Philosophie

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Philosophie ist die menschliche Bestrebung, die Natur des Universums und den Sinn des Lebens zu verstehen. Damit man sich der Philosophie zuwenden kann, ist es wichtig, dass eine stabile Gesellschaft vorhanden ist, in der Menschen nicht darauf angewiesen sind, für ihre Existenz zu kämpfen. Indien ist mit einem guten Klima, fruchtbarem Boden, dem Schutz des Himalaya und ergiebiger Regensaison gesegnet.

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In vielen Regionen der Welt ist das nachdenken über die Natur des Seins ein Lebensluxus. Hingegen spielt Philosophie eine wichtige Rolle in der indischen Gesellschaft als Basis für alle Künste und Wissenschaften. Indischer Auffassung nach ist das Universum dynamisch und transformiert sich selbst andauernd. Diese Weltsicht unterscheidet sich ziemlich von der Einstellung der westlichen Wissenschaft, die die Realität „einfrieren“ möchte.

Sichtweisen der indischen Philosophie:

  • Die indischen Philosophie geht davon aus, dass es eine Herzensverbindung zwischen den menschlichen und und den göttlichen Welten gibt. Gott ist kein Tyrann, der im Himmel sitzt und dich für deine Sünden bestrafft. Dein Karma (dein eigenes Handeln) setzt die Reaktion an, die du selbst hervorrufst.
  • Die indische Philosophie akzeptiert die Einstellung, dass das, was der Gedanke aufdeckt, nicht der Wirklichkeit entgegengesetzt ist, sondern ein Teil von ihr ist. Die Realität kann über die Intuition erfasst werden. Die subjektive „Wahrheit“ ist genauso wichtig wie die objektive Wahrheit. Es ist allgemein akzeptiert, dass die Wahrheit viele Seiten haben kann, und auch Widersprüchlichkeiten werden bereitwillig angenommen.
  • Jeder von uns ist in seinem Innersten rein – und kann nie unrein werden. Obgleich du dich mit bestimmten negativen Eigenschaften identifizieren kannst, bleibt deine essenzielle Natur rein. Eine Analogie dazu ist das Wasser, das erscheinen kann, nur scheinbar verschmutzt ist, aber tatsächlich trägt das Wasser Unreinheiten mit sich.

Indische Schriften sind oft so geschrieben, das sie nur sehr schwer verstanden werden können. Der allgemeine Konsens ist, dass der beste Weg, sie zu verstehen, über die Erklärung eines Lehrers stattfindet. Yoga Vidya bietet viele ausgezeichnete Kurse der indischen Philosophie und verschiedener Schriften an. (Artikel von Swami Saradananda)

Die Philosophie von Bhakti

Artikel von Swami Sivananda

Bhakti ist Hingabe und selbstlose Liebe, so die wörtliche Bedeutung. Das Wort entstammt der Sanskrit Wurzel ‘Bhaj’ - dienen, verehren - Bhaj Sevayam. Bhakti ist daher eine intensive Verbindung zu Gott, beziehungsweise ein tiefes Verlangen nach Gott und allem was mit Gott zusammenhängt.

Allen Wesen ist die Liebe zu äußeren Objekten eigen. Wir können nichts lieben oder schätzen was in unseren Herzen ist. Doch nur das Absolute allein ist wirklich. Der Mensch fühlt sich durch sein Ichbewusstsein (Ego) nur scheinbar vom Absoluten getrennt. Liebe für äußere Dinge ist ein unbewusster innerer Drang, um mit ‚Allem‘ verbunden zu sein. In Wahrheit ist der Mensch ‚Alles‘, das Absolute selbst. Und er will ‚Alles‘. Liebe ist der Vorbote der Erkenntnis. Liebe ist Sehnsucht. Erkenntnis ist die Erfüllung der Sehnsucht. Niemand kann ohne Liebe für etwas sein, denn ‚Nach außen bohrte der Schöpfer die Höhlungen, darum sieht man nach außen, nicht nach innen.‘ (Katha Upanishad 2.1). Dies gilt für alle hier auf Erden. Der Geist ist der wichtigste Sinn der Wahrnehmung, denn es ist nur der Geist, der durch die verschiedenen Kanäle der Sinne erkennt. Die Sinne tun nichts ohne den Geist.

Doch wir sind Narren, wenn wir unseren Geist im außen frei herumschweifen lassen. Der zügellose Geist interessiert sich für unzählige Objekte im Universum, seien sie zu sehen oder zu hören. Yogis sind zu der Erkenntnis gelangt, dass der stetig auf einen Punkt gerichtete Geist zu einer übernatürlichen Kraft werden kann. Es sind die durch eine Linse gebündelten Strahlen der Sonne, die das Objekt auf das sie gerichtet werden, verbrennen. Auch der Geist muss auf ein Objekt gerichtet werden, egal auf welches. Der Geist soll nicht von einem Objekt zum anderen springen, denn so verbleiben wir in Samsara (Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt), was es durch die Einpünktigkeit des Geistes zu vermeiden gilt.

Der Mensch kann seinen Geist auf alles konzentrieren, in der Regel sind das seine Frau und seine Kinder. Doch das ist nicht die Form der Konzentration oder Liebe, von der wir hier sprechen. Meditation auf ein Objekt oder Liebe zu einem Objekt der weltlichen Freuden fesseln uns und ziehen den Jiva (die verkörperte Seele) in den Kreislauf von Geburt und Tod. Wir meinen hier Konzentration auf und Liebe zu Gott. Diese Liebe entspringt der Selbstlosigkeit und führt zur letztendlichen Befreiung.

Emotionen gelten generell als Hindernis auf dem Weg zur Befreiung. Doch sind es nur bestimmte Emotionen die uns binden, während andere den Jiva von den Fesseln befreien. Der Gedanke an Gott lässt keine Fessel entstehen. Er ist reine Emotion, frei von Fleischeslust und Anhaftung. Man kann zu Gott keine weltliche Bindung entwickeln. Der Gedanke an Gott und die Liebe zu Ihm erwecken die reinsten Emotionen und überwinden die üblen Emotionen, die den Menschen Tag und Nacht übermannen. Die, die nicht alle Emotionen stillen können, müssen zu reinen Emotionen gelangen. Das ist die Bedeutung der göttlichen Emotionen des Bhakti Weges. Die Liebe zu Gott kann nie von der Art sein wie die Liebe zu Frau, Kind oder Besitz. Bhaktas, für die es schwierig ist alle weltlichen Verbindungen abzubrechen, geben der Liebe zu Gott einen weltlichen Anstrich, indem sie zum Beispiel Sohn, Mann, Vater, Freund lieben.

Doch wie soll uns die Liebe zu Gott so Befreiung aus dem Samsara geben? Der Mensch ist eine auf sich selbst bezogene Einheit. Sein einziger Feind ist sein Ego. Er fühlt, dass er von allem in der Welt getrennt ist. Er ist überzeugt, dass er durch seinen physischen Körper scharf vom Universum abgegrenzt ist. Er ist sicher, nur dieser Körper zu sein, auch wenn er es auf verschiedenen Wegen zu dementieren versucht. Wenn er ‚Ich‘ sagt, deutet er grundsätzlich auf seine Brust und nicht auf den Baum dort drüben.

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Vielen bedauernswerten Vedantins ergeht es ebenso, sie erklären ‚Ich bin Brahman‘ und sind der Meinung, dass der Körper Brahman sei. Es ist schwierig, das ‚Ich‘ von der Vorstellung des Körpers zu trennen. Wenn jemand spricht ‚Ich bin Ramakrishna‘ meint er nur, dass der Körper Ramakrishna ist. Niemand kann sich von der Vorstellung befreien, dass der Körper das wahre Selbst sei. Der ideale Yoga Weg führt dazu, das Ego im Sinne von ‚getrennt sein‘ zu überwinden. Bhakti Yoga ist eine Methode, den Gedanken des Getrenntseins verlöschen zu lassen. Es hebt die Modifikationen des Geistes auf und erfüllt das Individuum mit allumfassendem Bewusstsein.

Ein Bhakta spricht: ‚Oh Herr, ich bin Dein, denn alles ist Dein. Taten stehen nicht in meiner Macht, allein dein Werkzeug bin ich, der Handelnde bist nur Du. Oh Herr, überall bist Du, keine Bewegung ist mir möglich, bist doch einzig Du mein Beweger. Ich kann nicht getrennt von Dir sein, sehe Dich in allem. Du erscheinst als Mann und Frau und als der Greis, der am Stock auf der Straße wankt. Du bist alles, ich kenne keine Unabhängigkeit, Dir bin ich untergeben und folge Deiner Bestimmung. Dein Wille geschehe.‘

Das ist die höchste Form der Liebe. Das ist göttliche Liebe. Das Ego kann sich nicht selbst bestätigen, denn Gott ist allgegenwärtig. Der Geist kann sich nicht an den Vrittis (Kontakt des Geistes mit den Objekten) der Sinnesobjekte ausrichten, denn er kennt kein Objekt außer Gott. Wer sollte geliebt oder nicht geliebt werden? Der Bhakta ist glückselig zu allen Zeiten, denn sein Geist ist ganz auf Gott gerichtet. ‚Yatra yatra mano yati tatra tatra samadhayah‘ – ‚Wo immer der Geist sich hinwendet, erfährt er Samadhi‘, denn er findet kein Objekt der Begierde. Gott füllt jeden Winkel des Raumes. Die Welt ist gekleidet in die Herrlichkeit Gottes.

Der Heilige und der Unhold, der Tugendhafte und der Lasterhafte, der Gute und der Böse, der Mensch und das Tier – alle sind Erscheinungen Gottes. Wie kann der Geist sie als nicht göttlich einstufen? Der Geist hat Bewusstsein, doch hat er kein Objekt. Das ist Samadhi. Samadhi ist gedankenloses Bewusstsein, objektloses Erkennen. Das ist Parabhakti. Das ist gleich der vedantischen Erkenntnis. Vedanta Sakshatkara (das Erkennen Gottes) und Parabhakti sind nur zwei Begriffe für dieselbe Sache. Beiden liegen das Überwinden des Egos und die Befriedung des Geistes zugrunde. Der Geist kann nicht ohne ein Objekt der Wahrnehmung sein. Gott, in Seiner allumfassenden Macht, Weisheit und Gnade, durchdringt das Universum und die Erde. Er ist Vater, Mutter, Bruder und Schwester. Gott ist die Vollendung aller Liebe und allen Bestrebens, aller Wünsche und allen Begehrens. Er ist der Stillstand aller mentalen Vrittis. Er ist die Vollendung, die es zu erreichen gilt.

Das objektive Bewusstsein erlischt, wenn es die Anwesenheit Gottes in allem spürt. Die Sinnesobjekte werden in göttliche Herrlichkeit gewandelt. Die Frau ist kein Objekt der Lust mehr und Geld ist kein Objekt der Begierde mehr. Alles ist Gott und nichts als Gott. Alles ist verehrenswert. Krishna spricht zu Uddhava: ‚Der Dummkopf, der Hund und der Chandala (Niederkastiger) sind zu ehren, denn ein jeder ist göttlich.‘ Dies entspricht der Aussage ‚Sarvam Khalvidam Brahma – alles ist wahrhaftig Gott‘. Da gibt es keinen Unterschied.

Die Darstellung der zwei Arten von Samadhi findet sich in der Rasalila (Spiel der Liebe) Krishnas. Als erstes erkennen die Gopis (Kuhhirtinnen), dass alles Krishna ist. Das entspricht Savikalpa Samadhi. Danach fühlen sie sich selbst als Krishna. Das entspricht Nirvikalpa Samadhi, das Ego ist überwunden. Das Srimad Bhagavatam ist die Bibel der Bhaktas. Es zeigt die verschiedenen Arten von Rasas (Verlangen nach Gott) auf und Wege, Bhakti zu entwickeln.

Bringe den Geist unter Kontrolle und überwinde das Ego. Das ist die Grundaussage aller Yoga Wege. Egal welchen Namen der Yoga hat, egal welche Methode er anwendet, das Ziel ist die Kontrolle des Geistes und das Überwinden des Egos. Das ist ebenso das Ziel von Bhakti Yoga, die süßeste und einfachste Methode. Man muss seine Emotionen nicht zügeln und man muss sich nicht in die Waldeinsamkeit zurückziehen. Man muss seine Emotionen lediglich auf Gott richten und Gott in allem sehen. Das ist die Grundlage von Bhakti Sadhana. Bhakti ist deshalb nur eine Reflektion der Liebe für das Selbst, so wie es die Upanishaden darlegen. Nur die Namen sind verschieden, einer nennt es Selbst, der andere nennt es Gott. Namen tun nichts zur Sache. Das Gefühl allein zählt. Und das ist dasselbe.

Selbsthingabe ist die höchste Form von Bhakti. Selbsthingabe ist das Aufgeben des Egos oder der Individualität. Was bleibt ist das Absolute der Vedantins. So besteht kein Unterschied zwischen Vedanta und der höchsten Form von Bhakti. Der Bhakta bringt sein Ego dar, der Vedantin löst es auf. Bei beiden ist das Ego nicht mehr existent. Die Ideale sind dieselben. Ob man Reis oder Weizen isst ist egal, es ist beides dasselbe. Beides dient dazu, den Hunger zu stillen. Zwischen beiden besteht keine Auseinandersetzung. Ob du Bhakti oder Vedanta folgst, das Ziel ist das Überwinden des Egos. Das ist die Wahrheit.

Es gibt zwei Arten von Bhaktas. Der einfache Bhakta fühlt, dass alles Gott ist, nur er selbst nicht. Er glaubt der einzige zu sein, der nicht Gott ist, alle anderen sind Gott. Das ist niedere Bhakti und die Anwesenheit des Egos behindert die letztendliche Erkenntnis. Der fortgeschrittene Bhakta fühlt, dass er selbst in Gott ist und er keine unabhängige Existenz ist. Sein Ego ist überwunden und das ist die Erkenntnis von Parabhakti oder Vedanta. Die Emotionen sind zur Ruhe gekommen, er ist zu einem stillen, wellenfreien Ozean geworden. Sein Geist ist ruhig und in die letztendliche Wahrheit eingegangen. Das ist die vollkommene Bhakti die große Bhaktas, wie die Gopis von Vrindavan und Gauranga Mahaprabhu, erfuhren.

Liebe zu Gott hat selbstlos zu sein. Keine weltlichen Beweggründe sollten hinter der Liebe zu Gott verborgen sein. Sonst ist sie nur eine Variante der Verblendung und Täuschung. Der Arta leidet und bittet Gott, ihn vom Leiden zu befreien. Der Jijnasu bittet Gott um spirituelles Wissen. Der Artharthi bittet Gott um weltlichen Reichtum. Sie sind selbstsüchtige Bhaktas. Sie erreichen nicht die höchste Frucht der Hingabe. Sie lassen sich von der Welt täuschen. Nur der Jnani ist ein wahrhaft selbstloser Bhakta, überflutet mit der Erhabenheit und Würde emotionaler Ruhe.

Der vollkommene Bhakta will nur Gott. Er spricht: ‚Oh Herr, Ich will nur Dich. Nichts weiter ersehne ich. Was kann ich noch erreichen, wenn ich Dich, den Urgrund allein Seins, erreicht habe?‘ Wer Weizen hat, hat Brot und alles was man aus Weizen herstellen kann. Wer Gold hat, hat allen Schmuck. Wer Gott erreicht hat, hat alles erreicht. Der Bhakta ist im Gottesbewusstsein aufgegangen. Er ist eingetaucht in den Ozean der Glückseligkeit, badet in Nektar. Er hat getrunken von der Quelle der Unsterblichkeit. Er ist ein Aptakama, ein Erfüllter, geworden, denn er hat Erfüllung in Gott gefunden.

Die heiligste Schrift der Bhaktas ist das Srimad Bhagavatam. Es enthält die großen Ideale der Entsagung, der Hingabe und der Weisheit, dargestellt in makelloser Vollkommenheit. Dieses Purana ist die Creme der Erbauungsliteratur der Hindus. Es ist der Schatz der Gottergebenen. Es ist ein Buch heiligen Wissens. Es ist ein Fürsprecher des Nichthandelns. Sri Krishna Chaitanya (Gauranga) soll dieses Werk als das wichtigste aller Indischen spirituellen Literatur eingestuft haben. Es ist wegweisend für das reine spirituelle Dharma, nicht für Artha (Wohlstand) und Kama (Begehren), sondern für Moksha allein. Es ist selbst für die eine Bereicherung, die es sich zum Ziel gemacht haben, nach seinen Mängeln zu suchen. Der gesamte Korpus des Werkes ist erfüllt mit der höchsten Darlegung von Bhakti, Vairagya und Jnana – Hingabe, Entsagung und Weisheit. Das Ideal der Entsagung, das Wissen von Rishabhadeva, Jadabharata und des Brahmanen von Avanti, die Hingabe von Dhruva, Prahlada und Ambarisha, die Weisheit von Narada, Kapila und, über allem stehend, das Leben von Bhagavan Sri Krishna und Seine unsterblichen Lehren an Seinen Schüler Uddhava formen den Kern des Srimad Bhagavatams.

Es ist ein schwerwiegender Fehler, Bhakti zu entstellen und zu kritisieren, denn der wahre Geist jeder Religion beinhaltet die Hingabe und Liebe zu Gott sowie die Einswerdung mit Ihm. Die höchste Auffassung von immer währender Glückseligkeit ist nicht nur das Verneigen und das Dienen, sondern das liebevolle Einswerden mit der Ewigkeit. Mit dem Schwerpunkt auf die wahre Hingabe als Methode zur Befreiung sollen Dienst und Liebe am Nächsten jedoch nicht auf taube Ohren stoßen, denn alles ist Gott. Wer seinen Nachbarn liebt, liebt Gott.

Der Bhakta identifiziert sich selbst mit allen Wesen dieser Welt. Für ihn ist das Universum die Manifestation Gottes, nicht weit entfernt von der advaitischen Erkenntnis. Wer wahrhaftig Gott liebt kann nicht vom Weg abkommen, kann nicht zugrunde gehen. Selbst der Unhold und der Sudra (unterste Kaste) werden emporgehoben in die großherzigen Höhen der Befreiung. Die Güte Gottes ist unbeschreiblich. Gott erhellt ihren Intellekt und nimmt sich ihrer an. Die Bhagavad Gita und das Bhagavatam sind Zeugen dieser Wirklichkeit. Der Bhakta wird von Gott geleitet und mit Weisheit erfüllt, um die höchste Glückseligkeit zu erlangen.

Die philosophischen Systeme

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 19 - 26.

Parallel mit diesen Fortbildungen der Vedalehre entstanden schon früh in Indien aus den in den Brahmanas und älteren Upanishaden enthaltenen Keimen nebeneinander eine ganze Reihe philosophischer Systeme, welche in mannigfacher, teils sich anlehnender, teils bekämpfender [Beziehung] zum Veda wie zueinander stehen, und in denen wir alle Schattierungen einer philosophischen Anschauung der Welt von dem krassen und zynischen Materialismus der Carvakas an bis hinauf zum orthodoxen Glauben an das Vedawort verfolgen können. Sechs unter ihnen wussten das Ansehen der Orthodoxie, d. h. der Vereinbarkeit ihrer Lehren mit dem Vedaglauben oder den Schein derselben zu erringen; die übrigen, unter ihnen der Buddhismus, galten für heterodox und ketzerisch. Die sechs orthodoxen Systeme (ein Name, auf welchen in vollem Sinne nur die beiden Mimansas machen können) sind folgende:

  • 1) Das Sankhyam des Kapila, dem Buddhismus, wie man annimmt, als Grundlage dienend, eine höchst geistvolle Theorie der Weltentfaltung zum Zwecke der Selbsterkenntnis und daraus folgenden Erlösung, welche jedoch bei einem nicht überwundenen Dualismus zwischen der sich entfaltenden Urmaterie (Prakriti, Pradhanam) und einer ursprünglichen Pluralität individueller Geister (Purusha) stehen bleibt.
  • 2) der Yoga des Patanjali, welcher, das Sankhya-System theistisch umdeutend, den Weg zu Weisen unternimmt, um zur Vereinigung mit Gott zu gelangen, indem er in vier Teilen 1. von der Kontemplation (Samadhi), 2. von den Mitteln zu ihrer Erreichung (Sadhanam), 3. von der dadurch erlangten Herrschaft über die Natur (Vibhuti), 4. von dem Zustand der Absolutheit (Kaivalyam) handelt.
  • 4) Das Vaisheshikam des Kanada, häufig (z. B. im Bhashaparicceda, in der Tarkabhasha) mit dem Nyaya zu einem Ganzen verwoben, welches eine Entstehung der Welt aus Atomen (Paramanu) lehrt und eine naturwissenschaftliche Klassifizierung des Seienden unter den sechs Kategorien der Substanz, Qualität, Aktion, Identität, Differenz und Inhärenz (Dravyam, Guna, Karman, Samanyam, Vishesha, Samavaya) unternimmt. Das allmähliche Heranwachsen und Erstarken dieser und anderer Systeme mochte die strengen Anhänger des Veda auch ihrerseits zu einer wissenschaftlichen, systematischen Forschung (Mimansa) über den Inhalt des Veda anregen, woraus
  • 5) die Karma Mimamsa, Purva Mimansa, gewöhnlich schlechthin "Mimansa" genannte Lehre des Jaimini, als ein System des Werkdienstes, welches die vom Veda gebotene Pflicht (Dharma) nebst der an sie geknüpften Vergeltung (Phalam) untersucht, und
  • 6) die Sharira Mimansa, Uttara Mimansa, meist nach ihrer Quelle "Vedanta" genannte Lehre des Badarayana hervorging, welche den Inhalt der Upanishaden zu einem theologisch-philosophischen System verknüpft.

Beide Mimamsas mögen gleichzeitig nebeneinander entstanden sein, sofern Jaimini und Badaryana sich wechselseitig oft zustimmend, oft bekämpfend zitieren, beide Systeme ergänzen sich in der Art, dass sie vereint die Gesamtheit der vedischen Theologie darstellen, wie denn insbesondere der Vedanta durchaus an dem Vergeltungssysteme der Karma Mimansa festhält (vgl. 2,3,42. 3,1,25. 3,2,9 und p. 1076,13), und beide stehen in einem durchgängigen, prinzipiellen Gegensatz, der seinen Grund im Veda selbst hat. Dieser nämlich zerfällt (wie Shankara ad Brih. p. 4 fg. ausführt) nach vedantischer Anschauung in zwei Teile, die eine tiefgehende Analogie mit dem Alten und Neuen Testamente zeigen, einem Werkteile (Karma Kanda), welcher die Mantras und Brahmanas im allgemeinen, und einem Erkenntnisteile (Jnana Kanda), welcher die Upanishaden und was zu ihnen gehört (z. B. das Agnirahasyam, Shatap. Br. X, worüber zu vergleichen 3,3,44-52, p. 943-952), befasst. Ersterer befiehlt die Werke, d. h. Opfer und sonstige Zeremonien, indem er, wie das Alte Testament, Lohn verheißt und Strafe androht, nur dass er zumeist, durch Verlegung derselben ins Jenseits, dem Konflikt mit der Erfahrung ausweicht; die Untersuchung dieser Verhältnisse, der religiösen Werke und des durch sie begründeten Verdienstes, welches als ein „neues Moment" (Aparvam) in den Komplex der eine jenseitige Vergeltung erheischenden Taten des Menschen tritt, macht den wesentlichen Inhalt der Karma Mimansa des Jaimini aus. Sie geht dem Vedanta nicht sowohl der Zeit, als der Ordnung nach vorher und wird von Shankara in seinem Kommentare zu den Vedanta Sutras häufig als „der erste Teil", „das erste Lehrbuch" zitiert (z. B. p. 848,6. 807,1. 919,9. 944,4. 931,3. 1011,12).

Im Übrigen ist, wie wir sehen werden (Kap. IV, 3), ihre Kenntnis nicht erforderlich zum Studium des Vedanta, welcher sich allein auf den Erkenntnisteil des Veda, d. h. auf die Upanishaden gründet. Zu diesen verhält sich das Werk des Badarayana wie die christliche Dogmatik zum Neuen Testament: Es untersucht ihre Lehren von Gott, der Welt, der Seele in ihren Ständen der Wanderung und der Erlösung, beseitigt scheinbare Widersprüche derselben, knüpft sie systematisch zusammen und ist vor allem bemüht, dieselben gegen Angriffe der Gegner zu verteidigen. Als solche gelten nicht nur die heterodoxen Philosophen, die Buddhisten (deren Lehre 2,2,18-32 nach ihren verschiedenen Formen geprüft und als eine Ausgeburt des Hasses gegen das Menschengeschlecht p. 581,2 gänzlich verworfen wird), die Jainas (2,2,33-36), die Pashupatas (2,2,37-41) und die Pancaratras (2,2,42-45), sondern auch die Anhänger der übrigen orthodoxen Systeme, wie sich denn Badarayana 2,1,11 prinzipiell gegen jede Möglichkeit ausspricht, die Wahrheit auf dem Wege der Reflexion (Tarka) zu ergründen. Das Nähere hierüber Kap. V, 2. — Für die Zeitbestimmung des Badarayana ist es wichtig, darauf zu achten, wie er die vier nichtvedischen Systeme behandelt; der Nyaya wird von Badarayana gar nicht erwähnt und nur von Shankara gelegentlich ein paar Mal (p. 67,6. 594,1), doch mit Anerkennung, zitiert, vielleicht, weil er zur Polemik keinen weiteren Anhalt bot (doch vgl. ad Brih. p. 801,8); der Yoga kommt, so viel uns bewusst (1,1,19 bedeutet das Wort etwas anderes), außer 4,2,21 (wo sich indessen „Yoginah" zunächst auf Bhag. G. 8,23 bezieht) nur noch 2,1,3 vor, wo er kurz mit der Bemerkung abgefertigt wird, dass das gegen das Sankhyam Gesagte auch von ihm gelte.

Die Vaisheshika-Lehre wird 2,2,11-17 widerlegt, mit der Bemerkung, dass man auf sie gar keine Rücksicht zu nehmen habe, weil doch keiner sie annehme (2,2,17: Aparigrahac Ca Atyantam Anapeksha), ein Beweis, dass zur Zeit, oder im Lande des Badarayana die Lehre Kanadas darnieder lag. Umgekehrt müssen wir aus der Art, wie er das Sankhyam behandelt, schließen, dass dieses (durch Autoritäten wie Manu und das Mahabaratam empfohlene) System zu seiner Zeit in hohem Ansehen stand. Bei jeder Gelegenheit kommt er auf dasselbe zurück, teils in längeren Ausführungen (wie 1,1,5-11. 1,4,1-13. 2,1,1-12. 2,2,1-10), teils in vereinzelten Hinweisungen (1,1,18. 1,2,19. 1,2,22. 1,3,3. 1,3,11. 1,4,28. 2,1,29. 2,3,51. 4,2,21), wobei zuweilen andere damit zusammengefasst werden (2,1,3 und 4,2,21 der Yoga, 2,1,29 und 2,3,51 das Vaisheshikam, 2,1,4-11 die Reflexionssysteme im allgemeinen), und wiederholt (1,4,28. 2,1,12) die Bemerkung gemacht wird, dass mit dem Sankhya-Systeme auch die übrigen alle besprochen seien. Bemerkenswert ist es, dass Badarayana keines der anderen Systeme (ausgenommen den Yoga 2,1,3 und die Yogins 4,2,21, welche dem Veda schon näher stehen) und keinen ihrer Urheber mit Namen nennt, ja auch es vermeidet, die üblichen Bezeichnungen für ihre Grundbegriffe in den Mund zu nehmen, wie er denn statt Pradhanam (Urmaterie der Sankhyas) vielmehr Smartam (1,2,19), Anumanam (1,1,18. 1,3,3), Einunzanikam (1,4,1) „das Überlieferte", „das Erschlossene" sagt, wohingegen Pradhanam bei ihm 3,3,11 das Brahman bedeutet.

Je mehr er aber beflissen ist, die Namen der Gegner der Vergessenheit anheimfallen zu lassen, um so häufiger nennt er, meist bei Erörterung kleiner Differenzen zwischen ihnen, die Lehrer der beiden Mimansa-Schulen. Als solche treten bei ihm auf: Badarayana (1,3,26. 1,3,33. 3,2,41. 3,4,1. 3,4,8. 3,4,19. 4,3,15. 4,4,7. 4,4,12), Jaimini (1,2,28. 1,2,31. 1,3,31. 1,4,18. 3,2,40. 3,4,2. 3,4,18. 3,4,40. 4,3,12. 4,4,5. 4,4,11), Badari (1,2,30. 3,1,11. 4,3,7. 4,4,10), Audulomi (1,4,21. 3,4,45. 4,4,6), Ashmarathya (1,2,29. 1,4,20), Kashakritsma (1,4,22), Karshnajini (3,1,9) und Atreya (3,4,44). — Es sind dies, bis auf zwei Ausnahmen (1,1,30. 1,3,35), überhaupt die einzigen Nomina Propria, die in den Satras des Badarayana vorkommen.

Als Erkenntnisquellen dienen unserm Autor die Shruti und, in zweiter Linie, zur Bestätigung und ohne bindende Kraft die Smriti, wobei er höchst seltsamerweise die Namen, welche in den andern Systemen zur Bezeichnung der natürlichen Erkenntnisquellen dienen, zu den seinigen umdeutet, so dass wiederholt bei ihm Pratyaksham (die Wahrnehmung) für SHruti und Anumanam (die Folgerung) für Smriti gesagt wird (1,3,28. 3,2,24. 4,4,20), und zwar, wie (Ankara p. 287,11 erklärt, weil letztere einer Erkenntnisbasis (Pramanyam) bedürfe, erstere hingegen nicht. Unter Shruti (Offenbarung, heilige Schrift) versteht Badarayana nicht nur die ältern Upanishaden, Brihadaranyaka, Chandogya, Kathaka, Kaushitaki (2,3,41), Aitareya (1,1,5), Taittiriya (1,1,15) u. a., sondern auch gewisse Upanishaden des Atharvaveda, wie besonders die häufig zitierten Mundaka und Prashna, ja sogar Produkte so späten Ursprungs wie die Shvetashvatara (1,1,11. 1,4,8. 2,3,22) und vielleicht gar die Jabala Upanishad (1,2,32. 4,1,3); auf eine unbekannte Upanishad des Atharvan bezieht sich 3,3,25.

Angemerkt zu werden verdient noch, dass das Sutram 2,3,43 auf einen Vers des Atharvaveda anspielt, der sich in der gedruckten Rezension desselben nicht vorfindet. Unter Smriti (Tradition) versteht unser Autor, nach Shankara, von dessen Erklärungen wir bei allen Zitaten völlig abhängig sind, das Sankhya- und Yoga-System (4,2,21), das Mahabharatam, besonders die Bhagavad Gita genannte Episode desselben, das Gesetzbuch des Manu und vielleicht noch anderes (vgl. 4,3,11). Daneben erscheint 3,4,43 das Herkommen (Acara; vgl. 3,4,3. 3,3,3). Als vollkommen bekannt werden die nach den Vedaschulen (Shakhas) verschiedenen Rezensionen desselben Shruti-Werkes erwähnt: So berücksichtigt Badarayana insbesondere die Übereinstimmung und Verschiedenheit in der Kanva- und Madhyandina-Rezension der Brihadaranyaka Upanishad (1,2,20 Ubhaye: 1,4,13 Asati Anne), wie denn das häufig vorkommende „Einige"(Eke) meist auf die Unterschiede der Vedaschulen sich bezieht (1,4,9. 3,2,2. 3,2,1 3. 4.1,17, und So Anye 3,3,27), zuweilen aber auch verschiedene Schriftstellen (4,2,13. 2,3,43) und Mimansa-Lehrer (3,4,15. 3.4.43) und einmal sogar (3,3,53) etwas ganz anderes, nämlich die Materialisten bedeutet.

Sein eigenes Werk zitiert unser Autor durch die Worte „Tad Ukta" (darüber ist gesprochen worden), durch welche er 1,3,21 auf 1,2,7, ferner 2.1,31 auf 2,1,27 und 3,3,8 auf 3,3,7 zurückweist, ebenso wie durch das gleichbedeutende „Tad Vyrakhyatam 1,4,17 auf 1,1,31. — Weiter dient aber dieselbe Formel „Tad uktam" häufig, um auf die Karma Sutras des Jaimini zu verweisen, so 3,3,33 (Jaim. 3,3,9), 3,4,42 (Jaim. I,3,8-9), 3,3,26; (p. 903,9: Dvadashalekshanyam, 3,3,43 (p. 942,5: Sankarshev 3,3,44 Tadapi (Jaim. 3,3,14), 3.3,50 fp. 951,3: Pratama Kandev, woraus man vielleicht schließen darf, dass die Werke des Jaimini und Badarayana, von denen ja auch jeder sowohl sich selbst als den andern mit Namen zitiert, von einem späteren Redaktor im Sinne eines einheitlichen Ganzen überarbeitet und mit den erwähnten und andern Zusätzen versehen worden seien.

Auf einen solchen würde der (nach Colebrooke M. E p. 352) neben Badarayana vorkommende Autorname Vyasa (der Ordner) vortrefflich passen, und derselbe könnte ganz wohl Vyasa, der Vater des Shuka, Lehrers des Gaudapada, Lehrers des Govinda, Lehrers des Shankara, und damit 200-300 Jahre älter als sein Kommentator Shankara sein (Windischmann, Sanc. p. 85), wiewohl Shankara unter Vyasa an allen Stellen, wo dieser Name vorkommt (p.313,9. 440,6. 690,11. 764,10 und Vedavyasa p. 298,5, vgl. Mahabh. XII, 7660), wohl nur den Redaktor des Mahabharatam versteht, während er den Autor der Sutras p. 1153,8 Bhagavan Badarayana Acharya nennt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Bhakti Yoga

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Jnana Yoga

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Seminare zum Thema indische Schriften

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