da keine Wahrnehmung oder Erkenntnis, denn dieses Wissen ist unzerstörbar; es ist beziehungslose Bewusstseins-Masse".
-(Vide Brih. Upanishad)

ES ist der ewige objektlose Kenner und alles andere ist nichts, - lediglich eine Erscheinung, etwas Falsches.

Brahman ist Existenz, die unendliches Bewusstsein und reine Wonne ist.

"Brahman ist Existenz, Bewusstsein, Unendlichkeit."
-TAITT.UPANISHAD,II.1.
"Brahman ist Bewusstsein, Wonne."
-Brih. Upanishad, III.9.28.
"DAS, was Unendlichkeit ist, ist Wonne und Unsterblichkeit."
-Chh. Upanishad, VII. 23, 24.

Diese Sätze beinhalten die beste Definition der Höchsten Wirklichkeit. Brahman ist Bewusstsein. ES ist der letztendliche Kenner. ES ist nicht wahrnehmbar, denn niemand kann den Kenner kennen, niemand kann DAS kennen, durch das alles erkannt wird.

"Es gibt keinen Sehenden, sondern DAS;
keinen Hörenden, sondern DAS;
keinen Denkenden, sondern DAS;
keinen Erkennenden, sondern DAS."

ES ist das ewige Subjekt der Erkenntnis und niemand kennt ES als das Objekt der Erkenntnis. Dieses grenzenlose Selbst-Bewusstsein ist die alleinige Wirklichkeit. ES ist die Fülle der Vollkommenheit und Unendlichkeit.

"BRAHMAN ist Unendlich, das Universum ist Unendlich, aus dem Unendlichen setzt sich das Unendliche fort und nach der Wegnahme des Unendlichen vom Unendlichen verbleibt nur das Unendliche."

Dieser Satz aus den Upanishaden scheint die Unendlichkeiten aufeinander zu türmen und zu dem verwirrenden Schluss zu kommen, dass nach der Wegnahme des Ganzen vom Ganzen ausschließlich das Ganze zurückbleibt. Die hier eingepflanzte Bedeutung liegt im Unveränderlichen und Unsichtbaren Charakter der Unendlichen Wirklichkeit, unabhängig von all den Formen, die scheinbar in IHR erschaffen werden. Das Unendliche ist Nichtdual und es sind keinerlei Verfahrensweisen mit IHM möglich.

Wir lesen von Sanatkumara, der die Gedanken Naradas von dessen unangemessenen Vorstellungen hinsichtlich der Wahrheit zu angemesseneren Vorstellungen führte und schließlich dazu überging, ihm die Majestät Bhumas, - das 'absolut Grosse', das 'Unbegrenzte', über dem es nichts mehr gibt, DAS alles versteht, DAS den gesamten Raum ausfüllt und DAS mit dem SELBST in uns identisch ist -, zu erklären. Bhuma ist das essentielle Brahman, wo man nichts sieht, nichts hört, nichts versteht. ES ist Wonne und Unsterblichkeit, - das Plenum der Glückseligkeit. ES ist das vollkommene Sein.

Nun, die Vorstellung von der Wirklichkeit als einem zusammengesetzten Sein lässt gleichermassen die Idee des Nicht-Seins entstehen. Der RIGVEDA (X.129.1) sagt, dass am Anfang weder Nicht-Sein noch Sein war (Na Asad Asit, Na Sad Asit). Sein war nicht, weil kein Nicht-Sein war. Die Wahrheit ist eine über-intellektuelle Transzendenz der Ideen vom Sein und Nicht-Sein und von all dem, was verknüpft ist mit den zeitlichen Beziehungen des Denkens, denn in dem, was Wirklich ist, gibt es keinerlei Denkformen (Psychosen). Gemäß dem Rigveda sind selbst

"Unsterblichkeit und Tod nicht mehr als bloße Schatten". Was wahrhaftig existiert, ist das Wirkliche.
"ES ist das Sein und das Über-Sein, das Ausgedrückte und das Unausgedrückte, das Gegründete und das Ungegründete, das Bewusstsein und das Unbewusste, die Wirklichkeit und die Unwirkliche, das Wirkliche, und das, was ES immer ist"
-Taitt. Upanishad, II.6.

Shri Shankaracharya beschreibt die Bedeutung des später folgenden Anteiles dieses Mantras wie folgt: "Sie, die Absolute Wirklichkeit, wurde das Geformte und Formlose, das Definierte und Undefinierte, die Stütze und die Nicht-Stütze, das Intelligente und das Unintelligente, die praktische (relative) Wirklichkeit und das, was nicht die praktische (relative) Wirklichkeit ist; was immer hier ist und das sie das 'Wirkliche' nennen.

Die Brihadaranyaka Upanishad (II.3.1.) sagt, dass Brahman zwei Formen hat:

"die geformte und die formlose,
die sterbliche und die unsterbliche,
die feststehende und die sich bewegende,
die wirkliche und die überwirkliche".

Es besteht ein Kontrast zwischen Brahman und der 'Welt der Namen und Formen'; Brahman ist das Höhere, das Unausdrückliche, das Grundlose, das Unbewusste, das Unwirkliche im Verhältnis zur 'Welt der Namen und Formen', die empirisch als seiend, ausdrücklich, gegründet, bewusst und wirklich erfahren wird. Attribute oder Qualitäten werden logischerweise zu unzulässigen Vorstellungen, wenn sie auf das Absolute ausgedehnt und angewendet werden. Ein Gegenstand hat nur in Beziehung zu einem anderen Gegenstand eine Beifügung. Es ist nutzlos zu sagen, dass eine Substanz ein Attribut hat, wenn gleichzeitig von dieser Substanz gesagt wird, dass sie allein existiert. Die Natur eines einzigartigen absoluten Prinzips ist unbestimmbar. Jegliche Beifügungen begrenzen ES und erschaffen einen Unterschied im Nicht-Unterschied. Von Brahman kann nicht gesagt werden, dass ES irgendwelche verständlichen Attribute besitzt, da ES die gesamte Existenz ist und nichts Zweites in Beziehung zu IHM steht. Sat (Sein) ist eine Idee im Verhältnis zu Asat (Nichtsein); das gleiche gilt für Chit (Bewusstsein) in Beziehung zu Jada (Trägheit/Stillstand); für Ananda (Wonne) in Beziehung zu Dukha (Leid); für Ananta (Unendlichkeit) in Beziehung zu Alpa (Begrenztheit); für Prakasha (Licht) in Beziehung zu Tamas (Dunkelheit). Jedes qualitative Konzept birgt Beziehungen in sich, und jeder Gedanke erzeugt eine Dualität. Brahman zu denken, heißt, DAS auf die Welt der Erfahrungen zu reduzieren. Denken ist nur in einem individuellen Zustand möglich, doch Brahman ist kein Individuum und ebenfalls durch kein Individuum erreichbar. Brahman kann nicht einmal als ein Licht angesehen werden, da es nichts zum Bescheinen gibt. ES ist auch kein Bewusstsein, da es nichts gibt, dessen ES sich bewusst ist. Bewusstsein oder Licht im absoluten Zustand kann nicht Bewusstsein oder Licht genannt werden, da solche Vorstellungen dualen Merkmalen entsprechen. Das Sein in Sich Selbst ist 'nichts' im Verständnis des Individuums. ES ist kein Objekt der Erkenntnis. Die Wahrheit ist unabhängig, beziehungslos und selbst-seiend; eine unabhängige, beziehungslose und selbst-seiende Qualität hingegen gibt es nicht. Die einzige Hilfe besteht im Eingeständnis der Hilflosigkeit des Intellektes in seinem Versuch, die Natur der Wirklichkeit zu bestimmen und Zuflucht zu verneinenden Behauptungen zu nehmen.

Der Atman ist weder dies, noch das.
" -Brih. Upanishad, IV.5.15.
"Der Atman ist weder das, was innerlich, noch äußerlich oder beiderseits bewusst ist; ES ist keine Bewusstseinsmasse und weder bewusst noch unbewusst; ES ist ungesehen, beziehungslos, unfassbar, unbestimmbar, undenkbar, unbegrenzbar; ES ist die Essenz des Bewusstseins des EINEN SELBST, die Verneinung des Universums, friedvoll, wonnevoll und nicht-dual."  
-Mand. Upanishad, 7
"ES ist jenen unbekannt, die ES erkennen. ES ist jenen bekannt, die ES nicht erkennen."
-Kena Upanishad, II.3.

All diese Hinweise deuten auf die Absolute Transzendente Natur der Wirklichkeit hin.

"ES ist auch nicht durch häufiges Hören erreichbar, und selbst nachdem man von IHM gehört hat, bleibt ES vielen unerkannt. Wunderbar ist Sein 

Verkünder! Gesegnet ist derjenige, der ES erwirbt!"

Das ehrfurchtgebietende Absolute wird beschrieben als "klanglos, berührungslos, formlos, unzerstörbar, geschmacklos, beständig, geruchlos, anfangslos, endlos, Höher als das Höchste, ewig, ES erkennend, wird die Befreiung aus dem Rachen des Todes erlangt." ES besteht in solch einem gleichförmigen und unterschiedslosen Zustand, dass, "was immer hier ist, auch dort ist; was immer dort ist, auch hier ist," - und daher wird die räumliche Natur der Existenz mit ihren begleitenden Unterscheidungen von Zeit und Individualität in der unsichtbaren und grundlegenden Essenz Brahmans überwunden. ES 'ist ' und ES 'ist nicht '. Doch wenn überhaupt etwas über das Ideal und Ziel des Lebens ausgesagt werden soll, dann können wir mit einer solch verwirrenden Vorstellung von Wirklichkeit nicht weiterkommen. Für uns ist Wirklichkeit das, was im strengsten logischen Sinne das Höchste sein kann. Obwohl die Wirklichkeit sämtliche Logik und Vernunft transzendiert, ist dies der Philosophie nicht möglich, da nichts in dieser Welt ohne das Denken erreicht werden kann. Wir sind denkende Wesen und alles, was 'wirklich' ist, muss für uns verständlich sein. wenn irgend etwas unverständlich ist, können wir keine Beziehung dazu haben. Das Wirkliche ist daher eher SEIN denn Nicht-Sein, eher Bewusstsein denn Unbewusstsein, eher Wonne denn Leid. Das Nicht-Sein ergibt keinen Sinn, da schließlich auch das Nicht-Sein 'sein ' muss. Bewusstsein selbst ist SEIN, und solange Nicht-Sein und Unbewusstsein keine Objekte des Bewusstseins sind, haben sie auch keine Bedeutung.

"Wie kann Sein aus dem Nicht-Sein entstehen ?"
-CHH.UPANISHAD, VI.2.1.
"Die Heilige Lehre ist, daß ES das SEIN des Seins ist."
-BRIH.UPANISHAD, II.1.20

ES ist das Sein, das selbst dem Nicht-Sein Existenz gewährt. Das Sein bedeckt das Nicht-Sein von beiden Seiten. In der Brihadaranyakaupanishad (V.5.1.) wird "Satyam " als ein aus den drei Silben 'Sa ', 'Ti ' und 'Yam ' zusammengesetztes Wort erklärt, wobei die erste und letzte Silbe die 'Wahrheit' kennzeichnen und die mittlere Silbe die Unwahrheit, was bedeutet, dass die 'Wahrheit' die Unwahrheit von beiden Seiten bedeckt und die unwirkliche Welt den äußeren Anschein der Wahrheit, - welche unbestechliches Sein ist -, erlangt. Außerdem wird gesagt, dass allein die Wahrheit triumphiert und nicht die Unwahrheit (Mund. Upanishad, III.1.6.) , womit eine unterschiedliche Wirklichkeit für das, was 'ist ' und für das, was 'nicht ist ' gegeben wird. Das, was sich verändert, ist unwahr und das, was beständig ist, ist wahr. Nichtsein verschwindet im Sein, welches in sich Selbst die höchstmöglichen Werte vereint, die das Ziel der allgemeinen Bestrebungen aller Individuen sind. Niemand wünscht sich 'nicht zu sein', jedermann wünscht sich eine Existenz in irgendeiner Form. Die Wahrheit des Sein' als Höchstem Prinzip ist im Bewusstsein, das allen erkennenden Wesen zugrunde liegt, eingepflanzt. Die Maitrayani Upanishad sagt, dass Brahman "Einer ist und grenzenlos; grenzenlos nach dem Osten, grenzenlos nach dem Süden, grenzenlos nach dem Westen und grenzenlos nach dem Norden; grenzenlos nach oben und unten und nach allen Seiten; für DAS existieren überhaupt keine Richtungen, keine Kreuzungen, kein unten und kein oben; dieser Paramatman ist unbegreiflich, unendlich, ungeboren, nicht zu ergründen" (VI. 17).

So etwas kann kein 'Nichtsein' sein. ES ist Existenz in ihrer Höchsten Vollendung. Extreme und äußerste Existenz erscheint als Nichtexistenz. Das extrem Positive des Wirklichen erscheint wie eine Verneinung von allem. Gemäß dem Übermaß an Licht ist ES dunkel. ES ist nicht wahrnehmbar, da ES allein das Wahrnehmende ist. ES ist nicht erkennbar, da ES allein der Erkennende ist. ES scheint nirgends zu sein, da ES allein überall ist. ES scheint nichts zu sein, denn 'Es allein ist alles'.

Brahman gründet "auf Seiner eigenen Größe, oder überhaupt nicht auf Größe" (Chh. Upanishad,VII.24). ES ist die unteilbare Masse an Vollkommenheit, - auf was kann ES sich selbst gründen? Das selbst-bestehende Brahman wird durch nichts gestützt, jedoch wird alles durch ES gestützt. Es ist kindlich zu sagen, dass ES Ruhm gegründet 'hat ', obwohl Sein Name Grosser Ruhm 'ist' (Svet. Upanishad, IV.19). Weiterhin "benennen die Menschen hier auf Erden die Kühe und Pferde, die Elefanten und das Gold, die Diener und Frauen, die Felder und Häuser als etwas, das Größe besitzt", doch Brahman ist keine Größe dieser Art, wohingegen deren Größe vom Vergleich mit äußeren Objekten abhängt. Die Größe Brahmans dagegen beruht auf Seinem eigenen Sein, und nicht auf irgend etwas Zweitem.

"Brahman allein, - das Größte - , ist das gesamte Universum."
-Mund. Upanishad, II.2.11.
"Wahrlich, dieses große, ungeborene SELBST, - nicht zerfallend, unsterblich und furchtlos, - ist Brahman." Die Gesamtheit der Wirklichkeit wird in diesem Weltprozess nicht erschöpft.
"Das gesamte Universum (in Sich) einschließend, dehnt ES sich darüber in die Unendlichkeit aus. Was immer hier ist, was immer war und was immer sein wird, ist einzig dieses Purusha. ES ist der HERR der Unsterblichkeit. Anteilig sind alle Wesen ein Viertel von IHM, Seine (nicht offenbaren) drei Viertel jubeln als Unsterblichkeit hoch über dem Staub der Erde"
(Rig Veda, X.90).

"Unbeweglich, ist ES schneller als der Verstand", denn das Wirkliche, welches das Selbst ist, wird allen Gedankenformen vorausgesetzt.

"Die Sinne scheitern in dem Versuch, ES zu erreichen."

"Den anderen vorauseilend, steht ES still."

"ES bewegt sich und bewegt sich nicht"; - ES ist anders als das, was ruht oder in Bewegung ist.

"ES ist weit weg und doch ist ES sehr nah; ES ist in allem und ist auch außerhalb."

"ES ist das Selbst, das Sein von allem."

"Sitzend geht ES weiter und liegend bewegt ES sich überall hin. ES ist offenbar und doch verborgen."

Solche metaphorischen Definitionen von der Wirklichkeit deuten auf die zentrale Bedeutung ihrer Absolutheit hin. DAS, was alles bewirkt, bewirkt nichts Besonderes. Alle Spekulationen hinsichtlich des letztendlichen Prinzips führen schließlich zu dem eindeutigen Schluss, dass ES Ewig, Unendlich, Unbedingt, Nichtdual, Absolut und Seiend ist. ES ist ohne ein 'früher' und ohne ein 'später', ohne ein 'innen' und ohne ein 'außen'; ES ist das Sein, das Selbst von allen, das Erfahrende von allem.

Yajnavalkya beschreibt das Höchste Sein folgendermaßen:

"Ein Ozean, das Eine, der Sehende ohne Dualität. Dies ist der Zustand von Brahman. Dies ist das Höchste Ziel. Dies ist der Kostbarste Besitz. Dies ist die Höchste Heimstatt'. Einem Teil dieser WONNE verdanken die Kreaturen ihr Leben."

"Durch gute Taten wird ES nicht größer und durch schlechte Taten nicht kleiner."

In den Worten der berühmten Nasadiya Sukta des Rig Veda, war die ursprüngliche Bedingung der Existenz durch eine völlige Abwesenheit der Welt, des Himmels und aller (anderen) Offenbarungen charakterisiert. Es gab weder Tod noch Unsterblichkeit, da sich beide aufeinander beziehen und folglich keinerlei Erkenntniswert in der Wirklichkeit haben. Es gab weder Tag noch Nacht, sondern nur das EINE, die Quelle des Lichtes, die ohne Veränderung und Bewegung existiert. ES existierte identisch mit Seiner Kraft und es gab keinen Unterschied zwischen der Zeit und der Ewigkeit. Es gab nichts anderes als ES. Selbst die Götter können nicht sagen, wie diese Schöpfung verursacht worden ist, denn selbst sie wurden nach der Schöpfung geboren. Allein diese Quelle, aus der das Universum entsprang, kann es auch erhalten, nichts sonst. Dieses Eine allein kennt die Wahrheit Seiner Schöpfung, - oder wer sonst kann es wissen? Das Wirkliche allein kennt das Wirkliche. Niemand sonst kann ES kennen. Das Wirkliche zu kennen, heißt, Wirklich zu Sein. Wir können nicht abseits von IHM stehen und ES zur gleichen Zeit erkennen. In dem Moment, wo wir uns aufmachen, das Wirkliche zu suchen, beginnen wir mit dem Schaufeln des Grabes unserer abgesonderten, individuellen Existenz. Das Herrliche Bewusstsein von der Höchsten Wahrheit ist die vollständige Transzendenz der kümmerlichen Anhaftung an Formen, die als etwas anderes als das eigene Selbst und als das eigene, scheinbar individuell lokalisierte Leben erscheinen. Im Absoluten, dem einzig Wirklichen, zu leben, heißt, dem Individuellen, das unwirklich ist, zu sterben.

"Derjenige wird nicht-existent, der erkennt, dass Brahman nicht-existent ist. Von demjenigen, der erkennt, dass Brahman existiert, wird gesagt, dass er wahrhaftig existiert."
-Taitt. Upanishad, II.6.

Nicht das Ganze zu kennen, heißt, auf ein Teilbewusstsein begrenzt zu sein, das nicht wirklich besteht, das sterblich ist und daher im absoluten Sinne mit Nichtsein gleichzusetzen ist. Wahrhaft zu leben bedeutet, der Wirklichen Existenz bewusst zu sein, welche ohne die Mängel der Veränderung und des Todes ist. "Alle Geschöpfe haben Existenz als ihre Wurzel, ihre Heimstatt' und ihre einzige Stütze." Alle Formen sind Schatten der reinen Existenz, welche allein Bestand in der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft hat; wohingegen die Schatten wie Blasen im Ozean verschwinden. Im Wirklichen sind Existenz und Inhalt identisch. Deshalb ist alles reine Existenz, die allein wirklich ist.

"Wie Vögel zum Ausruhen einen Baum aufsuchen, so dient dieses Höchste Sein allen Wesen hier als Ruheplatz für ihre Existenz." "Nicht durch Sprechen, nicht durch Denken, noch mittels Sehen kann ES erfasst werden . Wie kann ES anders erkannt werden, außer als ‘ES Ist’ anerkannt zu werden?"
Katha Upanishad, VI.12

ES ist die schwere Wirklichkeit,

"der große Schrecken, der aufsteigende Donner, durch den aus Furcht das Feuer brennt, die Sonne ihre Hitze spendet, der Wind weht, Indra erschauert und der Tod seine Pflicht tut!". "Die Brahmanen und Kshatriyas dienen als Seine Speise und der Tod selbst ist Seine Würze." "Auf den Befehl dieses Unzerstörbaren verweilen die Sonne und der Mond, die Erde und der Himmel in ihren geeigneten Positionen. Auf den Befehl dieses Unzerstörbaren stehen die Momente, die Augenblicke, die Tage, die Nächte, die halben Monate, die Monate, die Jahreszeiten und die Jahre unterschiedlich an ihren eigenen Plätzen. Auf den Befehl dieses Unzerstörbaren fließen einige Flüsse von den schneebedeckten Bergen zum Osten, zum Westen, in welche Richtung auch immer. Welch großartige Werke auch jemand in dieser Welt vollbringen mag, - selbst für die Dauer von Tausenden von Jahren -, ohne die Erkenntnis dieses Unzerstörbaren sind sie alle endlich. Wer auch immer ohne die Erkenntnis dieses Unzerstörbaren stirbt, ist bedauernswert"
(Brih. Upanishad).

"Dieses Unzerstörbare ist Satyam, - wahres Sein." "'SAT' ist das Unsterbliche und 'TI' ist das Sterbliche. 'YAM' ist das, was beide zusammenhält" (Chh. Upanishad, VIII.3.5.).

ES erhebt sich über das Sterbliche und das Unsterbliche, die beide relative Vorstellungen sind, hinaus. Das Höchste ist Ritam und Brihat, - das Wirkliche und das Grosse.

Das Sein allein ist die unvermeidliche Grunderfahrung und somit das grundlegende Konzept in der Philosophie. Wir können uns über alles mögliche hinwegsetzen, jedoch nicht die Tatsache, dass 'wir sind'! Sein ist die wahrhaftige Natur selbst dessen, der ES leugnet. Alle Bestandteile unseres Denkens, alle Formen der Existenz, alle Veränderungen der Erkenntnis setzen Sein voraus. Sein kann uns nicht zum Nichtsein führen, denn in dem Moment, wo Nichtsein erkannt wird, wird es zum Sein. Doch Sein ist kein Objekt unserer unmittelbaren empirischen Erfahrung, denn diese ist immer eine besondere Art des Seins, oder vielmehr ein Werden dessen, was das Objekt unserer relativen Erfahrung ist. Für uns Individuen kann es keine solche Erfahrung der Existenz im allgemeinen geben. Doch das ewige Sein ist allgemeine oder absolute Existenz, welche mit 'Werden' im Sinne eines Prozesses weder verwechselt noch gleichgesetzt werden kann. Brahman ist kein Prozess oder eine Ansammlung etlicher Besonderheiten und auch keine Vielfalt mehrerer Endlichkeiten. Keine angehäufte Summe von Beziehungen, wie groß diese auch sein mag, ergibt das Absolute. Eine Anhäufung von Endlichkeiten kann uns eine Riesenmenge von Endlichkeiten bescheren, aber nicht das Unendliche, - räumliche Unermesslichkeit oder Weite ist keine Unendlichkeit. Das Absolute transzendiert alles Endliche und schließt alles in sich ein. ES 'wird ' nicht, - ES 'ist '. 'Werden ' ist keine Vollkommenheit der Existenz, wohingegen vollständiges Sein die Fülle beinhaltet. Das Absolute wächst oder entwickelt sich nicht. ES ist kein Prozess, der sich über sich selbst ausdehnt. Wäre dies so, dann würde das Absolute in Raum, Zeit und Ursache verwickelt sein und aufhören, das Absolute zu sein. Das Absolute ist vollständige Einheit und kein System von mehren Wesensarten, die als Wirklich mittels Handlung und Gegenhandlung miteinander existieren. ES ist keine komplexe Masse von Beziehungen. Wenn das Absolute als ein System angesehen wird, dann müssen seine Teile entweder identisch mit ihm oder unterschiedlich von ihm sein. Wenn sie identisch sind, verlieren sie automatisch ihre Identität; sind sie verschieden, dann wird die Beziehung untereinander unverständlich. Das Absolute kann nur ein Sein ohne jegliche Art von Unterscheidungen sein. ES muss ungeteilte, ewige, gleichförmige Existenz sein, - "Eines allein ohne ein Zweites." Existenz ist das Universale Konzept, das nichts außerhalb von sich zulässt.

Existenz ist das, was beständig in allen Erkenntnisprozessen gegenwärtig ist. Alles wird als existent anerkannt, obwohl die Existenz eines Dinges durch die begrenzenden Faktoren, aus denen sich die Individualität dieses Dinges zusammensetzt, zur Eigenschaft wird. Ohne Existenz kann es keine Idee oder Erkenntnis, keine Handlung und keinen Wert, ja nicht einmal Leben geben. Im objektiven Universum der Namen und Formen gibt es ein beständiges Existenzprinzip, das allen Namen und Formen zugrunde liegt. Selbst wenn alles stirbt und verloren ist, kann die Existenz, die selbst jene Bedingung, in der nichts mehr besteht, in sich trägt, weder sterben noch verloren gehen. Da sich Existenz nicht verändern kann, gibt es für ES weder Tod noch Geburt. Existenz ist ewig. Die physische Form eines äußeren Objektes ist der Veränderung unterworfen, und diese Veränderung wird 'Prozess von Geburt und Tod' genannt. Für die Formen, Zustände, Bedingungen usw. gibt es eine Geburt und einen Tod, nicht aber für die Existenz. Existenz befähigt uns zur Erkenntnis, dass es Geburt und Tod, Wechsel und Veränderung und so weiter gibt, doch ohne Existenz kann nichts sein. Alles 'ist ' in diesem oder in jenem Zustand. Obwohl alles aufgelöst wird, wird die innewohnende Existenz nicht aufgelöst. Da Existenz die allgemeine Wirklichkeit von allem ist, muss ES Unendlich sein. Existenz ist Unteilbar und erklärt sich aus sich heraus. Existenz kann nicht näher bestimmt werden, da ES keine spezifischen Merkmale hat und niemals zu einem Objekt der Erkenntnis wird. ES ist die Wirklichkeit des Objektes, wie auch des Subjektes. Der Körper, die Lebensenergie, die Sinne, das Denkorgan, der Intellekt und selbst die Bedingungen all dieser objektiven Offenbarungen, sie alle begründen ihre Wirklichkeit auf dieser Höchsten Existenz. Das Reich des Erkennenden und des Erkannten und so weiter, das gesamte Universum in all seinen Aspekten und Zuständen gründet letztlich auf unvergänglicher Existenz. Das Universum ist eine Bedingung, ein Erfahrungszustand, und dieser Zustand kann nur eine Bedeutung haben, wenn er in der ewigen und unendlichen Existenz verwurzelt ist. Reine und vollkommene Existenz ist das Absolute und wird in den Upanishaden als Höchstes Brahman verehrt und verkündet.

© Divine Life Society

Siehe auch

Literatur

Seminare

Jnana Yoga, Philosophie

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