Bahai: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Geschichte der Bahai-Gemeinde geht auf das Wirken zweier Stiftergestalten zurück: [[Sayyid]] Ali Muhammad (1819–1850), genannt „der [[Bab]]“ (arabisch: „das Tor“), und Mirza Husayn Ali Nuri (1817–1892), genannt „Baha’u’llah“ (arabisch: „Herrlichkeit Gottes“). Der eigentliche Stifter ist Baha’u’llah. Der Bab wird von den Bahai als dessen Wegbereiter und zugleich als eigenständiger Religionsstifter des [[Babismus]] betrachtet.
Die Geschichte der Bahai-Gemeinde geht auf das Wirken zweier Stiftergestalten zurück: [[Sayyid]] Ali Muhammad (1819–1850), genannt „der [[Bab]]“ (arabisch: „das Tor“), und Mirza Husayn Ali Nuri (1817–1892), genannt „Baha’u’llah“ (arabisch: „Herrlichkeit Gottes“). Der eigentliche Stifter ist Baha’u’llah. Der Bab wird von den Bahai als dessen Wegbereiter und zugleich als eigenständiger Religionsstifter des [[Babismus]] betrachtet.


=== Der Bab ===
1819 in [[Schiraz]], [[Iran]] geboren; am Abend des 22. Mai 1844 erhob er erstmals den Anspruch einer göttlichen Offenbarung. Als Titel greift er den schiitisch-eschatologischen Begriff des „Bab“ auf. Er deutet ihn um als „Tor zu Gott“, d.h. als Anspruch einer nachislamischen Offenbarung und als Wegbereiter einer weiteren Offenbarungsgestalt. Der Babismus gewann schnell Anhänger aus dem schiitischen Umfeld.  Unter schiitischen Gelehrten und Geistlichen stieß der Offenbarungsanspruch des Bab und seine Interpretation des Islam auf Ablehnung; insbesondere stellte der Bab die Rolle der Religionsgelehrten in Frage und trat für die Rechte der Frau und größere gesellschaftliche Gleichheit ein. Anfang 1847 wurde er verhaftet.
Die formelle Trennung vom Islam erfolgte im Juli 1848 in Badascht am Kaspischen Meer. Sie war das Ergebnis eines Konzils der einflussreichsten Anhänger des Bab. Eine der Wortführerinnen, [[Qurrat al-ʿAin]], legte als Zeichen der Emanzipation der Frau erstmals in der Öffentlichkeit ihren Schleier ab.
Die zunehmende Missionstätigkeit der Babi führte rasch zum Widerstand schiitischer Gruppen, bald zu (auch staatlich) organisierter Verfolgung der Gemeinde. Als Gegenreaktion kam es vereinzelt zu Revolten gegen die iranische Regierung. Schiitische Vorstellungen des Dschihad blieben unter den Babi zunächst erhalten. Am 9. Juli 1850 wurde der Bab in [[Täbris]] öffentlich [[Füsilieren|füsiliert]]. Die Verfolgungen dauerten bis 1853 an. Tausende Anhänger des Bab wurden getötet.
Seit 1848 hatten vor allem zwei der Anhänger des Bab an Bedeutung gewonnen: die Söhne eines Staatsministers in Teheran, die Halbbrüder Mirza Husayn Ali Nuri, später Baha’u’llah genannt, und Mirza Yahya Nuri, später bekannt als [[Subh-i-Azal]]. Wie vom Bab vorgesehen, übernahm nach dem Tod des Bab nominell der kaum neunzehnjährige Subh-i-Azal die Leitung der Babi-Gemeinde, war dieser Aufgabe aber kaum gewachsen. Auf Anraten Baha’u’llahs und anderer hatte ihn der Bab 1849 zum Sachwalter bestimmt für die Übergangszeit bis zum Auftreten „Dessen, den Gott offenbaren wird“, der im [[Babismus]] erwarteten messianischen Gestalt.<ref>[[Theologische Realenzyklopädie]], Bd. 5, Stichwort Baha’ismus, S. 117; zum Ganzen: {{Literatur|Autor=Nicola Towfigh|Herausgeber=[[Udo Schaefer]] et al.|Titel=Einige Aspekte der Babi- und Baha’i-Geschichte|Sammelwerk=Desinformation als Methode. Die Bahāʾīsmus-Monographie des F. Ficicchia|Band=Religionswissenschaftliche Texte und Studien, Bd. 6|Verlag=Georg Olms Verlag|Ort=Hildesheim|Jahr=1995|Seiten=478 ff, 503 ff|ISBN=3-487-10041-X}}</ref>
=== Baha’u’llah ===
[[Datei:Bahaullah Verbannungsweg.png|thumb|[[Baha’u’llah]]s Verbannungsweg]]
Baha’u’llah wurde im Zuge der Verfolgungen 1852 in [[Teheran]] im Siyah-Chal („Schwarzes Loch“), einem berüchtigten Verlies, inhaftiert. Viele seiner Mithäftlinge wurden hingerichtet. Von einer Hinrichtung Baha’u’llahs wurde abgesehen, da er großes öffentliches Ansehen genoss und sich westliche Botschafter für ihn einsetzten.<ref>{{Literatur|Autor=Kent Beveridge|Titel=Frühe Begegnungen Mitteleuropas mit der Baha’i-Geschichte|Band=Schriftenreihe der Gesellschaft für Bahá’í-Studien, Bd. 1|Ort=Hofheim|Jahr=1995|Seiten=9 f|ISBN=3-87037-311-3}}</ref> Baha’u’llahs mystische Erlebnisse während dieser Kerkerhaft sehen die Bahai als die ersten Anfänge seiner prophetischen Sendung.<ref>{{Literatur|Autor=[[Alessandro Bausani]]|Titel=Stichwort Bahā Allāh|Sammelwerk=[[The Encyclopaedia of Islam. New Edition|Encyclopaedia of Islam]]|Band=Bd. 1|Verlag=Brill|Ort=Leyden/London|Jahr=1960|Seiten=911}}</ref>
==== Bagdad, Edirne und Istanbul ====
Nach den Monaten der Einkerkerung wurde der schwer erkrankte Baha’u’llah ins Exil geschickt. Er wählte [[Bagdad]] als Verbannungsort. Ihm folgten Subh-i-Azal und andere Anhänger des Bab. In Bagdad kam es zu ersten Spannungen zwischen den beiden Halbbrüdern. In der Folge zog Baha’u’llah für rund zwei Jahre als [[Derwisch]] ins kurdische Bergland der [[As-Sulaimaniyya (Gouvernement)|Provinz Silêmanî]], wo er sich Gebet und Meditation widmete, ehe er 1856 nach Bagdad zurückkehrte. Aus dieser Zeit stammen wichtige mystische Werke Baha’u’llahs, wie ''Die [[Sieben Täler]]'' oder die ''[[Verborgene Worte|Verborgenen Worte]]''. Sein erstes theologisches Werk ist das 1862 veröffentlichte ''[[Buch der Gewissheit]] (Kitab-i-Iqan)'', in dem Baha’u’llah das Konzept der [[Fortschreitende Offenbarung|Fortschreitenden Offenbarung]] und die Rolle des Bab als Stifter einer neuen Religion nach dem Islam erläutert.<ref>{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Herausgeber=[[Udo Tworuschka]]|Titel=Heilige Schriften der Baha’i|Sammelwerk=Heilige Schriften, Eine Einführung|Seiten=261 f}}</ref> Zurück in Bagdad gewann Baha’u’llah rasch an Ansehen und Einfluss. Der persische Konsul in Bagdad suchte dem entgegenzutreten und bewirkte schließlich zusammen mit einigen Geistlichen vor Ort, dass Baha’u’llah nach Istanbul beordert wurde.
[[Datei:Preziosi - Stradă din Constantinopol, 1868.jpg|thumb|[[Istanbul]] 1868]]
Unmittelbar vor seiner erzwungenen Abreise, am 8. April 1863 im Garten [[Ridvan]], erklärte er vor einem kleinen Kreis seiner Anhänger, dass er der vom Bab Verheißene sei, „den Gott offenbaren werde“. Subh-i-Azal war bei diesem Ereignis, dessen heute als [[Ridvan]]fest gedacht wird, nicht anwesend. Von der osmanischen Hauptstadt Istanbul wurde Baha’u’llah nach vier Monaten nach [[Edirne]] weiterverbannt. Öffentlich erhob Baha’u’llah seinen Anspruch ab dem Frühjahr 1866, so in Sendschreiben an die einflussreichsten weltlichen und religiösen Führer seiner Zeit.<ref>[http://www.iranica.com/newsite/articles/v3f4/v3f4a085.html Artikel ''Bahāʾ-Allāh''] in [[Encyclopædia Iranica]], S. 426 der gedruckten Ausgabe (Bd. 3); siehe insbesondere {{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Súratu'l-Mulúk und die Súratu'l-Haykal|Sammelwerk=Anspruch und Verkündigung. Sendbriefe aus Edirne und 'Akká|Ort=Hofheim|Jahr=2007|ISBN=978-3-87037-419-8}}</ref> Subhi-i-Azal beantwortete dies mit dem Gegenanspruch, selbst der vom Bab Verheißene zu sein. Nach und nach bekannte sich die überwiegende Mehrheit der Babi zu Baha’u’llah und verstand sich nun als Bahai. Die Anhänger Subh-i-Azals (Azali) versuchten, die Bahai gegenüber der osmanischen Regierung als politisch subversiv darzustellen<ref>{{Literatur|Autor=Paula Hartz|Titel=Baha’i Faith. World Religion Series|Auflage=Zweite|Verlag=Facts On File|Ort=New York|Jahr=2006|Seiten=44|ISBN=0-8160-6608-6}}</ref> und Baha’u’llah zu beseitigen.<ref>Zum Ganzen: {{Literatur|Autor=Stephan A. Towfigh, Wafa Enayati|Titel=Die Baha’i-Religion. Ein Überblick|Ort=München|Jahr=2005|Seiten=43|ISBN=3-7892-8163-8}}; vgl. {{Literatur|Autor=[[Udo Schaefer]] et al.|Titel=Desinformation als Methode. Die Bahāʾīsmus-Monographie des F. Ficicchia|Band=Religionswissenschaftliche Texte und Studien, Bd. 6|Verlag=Georg Olms Verlag|Ort=Hildesheim|Jahr=1995|Seiten=492 ff und 534 ff|ISBN=3-487-10041-X}}</ref> Als Folge der Auseinandersetzungen verbannte die osmanische Regierung Subh-i-Azal 1868 nach [[Zypern]] und Baha’u’llah in die Festungsstadt [[Akkon]] im heutigen [[Israel]]. Der Babismus ist heute bis auf eine verschwindend kleine Gruppe mit etwa 2000 Mitgliedern (Azali-Babi) in der neuen Religion Baha’u’llahs aufgegangen.<ref>{{Literatur|Autor=Monika Gronke|Titel=Geschichte Irans. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart|Auflage=Zweite|Verlag=Beck|Ort=München|Jahr=2006|Seiten=94 f|ISBN=3-406-48021-7}}</ref>
==== Akkon und Bahji ====
Während der mehr als zwei Jahrzehnte in Akkon und Umgebung entstand der größere Teil des umfangreichen Schrifttums Baha’u’llahs in arabischer und persischer Sprache, worin die grundlegenden Lehren weiter ausgeführt werden, insbesondere der Gedanke der Einheit der Menschheit und die Versöhnung der Religionen. Hinzu kommen Religionsgesetz und Gemeindeordnung. Der wichtigste Text der Bahai ist der [[Kitab-i-Aqdas]], das ''Heiligste Buch'', aus dem Jahr 1873.<ref>{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Herausgeber=[[Udo Tworuschka]]|Titel=Heilige Schriften der Baha’i|Sammelwerk=Heilige Schriften, Eine Einführung|Seiten=264 ff}}; siehe auch Artikel [[Kitab-i-Aqdas]]</ref> Durch dieses Buch wurden die ''weltlichen'' Gesetze, die der Bab im [[Bayan]] festgelegt hatte, endgültig aufgehoben. Der arabische Text des ''Kitab-i-Aqdas'' ähnelt stilistisch dem klassischen Stil des [[Koran]]. Am 29. Mai 1892 starb Baha’u’llah in Bahji bei [[Akkon]], wo sich heute das [[Bahai-Weltzentrum|geistige Zentrum]] der Bahai-Gemeinde befindet.
=== Abdu’l Baha und die Folgezeit ===
Die Leitung der Gemeinde ging testamentarisch<ref>vgl. Baha’u’llah, ''Kitab-i-Ahd'', in ''Botschaften aus Akka'', Hofheim 1982; siehe auch {{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Herausgeber=[[Udo Tworuschka]]|Titel=Heilige Schriften der Baha’i|Sammelwerk=Heilige Schriften, Eine Einführung|Seiten=266 f}}</ref> auf Baha’u’llahs ältesten Sohn [[Abdu’l Baha]] (1844-1921) über. Dies impliziert auch die autoritative Auslegung seiner Schriften. Bis zur [[Jungtürken|Jungtürkischen Revolution]] 1908 blieb Abdu’l Baha in Akkon interniert. Seit 1892 bildeten sich erste Bahai-Gemeinden in Nordamerika und Europa. Diese Gemeinden besuchte Abdu’l Baha zwischen 1910 und 1913, um für den Frieden unter den Religionen und Nationen zu werben.<ref>Seine Ansprachen auf diesen Reisen sind in mehreren Büchern gesammelt, vgl. Artikel [[Abdu’l Baha]]</ref> Im Frühjahr 1913 besuchte er auch Deutschland. Durch sein humanitäres Engagement, vor allem während der Kriegsjahre (1914-1918) in Haifa, erlangte er große öffentliche Anerkennung. Er starb 1921 in Haifa.
[[Datei:Bahá'í gardens by David Shankbone.jpg|thumb|Die ersten Gärten am Bahai-Weltzentrum in Haifa wurden von Shoghi Effendi angelegt. Die Hängenden Gärten in ihrer heutigen Form wurden im Jahr 2001 eröffnet.]]
Testamentarisch ernannte Abdu’l Baha seinen Enkel [[Shoghi Effendi]] (1897-1957) zum „Hüter“ der Bahai-Gemeinde. Shoghi Effendi übersetzte einige der wichtigsten Schriften Baha’u’llahs ins Englische. Unter seiner Leitung verbreitete sich die Bahai-Gemeinde in nahezu alle Länder der Erde.<ref name="Statistik">{{Literatur|Herausgeber=Peter Smith|Titel=Stichwort Expansion|Sammelwerk=A Concise Encyclopedia of the Bahá’í Faith|Ort=Oxford|Jahr=2000|ISBN=1-85-168-184-1}}</ref> Mit Shoghi Effendi wurde die autoritative (verbindliche) Auslegung der Schriften Baha’u’llahs abgeschlossen.<ref>{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Herausgeber=[[Udo Tworuschka]]|Titel=Heilige Schriften der Baha’i|Sammelwerk=Heilige Schriften, Eine Einführung|Seiten=268 f}}</ref>
Seit 1963 führt das [[Haus der Gerechtigkeit]] die internationale Gemeinde. Es hat seinen Sitz in Haifa. Hier befindet sich daher auch das administrative [[Bahai-Weltzentrum]].
=== Bahá’í International Community (BIC) ===
Seit 1948 ist die Bahá’í International Community bei den [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] als [[Nichtregierungsorganisation]] anerkannt. Seit 1970 hat sie beratenden Status beim [[Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen]], seit 1976 beratenden Status beim [[UNICEF|Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen]]. Sie arbeitet mit der [[Weltgesundheitsorganisation]], dem [[Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen]], dem [[Umweltprogramm der Vereinten Nationen]], dem [[Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen]] und dem [[Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen]] zusammen.<ref name="BIC UN">Bahá’í International Community: ''[http://info.bahai.org/article-1-6-0-6.html The Bahá’í International Community and the United Nations]''</ref><ref name="BIC AoW">Bahá’í International Community: ''[http://info.bahai.org/article-1-8-0-4.html Advancement of Women]''</ref> Außerdem hat die Bahá’í International Community 1992 in New York das weltweit tätige „Büro für Frauenförderung“ eingerichtet.
Die Bahá’í International Community betreut weltweit 1714 soziale und wirtschaftliche Entwicklungsprojekte, sowie 348 Schulen.<ref name="BIC Projekte">Bahá’í International Community: ''[http://info.bahai.org/article-1-8-1-1.html Bahá’í Development Projects: A Global Process of Learning]''</ref>
=== Demographische Entwicklungen ===
[[Datei:House of Worship Germany 2007 reworked.jpg|thumb|[[Haus der Andacht]] im Stadtteil Langenhain in [[Hofheim am Taunus]].]]
Als Shoghi Effendi 1921 das Erbe seines Großvaters, Abdu’l Baha, antrat, hatte der Bahai-Glaube bereits in 35 Ländern der Welt Fuß gefasst: in zwei zu Lebzeiten des Bab, in 13 zu Lebzeiten Baha’u’llahs und in 20 zu Lebzeiten Abdu’l Bahas. Nach Shoghi Effendis Amtszeit war der Glaube in 219 Ländern verbreitet.<ref>[http://bahai-library.com/published.uhj/ministry.custodians.html#13 ''Ministry of the Custodians''] Absatz Nr. 13</ref>
In den letzten fünf Jahrzehnten hat die Bahai-Gemeinde einen signifikanten Zuwachs erlebt, ein Trend, der bis heute anhält. 1954 gab es weltweit rund 213.000 Bahai, 94 Prozent davon im Iran und rund 10.000 in Europa und Nordamerika. Ab den sechziger Jahren kam es zu einer größeren Verbreitung in einigen [[Dritte Welt|Ländern der dritten Welt]]. 1968 gab es rund 1,1 Millionen Bahai, wovon 22 Prozent im Iran und 26 Prozent in Indien lebten, in Europa und Nordamerika rund 30.000. 1988 gab es weltweit rund 4,5 Millionen Bahai, davon 6 Prozent im Iran und 40 Prozent in Indien, rund 200.000 in Europa und Nordamerika.<ref name="M. Hutter (1994) 30">{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Die Bahá’í. Geschichte und Lehre einer nachislamischen Weltreligion|Sammelwerk=Religion in der Gegenwart. Religionswissenschaftliche Einführung|Band=2|Verlag=Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e.V.|Ort=Marburg|Jahr=2006|Seiten=30|ISBN=3-9802994-5-7}}</ref> 2008 gab es rund 7,8 Millionen Bahai, davon 2,1 Millionen in Afrika, 3,7 Millionen in Asien, 148.000 in Europa, 851.000 in Lateinamerika, 857.000 in Nordamerika und 133.000 in Ozeanien.<ref name="World Almanac 2008"/>
2009 bekannten sich etwa 7,8<ref name="World Almanac 2008">{{Literatur|Titel=The World Almanac and Book of Facts|Verlag=World Almanac Books|Ort=New York|Jahr=2008|ISBN=1-60057-072-0|Seiten=711}}</ref> bis 8,1<ref name="CIA 2009">{{Literatur|Herausgeber=CIA|Titel=The World Fact Book 2009|Online={{CIA-Factbook|Pfad=|Code=XX|Anker=#People|Text=online}}}} 0,12% von 6,790 Milliarden Menschen Weltbevölkerung.</ref> Millionen Menschen zum Bahai-Glauben. Sie leben vor allem in [[Indien]], dem [[Iran]], in [[Subsahara-Afrika|Afrika südlich der Sahara]], [[Nordamerika|Nord]]- und [[Südamerika]]. Nach vorsichtigeren Angaben der Bahá’í International Community gibt es rund 5 Millionen Bahai, welche aus über 2100 ethnischen Gruppen stammen und in 189 Staaten leben.<ref name="BIC BWC">{{Literatur|Herausgeber=Bahá’í International Community|Titel=The Bahá’í World Community|Jahr=2008|Online=[http://info.bahai.org/bahai-world-community.html online]}}</ref> Indien stellt mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern die größte Bahai-Gemeinde der Welt.<ref name="BoI">{{Literatur|Herausgeber=National Spiritual Assembly of the Bahá’ís of India|Titel=Welcome to the Official Website of the Bahá’ís of India|Jahr=2008|Oline=[http://www.bahai.in/ online]}}</ref> Die größte Gemeinde der westlichen Industriestaaten ist mit rund 670.000 Mitgliedern jene der [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]].<ref name="World Almanac 2008 USA">{{Literatur|Autor=|Titel=The World Almanac and Book of Facts|Verlag=World Almanac Books|Ort=New York|Jahr=2008|ISBN=1-60057-072-0|Seiten=710}}</ref> Im historisch eng mit dem Bahai-Glauben verbundenen Iran leben heute zwischen 300.000 und 500.000 Bahai, deren Grundrechte stark eingeschränkt sind.
In Deutschland schätzte man 2005 die Zahl der Bahai auf 5000 bis 6000.<ref name="REMID">{{Literatur|Herausgeber=Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst|Titel=Religionen in Deutschland. Mitgliederzahlen|Jahr=2008|Online=[http://www.remid.de/remid_info_zahlen.htm online]}}</ref> Das erste europäische [[Haus der Andacht]] befindet sich in [[Hofheim am Taunus]] (Ortsteil Langenhain) und ist seit 1987 hessisches [[Kulturdenkmal]]. Der ebenfalls dort angesiedelte Bahá’í-Verlag publiziert unter anderem die Offenbarungstexte im Original und in deutscher Übersetzung. Insgesamt wurden sie in mehr als 800 Sprachen übersetzt.<ref name="BIC BWC"/> Die Anfänge der deutschen Gemeinde gehen zurück auf das Jahr 1905. Durch eine Entscheidung des [[Bundesverfassungsgericht]]s, den [[Bahai-Beschluss]], erlangte die Gemeinschaft in der deutschen [[Rechtswissenschaft]] einige Bekanntheit.
== Lehre ==
[[Datei:Baha'i star.png|thumb|Der neunzackige Stern ist das am häufigsten verwendete [[Symbole der Bahai-Religion|Symbol der Bahai]].]]
Die Bahai besitzen in den zahlreichen Originalschriften ihres Religionsstifters Baha’u’llah eine eigene zentrale Offenbarungsquelle. Neben dem ''[[Kitab-i-Aqdas|Heiligsten Buch]]'' und dem ''[[Buch der Gewissheit]]'' sind die [[Mystik|mystischen]] Schriften (wie ''Die [[Sieben Täler]]'' oder die ''[[Verborgene Worte|Verborgenen Worte]]'') für die Gläubigen von großer Bedeutung.
=== Menschenbild ===
Nach dem Glauben der Bahai steht der Mensch von allen Schöpfungswerken Gott am nächsten, da er mit einem [[Freier Wille|freien Willen]], mit Vernunft, einer unsterblichen [[Seele]] und der Fähigkeit ausgestattet wurde, Gott zu erkennen und einen Bund mit ihm einzugehen. Das Leben im [[Diesseits]] wie im [[Jenseits]] wird als eine kontinuierliche mystische Reise zu Gott betrachtet. Himmel und Hölle sind für die Bahai Symbole für die Nähe oder Ferne zu Gott. Eine gewisse „Einheit“ mit Gott kann der Mensch bereits zu Lebzeiten erlangen.<ref name="M. Hutter 110">{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Die Weltreligionen|Auflage=2.|Verlag=C. H. Beck|Ort=München|Jahr=2006|Seiten=110|ISBN=978-3-406-50865-3}}</ref> Das Leben in dieser Welt ist dazu bestimmt, geistige Fähigkeiten zu entwickeln, die für das Leben im Jenseits benötigt werden. Als geistige Fähigkeiten gelten Tugenden wie die [[Nächstenliebe]], Dankbarkeit, Vertrauenswürdigkeit, [[Gottvertrauen]], Demut und Geduld.<ref>''Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Teil 1, Band V'', Walter de Gruyter, Berlin/New York 1993, ISBN 3-11-013898-0, S. 122. Siehe auch: {{Literatur|Autor=Michael Paul Gollmer|Herausgeber=Angelika Daiker/Anton Seeberger|Titel=Dein Name ist meine Heilung. Beim Sterben eines Bahai|Sammelwerk=Zum Paradies mögen Engel dich geleiten. Rituale zum Abschiednehmen||Verlag=Schwabenverlag|Ort=Ostfildern|Jahr=2007|Seiten=169 f|ISBN=978-3-7966-1321-0}}</ref> [[Kasteiung|Selbstkasteiung]], „Einsiedelei und harte [[Askese]]“<ref name="Kitab-i-Aqdas Erl. 61">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=61.&q2=3&c=1#phrase-3 online]}} Erläuterung 61</ref> werden ebenso abgelehnt wie ein [[Hedonismus|hedonistisches]] Leben im Überfluss. Baha’u’llah empfiehlt, das „rechte Maß“ zu halten, und sieht im „Dienst am ganzen Menschengeschlecht“ das Kriterium wahren Menschseins.<ref name="Ährenlese 117">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah, Shoghi Effendi|Titel=Ährenlese. Eine Auswahl aus den Schriften Baha’u’llahs, zusammengestellt und ins Englische übertragen von Shoghi Effendi|Auflage=5.|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2003|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Aehrenlese.txt&q=117&q2=1&c=1#phrase-1 online]}} Vers 117</ref> Gesellschaftliches Engagement und soziale Verantwortung, die aktive Gestaltung der Welt, werden als natürliche Folge individueller Spiritualität betrachtet und sind von dieser nicht zu trennen. [[Bettler|Bettelei]]<ref name="Kitab-i-Aqdas 147">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=147.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 147</ref> und [[Beichte]]<ref name="Kitab-i-Aqdas 34">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=34.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 34</ref> sind den Bahai verboten; beides gilt als Erniedrigung des Menschen vor anderen Menschen.<ref name="Kitab-i-Aqdas Erl. 34">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=verbietet%20dem%20Gl%C3%A4ubigen,&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Erläuterung 34</ref>
Der menschlichen Vernunft wird eine große Bedeutung zugemessen, auch wenn sie allein in die Irre führen kann. Das Wesen des Menschen ist seine unsterbliche [[Seele]], die keine trennenden Merkmale der Rasse oder des Geschlechts trägt. Der [[Körper (Biologie)|Körper]] wird als der ''Tempel des Menschen''<ref name="Kitab-i-Aqdas 155">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=155.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 155</ref> bezeichnet, dem ebenfalls Wertschätzung entgegengebracht wird, was sich in den Reinheits- und Hygienegeboten Baha’u’llahs, aber beispielsweise auch im Verbot der [[Feuerbestattung]]<ref name="Kitab-i-Aqdas Erl. 149">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=149.&q2=2&c=1#phrase-2 online]}} Erläuterung 149</ref> zeigt.


=== Gottesbild ===
=== Gottesbild ===


[[Datei:051907 Wilmette IMG 1404 The Greatest Name.jpg|thumb|Die [[Kalligrafie]] des „[[Größter Name|Größten Namens]]“ ist ein Lobpreis Gottes und bedeutet in deutscher Übersetzung: „O Herrlichkeit des Allherrlichen!“]]
Die Bahai-Religion  knüpft damit an der [[islam]]ischen Tradition an. Die Bahai glauben an „die Existenz und die Einheit eines persönlichen Gottes, der unerkennbar, unerreichbar, Quell aller Offenbarung, ewig, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig ist“. Sein Wesen bleibt für den Menschen verborgen, er kann Gott jedoch an seinen Eigenschaften erkennen. Gott ist der [[Kosmos|Schöpfer]] und Erhalter aller Dinge, der ''Selbstbestehende''. Neben ''Allmacht'', ''Allwissen'' und ''Allbarmherzigkeit'' sind auch alle anderen positiven Eigenschaften bei Gott in Vollendung vorhanden.


Die Bahai-Religion hat ein [[Monotheismus|monotheistisches]] Gottesbild und knüpft damit an der [[islam]]ischen Tradition an. Die Bahai glauben an „die Existenz und die Einheit eines persönlichen Gottes, der unerkennbar, unerreichbar, Quell aller Offenbarung, ewig, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig ist“<ref name="GGV 8:26">{{Literatur|Autor=Shoghi Effendi|Titel=Gott geht vorüber|Auflage=3.|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2001|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Shoghi%20Effendi/Gott%20geht%20vorueber.TXT&q=8:26&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Vers 8:26</ref>.
Schöpferischer Antrieb und Ursache allen Seins ist die göttliche Liebe. ...


Sein Wesen bleibt für den Menschen verborgen. Dieser kann Gott jedoch an seinen Eigenschaften erkennen, die durch die ''[[Manifestation Gottes|Manifestationen Gottes]]'' (also die Religionsstifter) und in der Schöpfung offenbar werden. Gott ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, der ''Selbstbestehende''. Neben ''Allmacht'', ''Allwissen'' und ''Allbarmherzigkeit'' sind auch alle anderen positiven Eigenschaften bei Gott in Vollendung vorhanden.
Das [[Haus der Andacht]] ist die vorgeschriebene Andachtsstätte der Bahai: ein neunseitiger Kuppelbau mit neun Eingängen. Der Tempel soll idealerweise von Gärten und sozialen Einrichtungen umgeben sein. Die Gottesdienste sind reine Andachten ohne [[Liturgie]] oder [[Predigt]]. Neben den heiligen Schriften des Bab und Baha’u’llahs werden Schriften aus allen [[Weltreligion]]en vorgetragen. Als musikalisches Element dienen gesungene Rezitationen und Gebete, Soloimprovisationen sowie Chorgesang. Musikinstrumente sind nicht vorgesehen, da die Häuser der Andacht allein dem Wort Gottes und der menschlichen Stimme vorbehalten sind.


Schöpferischer Antrieb und Ursache allen Seins ist die göttliche Liebe. Die Schöpfung geht aus Gott hervor. Das Wesen Gottes ändert sich durch die [[Emanation (Philosophie)|Emanation]] nicht. Die Schöpfung ist ewig, wie Gott selbst auch ewig ist.<ref name="Die Religionen der Gegenwart">{{Literatur|Autor=Peter Antes|Titel=Die Religionen der Gegenwart|Auflage=1.|Verlag=Beck|Ort=München|Jahr=2006}}</ref>
Eine zentrale Bedeutung haben die [[Fasten]]zeit und das [[Gebet]], insbesondere die Pflichtgebete, die in drei unterschiedlichen Längen und Formen zur Auswahl stehen. Zur Wahl stehen das lange Pflichtgebet (einmal in 24 Stunden), das mittlere Pflichtgebet (zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, zwischen Mittag und Sonnenuntergang und zwischen Sonnenuntergang und zwei Stunden danach) und das kurze Pflichtgebet (zwischen Mittag und Sonnenuntergang)...


=== Religionsverständnis ===
Die wichtigsten Festtage der Bahai-Gemeinde sind ''[[Nouruz|Naw-Ruz]]'' (Neujahrsfest am 21. März), ''Ridvan'' (die Verkündigung Baha’u’llahs vom 21. April bis zum 2. Mai), die ''Verkündigung des Bab und Geburtstag Abdu’l Bahas'' (am 23. Mai), das ''Hinscheiden Baha’u’llahs'' (am 29. Mai), der ''Märtyrertod des Bab'' (am 9. Juli), der ''Geburtstag des Bab'' (am 20. Oktober) und der ''Geburtstag Baha’u’llahs'' (am 12. November).


[[Datei:Ringstone.jpg|thumb|Das kalligraphische Ringsymbol ({{ar|بهاء|w=bahā'|d=bahāʾ|b=Herrlichkeit, Anmut, Glanz, Schönheit}}, {{ba|Bahá}}) zeigt drei Ebenen: die Ebene Gottes, die Ebene der Religionsstifter und die Ebene der Menschheit. Diese Ebenen werden durch die Offenbarung miteinander verbunden.]]
Die örtliche Gemeinde trifft sich alle 19&nbsp;Tage zu ihrer monatlichen Versammlung, welche von den Bahai ''Neunzehntagefest'' genannt wird. Der [[Bahai-Kalender]] teilt das Jahr in 19 mal 19&nbsp;Tage ein. Das Neunzehntagefest markiert den Monatsbeginn. Das Fest besteht aus drei Teilen: einem besinnlichen Andachtsteil, bei welchem aus den heiligen Schriften gelesen wird, einem Beratungsteil, bei welchem die Gemeinde über ihre Tätigkeiten berät und einem geselligen Teil, welcher mit einem Festmahl einhergeht.  


Ein zentraler Grundsatz der Bahai ist, dass Religion nicht der Vernunft und der Wissenschaft widersprechen dürfe.<ref name="Brockhaus">Brockhaus Enzyklopädie: ''Band 3 - Seiten 125-126'', F.A. Brockhaus, 21. Auflage Leipzig/Mannheim 2006, ISBN 978-3-7653-4103-8</ref> Als wichtigstes Element der Religion bezeichnete [[Abdu’l Baha]] die [[Nächstenliebe]]. Religion, die zu Zwietracht führt, verfehle ihren Zweck, und es sei besser, ohne sie zu leben.<ref name="Anspr. Paris 39.17">{{Literatur|Autor=Abdu’l Baha|Titel=Ansprachen in Paris|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=1983|ISBN=3-87037-062-9|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Abdul-Baha/Ansprachen%20in%20Paris.html&q=39.17&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Vers 39.17</ref>
Mancherorts werden öffentliche Andachten veranstaltet, welche gemeinsam mit den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften gestaltet werden. Bei ''Gebeten der Weltreligionen'' rezitieren und singen die Repräsentanten der Religionen nacheinander Gebete ihrer heiligen Schriften. Als verbindendes Element dient die [[Musik]]. Weitere Veranstaltungen der Bahai sind u. a. [[Gebetsversammlung]]en, Lesungen aus religiösen Schriften, Studienkurse, Kinderklassen, Vorträge oder Tagungen.
 
Im Mittelpunkt des Religionsverständnisses der Bahai steht eine dreifache Einheit: die ''[[Tauhīd|Einheit Gottes]]'', die ''mystische Einheit der göttlichen Offenbarer'' und die ''Einheit der Menschheit''.<ref name="M. Hutter 108">{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Die Weltreligionen|Auflage=2.|Verlag=C.H. Beck|Ort=München|Jahr=2006|Seiten=108|ISBN=978-3-406-50865-3}}</ref>
 
Theologischer Angelpunkt der Bahai-Lehre ist das heilsgeschichtliche [[Paradigma]] der ''[[Fortschreitende Offenbarung|fortschreitenden Offenbarung]]'': Gott offenbart sich der Menschheit nicht einmalig, sondern progressiv und zyklisch wiederkehrend. Da die Menschheit sich ständig fortentwickelt, muss die Religion eine Erneuerung erfahren, um der Situation entsprechend göttliche Führung leisten zu können. Dies geschieht, indem Gott der Menschheit in bestimmten Zeiträumen göttliche Offenbarer ([[Manifestation Gottes]]) schickt. Folglich sind die großen Religionen allesamt göttliche Stiftungen, die seine Botschaft in jeweils abgewandelter äußerer Form wiedergeben.<ref name="M. Hutter 108-110">{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Die Weltreligionen|Auflage=2.|Verlag=C.H. Beck|Ort=München|Jahr=2006|Seiten=108-110|ISBN=978-3-406-50865-3}}</ref> Nach dem Glauben der Bahai brachte Baha’u’llah die jüngste dieser göttlichen Offenbarungen, aber nicht die letzte. Nach ihm werden im Abstand von etwa tausend Jahren weitere Offenbarer erwartet. Nach dem Glauben der Bahai wurde Baha’u’llah von allen großen Religionen verheißen und verkörpert den Beginn eines neuen Abschnitts in der Entwicklung der Menschheit, der schließlich in einen weltlichen und geistigen Frieden münden werde.<ref name="TRE Baha’u’llah">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seite 115'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref> Seine Gebote sollen die Grundlage für eine solche Gesellschaft bilden und dazu führen, dass ''„dem Körper dieser Welt eine lebendige Seele geschenkt wird und dieses zarte Kind, die Menschheit, zur Stufe der Reife gelangt“''.<ref name="Stufe der Reife">Abdu’l Baha: ''Briefe und Botschaften'' 16:5</ref>
 
=== Ethische Grundsätze ===
{{Hauptartikel|Zwölf ethische Grundsätze der Bahai}}
 
Im Jahr 1912 hob [[Abdu’l Baha]] in seinen ''[[Ansprachen in Paris]]'' zwölf ethische Grundsätze aus den Lehren Baha’u’llahs besonders hervor. Diese zentralen Lehrsätze der Bahai dominierten bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts die Rezeption der Religion im Westen, die vor allem als humanitäre Friedensbewegung wahrgenommen wurde. Die spirituellen und philosophischen Lehren Baha’u’llahs erfuhren erst später ein größeres Interesse.
 
== Glaubenspraxis ==
 
[[Datei:New Delhi Lotus.jpg|thumb|Das Haus der Andacht in [[Neu-Delhi]], [[Indien]] wird auch Lotustempel genannt.]]
 
Die Bahai-Religion schreibt kaum Riten vor, individueller Gestaltungsfreiraum ist gegeben und [[Inkulturation]] wird begrüßt. Adressat fast aller Gebote ist das Individuum, nicht die Gemeinde. Einen unmittelbar erlösenden oder heilsbringenden Charakter haben die Riten nicht. Was zählt, ist die geistige Grundhaltung und nicht die äußere Form. Eine Etablierung kultischer Traditionen jenseits der von Baha’u’llah vorgeschriebenen Riten wird aufgrund der Gefahr der „Verkrustung der Religion“ abgelehnt.<ref name="TRE S. 126">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seiten 126'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref>
 
Das [[Haus der Andacht]] ist die vorgeschriebene Andachtsstätte der Bahai: ein neunseitiger Kuppelbau mit neun Eingängen. Der Tempel soll idealerweise von Gärten und sozialen Einrichtungen umgeben sein. Die Gottesdienste sind reine Andachten ohne [[Liturgie]] oder [[Predigt]]. Neben den heiligen Schriften des Bab und Baha’u’llahs werden Schriften aus allen [[Weltreligion]]en vorgetragen. Als musikalisches Element dienen gesungene Rezitationen und Gebete, Soloimprovisationen sowie Chorgesang. Musikinstrumente sind nicht vorgesehen, da die Häuser der Andacht allein dem Wort Gottes und der menschlichen Stimme vorbehalten sind.<ref name="TRE S. 126">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seiten 126'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref>
 
Eine zentrale Bedeutung haben die [[Fasten]]zeit und das [[Gebet]], insbesondere die Pflichtgebete, die in drei unterschiedlichen Längen und Formen zur Auswahl stehen.<ref name="Pflichtgebete">Zur Wahl stehen das lange Pflichtgebet (einmal in 24 Stunden), das mittlere Pflichtgebet (zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, zwischen Mittag und Sonnenuntergang und zwischen Sonnenuntergang und zwei Stunden danach) und das kurze Pflichtgebet (zwischen Mittag und Sonnenuntergang).</ref> Gefastet wird an 19&nbsp;Tagen im Jahr (den letzten Monat des [[Bahai-Kalender]]s). Fasten bedeutet für die Bahai völlige Enthaltung von Speise und Trank zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Vom Fasten ausgenommen sind Reisende und alle, die aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten sollten. Weitere wichtige Gebote Baha’u’llahs sind das tägliche Lesen in den Heiligen Schriften, sowie die tägliche 95malige Rezitation des [[Größter Name|Größten Namens]].<ref name="TRE S. 126">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seiten 126'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref>
 
Baha’u’llah verbietet den Bahai im [[Kitab-i-Aqdas]], Dinge zu konsumieren, welche sie ihres Verstandes berauben, es sei denn, es ist medizinisch notwendig.<ref name="Kitab-i-Aqdas 119">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=119.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 119</ref> Wie an anderer Stelle erläutert wird, sind damit auch Glücksspiel, alkoholische Getränke und Drogen gemeint.<ref name="Kitab-i-Aqdas Erl. 144">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=144.&q2=1&c=1#phrase-1 online]}} Erläuterung 144</ref>
 
Die Heiratszeremonie, welche als Form nur eine einfache Trauformel kennt,<ref name="Kitab-i-Aqdas F&A 3">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=3.&q2=24&c=1#phrase-24 online]}} Fragen & Antworten 3</ref> ist nur zwischen Frau und Mann möglich<ref name="Kitab-i-Aqdas 63">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=63.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 63</ref> und erfordert die Zustimmung aller noch lebenden Elternteile, was vor allem die Einheit innerhalb der Familie stärken soll.<ref name="Kitab-i-Aqdas 65">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=65.&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Kapitel 65</ref> Sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe werden abgelehnt.<ref name="Kitab-i-Aqdas 19; Erläuterungen 134">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=19.&q2=1&c=1#phrase-1 online]}} Kapitel 19; {{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=134&q2=2&c=1#phrase-2 online]}} Erläuterungen 134</ref>
 
Die Bahai respektieren die Gesetze ihres jeweiligen Landes,<ref name="Kitab-i-Aqdas IÜ D,1,m">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=m)&q2=2&c=1#phrase-2 online]}} Inhaltsübersicht D,1,m</ref> enthalten sich jedoch der Parteipolitik.<ref name="KGG 9:6">{{Literatur|Autor=Shoghi Effendi|Titel=Das Kommen göttlicher Gerechtigkeit|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Frankfurt a.M.|Jahr=1969|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Shoghi%20Effendi/Das%20Kommen%20Goettlicher%20Gerechtigkeit.TXT&q=9:6&q2=0&c=1#phrase-0 online]}} Vers 9:6</ref> Engagement in Jugendgruppen, Friedensbewegungen, interreligiösen Initiativen und Umweltschutzbewegungen und dergleichen außerhalb der Bahai-Gemeinde, sofern parteipolitisch neutral, wird ausdrücklich gefördert.
 
== Gemeinde ==
 
[[Datei:Seat of the Universal House of Justice2.JPG|thumb|Sitz des [[Haus der Gerechtigkeit|Universalen Hauses der Gerechtigkeit]], des höchsten Gremiums der Bahai, in [[Haifa]], [[Israel]]]]
[[Datei:Wilmette how side.jpg|thumb|[[Symbol]]e verschiedener Religionen auf einem Pfeiler des [[Haus der Andacht|Hauses der Andacht]] in Wilmette, [[Illinois]], [[Vereinigte Staaten]], zeigen die Offenheit der Bahai gegenüber den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften.]]
 
Die wichtigsten Festtage der Bahai-Gemeinde sind ''[[Nouruz|Naw-Ruz]]'' (Neujahrsfest am 21. März), ''Ridvan'' (die Verkündigung Baha’u’llahs vom 21. April bis zum 2. Mai), die ''Verkündigung des Bab und Geburtstag Abdu’l Bahas'' (am 23. Mai), das ''Hinscheiden Baha’u’llahs'' (am 29. Mai), der ''Märtyrertod des Bab'' (am 9. Juli), der ''Geburtstag des Bab'' (am 20. Oktober) und der ''Geburtstag Baha’u’llahs'' (am 12. November).<ref name="TRE Festtage">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seite 130'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref>
 
Die örtliche Gemeinde trifft sich alle 19&nbsp;Tage zu ihrer monatlichen Versammlung, welche von den Bahai ''Neunzehntagefest'' genannt wird. Der [[Bahai-Kalender]] teilt das Jahr in 19 mal 19&nbsp;Tage ein. Das Neunzehntagefest markiert den Monatsbeginn. Das Fest besteht aus drei Teilen: einem besinnlichen Andachtsteil, bei welchem aus den heiligen Schriften gelesen wird, einem Beratungsteil, bei welchem die Gemeinde über ihre Tätigkeiten berät und einem geselligen Teil, welcher mit einem Festmahl einhergeht.<ref name="TRE 19-Tagefest">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seiten 129 - 130'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref><ref name="Brockhaus">Brockhaus Enzyklopädie: ''Band 3 - Seiten 125-126'', F.A. Brockhaus, 21. Auflage Leipzig/Mannheim 2006, ISBN 978-3-7653-4103-8</ref>
 
Mancherorts werden öffentliche Andachten veranstaltet, welche gemeinsam mit den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften gestaltet werden. Bei ''Gebeten der Weltreligionen'' rezitieren und singen die Repräsentanten der Religionen nacheinander Gebete ihrer heiligen Schriften. Als verbindendes Element dient die Musik. Weitere Veranstaltungen der Bahai sind u. a. [[Gebetsversammlung]]en, Lesungen aus religiösen Schriften, Studienkurse, Kinderklassen, Vorträge oder Tagungen.


Einen Klerus gibt es nicht. Jeder offiziell erklärte Bahai kann ab dem 21. Lebensjahr grundsätzlich jedes Amt bekleiden. Bei Verstoß gegen eine administrative Regel oder bei offensichtlichem Verstoß gegen zentrale Glaubensgebote in der Öffentlichkeit können allerdings die ''administrativen Rechte'' zeitlich begrenzt entzogen werden. Das bedeutet, dass man in dieser Zeit von der Teilnahme im Neunzehntagefest ausgeschlossen ist und sein aktives und passives Wahlrecht in der Gemeinde verliert. Spaltungsversuche und massive interne Angriffe, die das Gemeindeleben ernsthaft gefährden würden, können durch das internationale [[Haus der Gerechtigkeit]] als ''Bundesbruch'' festgestellt werden. Folge sind der vollständige Ausschluss aus der Gemeinde und der Abbruch aller Kontakte zum Bundesbrecher. Fälle von Bundesbruch gab es in Europa sehr selten.
Einen Klerus gibt es nicht. Jeder offiziell erklärte Bahai kann ab dem 21. Lebensjahr grundsätzlich jedes Amt bekleiden. Bei Verstoß gegen eine administrative Regel oder bei offensichtlichem Verstoß gegen zentrale Glaubensgebote in der Öffentlichkeit können allerdings die ''administrativen Rechte'' zeitlich begrenzt entzogen werden. Das bedeutet, dass man in dieser Zeit von der Teilnahme im Neunzehntagefest ausgeschlossen ist und sein aktives und passives Wahlrecht in der Gemeinde verliert. Spaltungsversuche und massive interne Angriffe, die das Gemeindeleben ernsthaft gefährden würden, können durch das internationale [[Haus der Gerechtigkeit]] als ''Bundesbruch'' festgestellt werden. Folge sind der vollständige Ausschluss aus der Gemeinde und der Abbruch aller Kontakte zum Bundesbrecher. Fälle von Bundesbruch gab es in Europa sehr selten.


Die Struktur der Gemeindeordnung unterteilt sich in zwei Bereiche: In einen gewählten und in einen ernannten Zweig. Die gesamte Ordnung basiert auf dem ''Beratungsprinzip'' und der freien, geheimen und unabhängigen Wahl.<ref name="TRE S. 128f">''Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Teil 1, Band V, S. 128f'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin/New York, ISBN 3-11-013898-0</ref>
Entscheidungsträger sind die gewählten Gremien mit neun Mitgliedern, welche die Aktivitäten der Gemeinde leiten und koordinieren.<ref name="TRE Seiten 128 - 129">''Theologische Realenzyklopädie - Studienausgabe Teil 1 - Band V - Seiten 128-129'' Walter de Gruyter, 1993 Berlin / New York, ISBN 3-11-013898-0</ref> Der ''ernannte Zweig'' besteht aus verschiedenen Stufen von Beratern, welche von den gewählten Gremien ernannt werden, diese haben keine Entscheidungsgewalt.<ref name="TRE S. 128f"/>


Die [[Örtlicher Geistiger Rat|örtlichen Geistigen Räte]] werden einmal im Jahr durch die ganze Gemeinde gewählt. Jedes Land ist in bestimmte Wahleinheiten eingeteilt, wo Delegierte gewählt werden, die ihrerseits bei einer jährlichen Tagung die [[Nationaler Geistiger Rat|Geistigen Räte auf nationaler Ebene]] wählen. Der internationale Rat, das Universale Haus der Gerechtigkeit in [[Haifa]], wird alle fünf Jahre durch die männlichen und weiblichen Mitglieder aller nationalen Räte aus der Gesamtheit aller männlichen Gläubigen gewählt.
Sowohl die Wahl der Gremien als auch das Prinzip der Beratung sind für die Bahai ein Ideal. Eine ''Bahai-Wahl'' ist ein Akt demokratischer Willensbildung; sie ist allgemein, frei, gleich und geheim, enthält aber auch einen spirituellen Charakter. Qualität des Charakters wird als wichtiger angesehen als intellektuelle Qualifikation. Dem Alter, Geschlecht oder gesellschaftlichem Stand soll keine Bedeutung zugemessen werden. Interessenvertretung, Empfehlungen, Kandidaten, Parteien und Wahlkampf sind untersagt.<ref name="TRE S. 128f"/>
Das Beratungsprinzip soll sicherstellen, dass die Erfahrung und das Wissen aller für die gemeinsame Willensbildung nutzbar wird. Freie und uneingeschränkte Meinungsäußerung sind dabei unerlässlich. ''„Erst wenn die Meinungen aufeinanderprallen“'', so Abdu’l Baha, ''„kann der Funke der Wahrheit sprühen“''. Bei Entscheidungen wird nicht publiziert, welches Mitglied wie gestimmt hat. Parteibildung und Lobbyarbeit sollen durch lösungsorientierte Arbeit ersetzt werden. Voraussetzung für diese Form der Entscheidungsfindung ist, dass alle Ratsmitglieder als gleichberechtigt betrachtet werden. Meinungsbeiträge für eine Beratung werden nicht als persönliches „Eigentum“ betrachtet, sondern werden in dem Moment, in welchem sie in die Diskussion eingebracht werden, zum Gemeingut, über das alle gemeinsam befinden. Entscheidungsgrundlage ist die Heilige Schrift, die durch den Rat – je nach Beratungsgegenstand – stets neu anzuwenden ist. Jede Beratung im Geistigen Rat wird mit Gebeten begonnen.
Die Gemeinde finanziert sich über freiwillige und anonyme Spenden, die ausschließlich von Bahai angenommen werden.<ref name="Bahai.de - Finanzen">[http://www.bahai.de/bahai-religion/faq/#c462 Bahai.de]: ''Häufig gestellte Fragen'' Wie finanzieren sich die Bahá’í?</ref>
Eine Regel der Bahai in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]], welche einige intellektuelle Bahai als interne [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] kritisieren, ist, dass dort schriftliche Arbeiten über den Bahai-Glauben vor der Publikation einer internen Prüfung unterzogen werden. Diese Praxis, die noch aus der Zeit [[Shoghi Effendi]]s stammt, wird heute kontrovers diskutiert.<ref>Barney Leith: [http://bahai-library.com/index.php5?file=leith_bahai_review_repealed Baha’i Review - Should the “red flag” law be repealed?]</ref>


== Beziehung zu anderen Religionen ==
== Beziehung zu anderen Religionen ==
Die Beziehung der Bahai zu anderen Religionen ist geprägt von der Aufforderung ihres Religionsstifters: ''„Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf daß sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, daß euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne.“''<ref name="Kitab-i-Aqdas 144">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=144.&q2=0&c=1#phrase-0]}} Kapitel 144</ref> Konflikte aus religiösen Gründen werden abgelehnt, denn  das Ziel von Religion ist es ''„das Wohl des Menschengeschlechts zu sichern, seine Einheit zu fördern und den Geist der Liebe und Verbundenheit unter den Menschen zu pflegen“''<ref name="Ährenlese 110">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah, Shoghi Effendi|Titel=Ährenlese. Eine Auswahl aus den Schriften Baha’u’llahs, zusammengestellt und ins Englische übertragen von Shoghi Effendi|Auflage=5.|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2003|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Aehrenlese.txt&q=110&q2=1&c=1#phrase-1 online]}} Vers 110</ref> und sie soll ''„nicht zur Quelle der Uneinigkeit und der Zwietracht, des Hasses und der Feindschaft werden“''<ref name="Ährenlese 110"/>.
Die Beziehung der Bahai zu anderen Religionen ist geprägt von der Aufforderung ihres Religionsstifters: ''„Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf daß sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, daß euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne.“''


Zu anderen Religionen besteht von Seiten der Bahai nicht nur aufgrund dieser Gebote ein gutes Verhältnis, sondern auch weil sie in Gott den ''„Herrn aller Religionen“''<ref name="Kitab-i-Aqdas 31">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=31.&q2=0&c=1#phrase-0]}} Kapitel 31</ref><ref name="Kitab-i-Aqdas 36">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Kitab-i-Aqdas. Das heiligste Buch|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2000|ISBN=3-87037-379-2|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=RESULT&d=/de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Kitab-i-Aqdas.txt&q=36.&q2=0&c=1#phrase-0]}} Kapitel 36</ref> sehen. So gelten etwa [[Adam und Eva|Adam]], [[Abraham]], [[Mose]]s, [[Zarathustra]], [[Krishna]], [[Siddhartha Gautama]], [[Jesus Christus]], [[Mohammed]], [[Bab|der Bab]] und [[Baha’u’llah]] als [[Manifestation Gottes|Manifestationen Gottes]].<ref name="CEB Art. Manifestations of God"> {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=Art. Manifestations of God}} in: {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=A Concise Encyclopedia of the Bahá’í Faith|Verlag=Oneworld-Publications|Ort=Oxford|Jahr=1999|ISBN=978-1-85168-184-6|Seiten=231}}</ref>
Seit der [[Islamische Revolution|Islamischen Revolution]] hat sich die Situation der Bahai im Iran wieder verschlechtert. Seit 1981 wurde den Bahai bis heute die Aufnahme in Bildungseinrichtungen verweigert, Angestellten im öffentlichen Dienst ohne Sozialversicherung und Rente gekündigt, Gehälter und Ausbildungskosten mussten unter Androhung von Gefängnis zurückgezahlt werden. Bahai-Eigentum wurde enteignet, Geschäftsverkehr mit Bahai-Angehörigen verboten, Läden und Geschäfte geschlossen, Geschäfts- und Privatkonten gesperrt. Immer wieder kam es zu [[Pogrom]]en: Geschäfte, Büros und Fabriken wurden geplündert, Vieh abgeschlachtet, die Ernte enteignet oder gestohlen. Wohnhäuser wurden überfallen und in Brand gesteckt, die Bewohner massakriert, lebendig verbrannt oder gewaltsam gezwungen zum Islam zu konvertieren.
 
Gemäß dem Gebot Baha’u’llahs ''„Verkehret mit den Anhängern aller Religionen im Geiste des Wohlwollens und der Brüderlichkeit“''<ref name="Ährenlese">{{Literatur|Autor=Baha’u’llah|Titel=Ährenlese|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2003|ISBN=3-87037-406-3|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=SHOWTEXT&d=//de/Bahaitum/Authentisches%20Schrifttum/Bahaullah/Aehrenlese.txt]}} Vers 43:6</ref> wirken Bahai beim [[Interreligiöser Dialog|interreligiösen]]<ref>[http://www.bahai.de/deutsche-gemeinde/aktivitaeten/interreligioeser-dialog Interreligiöser Dialog auf bahai.de]</ref> und am [[Interkultureller Dialog|interkulturellen Dialog]]<ref>[www.interkultureller-rat.de/Themen/Abr_Forum/Thesen-Abr-Europa-deutsch-A4.pdf Vom christlichen Abendland zum abrahamischen Europa] (PDF)</ref> mit. Dabei erlangten sie insbesondere durch den Ausschluss seitens der schiitischen Gemeinde vom interreligiösen Dialog in [[Hamburg]] einige Bekanntheit.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,483542,00.html Interreligiöser Dialog - Hamburger Schiiten grenzen Bahai aus]</ref> Dem gegenüber steht die Förderung und Unterstützung des Dialoges mit Bahai von muslimischen Vertretern wie dem [[Zentralrat der Muslime in Deutschland]] und der [[Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion|DITIB]].<ref>[http://www.weisstduwerichbin.de/download/Weisst%20du%20wer%20ich%20bin%20Evaluation.pdf „Weißt du, wer ich bin?“ (PDF)]</ref>
 
== Verfolgung ==
{{Hauptartikel|Verfolgung der Bahai}}
 
[[Datei:Cemetery of yazd2.jpg|thumb|Geschändeter Bahai-Friedhof in [[Yazd]]]]
 
Die Verfolgungsgeschichte der Bahai in ihrem Ursprungsland Iran beginnt mit den Anfängen ihrer Religion. Bereits 1849/50 wurden in einem [[Demozid|Religiozid]] zahlreiche Anhänger des Bab massakriert, einige Quellen sprechen von über 20.000.<ref name="Heinsohn">Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde, S. 87, Rowohlt 1998, ISBN 3-499-22338-4</ref> Der Bab selbst wurde 1850 öffentlich hingerichtet. Der Religionsstifter Baha’u’llah war bis zu seinem Lebensende im heutigen [[Israel]] ein Verbannter und Gefangener. Theologisch betrachtet gelten Bahai im orthodoxen [[Islam]] als [[Apostasie im Islam|Abgefallene]]. Ihre Religion wurzelt im schiitischen Islam, hat sich aber von ihm gelöst. Die Bahai betrachten Mohammed, entgegen der Auffassung des islamischen Klerus, nicht als den letzten Propheten.<ref name="Schayani">Isabel Schayani: ''[http://www.tagesspiegel.de/politik/div/;art771,2516921 Tödlicher Glaube]'', in taz, 21. April 2008</ref> Im Gegensatz zu Christen, Juden und [[Zoroastrismus|Zoroastriern]] sind die Bahai im Iran nicht als geschützte religiöse Minderheit anerkannt. Damit werden Repressionen legitimiert und legalisiert.<ref>Bericht der Internationalen Liga für Menschenrechte von 1995, S. 10ff.</ref> Im Kampf um Einfluss und Macht innerhalb des Iran dienten und dienen die Bahai, zu Erzfeinden des Schiitentums und des Nationalstolzes stilisiert, immer wieder als Sündenböcke, die instrumentalisiert werden, um die emotionale Unterstützung der Massen zu gewinnen.<ref>Keddie, Nikki: Roots of Revolution. An Interpretive History of Modern Iran, S. 53, New Haven 1981</ref><ref>Boroujerdi, Mehrzad: Iranian Intellectuals and the West. A Tormented Triumph of Nativism, S. 96, New York 1996</ref> In der iranischen Öffentlichkeit wird die Verfolgung mit angeblicher „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ begründet.<ref>vgl. Nafisa Tehrani: ''[http://www.taz.de/pt/2006/05/17/a0145.1/text Die falsche Religion], taz vom 17. Mai 2006</ref> Dabei stellen die Bahai im Iran eine Religionsgemeinschaft dar, die sich gemäß den Lehren ihres Glaubens nicht in die iranische Politik einmischt und das Prinzip der [[Gewaltlosigkeit]] praktiziert.<ref>Susanne Schaup: ''Die Erde ist nur ein Land. Der Bahai-Glaube kennt die Vision von einer geeinten Menschheit und einem Lebensstil, der niemandem Gewalt antut'', in GOTT UND DIE WELT, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Leitartikel vom 31. Dezember 1993</ref>
 
Seit der [[Islamische Revolution|Islamischen Revolution]] hat sich die Situation der Bahai im Iran wieder verschlechtert. Seit 1981 wurde den Bahai bis heute die Aufnahme in Bildungseinrichtungen verweigert, Angestellten im öffentlichen Dienst ohne Sozialversicherung und Rente gekündigt, Gehälter und Ausbildungskosten mussten unter Androhung von Gefängnis zurückgezahlt werden. Bahai-Eigentum wurde enteignet, Geschäftsverkehr mit Bahai-Angehörigen verboten, Läden und Geschäfte geschlossen, Geschäfts- und Privatkonten gesperrt. Immer wieder kam es zu [[Pogrom]]en: Geschäfte, Büros und Fabriken wurden geplündert, Vieh abgeschlachtet, die Ernte enteignet oder gestohlen. Wohnhäuser wurden überfallen und in Brand gesteckt, die Bewohner massakriert, lebendig verbrannt oder gewaltsam gezwungen zum Islam zu konvertieren.<ref>vgl. Harald Vocke: Persien, du Herrliche, du Schreckliche... In der islamischen Republik des Ayatollah Khomeini sind die Anhänger der Bahai-Religion Freiwild, DIE WELT vom 3. Januar 1981, Titelartikel „Geistige Welt“</ref> Bis 1985 war praktisch die gesamte gewählte Führung der Bahai in 210 Hinrichtungen getötet.<ref name="Heinsohn"/> Vermutlich mindestens 10.000 Gläubige sind ins Exil geflohen.<ref>Vgl. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/7/0,1872,2388071,00.html</ref>


In den neunziger Jahren entspannte sich die Menschenrechtssituation etwas. Die iranische Führung nahm zwar Abstand von der blutigen Verfolgung, verwehrte den Bahai aber weiterhin zentrale Menschen- und Bürgerrechte.
In den neunziger Jahren entspannte sich die Menschenrechtssituation etwas. Die iranische Führung nahm zwar Abstand von der blutigen Verfolgung, verwehrte den Bahai aber weiterhin zentrale Menschen- und Bürgerrechte.


Seit dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten [[Mahmud Ahmadinedschad]] werden alle Bahai wieder systematisch vom iranischen Geheimdienst überwacht.<ref>Asma Jahangir, United Nations: [http://www.unhchr.ch/huricane/huricane.nsf/view01/5E72D6B7B624AABBC125713700572D09?opendocument Special Rapporteur on Freedom of religion or belief concerned about treatment of followers of Bahai Faith in Iran]</ref> Die Internationale Bahai-Gemeinde meldete eine deutliche Zunahme an willkürlichen Inhaftierungen, horrende Kautionszahlungen, Folter, Beschlagnahmungen, Schikanen und Drangsalierungen von Kindern und Jugendlichen.<ref>vgl. http://www.bahai.org/persecution/iran</ref> Übergriffe auf Bahai, welche unbestraft bleiben, werden durch gezielte Hetzkampagnen geschürt.<ref>Philipp Wittrock: ''[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,419647,00.html Wie die Mullahs Andersgläubige drangsalieren]'', Der Spiegel, 5. Juni 2006</ref> Im Jahr 2004 wurden mehrere mit der frühen Bahai-Geschichte im Iran verbundene heilige Stätten, darunter das Geburtshaus Baha’u’llahs, zerstört.<ref>Manfred Hutter: Die Weltreligionen, S. 118, C. H. Beck Wissen, München 2005, ISBN 3-406-50865-0</ref> Im Mai 2008 inhaftierte der iranische Geheimdienst erneut alle führenden Mitglieder der iranischen Bahai-Gemeinde.<ref>[http://www.bahai.de/presse/artikel/n-id/194/153/ch/9dd6ca53b4/ Der Nationale Geistige Rat der Bahai in Deutschland: Iranische Regierung verhaftet Führungsebene der Bahai]</ref> Sie wurden 2009 der Spionage beschuldigt und erwarten ein Gerichtsverfahren. Am 9. September 2008 verabschiedete das iranische Parlament ein Gesetz, welches die [[Apostasie im Islam|Abkehr vom Islam]] unter Androhung der Todesstrafe verbietet, das aber vom [[Wächterrat]] vorerst nicht ratifiziert wurde.<ref>[http://www.kathweb.at/content/site/home/database/21326.html EU ruft zu Religionsfreiheit auf], Österreichische Katholische Presseagentur, 28. September 2008</ref> Dies zieht eine weitere Zuspitzung der Verfolgung von [[Religiöse Minderheit|religiösen Minderheiten]] nach sich, insbesondere für die Bahai.<ref>[http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=1894&catid=23 Iranisches Majlis (Parlament) überlegt neue Gesetze: Hinrichtung von „Apostaten“ und „Hexen“]</ref>
Seit dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten [[Mahmud Ahmadinedschad]] werden alle Bahai wieder systematisch vom iranischen Geheimdienst überwacht.


== Rezeption im deutschsprachigen Raum ==
In der religionswissenschaftlichen Forschung wird die Bahai-Religion als [[Abrahamitische Religion|abrahamitischer]] [[Monotheismus]] eigener Prägung und als eigenständige [[Weltreligion|Universalreligion]] betrachtet.<ref name="Einordnung">Vgl. etwa {{Literatur|Herausgeber=Walter de Gruyter|Titel=Theologische Realenzyklopädie|Band=Studienausgabe, Teil 1, Band V|Ort=Berlin/New York|Jahr=1993|Seiten=130 f|ISBN=3-110-13898-0}} {{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Die Weltreligionen|Seiten=105|Kommentar=vgl. Literaturangaben}} {{Literatur|Titel=Religion in Geschichte und Gegenwart|Band=Bd. 1|Verlag=Mohr Siebeck|Ort=Tübingen|Jahr=1998|Seiten=1061 f|ISBN=3-161-46941-0}} {{Literatur|Titel=Evangelisches Kirchenlexikon|Band=Erster Band|Verlag=Vandenhoeck & Ruprecht|Ort=Göttingen|Jahr=1986|Seiten=352 ff|ISBN=3-525-50128-5}} {{Literatur|Titel=The Encyclopedia of Islam|Band=New Edition, Volume I|Verlag=E. J. Brill|Ort=Leiden (Niederlande)|Jahr=1986|Seiten=911, 915 ff|ISBN=9-004-08114-3}} {{Literatur|Titel=Metzler Lexikon Religion|Band=Bd. 1|Verlag=Verlag J.B. Metzler|Ort=Stuttgart/Weimar|Jahr=1999|Seiten=122 ff|ISBN=3-476-01551-3}} {{Literatur|Titel=The Encyclopedia of Religion|Band=Volume 2|Verlag=Macmillan Publishing Company|Ort=New York/London|Jahr=1987|Seiten=40 ff|ISBN=0-029-09710-X}}</ref>
In der älteren Forschung sah dieses Bild teilweise noch anders aus, da die frühen Darstellungen über die Bahai-Religion im deutschsprachigen Raum überwiegend von christlichen [[Apologetik|Apologeten]] verfasst wurden.<ref name="TRE">{{Literatur|Herausgeber=Walter de Gruyter|Titel=Theologische Realenzyklopädie|Band=Studienausgabe, Teil 1, Band V|Ort=Berlin/New York|Jahr=1993|Seiten=130 f|ISBN=3-110-13898-0}}</ref> Zu den gängigsten Fehleinschätzungen zählte die Einordnung als „islamische Sekte“, die darauf zurückzuführen ist, dass die Bahai-Religion in einem islamischen Kulturraum entstand. Dies wurde durch den unkritischen, unwissenschaftlichen und zum Teil apologetischen Gebrauch des Wortes [[Sekte]] begünstigt. Verkannt wurde, dass sich die Bahai-Religion auf eigene heilige Texte stützt, einen eigenen universalen Anspruch hat und das islamische Religionsgesetz bereits 1848 aufgehoben wurde.<ref name="TRE"/> In den Jahren der Sektendebatte in Deutschland (etwa ab 1990) trug auch eine Publikation<ref>{{Literatur|Autor=Francesco Ficicchia|Herausgeber=Eine Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen|Titel=Der Bahā’ismus − Weltreligion der Zukunft? Geschichte, Lehre und Organisation in kritischer Anfrage|Verlag=Quell Verlag|Ort=Stuttgart|Jahr=1981|ISBN=3-7918-6009-7|Kommentar=vergriffen}} Viele seiner damaligen Thesen hat Ficicchia heute revidiert.</ref> der [[Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen|Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen]] zeitweilig dazu bei, dass der deutschen Bahai-Gemeinde ein Sektenimage anhaftete. Dem trat die Bahai-Gemeinde mit der Veröffentlichung einer umfassenden Erwiderung<ref>{{Literatur|Autor=[[Udo Schaefer]] et al.|Titel=Desinformation als Methode. Die Bahāʾīsmus-Monographie des F. Ficicchia|Sammelwerk=Religionswissenschaftliche Texte und Studien|Band=Bd. 6|Verlag=Georg Olms Verlag|Ort=Hildesheim|Jahr=1995|ISBN=3-487-10041-X}} ''→ Rezensionen dazu: [[Udo Schaefer#Literatur]]''</ref> entgegen, womit eine sachgerechte Gesprächsbasis wiederhergestellt wurde.<ref>Ulrich Dehn in „Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW)“, 1/1997, S. 14-17: „Baha’i und EZW“</ref>
Maßgeblich für die neuere Forschung ist vor allem das „Handbuch Baha’i“ des Bonner Religionswissenschaftlers Manfred Hutter aus dem Jahr 2009.<ref>{{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Handbuch Baha’i. Geschichte – Theologie – Gesellschaftsbezug|Verlag=Kohlhammer|Ort=Stuttgart|Jahr=2009|ISBN=978-3-170-19421-2}}</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Konversion (Religion)]]
* [[Religion]]
 
* [[Islam]]
== Literatur ==
== Literatur ==
=== Grundwissen ===
'''Selbstdarstellungen:'''
* {{Literatur|Autor=Stephan Anis Towfigh, Wafa Enayati|Titel=Die Baha’i-Religion. Ein Überblick|Auflage=3.|Verlag=Olzog Verlag|Ort=München|Jahr=2007|ISBN=978-3-789-28231-7}}
* {{Literatur|Autor=John Ebenezer Esslemont|Titel=Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter|Auflage=8.|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=1986|ISBN=3-87037-184-6|Online=[http://recherche.bahai-studien.de/index.php?a=SHOWTEXT&d=%2Fde%2FBahaitum%2FBahai-Studien%2FSonstiges%2FBahaullah+und+das+Neue+Zeitalter.txt&c=true online]}}
* {{Literatur|Autor=Moojan Momen|Titel=The Baha’i Faith. A Beginner's Guide|Verlag=Oneworld Publications|Ort=Oxford|Jahr=2008|ISBN=1-931847-27-4|Online=[http://www.northill.demon.co.uk/bahai/ online als ältere Ausgabe, welche 1996 unter dem Namen „A Short Introduction to the Bahá’í Faith“ erschien]}}
* {{Literatur|Autor=[[William S. Hatcher]], J. Douglas Martin|Titel=The Bahá’í Faith. The Emerging Global Religion|Auflage=3.|Verlag=Bahá’í Publishing Trust|Ort=Wilmette (Illinois)|Jahr=2002|ISBN=1-931847-06-1}}
'''Monographien:'''
* {{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Handbuch Baha’i. Geschichte – Theologie – Gesellschaftsbezug|Verlag=Kohlhammer|Ort=Stuttgart|Jahr=2009|ISBN=978-3-170-19421-2|Online=[http://d-nb.info/991649842/04 Inhaltsverzeichnis], [http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3191406&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm Verlagsmeldung]}}
* {{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Heilige Schriften der Bahā’ī|Herausgeber=[[Udo Tworuschka]]|Sammelwerk=Heilige Schriften. Eine Einführung|Verlag=Verlag der Weltreligionen|Ort=Frankfurt am Main, Leipzig|Jahr=2008|ISBN=978-3-458-72007-2|Seiten=364–381}}
* {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=An Introduction to the Baha’i Faith|Verlag=Cambridge University Press|Ort=New York, Cambridge|Jahr=2008|ISBN=978-0-521-68107-0}}
'''Artikel:'''
* {{Literatur|Autor=Fereydun Vahman|Titel=Baha’ismus|Herausgeber=Gerhard Krause, Gerhard Müller|Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie|Band=Band 5|Verlag=Walter de Gruyter|Ort=Berlin, New York|Jahr=1980|ISBN=3-11-007739-6|Seiten=115-132}}
* {{Literatur|Autor=Manfred Hutter|Titel=Bahā’īs|Herausgeber=Lindsay Jones (et al.)|Sammelwerk=Encyclopedia of Religion|Band=Band 2|Auflage=2., völlig neu erstellte|Verlag=Macmillan Reference USA, Thomson Gale|Ort=New York (u.a.)|Jahr=2005|ISBN=0-02-865735-7|Seiten=737-740}}
* {{Literatur|Autor=John Walbridge|Titel=Baha’i Faith|Herausgeber=Richard C. Martin (et al.)|Sammelwerk=Encyclopedia of Islam and the Muslim World|Band=Band 1|Verlag=Macmillan Reference USA, Thomson Gale|Ort=New York (u.a.)|Jahr=2004|ISBN=0-02-865604-0|Seiten=100-101}}
* {{Literatur|Autor=Juan Ricardo I. Cole|Titel=Baha’i|Herausgeber=David Levinson, Karen Christensen (et al.)|Sammelwerk=Encyclopedia of modern Asia|Band=Band 1|Verlag=Charles Scribner's Sons, Thomson Gale|Ort=New York (u.a.)|Jahr=2002|ISBN=0-684-31242-5|Seiten=217–220}}
* {{Literatur|Autor=B. Todd Lawson|Titel=Bahā’ī|Herausgeber=John L. Esposito (et al.)|Sammelwerk=The Oxford Encyclopedia of the Modern Islamic World|Band=Band 1|Verlag=Oxford University Press|Ort=New York, Oxford|Jahr=1995|ISBN=0-19-509612-6|Seiten=177-182}}
* {{Literatur|Autor=Robert Stockman|Titel=Bahá’í Faith|Herausgeber=Thomas Riggs (et al.)|Sammelwerk=Worldmark Encyclopedia of Religious Practices|Band=Band 1|Verlag=Thomson Gale|Ort=Detroit  (u.a.)|Jahr=2006|ISBN=0-7876-6612-2|Seiten=23-45}}
=== Nachschlagewerke ===
* {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=A Concise Encyclopedia of the Bahá’í Faith|Verlag=Oneworld Publications|Ort=Oxford|Jahr=2008|ISBN=978-1-85168-184-6}}
* {{Literatur|Autor=Hugh C. Adamson|Titel=Historical Dictionary of the Bahá’í Faith|Verlag=Scarecrow Press|Ort=Lanham (Maryland)|Jahr=2007|ISBN=978-0-81085-096-5}}
=== Theologische Werke ===
* {{Literatur|Autor=Babak Farrokhzad|Titel=Der Fluss der Wahrheit. Endzeiterwartungen und Wahrheitsbeweise des Christentums und des Islam in Bahá’u’llás Kitáb-i-Íqán (Buch der Gewissheit)|Verlag=Bahá’í-Verlag|Sammelwerk=Studien zum Bahá’ítum|Band=Band 4|Ort=Hofheim|Jahr=2004|ISBN=3-87037-409-8}}
* {{Literatur|Autor=[[Udo Schaefer]]|Titel=Heilsgeschichte und Paradigmenwechsel. Zwei Beiträge zur Bahá’í-Theologie|Verlag=Bahá’í-Verlag|Sammelwerk=Studien zum Bahá’ítum|Band=Band 1|Auflage=2. überarbeitete und erweiterte|Ort=Hofheim|Jahr=2002|ISBN=3-87037-389-X}}
* {{Literatur
| Autor=[[Nader Saiedi]]
| Titel=Logos and Civilization. Spirit, History and Order in the Wiritings of Bahá’u’lláh
| Verlag=University Press of Maryland
| Ort=Bethesda
| Jahr=2000
| ISBN=1-88305-363-3
}}
* {{Literatur|Autor=Moojan Momen|Titel=Relativism. A Basis For Bahá’í Metaphysics|Herausgeber=Moojan Momen|Sammelwerk=Studies in Honor of the Late Husayn M. Balyuzi. Studies in the Bábí and Bahá’í Religions|Band=Band 5|Verlag=Kalimát Press|Ort=Los Angeles|Jahr=1988|Online=[http://bahai-library.com/articles/relativism.html online]}}
=== Geschichte ===
* {{Literatur|Herausgeber=Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in Deutschland|Titel=100 Jahre Deutsche Bahá’í-Gemeinde. 1905 – 2005|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2005|ISBN=3-87037-436-5}}
* {{Literatur|Herausgeber=Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in Deutschland|Titel=Die Bahá'í im Iran. Dokumentation der Verfolgung einer religiösen Minderheit|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=1985|ISBN=3870371706}}
* {{Literatur|Herausgeber=Johann Christoph Bürgel, Isabel Schayani|Titel=Iran im 19. Jahrhundert und die Entstehung der Bahā’ī-Religion|Verlag=Georg Olms Verlag|Ort=Hildesheim, Zürich, New York|Jahr=1998|ISBN=3-487-10727-9|Online=[http://books.google.de/books?id=5BxWw44GKNcC&printsec=frontcover&source=gbs_summary_r&cad=0 Online als Voransicht bei Google Books]}}
* {{Literatur|Autor=G. Cameron, W. Momen|Titel=A Basic Bahá’í Chronology|Verlag=George Ronald|Ort=Oxford|Jahr=1996|ISBN=0-85398-404-2}}
* {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=The Bahá’í Faith. A Short History|Verlag=Oneworld Publications|Ort=Oxford|Jahr=1999|ISBN=978-1-85168-208-9}}
* {{Literatur|Autor=Peter Smith|Titel=The Babi and Baha’i Religions. From messianic Shi’ism to a World Religion|Verlag=Cambridge University Press|Ort=Cambridge, New York|Jahr=1987|ISBN=0-52131-755-X}}
=== Narrative Theologie ===
* {{Literatur|Autor=‘Abdu’l-Bahá|Titel=Auf den Pfaden der Gottesliebe. Über den Báb und Seine Zeit|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=1997|ISBN=3-87037-328-8}}
* {{Literatur|Autor=Shoghi Effendi|Titel=Gott geht vorüber|Auflage=3.|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2001}}
=== Gemeindeordnung ===
* {{Literatur|Autor=Tajan Tober|Titel=Ein neues Ius Divinum? Zur Theologie des Rechts der Bahá’í|Sammelwerk=Schriften zum Staatskirchenrecht|Band=Band 40|Verlag=Peter Lang|Ort=Frankfurt am Main|Jahr=2008|ISBN=978-3-631-56235-2}}
* {{Literatur|Autor=Emanuel Vahid Towfigh|Titel=Die rechtliche Verfassung von Religionsgemeinschaften. Eine Untersuchung am Beispiel der Bahai|Sammelwerk=Ius Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht|Band=Band 80|Verlag=Mohr Siebeck|Ort=Tübingen|Jahr=2006|ISBN=3-16-148847-4|Online=[http://books.google.de/books?id=La3qSgIPS6MC&printsec=frontcover&source=gbs_summary_r&cad=0 Online als Voransicht bei Google Books]}}
* {{Literatur|Autor=Udo Schaefer|Titel=Grundlagen der Gemeindeordnung der Bahá’í|Sammelwerk=Studien zum Bahá’ítum|Band=Band 3|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2003|ISBN=3-87037-404-7}}
=== Studien zum Bahaitum ===
* {{Literatur|Autor=Karen Reitz-Koncebovski|Titel=Edelsteine ans Licht bringen. Beitrag zur Pädagogik|Verlag=Bahá’í-Verlag|Sammelwerk=Studien zum Bahá’ítum|Band=Band 7|Ort=Hofheim|Jahr=2006|ISBN=3-87037-448-9}}
* {{Literatur|Autor=Stephan Anis Towfigh|Titel=Das Bahá’ítum und die Medizin. Ein medizinhistorischer Beitrag zum Verhältnis von Religion und Medizin|Sammelwerk=Medizingeschichte im Kontext|Band=Band 12|Verlag=Peter Lang|Ort=Frankfurt am Main (u.a.)|Jahr=2006|ISBN=978-3-631-56233-8}}
'''Periodika:'''
* {{Literatur|Herausgeber=Gesellschaft für Bahá’í-Studien für das deutschsprachige Europa|Titel=Schriftenreihe der Gesellschaft für Bahá’í-Studien|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=2003–2006}}
* {{Literatur|Herausgeber=Gesellschaft für Bahá’í-Studien für das deutschsprachige Europa|Titel=Zeitschrift für Bahá’í-Studien|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=ab 2007|ISSN=1865-5955}}
* {{Literatur|Herausgeber=Association for Bahá’í Studies – North America|Titel=The Journal of Bahá’í Studies|Jahr=ab 1988|Online=[http://www.bahai-studies.ca/journal/past-issues Inhaltsübersicht und viele Artikel online]}}
* {{Literatur|Herausgeber=Association for Bahá’í Studies (English-Speaking Europe), Moojan Momen|Titel=Bahá’í Studies Review|Jahr=1991-2005|Online=[http://www.breacais.demon.co.uk/abs/bsr_volumes.htm Inhaltsübersicht und alle Artikel online]}}
* {{Literatur|Herausgeber=Steve Cooney|Titel=Online Journal of Bahá’í Studies|Jahr=2007-2008|Online=[http://oj.bahaistudies.net/ Inhaltsübersicht und alle Artikel online]}}
* {{Literatur|Herausgeber=‘Irfán-Kolloquium|Titel=Beiträge des 'Irfán-Kolloquiums. 'Irfán-Studien zum Bahá'í-Schrifttum|Verlag=Bahá’í-Verlag|Ort=Hofheim|Jahr=ab 2004}}
* {{Literatur|Herausgeber=‘Irfán Colloquia, Iraj Ayman|Titel=Lights of ‘Irfán. Papers Presented at the ‘Irfán Colloquia and Seminars|Verlag=Bahá'í Distribution Service|Ort=Wilmette|Jahr=ab 2000}}
== Weblinks ==
{{Portal|Bahai}}
{{Commons|Bahá'í Faith}}
* Offizielle Seiten der Bahai-Gemeinden in [http://www.bahai.de/ Deutschland], [http://www.at.bahai.org/ Österreich] und der [http://www.bahai.ch/ Schweiz]
* [http://www.bahai.org/ Offizielle englischsprachige Seiten der Bahá’í International Community] und deren [http://www.bic.org/ United Nations Office]
* {{dmoz|World/Deutsch/Gesellschaft/Religion_und_Spiritualität/Bahai|Bahai}}


==  Einzelnachweise ==
==  Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>
[[Kategorie:Bahai| ]]
[[Kategorie:Iranistik]]


{{Deutsche Wikipedia}}
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Version vom 27. Juli 2010, 15:04 Uhr

Bahai (Vorlage:FaS, Vorlage:Ba) nennen sich die Mitglieder einer weltweit verbreiteten Religion (auch als Bahaismus oder Bahaitum bekannt), die im 19. Jahrhundert von dem aus Persien stammenden Baha’u’llah gestiftet wurde. Sie lehrt einen abrahamitischen Monotheismus eigener Prägung, in dessen Mittelpunkt der Glaube an einen transzendenten Gott, die mystische Einheit der Religionen und der Glaube an die Einheit der Menschheit steht. Die Bahai vertreten eine handlungsorientierte Ethik, die sich einer humanitären Vision des sozialen Fortschritts verpflichtet; Beispiel: Nossrat Peseschkian (Redaktion folgt...)

Geschichte

Die Geschichte der Bahai-Gemeinde geht auf das Wirken zweier Stiftergestalten zurück: Sayyid Ali Muhammad (1819–1850), genannt „der Bab“ (arabisch: „das Tor“), und Mirza Husayn Ali Nuri (1817–1892), genannt „Baha’u’llah“ (arabisch: „Herrlichkeit Gottes“). Der eigentliche Stifter ist Baha’u’llah. Der Bab wird von den Bahai als dessen Wegbereiter und zugleich als eigenständiger Religionsstifter des Babismus betrachtet.


Gottesbild

Die Bahai-Religion knüpft damit an der islamischen Tradition an. Die Bahai glauben an „die Existenz und die Einheit eines persönlichen Gottes, der unerkennbar, unerreichbar, Quell aller Offenbarung, ewig, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig ist“. Sein Wesen bleibt für den Menschen verborgen, er kann Gott jedoch an seinen Eigenschaften erkennen. Gott ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, der Selbstbestehende. Neben Allmacht, Allwissen und Allbarmherzigkeit sind auch alle anderen positiven Eigenschaften bei Gott in Vollendung vorhanden.

Schöpferischer Antrieb und Ursache allen Seins ist die göttliche Liebe. ...

Das Haus der Andacht ist die vorgeschriebene Andachtsstätte der Bahai: ein neunseitiger Kuppelbau mit neun Eingängen. Der Tempel soll idealerweise von Gärten und sozialen Einrichtungen umgeben sein. Die Gottesdienste sind reine Andachten ohne Liturgie oder Predigt. Neben den heiligen Schriften des Bab und Baha’u’llahs werden Schriften aus allen Weltreligionen vorgetragen. Als musikalisches Element dienen gesungene Rezitationen und Gebete, Soloimprovisationen sowie Chorgesang. Musikinstrumente sind nicht vorgesehen, da die Häuser der Andacht allein dem Wort Gottes und der menschlichen Stimme vorbehalten sind.

Eine zentrale Bedeutung haben die Fastenzeit und das Gebet, insbesondere die Pflichtgebete, die in drei unterschiedlichen Längen und Formen zur Auswahl stehen. Zur Wahl stehen das lange Pflichtgebet (einmal in 24 Stunden), das mittlere Pflichtgebet (zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, zwischen Mittag und Sonnenuntergang und zwischen Sonnenuntergang und zwei Stunden danach) und das kurze Pflichtgebet (zwischen Mittag und Sonnenuntergang)...

Die wichtigsten Festtage der Bahai-Gemeinde sind Naw-Ruz (Neujahrsfest am 21. März), Ridvan (die Verkündigung Baha’u’llahs vom 21. April bis zum 2. Mai), die Verkündigung des Bab und Geburtstag Abdu’l Bahas (am 23. Mai), das Hinscheiden Baha’u’llahs (am 29. Mai), der Märtyrertod des Bab (am 9. Juli), der Geburtstag des Bab (am 20. Oktober) und der Geburtstag Baha’u’llahs (am 12. November).

Die örtliche Gemeinde trifft sich alle 19 Tage zu ihrer monatlichen Versammlung, welche von den Bahai Neunzehntagefest genannt wird. Der Bahai-Kalender teilt das Jahr in 19 mal 19 Tage ein. Das Neunzehntagefest markiert den Monatsbeginn. Das Fest besteht aus drei Teilen: einem besinnlichen Andachtsteil, bei welchem aus den heiligen Schriften gelesen wird, einem Beratungsteil, bei welchem die Gemeinde über ihre Tätigkeiten berät und einem geselligen Teil, welcher mit einem Festmahl einhergeht.

Mancherorts werden öffentliche Andachten veranstaltet, welche gemeinsam mit den Anhängern anderer Religionsgemeinschaften gestaltet werden. Bei Gebeten der Weltreligionen rezitieren und singen die Repräsentanten der Religionen nacheinander Gebete ihrer heiligen Schriften. Als verbindendes Element dient die Musik. Weitere Veranstaltungen der Bahai sind u. a. Gebetsversammlungen, Lesungen aus religiösen Schriften, Studienkurse, Kinderklassen, Vorträge oder Tagungen.

Einen Klerus gibt es nicht. Jeder offiziell erklärte Bahai kann ab dem 21. Lebensjahr grundsätzlich jedes Amt bekleiden. Bei Verstoß gegen eine administrative Regel oder bei offensichtlichem Verstoß gegen zentrale Glaubensgebote in der Öffentlichkeit können allerdings die administrativen Rechte zeitlich begrenzt entzogen werden. Das bedeutet, dass man in dieser Zeit von der Teilnahme im Neunzehntagefest ausgeschlossen ist und sein aktives und passives Wahlrecht in der Gemeinde verliert. Spaltungsversuche und massive interne Angriffe, die das Gemeindeleben ernsthaft gefährden würden, können durch das internationale Haus der Gerechtigkeit als Bundesbruch festgestellt werden. Folge sind der vollständige Ausschluss aus der Gemeinde und der Abbruch aller Kontakte zum Bundesbrecher. Fälle von Bundesbruch gab es in Europa sehr selten.


Beziehung zu anderen Religionen

Die Beziehung der Bahai zu anderen Religionen ist geprägt von der Aufforderung ihres Religionsstifters: „Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf daß sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, daß euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne.“

Seit der Islamischen Revolution hat sich die Situation der Bahai im Iran wieder verschlechtert. Seit 1981 wurde den Bahai bis heute die Aufnahme in Bildungseinrichtungen verweigert, Angestellten im öffentlichen Dienst ohne Sozialversicherung und Rente gekündigt, Gehälter und Ausbildungskosten mussten unter Androhung von Gefängnis zurückgezahlt werden. Bahai-Eigentum wurde enteignet, Geschäftsverkehr mit Bahai-Angehörigen verboten, Läden und Geschäfte geschlossen, Geschäfts- und Privatkonten gesperrt. Immer wieder kam es zu Pogromen: Geschäfte, Büros und Fabriken wurden geplündert, Vieh abgeschlachtet, die Ernte enteignet oder gestohlen. Wohnhäuser wurden überfallen und in Brand gesteckt, die Bewohner massakriert, lebendig verbrannt oder gewaltsam gezwungen zum Islam zu konvertieren.

In den neunziger Jahren entspannte sich die Menschenrechtssituation etwas. Die iranische Führung nahm zwar Abstand von der blutigen Verfolgung, verwehrte den Bahai aber weiterhin zentrale Menschen- und Bürgerrechte.

Seit dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad werden alle Bahai wieder systematisch vom iranischen Geheimdienst überwacht.


Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise