Gurmukhi Schrift

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Seite aus dem Guru Granth Sahib

Die Gurmukhi Schrift (ਗੁਰਮੁਖੀ ਲਿਪੀ, sprich: gurmukhī lipī, wörtlich etwa "aus dem Munde (Mukha) des Guru") dient zur Schreibung des Panjabi. Diese indo-arische Sprache wird in der historischen Region des Punjab gesprochen, der heute in Teilen Pakistans und im gleichnamigen indischen Bundesstaat Punjab liegt. Die Gurmukhi Schrift wird - neben Devanagari - außerdem in den indischen Bundesstaaten Haryana, Himachal Pradesh und Jammu geschrieben. In Pakistan wird zur Schreibung des Panjabi allerdings eine Shahmukhi genannte Variante der linksläufigen persischen Schrift verwendet.

Allgemeines

Die Gurmukhi Schrift ist wie die Devanagari Schrift und sämtliche anderen indischen Schriften eine Silbenschrift, die auf die sogenannte Brahmi Schrift zurückgeht. Gurmukhi hat sich aus der ebenfalls auf der Brahmi beruhenden Sharada genannten Schrift weiterentwickelt, die ursprünglich im Raum Kaschmir benutzt wurde.

Das Alphabet der Gurmukhi Schrift folgt im Gegensatz zu allen anderen indischen Schriften bzw. Alphabeten nur teilweise der traditionellen Anordnung der Vokale (Selbstlaute) und Konsonanten (Mitlaute) des Sanskrit Alphabets. Insbesondere die Vokale sind anders angeordnet. Darüber hinaus gibt es eine stärker ausgeprägte Abweichung zwischen Schreibung und Aussprache als in anderen indischen Schriften.

Das Gurmukhi Alphabet wird nach den Namen der beiden ersten Buchstaben bzw. "Vokalträger" Ura-Aira genannt (Gurmukhi: ਊੜਾ ਐੜਾ, IAST: ūṛā aiṛā, IPA: [uːɽaː ɛːɽaː]). Die heutige Form der Gurmukhi Schrift geht auf den zweiten Guru der Sikhs, Guru Angad Dev, zurück, der im 16. Jahrhundert lebte.

Vokale

Von allen Vokalen (mit Ausnahme der beiden Diphthonge ai und au) gibt es eine kurze und eine lange Variante. Es fehlen das silbische (ऋ sprich: ri) und (ऌ sprich: li). Die Vokale e und o werden, je nach Lautumfeld, unterschiedlich ausgesprochen. Die Reihenfolge der Vokale lautet, abweichend vom Sanskrit Alphabet, wie folgt:

u ū o a ā ai au i ī e bzw. ਉ ਊ ਓ ਅ ਆ ਐ ਔ ਇ ਈ ਏ

Die Länge des Vokals wird in der wissenschaftlichen Transliteration (IAST) durch einen waagerechten Strich über dem Vokal gekennzeichnet. Je nach lautlichem Umfeld werden einige Vokale unterschiedlich ausgesprochen. Diese Allophon genannten Aussprachevarianten sind in der folgenden Tabelle gemäß dem Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) dargestellt. Diese Vokalzeichen werden insbesondere am Wortanfang benutzt. In Verbindung mit einem vorangehenden Konsonanten gibt es eigene Vokalzeichen (s.u.)

Vokal Transliteration Aussprache Aussprache gemäß IPA
u kurz wie in Ruck [ʊ]
ū lang wie in Blume [uː]
o kurz wie in Gott oder lang wie in Rose [ɔ], [o:]
a wie in engl. sober* [ə]
ā lang wie in Saal [aː]
ai kurz wie in Messe oder lang wie in Säge [ɛ], [ɛ:]
au kurz wie in Gott oder lang wie in Rose [ɔ], [o:]
i kurz wie in Sinn [ɪ]
ī lang wie in Liebe [iː]
e kurz wie in M'esse oder lang wie in Reh [ɛ], [e:]

*Anmerkung: Das kurze a des Panjabi (IPA [ə]), unterscheidet sich in seiner Lautqualität vom langen, offenen ā (IPA [a:]) auch dadurch, dass es geschlossener ist und somit dunkler klingt. Dieser Laut ist eine Mischung aus kurzem a und kurzem ö und wird als Schwa bezeichnet.

Konsonanten

Die Konsonanten der Gurmukhi Schrift folgen mit geringen Abweichungen der phonetischen Anordnung des Sanskrit Alphabets gemäß der Artikulationsstelle in sogenannte Klassen (Varga). Die entsprechenden Aussprachemöglichkeiten erscheinen in der folgenden Tabelle wiederum gemäß dem Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA). Eine Besonderheit der Anordnung der Konsonanten ist das Voranstellen von s und ɦ, die am Schluss des Sanskrit Alphabet stehen.

Aussprachebesonderheiten

Eine Besonderheit der Aussprache der stimmhaften, behauchten (aspirierten) Verschlusslaute gh, jh, ḍh, dh und bh ist deren Realisation als der entsprechende stimmhafte, unbehauchte Konsonant dieser Gruppe (Varga), also als g, j, , d und b. Am Wortanfang wird der entsprechende stimmhafte, behauchte Konsonant als stimmloser, unbehauchter Konsonant ausgesprochen, d.h. er verliert zusätzlich zur Aspiration auch seine Stimmhaftigkeit und wird entsprechend zu k, c, , t und p.

Konsonant Transliteration Aussprache Aussprache gemäß IPA und Varianten (Allophone)
s wie in engl. sit (stets stimmlos, nicht wie in dt. Sonne) [s]
h wie in Hand, aber stimmhaft [ɦ]
k wie in span. casa [k]
kh wie in Kamm oder Back-haus [kʰ]
g wie in Gasse [g]
gh wie in Gasse oder span. casa [g], [k]
wie in lang [ŋ]
c wie in engl. chip [t͡ʃ]
ch wie in Matsch-hose [t͡ʃʰ]
j wie in engl. gin [d͡ʒ]
jh wie in engl. gin oder engl. chip [d͡ʒ], [t͡ʃ]
ñ wie in frz. Champagner [ɲ]
wie in frz. tasse bzw. Dach (aber mit zurückgebogener Zunge) [ʈ]
ṭh wie in Tal oder Zucht-hengst (aber mit zurückgebogener Zunge) [ʈʰ]
wie in Dach (aber mit zurückgebogener Zunge) [ɖ]
ḍh wie in Dach oder frz. tasse bzw. Dach (aber mit zurückgebogener Zunge) [ɖ], [ʈ]
wie in Nacht (aber mit zurückgebogener Zunge) [ɳ]
t wie in frz. tasse [t̪]
th wie in Tal oder Zucht-hengst [t̪ʰ]
d wie in Dach [d̪]
dh wie in Dach oder frz. tasse [d̪], [t̪]
n wie in Nacht [n̪]
p wie in frz. parc [p]
ph wie in Paul oder Schlapp-hut [pʰ]
b wie in Ball [b]
bh wie in Ball oder frz. parc [b], [p]
m wie in Maus [m]
y wie in Jammer [j]
r wie in Rast (einmal gerollter Zungenschlag) [ɾ]
l wie in Lamm [l]
v wie in Wasser [ʋ]
wie in Rast (einmal gerollter Zungenschlag an den Zahndamm) [ɽ]

Nukta-Formen

Zur Schreibung von Fremd- und Lehnwörtern, insbesondere aus dem Persischen und Englischen, gibt es in der Gurmukhi Schrift noch die folgenden sechs, durch einen Punkt modifizierten Konsonantenzeichen, die auch als "Nukta"-Formen (arab.: "Punkt") bezeichnet werden:

Konsonant Transliteration Aussprache Aussprache gemäß IPA
ਸ਼ ś stimmlos wie in Schimmer [ʃ]
ਖ਼ kh stimmlos wie in Dach [x]
ਗ਼ g stimmhaft wie in griech. γάλα [ɣ]
ਜ਼ j stimmhaft wie in Sonne [z]
ਫ਼ ph stimmlos wie in F [f]
ਲ਼ stimmhaft wie in Lamm (aber mit zurückgebogener Zunge) [ɭ]

Ligaturen

Ligaturen sind Verbindungen von zwei oder mehr Konsonanten ohne dazwischenliegenden Vokal, bei denen die graphische Form der einzelnen Konsonanten ganz oder teilweise modifiziert wird. In der Gurmukhi Schrift gibt es nur noch wenige echte Ligaturen, sie werden in modernen Texten zunehmend durch einfaches Hintereinandersetzen der jeweiligen Konsonanten ersetzt. Üblich sind noch folgende Verbindungen:

  • Konsonant + ya (ਯ)
  • Konsonant + ra (ਰ)
  • Konsonant + va (ਵ)

Beispiele

  • k (ਕ) + ya (ਯ) ergibt kya (ਕ੍ਯ), in vereinfachter Schreibung ਕਯ
  • k (ਕ ) + ra (ਰ) ergibt kra (ਕ੍ਰ), in vereinfachter Schreibung ਕਰ
  • k (ਕ ) + va (ਵ) ergibt kva (ਕ੍ਵ), in vereinfachter Schreibung ਕਵ

In der Aussprache wird eine Ligatur bzw. Konsonantenfolge häufig wieder aufgelöst, indem ein kurzes, dunkles a (IPA: [ə]) eingeschoben wird:

  • ਕ੍ਯ (kya) wird wie ਕਯ (IAST: kaya, IPA: [kəjə]) gesprochen
  • ਕ੍ਰ (kra) wird wie ਕਰ (IAST: kara, IPA: [kəɾə]) gesprochen
  • ਕ੍ਵ (kva) wird wie ਕਵ (IAST: kava, IPA: [kəʋə]) gesprochen

Das aus dem Sanskrit stammende Wort trāsa (Trasa) "Angst" kann demnach mit oder ohne Ligatur geschrieben werden: ਤ੍ਰਾਸ (trāsa) bzw. ਤਰਾਸ (tarāsa), die Aussprache lautet in beiden Fällen [t̪əɾa:s]. Ein kurzes a bzw. [ə] am Wortende wird im Panjabi, analog zum Hindi oder Marathi, nicht gesprochen.

Verknüpfung von Konsonant und Vokal

In Verbindung mit einem vorangehenden Konsonanten wird der Vokal nicht in seiner isolierten Form (s.o.) geschrieben, sondern es werden hierfür eigene Vokalzeichen verwendet, die mit dem Konsonanten eine Silbe (Akshara) ergeben. Ein kurzes a bzw. [ə] wird überhaupt nicht geschrieben, es ist vielmehr dem jeweiligen Konsonantenzeichen inhärent. Dieses a wird durch die Vokalzeichen zu ā, i usw. modifiziert:

ਕ ka (k + a); ਕਾ kā (k + ā); ਕਿ ki (k + i); ਕੀ kī (k + ī); ਕੁ ku (k + u); ਕੂ kū (k + ū); ਕੇ ke (k + e); ਕੈ kai (k + ai); ਕੋ ko (k + o); ਕੌ kau (k + au)

Beispiele

Guru Nanak mit Hindu-Heiligen, 1828-1830
  • ਗੁਰਮੁਖੀ ਲਿਪੀ (IAST:) guramukhī lipī, (Aussprache nach IPA:) [gʊɾmʊkʰi: lɪpi:] "Gurmukhi Schrift"
  • ਪੰਜਾਬੀ ਭਾਸ਼ਾ (IAST:) paṃjābī (pañjābī) bhāśā, (IPA:) [pəɲd͡ʒa:bi: pa:ʃa:] "die Sprache Panjabi"
  • ਗੁਰੂ ਗ੍ਰੰਥ ਸਾਹਿਬ (IAST:) gurū graṃth (granth) sāhib, (IPA:) [gʊɾu: g(ə)ɾən̪t̪ʰ sa:ɦɪb] "der Guru Granth Sahib", das heilige Buch der Sikhs
  • ਗੁਰੂ ਨਾਨਕ ਦੇਵ (IAST:) gurū nānak dev, (IPA:) [gʊɾu: n̪a:n̪ək d̪ɛ:ʋ] "Guru Nanak" (1469 – 1539), der erste der 10 Gurus der Sikhs

Weitere Zeichen

In der Gurmukhi Schrift gibt es noch drei weitere Zusatzzeichen, die jeweils oberhalb eines Silbenzeichens stehen:

Tippi und Bindi

Tippi ( ੰ ) und Bindi ( ਂ ) können beide die Nasalierung von Vokalen bezeichnen (wie [ɑ̃] im Französischen), oder sie stehen für den sogenannten Klassennasal, d.h. die Ausprache des entsprechenden Nasals richtet sich nach der Artikulationsstelle des folgenden Konsonanten. Im Zusammenhang mit der Nasalierung eines Vokals steht Tippi in der Regel über kurzen Vokalen und Bindi über langen Vokalen.

Adhak

Adhak ( ੱ ) bedeutet, dass der folgende Konsonant lang gesprochen wird (wie bspw. in ital. otto "acht"). Der entsprechende Konsonant wird in der Umschrift verdoppelt bzw. "geminiert".

Beispiele

  • Bindi steht für Nasalierung: ਨੌਂ (IAST:) nauṃ (IPA:) [nɔ̃] "neun"
  • Tippi steht für den Klassennasal: ਪੰਜ (IAST:) paṃj bzw.pañj (IPA:) [paɲd͡ʒ] "fünf"
  • Adhak steht für die Verdopplung des folgenden Konsonanten: ਸੱਤ (IAST:) satt (IPA:) [sət̪t̪] "sieben"

Die Zahlzeichen

In der Gurmukhi Schrift werden die folgenden Zahlzeichen verwendet, die sich nur geringfügig von denen der Devanagari unterscheiden:

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Weblink

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Siehe auch

Seminare

Indische Schriften

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Sanskrit und Devanagari

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Erlernen der Devanagari-Schrift zum korrekten Aussprechen der Mantras.

Dr. phil. Oliver Hahn