Atma Anatma Viveka: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. August 2022, 09:19 Uhr

Wer bin ich?

Atma Anatma Viveka Wer bin ich? Dies ist eine der ganz entscheidenden und spannenden Fragen und Analysen auf dem spirituellen Weg. Schon die alten Griechen sagten „Gnôthi seautón – Erkenne dich selbst.“ In einem berühmten Satz sagt Swami Sivananda: „Frage, wer bin ich, erkenne dein Selbst und sei frei.“

Die Vedantins sagen, dass diese Frage „Wer bin ich?“ die vielleicht ganz entscheidende Frage ist. Insbesondere ist es wichtig zu erkennen, dass wir nicht das sind, was wir normalerweise glauben, und dass uns nicht das gehört, was wir glauben was uns gehört, und es ist wichtig, zu erkennen, wie sehr wir uns mit Dingen und auch Aspekten identifizieren, die wir nicht wirklich sind.

Atma Anatma Viveka

- ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Übe Selbsterforschung

So möchte ich heute eine der großen Vedanta Vicharas durchgehen, also die vedantische Analysetechnik, nämlich die Atma Anatma Viveka, die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst.

Die Analyse „Wer bin ich?“ im Sinne der Vedanta - Analyse, wie sie Shankara auch in einigen seiner Werke beschreibt, unterscheidet zwischen Subjekt und Objekt.

  • Objekt ist das Ding, ist das, was wahrgenommen werden kann und welches man verändern kann. Objekt ist das, was sich auch in Zeit und Raum ständig verändert.
  • Subjekt ist derjenige, der wahrnimmt, der Dinge tun kann.

Zum Beispiel diese Uhr: Wenn ich frage „Bin ich diese Uhr?“, dann wird man natürlich sagen „Nein, ich bin nicht diese Uhr.“ Aber warum eigentlich nicht? Ich bin das Subjekt, d.h. ich sehe die Uhr, ich höre und fühle sie, also: Ich nehme die Uhr wahr. Ich bin nicht die Uhr, ich bin der Wahrnehmende. Die Uhr dagegen ist das Objekt, und so kann ich sagen: „Ich bin nicht die Uhr.“

Identifikation und "Das gehört mir"

Mamata - Das ist meine Uhr

Anhand der Uhr kann man noch einmal zwei weitere Dinge beschreiben, die im Vedanta als Asmita und Mamata bezeichnet werden.

  • Asmita ist das Prinzip der Identifikation, ist die Ich-bin-heit (Asmi – ich bin).
  • Mamata bedeutet die Mir-heit, „Das gehört mir“.

Wenn ich jetzt frage, ob ich diese Uhr bin, bin ich es natürlich nicht, das ist für alle klar. Aber ich identifiziere mich mit dieser Uhr, bzw. könnte mich damit identifizieren, und wenn irgendetwas mit der Uhr passiert, dann tut es mir weh. Angenommen du hättest eine Uhr, die für dich bedeutsam ist, du hast sie vielleicht geschenkt bekommen, oder du hast sehr viel Zeit damit verbracht, sie dir auszusuchen, du denkst dass sich wirklich zu dir passt, vielleicht gibt es eine solche Uhr auch nicht mehr, vielleicht hast du irgendeinen Spruch hineingravieren lassen …, und dann passiert irgendetwas mit der Uhr – und dann denkst du: „Mir fehlt etwas“, du hast dich also identifiziert mit der Uhr.

Du kannst natürlich auch sagen: „Das ist meine Uhr.“ Wenn du dies sagst und du dich mit dieser Uhr identifizierst, dann gibt es alle möglichen Probleme.

Warum gibt es diese Probleme? Zunächst einmal gehört dir nicht diese Uhr – alles in diesem Universum ist uns nur als Leihgabe gegeben worden, mit beschränkter Dauer. Die Dauer ist undefiniert, denn die Uhr könnte jederzeit verschwinden, jemand kann sie klauen, ich kann drauftreten oder sie verlieren, daher ist sie niemals „mir“. Selbst wenn ich sie gekauft habe oder sie mir jemand geschenkt hat – gehören tut sie einem nicht.

Die Illusion von Besitz

Aus der Angst etwas zu verlieren entsteht Leid

Die Vorstellung von Besitz ist eine der größten Illusionen in diesem Universum. Es mag sein, dass es aus wirtschaftlich Gründen in großen Gesellschaften hilfreich sein könnte, dass es Privatbesitz gibt. Ich will jetzt nicht auf sozialpolitische und auf ökonomische Zweckmäßigkeit abzielen, aber einfach vom Philosophischen her könnte man sagen, dass uns nichts gehört, denn wir haben nichts geschaffen, und wir können nichts willkürlich auflösen. Man könnte es zwar in andere Elemente verwandeln, aber wir können die Elemente nicht auflösen. Auch kann ich nicht bestimmen, wie lange es mir gehört – jederzeit kann es mir weggenommen werden. Wenn ich mich mit dieser Uhr identifiziere, dann habe ich ein Problem. Ich habe nämlich Angst, dass sie mir weggenommen wird, bewusst oder unbewusst, und wenn sie mir weggenommen wird dann bin ich im Leiden. So gilt es, diese beiden Dinge (Asmita und Mamata) zu vermeiden. Und bei allem, was dir gehört, sei dir bewusst:

  • Das gehört nicht mir.
  • Ich bin es nicht.
  • Mein Glück hängt nicht davon ab.
  • Es ist mir gegeben worden, es wird mir genommen, und dazwischen kann ich mich daran erfreuen.

Identifikation braucht ständige Bestätigung

Identifikation braucht Zuspruch

Dann gibt es folgendes zusätzliches Problem: Wenn ich denke, dass mir etwas gehört, dann will ich dies immer wieder bestätigt bekommen, denn tief im Inneren weiß ich auch, dass es mir eigentlich nicht gehört, dass ich es eigentlich nicht bin. Aber das, womit ich mich identifiziere, dessen will ich mich immer wieder vergewissern. Wenn ich mich also mit dieser Uhr identifiziere, dann freue ich mich, wenn mir jemand sagt „Wow, hast du eine tolle Uhr!“ Und wenn mir jemand sagt „Was für eine altmodische Uhr“ oder „Wer kann nur so eine Uhr haben“, dann wird mich das kränken. Warum kränkt das einen? Weil wir uns damit identifizieren. Und warum erhoffen wir, dass jemand etwas Gutes sagt? Wir wollen in dieser Identifikation bestätigt werden, in unserem Ich-Gefühl. Instinktiv wissen wir, dass wir nicht das sind, womit wir uns identifizieren, aber wir haben Angst davor, unser Selbst zu verlieren – also brauchen wir die Bestätigung von außen.

Aspekte vedantischen Sadhanas

Jetzt haben wir schon einige sehr wichtige Aspekte für die vedantische Sadhana, die vedantische Praxis:

  • Die Unterscheidung von Subjekt und Objekt
  • Identifikation und Mir-Gefühl
  • Das darauf beruhende Leiden
  • Die darauf beruhend Notwendigkeit der Bestätigung.

Kränkung aus Identifikation

So kommt es auch, dass Menschen gekränkt werden. Warum wird jemand gekränkt, wenn jemand schlecht über sein Auto oder seine Uhr spricht? Wir werden darauf noch öfters zu sprechen kommen. Der Grund ist: Man braucht Bestätigung, und wenn man für das, womit man sich identifiziert, keine Bestätigung bekommt, ist man irgendwo in seinem Ich gestört. Der Mensch braucht irgendwo das Gefühl, dass das Ich stark ist. Wenn er das Gefühl hat, dass es gekränkt wird, dann ist das schlimm für ihn. Sowie man sich identifiziert mit etwas, was man nicht ist, wird man natürlich schnell gekränkt.

Beispiele für Identifikationen

Identifikation mit Yogakleidung

Schicke Yogakleidung loslassen

In diesem Sinne: „Ich bin nicht die Uhr.“ Natürlich bin ich auch nicht mein Hemd, meine Yogakleidung – auch dies ist ein Objekt: Ich sehe die Yogakleidung und spüre sie, kann das Geräusch hören. Ich bin also nicht die Yogakleidung, sie gehört mir auch nicht, auch wenn ich sie gekauft habe, ich habe auch nicht die Kontrolle darüber, sie braucht nur mal bei falscher Temperatur gewaschen zu werden, oder sie zerreißt weil sie wo hängen bleibt …. Wenn ich mich mit ihr identifiziere, dann denke ich „Oh, welch schöne Kleidung, reine Baumwolle, schönes Gelb, ich habe sie mir selbst in Indien in einem Shop mit Naturkleidung, es gehört zu einem Kadi, sie ist auch handgesponnen – also sie ist eine besondere Kleidung ...“ Wenn ich mich besonders damit identifiziere, dann will ich natürlich auch, dass dies auch jemand anderes sagt „Wow, hast du eine tolle Kleidung, sieht das gut aus, das steht dir gut“ . Wenn es dann noch aus einer Stiftung stammt, die Mahatma Gandhi gewidmet ist, Kadi und alles mit Naturfarben gefärbt ist, dann hoffe ich natürlich, dass ich im Ansehen steige. Aber wehe wenn jemand sagt „Diese Farbe steht dir überhaupt nicht, und dieser Schnitt ist altmodisch, wie kann man nur so rumlaufen ...“.

Aus Identifikation (Asmita) und aus einem Das-ist-mein (Mamata) entsteht also Dukha (Leiden). Das Ego braucht Selbstbestätigung – wenn es das nicht bekommt, entsteht Kränkung.

Identifikation mit dem Auto

Es gibt noch so viel anderes. Menschen identifizieren sich mit ihrem Auto, manchmal auch so weit, dass sie zu ihrem Auto „Ich“ sagen: Wenn du gefragt wirst, wo du stehst, dann wirst du sagen „Ich stehe im Parkhaus.“ Das heißt natürlich, dass du dein Auto im Parkhaus geparkt hast, aber Menschen identifizieren sich so sehr mit ihrem Auto, dass sie davon sprechen, dass sie dort stehen, wo sie ihr Auto geparkt haben. Menschen sind sehr gekränkt, wenn mit ihrem Auto etwas passiert, oder wenn andere es als „Karre“ bezeichnen.

Vielleicht magst du kurz darüber nachdenken, womit und worüber du dich identifizierst? Irgendeine Kopfbedeckung oder Kleidungsstück, irgendein Werkzeug oder Auto, irgendeine Brille oder Schmuckstück? Du kannst auch überlegen, wann du das letzte Mal gekränkt wurdest. Wann hast du dich gekränkt gefühlt, wenn jemand über irgendetwas gesprochen hat, was dir „gehört“? Wann hast du dich das letzte Mal gefreut, weil etwas gelobt wurde, was dir „gehört“? Hier weißt du: Ja, da ist Identifikation!

Identifikation mit Rollen

Vater sein - eine Rolle

Es gibt noch mehr Arten von Identifikation, zum Beispiel mit Rollen. Heutzutage, bei den Yogis nicht so verbreitet, können sich Menschen damit identifizieren „Ich bin Schwabe oder Bayer oder Niedersachse oder Lipper.“ Bad Meinberg liegt im Lipper Land, und die Menschen haben eine gewisse Identifikation damit. Identifizierst du dich damit? Das weißt du spätestens in dem Moment, in dem jemand einen schlechten Witz über Bayern oder Lipper oder was auch immer macht. Du kannst dich auch mit der Nation identifizieren: „Ich bin Deutscher / Italiener / Inder ...“. Oder man dann sich mit einer sozialen Schicht identifizieren: „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie.“

Mit all dem kann man sich identifizieren, aber ich bin das nicht. Ich bin das unsterbliche Selbst. Ich nehme Rollen an, aber ich bin es nicht. Auch hier kannst du überlegen, welche dieser Identifikationen für dich vielleicht besonders stark ist. Das merkst du, wenn du immer dann, wenn über das gesprochen wird, mit dem du dich identifizierst, du dich besonders gekränkt oder besonders stolz fühlst. Wenn eines von den beiden auftritt, dann merkst du: „Aha, da habe ich eine Identifikation.“ Wenn du das merkst, dann kannst du einen Moment innehalten und dir bewusst machen: „Ich bin nicht diese Rolle, ich bin nicht diese soziale Schicht, ich bin nicht die Nation.“

Nach der Yogalehre waren wir schon in vielen verschiedenen Körpern inkarniert. Wir hatten schon Millionen von Inkarnationen, und jeder von uns hatte schon mal einen Körper, der in Afrika oder Südamerika etc. inkarniert war – Wer bist du im Sinne von Inkarnation oder Rasse?

Und selbst wenn du es jetzt nicht von Inkarnationen aus siehst: Angenommen wir würden es aus Sicht der DNA sehen. Eine DNA-Analyse würde ziemlich sicher zeigen, dass du Verwandte und Vorfahren aus Spanien, Italien, Griechenland oder aus Afrika, woher wir ja alle stammen, sofern die Evolutionsbiologie stimmt hast. Man sagt ja, dass alle Menschen eventuell nur eine einzige Ur-Mutter haben, manchmal als Eva bezeichnet, die aus Ostafrika stammen soll. Vielleicht sind es auch ein halbes Dutzend, und andere kommen aus Asien usw. In diesem Sinne: „Wer bin ich?“

Identifikation mit Menschen

Shankara: Wieder wirst du geboren, wieder wirst du sterben. Wann hast du genug davon?

Man kann noch weiter gehen. Wir identifizieren uns ja nicht nur mit Besitz und Rollen, sondern auch mit anderen Menschen. Beispielsweise kannst du dich mit „Meine Mutter / mein Vater / mein Kind / mein Mann / meine Frau“ identifizieren. Diese Identifikationen sind sicherlich schwieriger als die anderen, über die ich vorher gesprochen hatte.

Der große Vedanta-Meister Shankara (ca. 800 n. Chr.) sagte: „Wieder wirst du geboren, wieder wirst du älter, wieder wirst du alt, wieder wirst du sterben. Wieder wirst du geboren, wieder wächst du auf, wieder wirst du alt, wieder wirst du sterben. Genug, genug! Wann hast du genug davon, dich immer wieder mit ähnlichen Menschen in wechselnden sozialen Beziehungen zu inkarnieren? Jeder Mensch, den du siehst, war schon einmal deine Mutter. Jeder Mensch, den du siehst, war schon einmal dein Vater. Jeder war schon einmal dein Kind, dein Mann, deine Frau.“

Das ist ein interessanter Gedanke! Ob es für dich stimmt oder nicht hängt auch davon ab, ob du von Reinkarnation überzeugt bist oder nicht, aber es ist ein interessanter Gedanke. Die Menschen, die wir jetzt als Kind / Eltern / Mann / Frau bezeichnen waren in einem früheren Leben in einer anderen Beziehung mit uns, und wir werden wieder in eine andere Beziehung eintreten, über viele Inkarnationen hinweg.

Wenn du dich damit also mit anderen Menschen vollständig identifizierst, dann geschieht es, dass du Erwartungen an deine Mitmenschen hast. Wenn du zum Beispiel dein Leben über deine Kinder führst, dann hoffst du natürlich, dass sie all das leben, was du nicht gelebt hast. Und du hoffst, dass sie nicht die gleichen Fehler machen, die du gemacht hast. Du hast bestimmt Erwartungen. Wenn du dich zu sehr mit deinen Kindern identifizierst, verhinderst du, dass sie ihr eigenes Leben führen. Natürlich hast du ihnen gegenüber eine besondere Verantwortung. Du hast spezielle Aufgaben, du hast eine spezielle Liebe zu ihnen. Ob es wirklich möglich ist, keine Verhaftungen an seine Kinder zu haben, ist eine andere Frage. Selbst bei den Yoga-Meistern mit Kindern, die ich kenne, habe ich gemerkt, dass sie eine besondere Beziehung zu ihren Kindern haben, voller Liebe und auch mit gewissen Verhaftungen.

Aber im Yoga würde man sagen: „Die Kinder haben schon so viele Inkarnationen gehabt, sie sind schon so oft auf der Welt gewesen, und jetzt sind sie durch mich in diese Welt hinein gekommen. Ich habe eine besondere Aufgabe. Ich bin neugierig, welchen Charakter sie haben und welches Karma sie mitbringen. Ich bin neugierig, was in ihrem Leben geschieht, und ich will schauen, wie ich dort hilfreich sein kann. Aber ich weiß, dass meine Kinder ihre eigene Persönlichkeit haben, ihre eigenen Aufgaben und ihr eigenes Karma. Ich bin Geburtshelfer, nicht nur im Moment der Geburt, sondern auch später, und dann werde ich sie in die Freiheit entlassen, vielleicht nicht vollständig, aber in ihre eigene Freiheit, sich zu entwickeln. Mein Glück muss nicht vollständig vom Glück meiner Kinder abhängen.“

Identifikation mit den Eltern

Genauso ist es auch mit den Eltern. Eltern haben einen in die Welt gesetzt, sie haben so viel getan für uns, sie haben sich bemüht uns gut aufzuziehen, zumindest die Mehrheit hat sich bemüht. In ihrem Bemühen haben sie auch einige Fehler gemacht, uns einige Probleme geschaffen. Vielleicht haben sie jetzt ein bestimmtes Alter und wir haben einige Aufgaben – aber wir sind nicht unsere Eltern in dem Sinne, dass wir nicht vollständig von ihnen abhängig sind. Wir müssen unsere Eltern nicht bekehren oder zur Einsicht bringen. Unser Glück hängt auch nicht davon ab, dass sie sagen „Das hast du richtig gemacht, ich bin stolz auf dich“, sondern sie hatten eine karmische Aufgabe, und wir haben eine gewisse Aufgaben gegenüber unseren Eltern. Aber man kann sagen „Neti Neti – Ich bin nicht die Eltern, die Eltern gehören mir nicht, und ich gehöre auch nicht den Eltern.“

Identifikation mit Partner/in

Gemeinsames spirituelles Wachstum

Genauso ist es auch mit dem Partner, der Partnerin. Viele Menschen identifizieren sich vollständig über ihren Partner. Dann heißt es natürlich auch: „Der Partner gehört mir. Er oder sie darf nur machen, was ich gerne hätte.“ Und ich muss versuchen, ihn oder sie so umzuerziehen, damit er so ist wie ich ihn gerne hätte.

In der yogischen Partnerschaft gehört natürlich auch die Treue dazu, und es gilt sogar das Ideal, dass man eine Partnerschaft hat bis zum physischen Tod. Aber es geht nicht darum, dass ich mich mit dem Partner im Sinne von „Der gehört mir“ identifiziere, sondern es geht um uneigennützige Liebe: Wie kann ich dem anderen helfen, wie kann ich ihm dienen? Wie können wir gemeinsam spirituell wachsen und neugierig darauf sein, was sich durch den Partner noch manifestiert? Und es geht um das Bewusstsein, dass ich mich entwickle und dass sich mein Partner, meine Partnerin entwickelt, und hoffentlich können wir uns auch gemeinsam entwickeln – aber es geht nicht um Identifikation.

Vielleicht magst du jetzt einen Moment innehalten und darüber nachdenken. Wo identifizierst du dich besonders in deinen menschlichen Beziehungen? Du wirst es besonders daran spüren, wenn jemand nicht das tut, was du von ihm erwartest. Wenn jemand dich nicht besonders lobt oder dir Anerkennung schenkt. Oder ein anderer Mensch macht eine negative Bemerkung über die Menschen, mit denen du dich identifizierst. Wie sehr trifft dich das? - Dann weißt du, wie groß deine Identifikation ist.

Ich bin der Beobachter

Erkenne dich als Beobachter

Dann könntest du überlegen, was du tun kannst, um diese Identifikation etwas zu lösen. Erkenne: Ich bin der Beobachter, ich bin das Subjekt. Ich trete in Beziehungen, aber ich bin nicht die Beziehung, bin auch nicht identifiziert mit der Beziehung.

Beziehungen verändern und wechseln sich, in diesem Leben wie auch über viele Leben. Momentan sind meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen so. Manche Beziehungen sind schön, so wie sie sind, und manche sind nicht so schön. Aber sie sind da, ich wachse daran, und ich will mich nicht damit identifizieren.

Identifikation mit dem Körper

Beim nächsten Aspekt von „Wer bin ich?“ wird es schon etwas schwieriger oder war es bei den sozialen Beziehungen doch am schwierigsten?. Jetzt geht es um den Körper: „Bin ich der Körper?“

Bevor wir zum ganzen Körper gehen können wir uns schon einmal fragen: „Bin ich die Hand?“ Antwort: „Subjekt – Objekt“. Das ist wieder eine neue Frage. Ich könnte feststellen: „Ich nehme die Hand wahr. Ich sehe, höre, rieche, schmecke und vor allem ich fühle die Hand. Ich kann sie bewegen, habe sie bis zu einem gewissen Grad unter Kontrolle, aber ich habe sie nicht vollständig unter Kontrolle.“ So wie ich die Uhr heben und senken kann, sie als Stoppuhr benutzen, eine andere Zeit einstellen, aber ich habe nicht alles unter Kontrolle, was die Uhr macht. So kann ich auch einiges mit der Hand machen, aber ich habe sie nicht ganz unter Kontrolle.

Mit der Hand kann auch was passieren – ein Unfall oder eine Blutvergiftung, und sie muss vielleicht amputiert werden. Wer bin ich ohne Hand? Ich bin weiter ich, ich habe nicht mehr die Hand, aber ich bin ich. Ich bin nicht die Hand, ich bin der Beobachter. Selbst wenn ich die Hand verlieren würde und dann eine künstliche Hand bekomme, wäre ich natürlich auch nicht diese Hand. Man ist ja schon dabei, künstliche Organe immer weiter zu entwickeln, und es ist durchaus denkbar, dass im Jahr 2025 oder 2030 künstliche Hände entstehen, welche auch Sinnesimpulse weitergeben, durch die Nerven voll bewegt werden können und die auch den Berührungsimpuls weitergeben – ein Mensch könnte sich dann vermutlich auch mit dieser künstlichen Hand identifizieren. Bin ich diese Hand? - Nein! Ebenso wenig bin ich die Beine. Bin ich das Herz? - Nein!

Angenommen ich bekomme ein neues künstliches Herz – wer bin ich? Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass jemand nach einer Herztransplantation irgendwo anders ist, und das sogar sein Charakter und seine Persönlichkeit vom Spender etwas beeinflusst wird, auch wenn er ihn nicht kennt – aber heißt das „Ich bin das“? Meine Persönlichkeit würde sich auch verändern, wenn ich jetzt plötzlich befördert werden würde und eine andere Kleidung trage, oder wenn ich mich in jemand anderes verliebe. Genauso wird meine Persönlichkeit leicht verändert, wenn ich ein anderes Organ bekomme. Trotzdem: Ich bin weiter Ich, ich bin nicht das Organ.

Wenn du viel meditierst, hast du vielleicht schon einmal in der Meditation die Erfahrung gemacht: „Ich bin nicht der Körper, ich bin von ihm unabhängig“. Manchmal geschieht es in der Meditation, dass man seine Füße oder Beine nicht spürt, man spürt Arme, Rumpf oder Kopf nicht. Plötzlich spürt man seinen Körper nicht mehr, fühlt sich als reines Bewusstsein. Dort weißt du: Ich bin nicht der Körper. Neti Neti – nicht dies, nicht das, nicht dieser Körper.

Körper verlassen

Out of Body Experience

Vielleicht hast du in der Meditation sogar schon einmal eine sogenannte "Out-of-body-experience" gehabt – eine Erfahrung außerhalb deines Körpers in dem Sinne, dass du deinen Körper von oben gesehen hast. Du bist auf eine Astralreise gegangen, hast vielleicht schon die Dinge im Nebenzimmer gesehen, welche du vorher nicht gesehen hättest. Wenn du so etwas jemals erlebt hast, dann weißt du ganz sicher: Ich bin nicht der Körper. Ich bin schon außerhalb des Körpers gewesen. Ich habe ohne den Körper wahrgenommen, und ich habe Dinge wahrgenommen, die ich physisch nicht hätte wissen können. Dann weißt du: Ich bin nicht der Körper.

Yogis sagen: Du bist das unsterbliche Selbst. Du hast einen Astralkörper. Du gehst in diesen Körper hinein, du bewegst ihn und tust einiges mit ihm. Irgendwann verlässt du den Körper wieder vollständig – das ist der physische Tod. Du brauchst keine Angst zu haben vor deinem eigenen physischen Tod oder dem deiner Mitmenschen – die Seele stirbt nicht, wenn der Körper stirbt. Die Yogis gehen noch weiter und sagen, dass du jede Nacht deinen physischen Körper verlässt. Im Traum bist du etwas oberhalb deines physischen Körpers. Einschlafen heißt, dass die Seele mit dem Astralkörper den physischen Körper verlässt. Aufwachen heißt, dass die Seele mit dem Astralkörper wieder den physischen Körper betritt.

Mit dem physischen Körper gibt es natürlich auch wieder Asmita und Mamata. Du denkst: „Ich bin der physische Körper, bin mein Körper – das bin ich.“ Und natürlich – sowie du dich mit etwas identifizierst, brauchst du auch Bestätigung von außen. Wenn jemand sagt: „Wow, siehst du toll aus!“ oder „Du hast so eine schöne Gesichtsfarbe (oder Füße).“ oder „Du siehst 20 Jahr jünger aus“, dann freut man sich. Wenn jemand sagt: „Du hast schon ganz schön viele Falten gekriegt.“ oder „Deine Haare sind ganz schön grau geworden“, dann kann das was mit dir machen. Du brauchst und willst Bestätigung. Du hast natürlich auch Angst, dass dem Körper irgendetwas passiert aber nicht, wenn du weißt: „Ich bin nicht der Körper, er gehört mir nicht.“ Du hast diesen Körper als Leihgabe von unbestimmter Dauer. Du kannst dann einiges mit ihm tun und dafür sorgen, dass es ihm längere Zeit gut geht, aber du bist nicht der Körper.

Körper als Raumanzug

Den Raumanzug kannst du ablegen

Frage „Wer bin ich?“, erkenn dein Selbst und sei frei. Du bist nicht der Körper, so wenig wie du deine Kleidung, dein Auto oder dein Fahrrad bist. Der Körper ist wie ein Raumanzug. Angenommen du wolltest auf den Mars gehen, oder man will eine Marskolonie errichten – dann könnte man Menschen einen Raumanzug geben, und mit dem könnten sie auf dem Mars leben. Vielleicht könnte er sogar so gut sein, dass man durch ihn Temperaturen spüren kann, dass man sehen und hören kann, vielleicht sogar Berührungen von anderen Menschen als angenehm empfinden kann. Vielleicht könnte man mit dem Raumanzug sogar eine Art Vorverdauung machen, so dass man Stoffe vom Mars essen kann, und dies wird dann umgewandelt in Stoffe, die du mit deinem Mund essen kannst. Angenommen du könntest diesen Raumanzug Tag und Nacht anhaben, dann würdest du wahrscheinlich denken „Ich bin der Raumanzug“, selbst wenn du intellektuell weißt, dass du nicht der Raumanzug bist.

Yogis sagen, dass dieser physische Körper wie ein Raumanzug ist. Du bekommst ihn mit der Empfängnis und mit der Geburt, er wächst weiter, du bist hier um Erfahrungen zu machen und Dinge zu bewirken. Und irgendwann, wenn deine Zeit abgeschlossen ist für die Mission auf dieser Welt, deine Raummission, dann verlässt du wieder diesen Raumanzug. Du hast eine Verantwortung für den Raumanzug. Es gilt, ihn gesund zu halten, ihm gesunde Nahrung zu geben, mit ihm Körperübungen zu machen und ihn pfleglich zu behandeln – aber sei dir bewusst: Irgendwann ist dieser Körper vorbei. Neti Neti – ich bin nicht dieser Körper.

Bin ich das Prana - Lebensenergie?

Im Yoga sprechen wir noch von weiteren Aspekten, die wir nicht sind, zum Beispiel das Prana, die Lebensenergie. „Bin ich das Prana?“ Wieder ist die Antwort: „Subjekt – Objekt“. Ich kann Prana, die Lebensenergie wahrnehmen. Wer regelmäßig Yogaübungen macht, spürt manchmal sein Herzchakra oder sein drittes Auge, manchmal die Wirbelsäule oder ein Kribbeln in den Händen, oder auch Wogen von Prana durch das ganze System. Jeder, egal ob er Yoga macht oder nicht spürt sich manchmal voller Energie, manchmal ist es unruhige Energie, und manchmal fühlt man sich auch ohne Energie. Energie kommt, Prana kommt, Pranaempfindung wird weniger, Prana wird unruhig – bin ich das Prana? Neti Neti – nicht dies, nicht dies.

Ich habe einen gewissen Einfluss auf das Prana. Ich kann Atemübungen und Affirmationen machen, kann Asanas üben und mich gesund ernähren. Ich kann mir Lichtvorstellungen machen, ich kann mich in die Umgebung von Menschen mit viel Prana begeben. Ich kann in einen mit Prana aufgeladenen Ashram gehen, um mich aufzuladen. Aber ich bin nicht das Prana. Neti Neti – Prana kommt, Prana vergeht.

Wenn wir uns zu sehr mit dem Prana identifizieren, kommt auch wieder Leiden. Es ist wie mit dem Körper: Wenn wir uns zu sehr mit dem Körper identifizieren, kommt Leiden. Der Körper ist mal mehr und mal weniger gesund, und langfristig wird er alt und irgendwann verfallen.

Bin ich die Emotionen?

Ich bin nicht die Emotion

Ich beobachte die Emotionen und kann sogar lokalisieren, wo ich sie fühle. Die meisten Menschen empfinden die Emotionen irgendwo zwischen Bauchnabel und Kehle, in einer Art Emotionssäule, die typischerweise 8-10 cm breit und 10 cm tief ist, in der Wahrnehmung ragt sie sogar vor das Brustbein, und dort spürt man Emotionen. So sehr die Menschen in ihren Emotionen drinstecken – wenn sie ihr Bewusstsein 20 cm neben dieser Emotionssäule sehen, dann ist diese Emotion nicht mehr. Ich bin nicht der Ärger und nicht die Angst, nicht der Enthusiasmus und nicht die Begeisterung. Emotionen kommen, Emotionen gehen. Ich habe auf sei einen gewissen Einfluss, aber sie kommen auch ohne meinen Einfluss. Ich kann sie beobachten, aber ich bin sie nicht.

Bin ich meine Persönlichkeit?

Hier wird es nochmals schwieriger. Menschen identifizieren sich heutzutage ganz besonders mit ihrer Persönlichkeit. Ich bin intellektuell, handwerklich, kreativ, künstlerisch … . Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe, ich bin genau. Im Ayurveda sagt man:

Oder jemand sagt gerne: „Das bin ich nicht, das ist nicht meins, das ist nicht mein Ding.“ Man könnte sagen „Stimmt! Vedantisch gesehen bist du nichts, nichts ist dein Ding, und dir gehört auch nichts.“ Aber Menschen machen das sehr selektiv. Vielleicht fordert das Schicksal irgendetwas, und der Mensch hadert damit, weil er denkt, dass ihm das nicht entspricht.

Fähigkeiten leben ohne Anhaftung

Wir haben eine Prakriti, eine gewisse Natur. Aber Menschen identifizieren sich damit, und sie identifizieren sich vor allem mit ihrem Selbstbild. Manche Menschen denken, sie haben bestimmte Fähigkeiten und andere nicht. Aber oft blockiert man das. Wir haben bestimmte Fähigkeiten und ein bestimmtes Temperament, mit dem wir auf die Welt gekommen sind. In der Kindheit, in der Jugend und auch als Erwachsener können wir diese kultivieren. Wir können uns damit identifizieren, und wir können uns mit unserem Selbstbild identifizieren. Damit beschränken wir uns, und oft führt es zu Leid, denn wir brauchen Bestätigung dafür.

  • Angenommen, du identifizierst dich mit deiner Musikalität, und jemand macht die ein Kompliment dafür, wie schön du gerade gesungen oder ein Instrument gespielt hast – dann fühlst du dich sehr gut. Aber wehe, jemand sagt dass du schon mal schöner gesungen hast – dann wird es schwierig.
  • Angenommen, du bist Yogalehrerin und identifizierst dich mit deinem einfühlsamen Yogaunterricht. Dann sagt jemand: „Das war total unsensibel.“ - das trifft dich dann ganz stark.
  • Angenommen du identifizierst dich mit deiner Musikalität und gibst einen Vortrag. Jemand sagt: „Das war nicht so ganz logisch, was du gesagt hast.“ - das macht dir nichts aus. Aber wenn du dich mit deiner Logik identifizierst und mit deiner Fähigkeit, Zusammenhänge gut zu verstehen, und dann sagt dir jemand: „Du warst heute total durcheinander, das war total unlogisch.“ - das trifft dich ins Herz.

Du kannst jetzt kurz überlegen, womit du dich identifizierst. Sei dir bewusst:

  • Ich bin nicht meine Fähigkeiten,
  • ich bin nicht mein Temperament.
  • Ich bin weder Vata noch Pitta noch Kapha.
  • Ich bin weder handwerklich noch intellektuell noch musikalisch noch kreativ.
  • Ich bin weder spontan noch systematisch.
  • Ich bin weder gewissenhaft noch kreativ.
  • Ich bin das unsterbliche Selbst.

Ich habe Eigenschaften, die Psyche hat Eigenschaften, und diese Eigenschaften kann ich auch weiter kultivieren. Ich habe auch noch mehr Eigenschaften als ich denke.

Beispielgeschichte von Sukadev

Computer sind nützlich

An dieser Stelle eine kleine Geschichte aus meinem persönlichen Leben: Als Jugendlicher dachte ich, dass ich ein einfühlsamer Mensch bin und geisteswissenschaftlich orientiert. Ich war interessiert an Poesie und Philosophie, an Menschen, an Literatur und Geistesgeschichte usw. In Mathematik, Physik und Biologie war ich in der Schule zwar auch nicht schlecht, aber ich dachte, dass dies nicht mein Ding ist.

In meiner Jugendzeit kamen dann Computer gerade auf. Ich besuchte einen Informatik-Arbeitskreis und stellte fest: „Das ist nicht mein Ding, mit Computern hab ich nichts zu tun.“ In meinem Betriebswirtschaftsstudium habe ich mich dann durchgeschmuggelt – es gelang mir, nicht ein einziges Mal einen Computer zu berühren, das war damals schon nicht so ganz normal.

Dann war ich in einem Yogazentrum bei meinem Meister Swami Vishnu Devananda, war mit 22 Jahren in Amerika als Leiter eines Yogazentrums in Los Angeles, und dort gab es einen Computer. Ich fand das ganz grässlich. Ich schrieb einen Brief an Swami Vishnu und meinte, dass in einem Yogazentrum Computer nicht zu suchen hätten, man sollte sie nicht anschaffen. Er schrieb mir zurück, damals 1985 gab es noch Briefe, keine e-mails: „Learn to love it! - Lerne, es zu lieben!“ Das hat mich erst einmal getroffen, aber der Guru hatte gesprochen, also überlegte ich, wie ich Computer lieben lernen könnte.

Ich überlegte: „Ich mag keine technischen Sachen, solche Kisten die flackern und komische Geräusche von sich geben. Aber ich liebe Menschen.“ Also besorgte ich mir ein paar Biographien über Menschen, die die Computer entwickelt haben und habe versucht, Analogien zwischen dem Computer und dem menschlichen Geist zu sehen und zu verstehen.

Dann ernannte mich Swami Vishnu-devananda zum Computerfachmann. Ich sollte Computer in den einzelnen Zentren installieren und Menschen zu ihrer Benutzung anleiten. Und ich stellte fest, dass ich dafür Talent hatte. Ich war gut darin, die Computer einzurichten, Festplatten ein- und auszubauen, Monitore anzuschließen, die richtigen Menschen zu schulen, und auch die Grundprogrammierung der Computer hat mir richtig Spaß gemacht. Ein paar Jahre zuvor hätte ich gedacht: „Computer ist nicht mein Ding.“ Ich hatte ein konkretes Bild von meinen Fähigkeiten, hatte eine konkrete Identifikation. Und wenn mir Swami Vishnu nicht mein technisches Verständnis aufgezeigt hätte, würdest du mich vermutlich jetzt gar nicht anhören. Diese Fähigkeiten, die ich dort entwickelt habe, wurden auch sehr hilfreich dafür, dass ich Yoga, Vedanta und Jnana-Yoga auch auf diese Weise, also über das Internet, weitergebe.

Wer bin ich?

So sei dir bewusst: Du bist nicht deine Fähigkeiten, du bist nicht dein Temperament. Du hast ein Bild von deinen Fähigkeiten und von deinem Temperament, aber in dir schlummert noch viel mehr. Wann immer du dich sagen hörst: „Das ist nicht mein Ding, das ist nicht meins“, dann halte einen Moment inne und sage: „Nichts ist mein Ding, nichts ist meins.“ Aber überlege auch: „Gibt es vielleicht in mir Fähigkeiten und Talente, die dort zum Vorschein kommen wollen, vielleicht durch diese Situation gerade ausgelöst? Gibt es etwas, woran ich arbeiten könnte oder sollte?“ Identifiziere dich also nicht mit deinem Temperament.

Es bleibt die Frage: „Wer bin ich? Wer bist du?“

  • Nicht dein Besitz
  • Nicht die Menschen, mit denen du zusammen bist
  • Nicht die Beziehungen
  • Nicht der Körper
  • Nicht die Psyche
  • Nicht das Prana
  • Nicht die Emotionen
  • Nicht deine Fähigkeiten
  • Nicht dein Temperament
  • Nicht deine Persönlichkeit
  • Nicht dein astrologisches Horoskop
Es bleibt nur noch eines übrig: Ich selbst. Yogis würden sagen: „Dieses Ich existiert. Dieses Ich ist bewusst. Dieses Ich ist Ananda, Freude.“ 

Zu den beiden ersten Punkten kann man klar sagen: Es muss ein Ich geben, es muss existieren. Descartes wird ja als einer der Begründer der materialistischen Wissenschaft angesehen, aber sein Ursprung war ein rein philosophischer. Er stellte in seinem Werk „Meditationes“ diese Frage: „Wovon kann ich sicher ausgehen?“ Seine Antwort: „Ich kann von nichts sicher ausgehen, weil alles eine Illusion sein kann. Nur eines weiß ich: Es muss jemanden geben.“ So begründet sich sein berühmter Satz: „Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich.“ Wenn ich fragen kann „Wer bin ich?“ muss es jemanden geben, der fragt, also bin ich. Ich bin.

Dieses Ich muss notwendigerweise unbegrenzt sein, denn wenn es sagen würde: „Ich habe eine bestimmte Grenze", dann kann man die Grenze wahrnehmen, und dann wäre das Ich etwas anderes als die Grenze. Du kannst also nicht begrenzt sein, und deshalb sagen die Yogis:

  • Deine wahre Natur ist Sat (Sein), und zwar unbegrenztes Sein. Du kannst nicht begrenzt sein und die Grenzen wahrnehmen, denn wenn die Grenzen von dir wahrnehmbar sind, dann bist du nicht die Grenzen.
  • Das zweite, was man sicher weiß, ist Chit, Bewusstsein. Manchmal heißt Chit auch Wissen, aber hier heißt es Bewusstsein. Du bist bewusst. Du existierst nicht einfach nur, sondern du existierst als Bewusstsein an sich. Ich bin.
  • Und schließlich gibt es die Aussage, dass deine wahre Natur Ananda ist. Ananda heißt Freude.

In welcher Hinsicht ist Ananda Freude? Wenn du ganz bei dir bist, dich nicht identifizierst, es gibt bestimmte Phasen, da fühlst du dich ganz bei dir, dann ist dies eine freudevolle Erfahrung. Von daher bist du nicht nur kaltes Sein oder kaltes Bewusstsein, sondern du bist Freude.

Du bist Bewusstsein und du bist Freude – Satchitananda.

Video - Atma Anatma Viveka

Viveka Chudamani - Die Unterscheidung zwischen Selbst und Nichtselbst

Wer bin ich?

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 71 von Sukadev Bretz -

Jetzt sage ich dir genau, was du wissen musst: die Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht- Selbst (atma–anatma-vivecana). Höre zu und denke im Geist darüber nach!

Die vier Vivekas

Nach diesen 70 vorbereitenden Versen kündigt der Meister jetzt an: Jetzt will ich dich zu etwas ganz essenziellem führen. Zu Viveka, zwischen Selbst und Nichtselbst. Atma - Anatma - Viveka.

Es gibt vier wichtige Vivekas, die Shankara erwähnt. Und die auch schon im Yoga Sutra erwähnt werden.

  • Es gibt die Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst: Atma - Anatma.
  • Die Unterscheidung zwischen Warm, Glück und vergänglicher Freude: Ananda - Sukha - Viveka auch manchmal als Sukha - Sukha Viveka bezeichnet.

Wer bin ich?

Sat - Asat – Viveka, auch manchmal als „Satya-Mithya-Viveka“ bezeichnet.

Gut, jetzt will er also über die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst sprechen. Du kannst selbst schon mal darüber nachdenken. Du hast ja vermutlich schon Vedanta gehört, sonst würdest du diesem Vortrag bestimmt jetzt nicht zuhören.

Frage dich: Wer bin ich? Und wer bin ich nicht? Vielleicht wird das das Thema deiner Meditation sein. Oder auch während den Asanas und dem Pranayama. Während du in einer Asana bist, überlege: Wer bin ich? Überlege: Was ist meine wahre Natur? Überlege: Was bin ich nicht?

Das was du beobachten kannst, bist du nicht! Der Beobachtende - das bist du!

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Jnana Yoga, Philosophie

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