Vermählung

Aus Yogawiki
Die Vermählung des Jahrhunderts
von Sri Swami Venkatesananda

Er, der das Manifeste und das Nicht-Manifeste beides gemeinsam versteht, kreuzt den Tod durch das Nicht-Manifeste und erlangt das Leben für alle Ewigkeit durch das Manifeste. ISA UPANISHAD.

Wie kann Licht zu Dunkelheit führen?

Die indische Religion wurde oft beschuldigt, Schuld an der “Rückständigkeit” des Landes zu sein. Dies ist eine primitive politische Technik. Um die eigene Mitschuld in einem Verbrechen zu verschleiern, beschuldigt der Kriminelle lautstark das Opfer. “Es ist deine eigene Schuld.” Wenn Indien wahrhaftig religiös wäre, wäre es auch ökonomisch reich und würde das Goldene Zeitalter der kulturellen Vormachtstellung genießen. Die Religion in Indien hat niemals Faulheit toleriert.

“Du kannst nicht für einen einzigen Moment faulenzen,” erklärte Sri Krishna in der Bhagavad Gita.

Die Upanishaden befahlen der Menschheit ergiebige Nahrung (materiellen Reichtum) herzustellen. Die Smritis (moralischen Gesetze) verherrlichten das Leben des Haushaltsvorstandes, und hielten an der Gefährdung fest, dass wen ein Mann sterben sollte ohne einen Sohn zurückzulassen, müsste er eine Zeit in einer speziellen Hölle verbringen, und somit wurde es einem Mann verboten “die Familienlinie zu unterbrechen” Uns wurde erzählt, dass Indien Armut verherrlicht! Was für eine Lüge! Es ist so als würde ein Gelehrter des Orients in einem medizinischen Fachjournal lesen, das eine Person, welche an schwerwiegenden Darmerkrankungen leidet, nur Molke trinken sollte, und danach erklären würde, dass in diesem Land alle Menschen Essen ablehnen würden. Die Entsagung und Armut wurden nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen vorgeschrieben; ein Gottes-Suchender war natürlich nicht interessiert an weltlichem Reichtum. Gepaart mit diesem Faktum wurden diese Männer stark verehrt. Ignorante Menschen wandelten diese Verehrung in Armut um! Armut wurde dementsprechend als ein Symbol der Heiligkeit betrachtet – das Ideal für alle! Nicht nur viele ausländische Indologen waren kurzsichtig genug diese Feststellung zu treffen, aber auch viele Inder waren selbst an diesem gravierenden Irrtum schuld. All dies passte vortrefflich den politischen Eindringlingen und den bekehrenden Missionaren. Es besteht kaum Zweifel, dass in Indien die Religion und das spirituelle Wissen sehr geschätzt wurden. Damals haben sie nicht empfohlen, dass es den Ausschluss von allen materiellen Streben meinte, noch meinen wir das jetzt. Sie haben immer für eine gesunde Einheit und Synthese von diesen zwei plädiert. Sie haben immer dafür plädiert, dass das Licht der spirituellen Werte auch unseren Weg im materiellen Streben erleuchten soll.

Zuerst lasst uns selbst fragen: ”Sind die Menschen aus dem Orient rückständig? Wenn ja, auf welchen Wegen?” – Es war die Regel, dass der Eroberer die Moderne bestimmt hat. Das kältere europäische Klima zwang die Europäer Wollsocken und Lederschuhe zu tragen. Es wurde zu ihrer Gewohnheit. Als sie ins warme Südindien kamen, wurde ihre Bekleidung zur Mode, ein Symbol der Kultur; diejenigen, die dies nicht übernahmen, wurden zuerst ausgelacht und später verpönt. Mit der europäischen Kleidung wurde es schwierig auf den Boden zu sitzen, so wie es die indische Tradition war. Sessel und Tische zogen in “moderne” indische Heime. Sie waren ein Zeichen des Fortschritts. Ihr Fehlen war “Rückständigkeit”. Was für ein Blödsinn! Eine Person die auf den Boden hocken kann, kann auch Sessel und Sofas verwenden, aber jemand der Sessel und Sofas gewohnt ist, wird zu ihrem Sklaven und kann nicht mehr ohne sie sein. Derjenige, der barfuß geht, wird immun gegen Wetterumschwünge, jemand dessen Füße immer mit Socken und Schuhen bekleidet sind, “erwischt eine Erkältung”, wenn er ohne sie geht und leidet an Fußpilz, wenn er diese in warmen, feuchten Wetter trägt! Zeichen der Entwicklung! “Altmodisch! Ist vielleicht ein Synonym für “anpassungsfähig und abgehärtet”.

Es besteht kein Zweifel, dass der Westen industriell fortgeschrittener ist, aber ist ein nichtindustrialisiertes Land deswegen rückständig? Ist es eine anbetungswürdige Zivilisation, welche zwei katastrophale Weltkriege gekämpft hat? Wo wurden diese gekämpft und wer waren die Urheber dieser Kriege – der zivilisierte Westen oder der rückständige Osten? Kein rückständiger Orientale wurde eines Massakers im großen Stil verurteilt – und Hitler, der Millionen Menschen vergasen ließ, war kein Orientale. Diese Fakten verringern nicht die Wichtigkeit von materiellen Fortschritt, noch verstecken sie die Tatsache, dass, was auch immer der Grund sei, der Osten und Indien im speziellen, ein zu langes Schläfchen von ihrer dharmischen Wachsamkeit gemacht haben, aber das Ideal (und wer erfüllt nicht dieses Ideal?) ist eine balancierte Synthese von Materiellem und Seele, Wissenschaft und Religion, ausgedrückt in der folgenden Parabel:

Ein blinder Mann und ein gelähmter Mann saßen auf einer Straßenkreuzung und bettelten. In dieser Zeit der Schnelllebigkeit, wenn jeder dahinhetzt ohne daran zu denken warum, wer hat dann schon die Zeit oder die Neigung stehenzubleiben und eine Münze in eine Bettelschale zu werfen? Unglücklicherweise war es beiden nicht möglich ihren Gönnern nachzulaufen. Eines Tages sagte der gelähmte Mann zum Blinden: “ Bruder, bitte trage mich auf Deinen starken und mächtigen Schultern. Wir sollten diese Menschen verfolgen und etwas von Ihnen bekommen.” Der gelähmte Mann konnte nicht gehen, und der blinde Mann konnte nichts sehen. Aber jetzt führte der gelähmte Mann den blinden Mann, und der Letztere trug den Ersten. Ihr Problem war gelöst.''

Der wahrhaft religiöse Mann verachtet die wissenschaftliche Forschung und den Fortschritt nicht. Er ist nicht abgeneigt gegen materiellen Fortschritt, Maschinen und Fahrzeuge, wo diese nutzvoll sind, aber was die Religion anprangert ist das blinde Streben nach Materialismus, welches so gefährlich ist wie das Abenteuer eines blinden Mannes jemanden über die Straße nachzulaufen – er verursacht vielleicht einen großen Verkehrsunfall. Moderne Propheten aller Religionen rund um den Globus haben ihre Anschauung auf das Leben neu orientiert. Es gibt niemanden heute, der zu einer faulen und leeren Einbildungskraft und einer lähmenden, unpraktischen Einstellung zur Religion animiert. Alle wollen die Religion in Bedingungen des täglichen Lebens übersetzen. Mein eigener Meister, Swami Sivanada’s Maxime, war dazu "Diene, liebe, gib, reinige dich, meditiere und verwirkliche"! Dieses Jahrhundert, mit Gottes Willen, werden wir eine überwältigende Vereinigung sehen, die Vermählung dieser Zeit, die Hochzeit von Wissenschaft und Religion. So wie der blinde Mann, muss die Wissenschaft die Religion auf ihren Schultern tragen und von ihrer Vision geführt werden. Die kann einen unvorstellbaren Fortschritt in allen Bereichen der menschlichen Aktivität und Streben bewirken. Es wird die Wiederbelebung des wahren Spirits der alten Religionen sein.

Wir sprechen von den “alten Religionen”. Aldous Huxley nennt es “Die perennierende (beständige) Philosophie”. Sanatana Dharma ist ein anderer Name für dasselbe, obwohl diese edlen Sanskrit Bezeichnungen von einer stammesbewussten Religionssekte verwendet wurde, um ihre eigenen fest begründeten Interessen zu fördern. "Sanatana" heißt unsterblich und auch unsterblich machen. “Dharma” ist die gemeinsame Basis aller Religionen. Der detaillierte Bedeutungsumfang dieser zwei Wörter wird in “Sanatana Dharma” erklärt, einem wunderbaren Buch von seiner Heiligkeit Swami Bharati Krishna Tirtha. Er gibt folgende biblische Definition von dem Wort “Dharma”: “Das, was uns davor bewahrt zu fallen, indem wir uns selbst auf irgendeine Art oder durch Respekt von was auch immer ruinieren und das, was unser Wohlergehen, Entwicklung und allumfassende Hebung ausmacht.“ Natürlich, der Swami fährt fort dieses vom Wort “Religion”, welches er als “sehr klein und begrenzt” fühlt, zu unterscheiden. Wie auch immer, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes “Religion” ist “wieder an sich binden” – die Menschheit wieder zusammenzubinden durch das Band der Liebe und den Menschen wieder an den allgegenwärtigen Gott zu binden. Wenn der Westen von diesem Ideal abgekommen ist, so ist auch der Osten von Dharma weggeirrt. Korrekt interpretiert und verstanden, ist Dharma oder Religion demzufolge das Licht, welches es uns ermöglicht den anderen zur Kenntnis zu nehmen (zB. alle Lebewesen) und unsere Pflicht bei ihnen zu tun und auch das Verweilen der göttlichen Allgegenwärtigkeit bewusst zu werden und dieses zu realisieren. Dharma oder Religion besteht auf, vorausgesetzt dass die zwei gleichzeitig sind, die Offenbarung des Symbols des heiligen Kreuzes in welchem der waagrechte Balken die Gebote von Jesus repräsentiert - „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“. Und der senkrechte Balken das Gebot „Liebe deinen Gott, diese zwei sind zusammengeschweißt in dem einfachen Akt der Liebe seiner Allgegenwärtigkeit.“ Wenn, wie auch immer, einem, während der Übungsphase, der Vorzug gegeben werden muss, Religion oder Dharma fragt danach, ob derjenige zuerst sich selbst kennen soll oder ob er nach dem Königreich Gottes zuerst streben soll. Dieses Wissen ist das Licht, wie es war, in welchem es demjenigen möglich sein wird, sich selbst zu verstehen und die Welt in der korrekten Sicht. Deswegen war es der Herr, gemäß der heiligen Bibel, welcher das Licht zuerst kreierte vor allen anderen Lebewesen.

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